Dienstag, 20. August 2019

Vor 20 Jahren (80): Snoopy und der Rote Baron

In der Ladenspielrunde, in die ich mich seit etwa einem Jahr erfolgreich eingeschmuggelt hatte, gab es einen Spieler, der das Absonderliche liebte. Sein bevorzugtes Genre waren Spiele mit sehr direkter Konfrontation. Andere ärgern, anderen etwas wegnehmen, anderen auf die Glocke geben: darin ging er auf! Und so musste ich schreckliche Spiele wie X PASCH oder X PASCH DELUXE über mich ergehen lassen, lernte aber auch Perlen wie FILTHY RICH oder VINCI kennen.

Und noch ganz andere Spiele. Denn besagter Mitspieler leistete sich in seiner imposanten Sammlung auch eine umfangreiche Abteilung Trash. Die lernte ich kennen, als ich einmal zu Besuch war und eigentlich nur schnell etwas abholen oder bringen wollte, aber genötigt wurde, etwas länger zu bleiben.

Wir spielten K.O.!, dessen Komplexitätsrang bei BoardGameGeek nicht bewertet ist und das ich auf der Skala von 1 bis 5 bei etwa 0,95 verorten würde: Man hämmert möglichst schnell auf einen Knopf, wodurch dem anderen Spieler Plastikscheiben weggekickt werden. Wer (nach ungefähr fünf Sekunden) keine mehr hat, ist ausgeknockt und hat verloren. Ich weiß nicht mehr, ob es dabei irgendeine Taktik gab. Auf jeden Fall hatte man Vorteile, wenn der andere vor Lachen über diese spielerische Albernheit auf den Boden sank.

Wir spielten WUFFI FLITZER (Komplexität auf der BGG-Skala von 1 bis 5: 1,00). Auch hier hämmert man wie bescheuert auf eine Taste, jetzt aber mit dem Zweck, einen idiotischen Plastikhund auf einer idiotischen Plastikrennbahn voranzubewegen. Normalerweise schnappt Wuffi sich am Ende der Bahn einen Ball und bringt ihn nach Hause. Wer drei Bälle hat, gewinnt. Manchmal schnappt der blöde Köter aber auch daneben und man muss trotzdem weiter die Taste bearbeiten, um das dumme Vieh ohne Beute nach Hause zu lotsen und es dann wieder losjagen zu können.

Und wir spielten SNOOPY UND DER ROTE BARON. Die Komplexität auch dieses Spiels ist bei BGG mit 1,00 bewertet, was ich im Vergleich zu den anderen beiden aber unfair finde. Eine 1,01 wäre nach meiner Erinnerung durchaus verdient. In SNOOPY UND DER ROTE BARON wechseln sich die Spieler dabei ab, weiße und blaue Kugeln von einer Rampe herunterrollen zu lassen. Der jeweils andere Spieler bedient Snoopys Hundehütte, deren Dach sich auf- und zuklappen lässt. Eine Sorte Kugeln zählt Pluspunkte, die andere Minuspunkte. Also will man die eine Sorte in der Hütte fangen und die andere nicht.

Den Roten Baron kann man zu Spielbeginn an verschiedenen Stellen der Plastikrampe befestigen, wodurch der Hundehüttenspieler ein mehr oder weniger langes Teilstück der Rampe einsehen und mehr oder weniger auf die Kugeln reagieren kann. Ich glaube, es gab es die Einstellungen „Vielleicht noch was möglich, aber eher nicht“, „Sorry, nur mit ganz viel Dusel“ sowie „Keine Chance, never ever“. Weil mein Gastgeber das so wollte, spielten wir natürlich auf der Keine-Chance-never-ever-Stufe.

Aber selbst, wenn man in 99 Prozent aller Fälle nicht reagieren konnte, war SNOOPY UND DER ROTE BARON zumindest ein Psycho-Spiel: Dach auf, wenn ich denke, da kommt eine positive Murmel. Dach zu, wenn ich denke, da kommt was Böses. Und ein bisschen Taktik gab es auch. Zum Beispiel war es gar nicht so schlau, alle negativen Kugeln gleich zu Beginn zu verballern. Der Gegenspieler – sofern er bis fünf zählen kann – öffnet dann einfach das Dach und fängt die restlichen Kugeln ein.

Wer jetzt verächtlich denkt: „Wie albern!“, dem muss ich sagen: Die 90er-Jahre waren die Zeit von Bad-Taste- und Schlagerpartys, Helmut Kohl war Bundeskanzler, der Kommunismus war besiegt und von der Klimakatastrophe war noch nichts zu spüren. Um Spaß zu haben, musste man damals noch keine bunten Pillen schlucken. An diesem Tag haben wir beim Spielen Tränen gelacht, und natürlich haben wir gesagt: Das müssen wir unbedingt bald wieder machen!

Und natürlich ist es dazu nie gekommen.


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