Bei der Dokumentation hatte ich mir wirklich Mühe gegeben. Wie üblich bewahrte ich alle ausgefüllten Wertungszettel meiner ALTIPLANO-Partien in der Spielschachtel auf. Obendrein führte ich jeweils Strichliste über die Zahl der Durchgänge. Und notierte, welcher Spieler welche Startausstattung hatte, um eventuell herauszufinden, ob es stärkere und schwächere Kombinationen gibt … und stellte nach einem öffentlichen Spieletreffen fest, dass die Nutzer meines Spiels sämtliche Wertungszettel in den Müll geworfen hatten.
Wie geht ALTIPLANO? Fast wie ORLÉANS. Dumm ist nur, dass ich über ORLÉANS in der spielbox geschrieben habe und jetzt nicht einfach auf mich selbst verlinken kann. Notgedrungen ein paar Brocken der Erklärung:
ALTIPLANO ist ein Bag-Building-Spiel. Jeder startet mit mehreren Warenplättchen. Pro Durchgang zieht man zunächst vier (im Laufe des Spiels hoffentlich mehr) Plättchen aus seinem Beutel und ordnet sie auf den Ablagefeldern des eigenen Tableaus so an, dass sich bestimmte Kombinationen ergeben. Für diese Kombinationen bekommt man zusätzliche Chips (oder auch andere Dinge). Alle eingesetzten und alle erworbenen Plättchen kommen in eine Ablagekiste. Ist der Beutel leer, wird aus der Kiste nachgefüllt. Es ist also genau wie in DOMINION und somit etwas anders als in ORLÉANS, wo alles ohne Zwischenstation direkt in den Beutel kam.
Die wesentlichen Unterschiede zu ORLÉANS sind ansonsten: 1. In ORLÉANS ging es darum, die eigene Spielfigur schnell über den Spielplan zu scheuchen und Güter einzusammeln. Und darum, auf Skalen voranzumarschieren und dadurch Geld und Güter einzunehmen. Geld und Güter punkteten am Schluss, die Plättchen waren nichts wert. In ALTIPLANO jedoch geht es vor allem um diese Plättchen. Sie sind es, die am Schluss Punkte zählen. Es geht darum, verschiedene Warenkreisläufe möglichst schnell zu durchlaufen, um viele und hochwertige Waren zu sammeln.
2. Um die bereitgelegten Kombinationen einzulösen, muss ich mit meiner Figur an einem vorgegebenen Ort sein. Um all meine Züge abzuwickeln, muss ich somit hin- und herreisen und Nahrung dafür bezahlen. (Auch die Nahrung geht nicht verloren, sondern wie alle Plättchen zwischenzeitlich in die Kiste. Aber wer nicht einigermaßen regelmäßig Nahrung aus seinem Beutel zieht, wird immobil.)
Was passiert? Produktionsketten und Veredelung: Intuitiv denkt man (ich jedenfalls), es müsse gut sein, von allem etwas zu erwerben. Tatsächlich stimmt das Gegenteil.
Egal, welches Startplättchen-Set ich erwische: Ich kann mich zunächst nur in wenigen Warenkreisläufen betätigen. Grundwaren aus anderen Kreisläufen zu akquirieren, kostet viele Aktionen und ergibt vor allem selten Sinn. Denn: Je mehr Warensorten ich einsetze, desto mehr verschiedene Orte muss ich bereisen. Und Reisen bringt keine Punkte. Es ist nur Mittel zum Zweck, sollte also auf ein Minimum beschränkt bleiben. Im optimalen Fall beende ich meinen Zug an einem Ort, wo ich im nächsten Durchgang mit neuen Plättchen gleich wieder einer Aktion ausführen kann.
Auch wenn ich neidisch darauf bin, was die anderen Spieler mit ihren Plättchen anstellen können: Ich sollte so spielen, wie es meine Plättchen hergeben. ALTIPLANO entpuppt sich als Optimierungsspiel und Wettlauf, bei dem es auf ein gutes Beutel-Management ankommt.
Plättchen bringen Extrapunkte, wenn ich sie einlagere und im Lager sortenreine Regalreihen füllen kann. Ich entscheide, ab welchem Zeitpunkt ich welche Waren nicht mehr für den Erwerb zusätzlicher Waren benötige. Alles, was ich nicht unbedingt brauche, sollte raus aus meinem Beutel, denn natürlich ist es viel besser, ausschließlich Plättchen zu ziehen, die ich brauche.
Was taugt es? Die Kombination aus Beutelglück und vielen kleinen Entscheidungen (Welche Chips kombinieren? Worauf pokern? Wohin zuerst reisen? Welche Ausbauten kaufen?) weckt Ehrgeiz und Forscherdrang und reizt zum Wiederspielen. Wenn alle das Spiel kennen und nicht zergrübeln, fühlt sich ALTIPLANO flott und dicht an. Diese Vorzüge besaß allerdings auch schon ORLÉANS.
ALTIPLANO setzt nur für Planer einen obendrauf, weil es darauf ankommt, sehr exakt zu spielen bis hin zu der Frage, wie viele Chips einer Sorte man überhaupt erwerben will (um Regalreihen zu komplettieren oder Aufträge zu erledigen). Nur auf den ersten Blick ist ALTIPLANO ein ähnlich lockeres Experimentierfeld wie ORLÉANS. Auf den zweiten Blick erweist es sich als strenger, komplexer und solitärer.
In den meisten Fällen spielt es keine Rolle, dass wir unsere Aktionen reihum ausführen. Im Gegenteil ist es fehleranfälliger. Ich habe häufig erlebt, dass jemand irgendwo mehrere Aktionen ausführen wollte, nach der ersten aber von den zwischenzeitlichen Zügen der anderen Spieler abgelenkt wurde und versehentlich vor seiner zweiten Aktion abreiste. Auch gab es reichlich Handling-Fehler. Häufig vergaß irgendwer, seine Kutsche als benutzt zu markieren, und hinterher war der korrekte Stand nicht mehr sicher nachzuvollziehen.
Ich spiele ALTIPLANO weiterhin gerne mit, um zu gucken, ob meine Strategie gut ist und was alles möglich ist. Wenn ich mir aber den seltenen Luxus erlaube, ein altes Spiel zu spielen (und in wenigen Monaten ist ALTIPLANO alt), wird es eher das spielerischere ORLÉANS sein.
***** reizvoll
ALTIPLANO von Reiner Stockhausen für zwei bis fünf Spieler, dlp games.
2 Kommentare:
Hallo Udo,
kannst du Artikel die in der Spielbox waren gar nicht hier veröffentlichen. Ich habe deine Texte immer sehr gemocht, nur habe ich die Hefte nicht mehr. Beim Umzug habe ich sie verschenkt. Manchmal würde ich den einen oder anderen gerne wieder lesen.
Liebe Grüße Claudia
Tut mir leid, das geht nicht. Und ich würde es auch nicht wollen, da sie für die spielbox und nicht für eine Onlineveröffentlichung geschrieben sind.
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