Samstag, 10. Dezember 2022

Vor 20 Jahren (120): Wallenstein

Oh nein, jetzt gibt es diese Rubrik seit ZEHN Jahren! Und wenn ich mich offenbar schon vor zehn Jahren zu den Alten zählte, die glauben, es sei für die Jüngeren spannend, Geschichten aus dem Krieg zu erfahren: Was bin ich dann jetzt??

Apropos Geschichten aus dem Krieg: Auch WALLENSTEIN (Autor Dirk Henn) erzählt davon. Vom Dreißigjährigen. Gewiss: WALLENSTEIN ist ein Eurogame; insofern sollte man nicht zu viel historische Authentizität erwarten, und es wird nicht wirklich erzählt. Aber Parallelen zum historischen Dreißigjährigen Krieg findet man schon, beispielsweise das Fehlen klarer Frontlinien, die ständige Not, seine Truppen zu ernähren, oder die rücksichtslose Ausbeutung besetzter Gebiete.

Ich weiß noch, wie opulent ich WALLENSTEIN damals fand. Riesiger Spielplan! Fünf Tableaus! Fast 400 Holzsteine! Ganz viele Pappmarker und Spielkarten! Heute … setzt man eine derartige Tischpräsenz als Standard voraus bzw. würde sich vielleicht noch beschweren, dass keine Miniaturen im Spiel sind und die Pappen zu dünn.

Zwei Elemente von WALLENSTEIN stachen aus meiner Sicht heraus: 1. die Aktionswahl. Von jeder Provinz in meinem Besitz halte ich auch die Länderkarte auf der Hand. Meine Karten ordne ich verdeckt zehn verschiedenen Aktionsfeldern auf meinem Tableau zu. Ich kann pro Runde also nur in maximal zehn meiner Gebiete eine Aktion ausführen und in jedem Gebiet pro Runde auch nur eine.

Das führt auf dem Brett zu einer charakteristischen Zähigkeit. Man marschiert nicht blitzartig von Nord nach Süd, die Zahl der Schlachten ist auch begrenzt. Es führt obendrein natürlich zu Entscheidungsnöten, weil man seine zehn Aktionen teilweise auf Länder verteilen muss, die sich nicht ganz so optimal dafür eignen. Und es führt zu Überraschungen, auch sehr bösen. Die exakte Reihenfolge, in der die Aktionen abgewickelt werden, stellt sich erst während der Runde heraus. Verliere ich ein Land, muss ich sofort die Länderkarte abtreten. Und liegt die auf einer Aktion, die noch gar nicht gefragt war, verliere ich die Aktion.

2. der Würfelturm. Bei Schlachten schmeißt man alle beteiligten Armeeklötzchen hinein, einige bleiben im Schacht hängen, die herausfallenden bestimmen das Ergebnis. Bleiben meine Steine drin, ist das für den Augenblick Pech. Aber sie könnten beim nächsten Mal herausfallen und sind damit ein Drohpotenzial. Der Turm fungiert wie ein Würfel mit Gedächtnis.

Ein tolles Teil also, weshalb der Turm bei Queen Games zu einem wiederkehrenden Element geworden ist. WALLENSTEIN war aber nicht das erste Turm-Spiel, nur das erste gute. IM ZEICHEN DES KREUZES führte den Turm ein. Wer sich daran nicht erinnert, muss sich aber keine Sorgen machen: Mit Umnachtung hat das nichts zu tun, sondern mit dem Spiel.

Umnachtung allerdings ist die Ursache, warum oben SHOGUN und nicht WALLENSTEIN abgebildet ist. 2006 erschien SHOGUN als leicht überarbeitete WALLENSTEIN-Variante. Vermutlich ließ sich das alte Japan international besser vermarkten, und mehr steckte gar nicht dahinter. Aber jung, wie ich damals war, dachte ich, neu sei sicherlich besser. Und Dirk Henn hatte ein bisschen an den Regeln herumgeschraubt; das wirkte überzeugend, ich sortierte WALLENSTEIN aus.

In Japan allerdings haben sich meine Mitspieler:innen nie heimisch gefühlt. Im wahrsten Sinne: Wo man die Oberpfalz, Kursachsen oder das Bistum Lüttich einzuordnen hat, weiß man ungefähr. Bei Länderkarten, die Mimasaka, Shinano oder Echizen heißen, mussten wir stets rumsuchen, und das war unkomfortabel, und hat vor allem in dem Wissen genervt, dass es bei WALLENSTEIN nicht so gewesen war. Welcher Intelligenzbolzen hatte das noch mal aussortiert?


1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Queen hat 2011 eine vor allem grafisch überarbeitete Neuauflage von WALLENSTEIN in einer noch größeren Kiste herausgebracht.

Kommentar veröffentlichen

Aufklärung über den Datenschutz
Wenn Sie einen Kommentar abgeben, werden Ihre eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie beispielsweise Ihre IP-Adresse) an den Google-Server übermittelt. Mit dem Absenden Ihres Kommentars erklären Sie sich mit der Aufzeichnung Ihrer angegebenen Daten einverstanden. Auf Wunsch können Sie Ihre Kommentare wieder löschen lassen. Bitte beachten Sie unsere darüber hinaus geltenden Datenschutzbestimmungen sowie die Datenschutzerklärung von Google.