Samstag, 6. Februar 2021

Vor 20 Jahren (98): Schnee von gestern

Dass Mitglieder aus dem Verein Spiel des Jahres austreten, passiert immer wieder mal und ist angesichts der Arbeitsbelastung, die das Ehrenamt mit sich bringt, nichts Erstaunliches. Wenn jedoch drei Mitglieder gleichzeitig das Handtuch werfen, ist das schon bemerkenswerter. Und wenn alle drei ihren Schritt ausführlich öffentlich begründen und deutliche Kritik am Verein üben, könnte das in der Szene ein Erdbeben auslösen.
Oder hätte können.
Aber hat nicht.

Am 3. Februar 2001 traten Michael Knopf, Andreas Mutschke und Edwin Ruschitzka aus dem Verein Spiel des Jahres aus. Ihr Hauptkritikpunkt war – zumindest nach meinem Verständnis – die damalige Verflechtung von Spiel des Jahres mit dem Marburger Spielearchiv.

Ich war seinerzeit vollkommen überrascht. Erstens von den Ereignissen als solchen und dem, was ich da in den Austrittserklärungen erfuhr. Zweitens vom letztlich geringen Widerhall. Gewiss wurde in einschlägigen Foren diskutiert, und Spielezeitschriften und einige Online-Seiten versuchten in Dokumentationen, Interviews und Kommentaren, die Hintergründe zu beleuchten. Doch das Thema war recht schnell Schnee von gestern und der öffentliche Erkenntniswert blieb gering.

Ich hatte den Eindruck, dass die ganze Angelegenheit nicht sehr viele Menschen interessierte. Die meisten wollten vor allem eins: Spiele spielen. Mich dagegen interessierten die Vorgänge sehr. Ich schrieb damals Spielrezensionen für neun Zeitschriften und Tageszeitungen, teilweise sogar mit hoher Auflage. Obwohl in der Szene ein Unbekannter, machte ich mir durchaus schon zu diesem frühen Zeitpunkt Gedanken, ob ich eines (mutmaßlich noch fernen) Tages Mitglied bei Spiel des Jahres werden wollen würde oder nicht. Dass im Verein offenbar einiges nicht so war, wie es sein sollte, schreckte mich ab.

Am kritischsten griff damals die Fairplay (Heft 55 und folgende) das Thema auf. Ich liebte sie dafür. Und ich war jede Ausgabe, also alle drei Monate, höchst gespannt, ob die Sache irgendwie weiterging. Aber selbst in der Fairplay lief sich das Thema bald tot, es gab einfach nichts Neues mehr darüber zu berichten.

Und heute … ist kein Jurymitglied von damals ist noch aktiv, die Verbindung zwischen Marburger Archiv und Verein besteht nicht mehr, die Namen der seinerzeit Beteiligten sind den wenigsten Spieler*innen noch geläufig. Ich glaube, es ist tatsächlich Schnee von gestern. Und dass ich diese quasi urzeitlichen Ereignisse auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN noch mal hochkoche, könnte ein ernstzunehmendes Indiz sein, dass auch REZENSIONEN FÜR MILLIONEN immer gestriger wird.


4 Kommentare:

Peer hat gesagt…

Ich denke man beobachtet gerade in der Deutschsprachigen Spieleszene immer noch, das wenig langfristig diskutiert wird - geschieht etwas unengenehmes, sind es vor allem die englischsprachigen Medien die darüber berichten, informieren, philosophieren, diskutieren. In der Deutschen Szene soll möglichst schnell wieder über Spiele gesprochen werden. Das finde ich schade.

Ich meine, ich habe meinen Blog vor (geschätzt) 15 Jahren angefangen, um eine regelmäßige Kolumne über Brettspielthemen zu haben, wo es um das ganze Drumherum gehen sollte, weil es das damals nicht gab. Heute gibt es da auch nicht so viel mehr... Die meisten Content-Schaffenden konzentrieren sich eben lieber auf Rezis, Rezis, Vorankündigungen und Rezis.
Das ist nicht ehrenrühriges, aber ich würde sagen, dass sich im Vergleich zu damals nicht so viel geändert hat.

Unknown hat gesagt…

Ich hatte damals den längst verstorbenen Michael Knopf interviewt: Er hatte den Verdacht, dass einzelne Jurymitglieder inkompetent seien, die Spieleneuheiten zu bewerten. Das war neben dem Streit um die Finanzen der Hauptgrund für seinen Austritt, sagte er mir.

Unknown hat gesagt…

Der leider viel zu früh verstorbene Michael Knopf hat mit "Kleine Philosophie der Passion-Spielen" ein mEn. grandioses Buch über unser Hobby geschrieben.

Markus hat gesagt…

Ich bin zu 100% bei Peer. Kritische und schwierige Diskussionen gibt es hier selten bis nie. Sehr viel heile Welt. Vielleicht will man da als deutschsprachiger Spieler auch irgendwie hin.

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