Vor 20 Jahren nahm ich zum ersten und voraussichtlich einzigen Mal in meinem Leben an einer regionalen Vorausscheidung zur Deutschen Brettspielmeisterschaft teil. Einem Team aus Hannover war der Vierte im Bunde abhandengekommen. Ich sprang ein. Aber man musste mich massiv dazu überreden.
Denn: Ich mag nicht gerne unter Leistungsdruck spielen, und ich bilde mir ein, dass ich dann schlagartig auch viel schlechter spiele. Obendrein trifft man bei Meisterschaften mitunter auf verbissene Menschen, die es mit allem extrem genau nehmen oder des Gewinnens wegen Dinge machen, die man wahlweise als „clevere Psycho-Tricks“ oder „schlechten Stil“ bezeichnen könnte. Wie auch immer, in Summe passiert auf einer Meisterschaft wenig, was für mich unter den Begriff „Spielspaß“ fällt.
Drei in meinem Team sahen das anders. Sie wollten sich unbedingt für die Deutsche Meisterschaft qualifizieren. Sie brannten drauf. Ich verfolgte einen anderen Plan. Ich hoffte, dass wir a) tunlichst ausscheiden und dass gleichzeitig b) ich so gut abschnitt, dass es nicht an mir lag.
Und bei Punkt a fühlte ich mich auf der sehr sicheren Seite. Wir hatten exakt zweimal trainiert. Also, was man so „trainieren“ nennt. Wir hatten die vier Spiele durchgespielt, und meine drei Mitstreiter hatten dabei Rauchsubstanzen zu sich genommen, die mit ehrgeizigen Ambitionen schwerlich in Einklang zu bringen sind.
An beiden Trainingstagen spielte ich mein Team in Grund und Boden. Ich erläuterte ihnen auch meine LÖWENHERZ-Strategie, mit der ich sehr gute Erfahrungen gemacht hatte: Am Anfang des Spiels Geld, Geld, Geld und Überläufer sammeln, in der zweiten Spielhälfte diese Macht ausspielen und einen Doppelritter nach dem anderen kaufen.
Und dann … der große Tag:
LÖWENHERZ war das erste Spiel des Turniers und nach vollendeter Tat kamen meine Mitstreiter glücksstrahlend angelaufen: Alle drei hatten sie gewonnen! Sie jubelten, sie hätten genauso gespielt, wie ich es gesagt hatte, und es sei voll aufgegangen. Und ich? Große Enttäuschung! Ich war nur Zweiter geworden. Denn mein Vordermann in der LÖWENHERZ-Partie hatte exakt meine Strategie gespielt. Er wählte immer das Geld oder die Politikkarten und kommentierte das mit überfordert wirkenden Stoßseufzern wie „Ach, ich weiß jetzt auch nicht … hm, nehme ich einfach mal das Geld …“
Ich habe bis zum Schluss nicht herausgefunden, ob das eine Masche oder tatsächlich Zufall war. Jedenfalls gewann dieser Mensch befürchtungsgemäß (und tat völlig überrascht), während ich mich zu einer aggressiven Spielweise mit Rittern, Zäunen und Gebietsgewinn genötigt sah, die den Nachteil hat, dass man aneckt und so wirkt, als liege man in Führung. Man gerät in Konflikte, und das kostet Spielzüge und Energie. Und man kann froh sein, wenn man dann noch Zweiter wird.
Ich will nicht alle Spiele des Turniers lang und breit herunterbeten, zumal ich mich an besondere Vorkommnisse bei SHOWMANAGER und BOHNANZA auch nicht erinnere. Zu meinem Platz 2 gesellten sich ein geteilter Platz 2 und ein Platz 3.
Und ein Platz 4, argh! Bei SIEDLER VON CATAN. Das ärgerte mich besonders, weil ich SIEDLER neben LÖWENHERZ als am ehesten beherrschbar eingeschätzt hätte. Doch Meisterschaften sind auch Magneten für Langzeit-Analytiker, weshalb sich die Veranstalter Regelmodifikationen einfallen lassen, um Partien abzukürzen. Bei SIEDLER startete man laut Turnierregel mit Siedlung und Stadt. Dadurch kam es extrem auf die ersten Würfe des Spiels an, die einige Spieler (mich nicht) bereits mit Rohstoffen fluteten. Und nach zwei Runden wusste ich: Das war’s. Ich bin kaputt.
So hat diese Meisterschaft alles bestätigt, was ich erwartet hatte: Man kriegte verdammt miese Laune davon! Ich hatte sauschlecht gespielt. Und es war genau das Falsche herausgekommen: Wir hatten uns für die Deutschen Meisterschaft qualifiziert. Und ich hätte es fast vermasselt.
Montag, 18. Februar 2019
Vor 20 Jahren (74): Löwenherz
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Vor 20 Jahren
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2 Kommentare:
Oh weh, der RegVor. Meine letzte Erfahrung 2011:
Gleich mehrere Spiele, die wir gerne spielen und alle 4 vernünftig??
Das ist doch die Gelegenheit, mal wieder mitzumachen!
Fataler Fehler, denn einer aus der Runde spielt sein vormals Lieblingsspiel (Funkenschlag) jetzt nicht mehr. Nachdem alle Tische fertig waren (und der vorletzte war schon 30 langsamer als der Tisch davor), hat sein Tisch noch geschlagene 60 Minuten gespielt. Der Schneckenquäler greift bei einer Versteigerung nur begrenzt gut.
Und die zwei, die es "kaputt" gemacht haben (und natürlich verdient den Sieg untereinander ausgemacht haben), hatten zudem noch ihre eigenen Maschen, die sie voller Genuß ausgereizt haben.
Tja, nun kriegt er Schweißausbrüche, wenn er Funkenschlag hört.
2008 war aber auch spannend. Zum Start Can't Stop 4 mal Erster (gut würfeln = überlegene Siegstrategie) und am Ende glaube ich letzte.
Unser Pegel gab leider keine Bonuspunkte, dafür aber gute Laune. Zumindest für uns.
Sehr witzig. Die besagte RegVor war meine zweite und ebenfalls letzte. Auch ich finde, dass dabei „Spiel“ und „Spaß“ zwei völlig unterschiedliche Dinge sind....
Bei uns am Tisch saß ein 10-jähriger Steppke (oder so), der etwas gemacht hat, „fertig“ sagte und sofort danach sagte „äh, nein, doch nicht“...er würde gerne einen anderen Zug machen. Was ihm ein Mitspieler empört verweigerte und der andere auch erkennbar nicht so gut fand. Der Kurze war dann ziemlich bedröppelt, hat aber schließlich gewonnen, weil ich dann nur noch zu seinen Gunsten gespielt habe...ihm Rohstoffe geschenkt, wenn er dran war...nur den anderen im Weg rumgebaut und ihnen den Räuber vor die Nase gesetzt... nicht wirklich nett von mir und der Unmut am Tisch war groß und die Stimmung im Keller (außer beim Steppke), aber das war es mir wert - und so ein wenig Spaß hat das dann doch gemacht...:-)
Micha A.
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