Donnerstag, 25. November 2021

Zwergar

Mag sein, dass ZWERGAR kein Kofferwort aus „Zwerg“ und „Ärger“ ist; das Spiel fühlt sich dennoch so an: Denn man kann andere ganz schön ärgern. Und man ärgert sich ganz schön, wenn man wiiieder laaange waaarten muuuss.

Wie geht ZWERGAR? Auch ZWERGAR ist eins von diesen Personaleinsatzspielen, bei denen wir Rohstoffe abbauen, um damit Dinge zu kaufen (hier: „Projekte“), die Punkte zählen und eventuell auch noch besondere Fähigkeiten mitbringen.
Zwei Mechanismen machen den Unterschied zu anderen Spielen dieser Art aus: 1. Wir agieren mit Figuren in drei verschiedenen Farben. Zwar kann prinzipiell jede jedes Feld aufsuchen, aber die Erträge sind unterschiedlich. Beispielsweise dürfen im „Labor des Alchemisten“ alle Figuren Rohstoffe tauschen, aber eine weiße Figur darf das häufiger tun, während die orangefarbene noch einen Bonus bekommt. Nur die violette kann hier nichts Außergewöhnliches, dafür aber an anderen Orten.

2. Unsere Rohstoffe holen wir aus einer Mine, und sie müssen mit einem Gemeinschaftsaufzug von unten nach oben transportiert werden. Die wertvollen Rohstoffe gibt es nur tief unten in der Mine; sie haben den längsten Weg. Außerdem bewegt sich der Aufzug nicht von selbst. Ihn in Bewegung zu setzen, kostet eine Aktion. Und man transportiert unweigerlich die Rohstoffe aller anderen Spieler:innen mit, was man eigentlich nicht will.
Wer am Zug ist, führt hintereinander drei Aktionen aus. Besetzte Einsatzfelder sind nicht besetzt. Im Gegenteil freue ich mich, dort eine Figur vorzufinden. Denn diese erhalte ich nun im Austausch gegen meine eingesetzte. Ziehe ich auf ein leeres Einsatzfeld, mache ich eine Figur Verlust. Je weniger Figuren ich besitze, desto geringer ist meine Farbauswahl. Und habe ich irgendwann gar keine Figur mehr, kostet es mich eine Aktion, mir wieder einen Notvorrat von zwei Figuren nehmen zu dürfen.


Was passiert? So interessant das Figurenfarben-Management auch ist: Es übt einen großen Optimierungsdruck aus. Es liegt klar auf der Hand, dass eine Aktion, bei der meine eingesetzte Farbe keinen Bonus bringt, nicht optimal sein kann. Also tüftele ich aus, dass ich mit der violetten Figur zuerst nach A gehen muss, mit der dort erhaltenen weißen Figur nach B und mit der dort erhaltenen violetten Figur nach C. Oder doch lieber D? Dann aber sollte die Figur orange sein, also müsste ich sie erst von E holen, aber nach E will ich gar nicht, außer ich hätte zuvor bei C …
Die Tüftelei betrifft aber nicht nur die Figuren: Zusätzlich zu den vier Rohstoffen gibt es noch die Währung Wärme, und weil sie am Ende der drei Aktionen ersatzlos verfällt, will man sie bis dahin möglichst komplett ausgenutzt und ausgegeben haben. Und als Wärmequellen gibt es Öfen. Es ist vorteilhaft, wenn am Zugende noch mindestens einer brennt, aber nicht alle. Das will man also auch hinkriegen.
Es sind somit sehr viele verschiedene Faktoren, die man in seinen drei Aktionen unter einen Hut bekommen will. ZWERGAR setzt Anreize, um neben dem generellen Ziel (mit den passenden Rohstoffkombinationen möglichst wertvolle Projekte zu kaufen) noch viele Nebenpläne miterledigen zu wollen. Weil man nie alles schafft, bleibt oft ein Gefühl der Unzufriedenheit. Und vor allem kann man ewig lange darüber nachdenken, wie man das Beste rausholt. Und wenn man es nicht perfekt hinkriegt, ob nicht wenigstens beinahe. Oder – Moment! – ob es vielleicht sogar doch klappen könnte, wenn man den weißen Zwerg nach D setzt, um dann ...


Was taugt es? Im Finale wird die Rechnerei noch intensiver, denn nun ist der Zeitpunkt, um auch die angesammelten Baustoffe möglichst perfekt in Projekte umzumünzen und im Bestfall nichts übrig zu behalten, das keine Punkte zählt. Dass lange nachgedacht wird, ist auch in vielen anderen Spielen so, und oft ist es eher das Problem der Runde und weniger des Spiels. Im Falle von ZWERGAR aber liegt es auch am Spiel. Die große Abhängigkeit von Details und die Notwendigkeit, immer drei sinnvoll aufeinander aufbauende Aktionen aneinander zu koppeln, verlangsamen das Spiel.
Viele Aspekte an ZWERGAR gefallen mir dennoch gut. Auch wenn wir uns keine Felder wegschnappen und die Interaktion nur indirekt ist, lassen sich einige fiese Zwänge konstruieren. Braucht die Konkurrenz neue Rohstoffe dringender als ich, kann ich darauf spekulieren, dass andere den Aufzug bedienen werden, und ich schaufele vielleicht sogar noch extra was drauf, damit sie sich noch mehr ärgern. Auf Einsatzfeldern darf ich Öfen installieren und profitiere nun jedes Mal, wenn jemand hier hinzieht. Und nicht zuletzt wirke ich durch die Figuren, die ich meinen Mitspieler:innen hinterlasse oder dem Spielplan entziehe, auf die Möglichkeiten der Konkurrenz ein.

Gut gefällt mir auch, dass nicht in jeder Partie dieselben Projekte enthalten sind, sondern verschiedene Sets die Ausrichtung variieren. ZWERGAR ist obendrein thematisch stimmig und hübsch illustriert. Nur die Symbolik könnte in mehreren Fällen klarer sein. Und so außergewöhnlich die kolorierten Natursteine als Rohstoffe auch sind: Wegen ihrer stark unterschiedlichen Größen lässt sich schlecht auf einen Blick erkennen, ob jemand nun vier, fünf oder gar sechs Steine besitzt.
In Summe gibt es an der Mechanik von ZWERGAR wenig zu beanstanden, doch das Spielgefühl ist zu wenig neu, um den Zeitaufwand einer Partie allzu häufig aufbringen zu wollen. In Summe also:


**** solide

ZWERGAR von Jan Madejski für zwei bis vier Spieler:innen, Granna.

2 Kommentare:

Der Siedler hat gesagt…

Wie hoch ist denn der Zeitaufwand einer Partie nach Deiner Erfahrung?

Udo Bartsch hat gesagt…

Das hängt von der Runde ab. Manche schaffen es in den angegebenen 120 Minuten, ich habe aber auch schon über drei Stunden an dem Spiel gesessen. Weil man nur zehn Mal dran ist und zwischendurch nicht allzu genau planen kann, werden lange Phasen mit Warten und Zuschauen verbracht.

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