Samstag, 5. Oktober 2013

Il Vecchio

Florenz um 1430. Die Stadt blühte auf, und alles war toll. Doch es gab noch keine Einleitungen. Und das wiederum war doof.

Wie geht IL VECCHIO? Wir wollen Chef von Florenz werden, und Chef wird natürlich der mit den meisten Machtpunkten. Punkte bekommt man im Wesentlichen dafür, Figuren in die drei „Regionen“ oder nach Florenz zu schicken. Das kostet jeweils eine bestimmte Kombination aus Chips und Geld. Regionen zählen umso mehr Punkte, je früher man dort ankommt. Außerdem erhält man ein Plättchen mit einmaliger Sonderfunktion.
Florenz bringt nur wenige feste Punkte, ist aber trotzdem attraktiv, weil es hier entweder ein Plättchen mit dauerhafter Sonderfunktion oder ein „Adelsplättchen“ gibt, welches bei Spielende für das Erfüllen bestimmter Bedingungen punktet, beispielsweise drei Punkte für je zwei im eigenen Vorrat verbliebene Figuren.
Wer am Zug ist, führt mit einer seiner Figuren die am aktuellen Aufenthaltsort erlaubte Aktion aus und erhält entweder Geld oder Chips oder Plättchen mit einmaliger Sonderfunktion. Im Regelfall muss dafür auch ein „Mittelsmann“ anwesend sein. Das ist eine neutrale Figur, die den Ort quasi aktiviert. Vor der Aktion darf man mit seiner Figur auch in einen anderen Ort reisen (kostet Geld), zum Beispiel dorthin, wo ein Mittelsmann wartet.
Nach der Aktion wandert der Mittelsmann in den nächsten gleichfarbigen Ort. Die Spielerfigur legt sich schlafen und bleibt solange passiv, bis der Spieler seinen Zug nutzt, um sein Figurenensemble wieder aufzuwecken.

Was passiert? Plättchen, Plättchen, Plättchen. Zu Beginn einer Partie muss sehr viel erklärt werden. Zum Glück ist die Symbolik gelungen, so dass die Spieler das Erklärte auch verstehen. Und zum Glück ist der Spielablauf eingängig. IL VECCHIO spielt sich wirklich flott: Ein einziges Männchen macht eine Aktion, allenfalls verursacht es vorher noch Reisekosten, zack, der Nächste ist dran. Pausen gibt es nur, wenn jemand ein Plättchen nach Wahl erhält und sich zwischen mehreren nicht entscheiden kann.
IL VECCHIO offeriert diverse Vorgehensweisen: Man kann erst mal viele Figuren ins Spiel würfeln (was einen im weiteren Verlauf sehr flexibel macht) oder sofort auf die wertvollen frühen Plätze in den Provinzen abzielen. Man kann sich mit hilfreichen Sonderfunktionen eindecken oder Adelsplättchen abräumen und den Rest des Spiels so optimieren, dass diese Plättchen viele Punkte zählen.
Hinzu kommen Timing-Fragen. Natürlich wollen einem die Mitspieler bei den Mittelmännern und Provinzen zuvorkommen – und genau das sollen sie nicht. Zudem herrscht Zeitdruck. Eine Partie IL VECCHIO ist vorbei, sobald in den Provinzen und in Florenz eine bestimmte Menge Plätze belegt sind, und das wiederum kann ganz plötzlich kommen. So beinhaltet jeder Spielzug eine Entscheidung, ohne dabei allzu verzwickt oder gar überladen zu sein. Alles harmoniert und wirkt austariert.

Was taugt es? Eine Partie IL VECCHIO wird man nicht bereuen. Bloß... wo ist der Stachel? Warum lege ich IL VECCHIO auf den Tisch und nicht eines der vielen anderen Kennerspiele? Die angenehme Reibungslosigkeit wird umgekehrt zum Manko: IL VECCHIO fehlt das besondere Alleinstellungsmerkmal, sei es ein Thema mit Wiedererkennungswert, sich dramatisch zuspitzende Situationen oder die entscheidende kleine Gemeinheit, die Emotionen auslöst. IL VECCHIO ist eher was für Kopfspieler, die die gelungene Verquickung aus Schnelligkeit und Tiefe schätzen. Mit Bauch und Herz fühle ich mich bei IL VECCHIO weniger involviert.

Il VECCHIO von Rüdiger Dorn für zwei bis vier Spieler, Hall Games / Pegasus Spiele.

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