Obacht! Diese Rezension enthält Spoiler. Zu begründen, was mir an einem Spiel gefällt oder nicht gefällt, gelingt mir nicht, ohne die Dinge zu nennen, die mir gefallen oder nicht gefallen.
Wie geht VENDETTA? (Seufzer). Das Genre boomt halt ... VENDETTA ist eins der vielen Krimispiele, die derzeit auf den Markt kommen. Es enthält keine Mechanismen, die man nicht auch schon anderswo gesehen hätte.
Wir klären einen Fall auf, indem wir Texte auf Spielkarten lesen und darin vor eine Wahl gestellt werden: Wollen wir X befragen oder Y? Je nach unserer Entscheidung verschwindet nun die eine oder andere Karte ungesehen aus dem Spiel. Unser Wissen ist also niemals universell.
Immer wieder dürfen wir auch geheime Umschläge öffnen und finden dort Prospekte, Lagepläne, Zeitungsartikel, WhatsApp-Verläufe und so weiter. Was wir damit anfangen sollen, müssen wir selbst herausfinden. Und hin und wieder müssen wir auch Rätsel lösen oder Codes knacken.
Diesmal machen wir das aber nicht, weil wir bei der Polizei arbeiten. Wir sind von der Gegenseite. Der Sohn des Mafia-Paten ist tot. Wir als Capo sollen die Hintergründe ermitteln. Tatsächlich fühlt sich das Geschehen durch diesen Dreh etwas anders an. Ein rechtschaffener Ordnungshüter würde sich doch sicher nicht so verhalten wie ein Mafioso.
Was passiert? VENDETTA nimmt die Spieler:innen ziemlich an die Hand. Das beginnt schon damit, dass das Spiel einen vorformatierten Notizzettel und einen faltbaren Spielplan aus Papier mitliefert, der uns hilft, die Karten sinnvoll zu sortieren. Symbole zeigen an passender Stelle an, wann wir etwas im Internet recherchieren sollen. Und gibt es in den Illustrationen was zu entdecken, kriegen wir den Hinweis: Hey, achtet doch mal auf die Illustrationen!
Das kann man belächeln. Und wer es lieber bockschwer mag, ist bei VENDETTA eindeutig falsch. Ich belächle es nicht. Meines Erachtens merkt man dem Spiel an, dass die Macher:innen auch Escape-Rooms betreiben. Ziel ist, den Spielenden eine gute Zeit zu bereiten, sie vor gewisse Probleme zu stellen, ihnen aber auch regelmäßig Erfolgserlebnisse zu ermöglichen. Wer rettungslos im Escape-Room steckenbleibt, hat wahrscheinlich keine gute Zeit.
In VENDETTA ist deshalb dafür gesorgt, dass es nicht nur den einen goldenen Weg gibt, um an die wesentlichen Informationen heranzukommen. Wenn wir uns an einigen Stellen nicht optimal entscheiden, gewinnen wir zwar weniger Sterne für die Schlusswertung, aber es ist weiterhin gut möglich, den zu Fall lösen. Ich glaube sogar, es ist schwieriger, den Fall nicht zu lösen. Denn selbst der Lösungsweg wird uns ziemlich stark angedeutet. Das Gefühl, selber zu ermitteln, hat man trotzdem. Und darauf kommt es an.
Die Rätsel sind recht leicht. Langes Herumknobeln ist nicht vorgesehen. Eins der Rätsel fand ich misslungen, die anderen in Ordnung. Falls man stecken bleiben sollte, kann man sich im Internet Hilfe holen. Apropos Internet: Netzanbindung wird hier vorausgesetzt. Sogar ein Telefon wird benötigt.
Was taugt es? VENDETTA bietet eine gute Vielfalt. Die Objekte in den Umschlägen sind schön abwechslungsreich. Die Rätsel sind unterschiedlich, es sind keine dabei, die sich wie eine lästige Beschäftigungstherapie anfühlen.
Vor allem gefällt mir die Liebe zum Detail. Für das Spiel wurden eigens Fake-Websites aufgesetzt, die einfach Spaß machen. VENDETTA gelingt der Spagat, authentisch zu wirken und dabei trotzdem ein produzierbares und erschwingliches Schachtelspiel zu bleiben.
Dass es glaubwürdig wirkt, liegt auch an der Spielgeschichte, die trotz der gebotenen Kürze Vorstellungen und Bilder entstehen lässt und uns die handelnden Figuren als Individuen nahebringt. VENDETTA bleibt sich bis zum Ende thematisch treu. Sogar nach der Auflösung ist es hier noch nicht ganz vorbei.
***** reizvoll
VENDETTA von Lukas Setzke, Martin Student, Verena Wiechens für eine:n bis fünf Spieler:innen, Noctis Verlag.
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