Mittwoch, 11. Januar 2023

Vor 20 Jahren (121): So ein Käse

… blatt!

Im Jahr 2003 schrieb ich für zwölf verschiedene Printerzeugnisse, die meisten davon waren Tageszeitungen und überwiegend sogar recht große Tageszeitungen mit Auflagen von (damals noch) über 100.000 Exemplaren. Aber BILD-Leser:innen wissen mehr: Auflagenzahlen sagen nicht unbedingt etwas über Qualität aus.

Eine Zeitung jedenfalls war dabei, die sich an Peinlichkeit wiederholt selbst übertraf. In Folge 89 hatte ich mich dazu schon einmal ausgekotzt: Meine Rezension zu SPACE BEANS war nicht erschienen, weil die Redakteurin „nichts mit Monstern“ im Blatt haben wollte. Und später hatte dieselbe Redakteurin den glanzvollen Einfall, ich könne der Zeitung meine Spiele als Verlosungsexemplare zur Verfügung stellen.

Diese fixe Verlosungs-Idee sollte mich nun weiter begleiten. Die Zeitung wollte Rezensionen nur noch veröffentlichen, wenn Leser:innen ein entsprechendes Spiel gewinnen konnten. Und weil sie keine Ahnung hatten, wen man dazu in welchem Verlag ansprechen muss, sollte ich das organisieren. Haha! Machte ich aber nicht. Ich erklärte mich bereit, zu jeder Rezension auch den Pressekontakt anzugeben. Um den Rest sollte sich die Redaktion bitte selbst kümmern.

Das ging eine Weile gut. Aber nicht lange. Eine Kollegin hatte ihre Spiele-Kolumne in irgendeiner Zeitung verloren und daraufhin offenbar alle nennenswerten Redaktionen Deutschlands abtelefoniert, um Veröffentlichungsmöglichkeiten aufzutun. Und irgendwann landete sie bei meiner Lieblingszeitung und wurde wohl gefragt: „Können Sie Verlosungsexemplare besorgen?“ Und na klar, das konnte sie! Gerne! Und prompt war sie engagiert.

Ich erfuhr von dem Deal nicht allzu viel später. Denn die Kollegin kriegte heraus, dass da eigentlich wer anderes (ICH!) über Spiele schrieb. Und das war ihr jetzt peinlich, und sie meldete sich bei mir. Sie handelte aus, dass sie für ihre Artikel Verlosungsexemplare besorgen musste und ich für meine nicht. Aber – ich habe es seitdem trotzdem getan. Denn nach allen meinen bisherigen Erfahrungen mit dieser Super-Zeitung hatte ich das Gefühl, ohne Gratisspiel wäre ich raus, völlig unabhängig von der Qualität meiner Artikel.

Und ich habe es gehasst! Den Verlagen gegenüber war mir die Bettelei sehr unangenehm. Dabei kriegte ich von ausnahmslos allen die Rückmeldung, Verlosungen seien vollkommen üblich und aus ihrer Sicht überhaupt nicht schlimm. Und mit nur einem Spiel pro Artikel sei diese Zeitung sogar noch vergleichsweise bescheiden.

Es widersprach jedoch meiner Vorstellung von Journalismus, dass Verlage Sponsoring betreiben müssen, um Gegenstand der Berichterstattung zu werden. Mein letzter verbliebener Widerstand war, von nun an bevorzugt kleine Kartenspiele zu besprechen. Trotzdem machte ich das jahrelang mit. Weil ich jung war und das Geld brauchte, könnte man denken. Aber so jung war ich gar nicht mehr. Und es gab auch kaum Geld. Es war die Zeitung mit den niedrigsten Honoraren.

Warum also? Ich war damals heiß auf jede einzelne Veröffentlichung. Ich wollte viel schreiben, ich wollte mehr schreiben, ich wollte alles schreiben. Ich wollte die Spielerezi-Weltherrschaft! Ich hatte die Zeit und ich hatte die Energie.

Beides ist mir in den vergangenen Jahren durch die Umstände des Lebens etwas abhandengekommen. Und als ich merkte, dass ich dringend kürzertreten muss, war die erste Zeitung, der ich den Laufpass gab, natürlich: diese hier!


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das alles kommt mir sehr bekannt vor: Für jede Rezension ein Verlosungsexemplar auftreiben. Das hat leider nicht mit allen Verlagen geklappt, und ein paar Mal musste ich aus meinem persönlichen Fundus etwas zuschießen, bis ich dann nur mehr über Spiele aus "sicheren" Verlagen schrieb. Aber wenn du von Bezahlung sprichst, da habe ich gar nichts bekommen, was mir aber "wurscht" war, weil ich finanziell ohnehin unabhängig, sprich: selbstständig bin. Ganz ohne Belohnung wollte ich es aber doch nicht, so bekam ich ein bis zwei Mal pro Jahr Gratis-Karten für Musicals oder Comedians für mich und meine Frau. Als dies dann irgendwann mal wegfiel, habe ich aufgehört, für diese Zeitung zu schreiben, weil es von geringer Wertschätzung zeugt. Soviel zu meinen Erfahrungen mit Printmedien...

Florian hat gesagt…

In meinem ersten Arbeitsverhältnis wollte der Chef immer, dass wir den Zeitungen Verlosungen anbieten, damit sie über unsere Produkte berichtet (die Produkte waren PC-Spiele [das steht nicht für political correctness, bevor hier wieder jemand weint]).
Allerdings ging die Theorie um, dass man niemals das Produkt verlosen dürfe, welches man bewerben wollte. Denn die Leser würden ja sonst alle erst abwarten, ob sie nicht gewonnen haben, anstatt sofort in den Laden zu rennen. Also musste man andere Produkte finden, die verlost werden sollten. Und, man ahnt es, die durften natürlich nichts kosten.
Also mussten wir dann einen Toasterhersteller belabern, damit man dann ein tolles Advertorial machen konnte nach dem Motto: zum Release unseres Krimispiels "CSI Seattle" verlosen wir diesen kriminell guten Toaster der Firma Grün"
Ich habe da noch innerhalb der Probezeit gekündigt.

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