Geld stinkt nicht, sagt man. Aber ich weiß es besser. Die Geldscheine in meinem SANKT PETERSBURG (von Bernd Brunnhofer bei Hans im Glück) jedenfalls musste ich wegen schwer erträglicher Gerüche längst austauschen.
Denn SANKT PETERSBURG ist eines meiner zehn meistgespielten Spiele. Welches die anderen neun sind, lasse ich aus dramaturgischen Gründen erst mal offen. Das könnte vielleicht noch Stoff für künftige Top-Listen liefern. Auch REZENSIONEN FÜR MILLIONEN muss beim Content mit der Zeit gehen.
Häufiges Spielen allein ruiniert Geldscheine noch nicht zwangsläufig. Das Spiel muss auch spannend sein, man muss die Scheine in der schwitzigen Hand durchkneten oder aufgewühlt danach grapschen, das Vermögen geheim durchzählen, nervös wieder weglegen und noch mal grapschen, noch mal zählen, noch mal weglegen. Erst so entsteht das unverwechselbare Odeur.
In der Fairplay habe ich SANKT PETERSBURG damals nicht besprochen, aber immerhin mitbewertet und die Note 1- vergeben. Das entspräche wohl ungefähr 9 Punkten in der spielbox, ist also ganz schön gut – trotzdem frage ich mich im Nachhinein, was ich wohl mit dem Minus ausdrücken wollte. Wenn ein Spiel mich 200 Partien lang (plus Online-Partien) unterhält, gibt es keinen Grund, von der Höchstnote irgendwas abzuziehen.
Aber das weiß man zum Zeitpunkt der Rezension (bzw. Notenabgabe) noch nicht. Wie hoch der Langzeitspielreiz ist, zeigt sich erst … nach langer Zeit. Von SANKT PETERSBURG mag ich damals gedacht haben: Ja, es macht echt viel Spaß, aber: So originell ist es ja doch nicht, so viele Strategien gibt es nicht, so variantenreich sind die Spielverläufe nicht.
Und das stimmt auch alles und es sind wichtige Kriterien. Aber von einem hochoriginellen megavariablen Spiel, das niemand mit mir spielen mag oder dessen Aufbau lange dauert oder dessen Regeln so kompliziert sind, dass ich sie jedes Mal auffrischen muss, habe ich am Ende weniger als von einem, für das ich wieder und wieder Mitspieler:innen finde und das uns wieder und wieder Spaß macht.
Gewiss kann ein Spiel ein Lieblingsspiel sein, obwohl man es nie spielt. Man wünscht sich, so zu spielen, wie man es in diesem Spiel tut. Aber die Umstände verhindern es. Man könnte das dann vielleicht als ideales Lieblingsspiel bezeichnen. Demgegenüber ist SANKT PETERSBURG für mich ein gelebtes Lieblingsspiel, ein Konsensspiel und Dauerbrenner, so wie vielleicht DOPPELKOPF. Oder CATAN. Es lebt davon, dass ich über Jahre Mitspieler:innen dafür hatte. Und über Jahre hatte ich Mitspieler:innen, weil SANKT PETERSBURG zugänglich, eingängig und trotzdem immer wieder reizvoll ist.
Am reizvollsten finde ich es übrigens mit der Erweiterung DAS BANKETT von Karl-Heinz Schmiel. Sie macht das Spiel strategisch variabler, weil eine Partie nun oft eine Runde länger dauert, was die ansonsten häufig unterlegenen Gebäude gegenüber den Adligen aufwertet.
Und traurig anzumerken wäre noch, dass SANKT PETERSBURG trotz allem (nominiert für die Wahl zum Spiel des Jahres 2004, Deutscher Spielepreis 2004, Note 1- von Udo Bartsch in der Fairplay) offenbar kein riesiger Verkaufserfolg war. Es ist vom Markt verschwunden, ebenso wie die zweite Edition von 2014, die bereits ein Crowdfunding erforderte, um überhaupt erscheinen zu können.
- Vor 20 Jahren (136): Blue Moon
- Vor 20 Jahren (138): Wie ich die Welt sehe
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