Donnerstag, 6. Juli 2023

Vor 20 Jahren (127): Alhambra

Ja, ich weiß, das Spiel heißt heute DER PALAST VON ALHAMBRA. Aber damals noch nicht. Und um damals geht es.

Als mir ALHAMBRA 2003 in Nürnberg gezeigt wurde, war ich nicht allzu euphorisch. Und das, obwohl ich normalerweise bei der Vorstellung neuer Spiele allen greifbaren Verlagsmitarbeitern spontan um den Hals zu fallen pflege und jubelnd eine Runde um den Stand hüpfe. Nur diesmal nicht.

Warum? Ich glaube, gegenüber neu bearbeiteten Spielen hatte ich grundsätzlich Vorbehalte. Wie eine Art Misstrauen, als würde man mich übers Ohr hauen und mir dasselbe Produkt mehrfach verkaufen wollen. Dieses Misstrauen musste sich dann nicht immer als berechtigt erweisen. Die veränderte Version von LÖWENHERZ beispielsweise hatte mich trotz Skepsis am Ende überzeugt, und bei DR. JEKYLL & MR. HYDE war ich regelrecht froh, dass das ehemalige TWILIGHT nun in einer Version vorlag, die man guten Gewissens auch in Tageszeitungen besprechen konnte.

Heute sehe ich das lockerer. Van Gogh hat zig Bilder mit Sonnenblumen gemalt, Andy Warhol hat 32 Suppendosen und 50 Marilyns aneinandergereiht. Na und? Ich schreibe seit Jahren auch immer dasselbe. Warum also sollten Spieleautor:innen das nicht genauso dürfen?

Außerdem war ALHAMBRA ja wirklich besser als seine Vorläufer STIMMT SO! und AL CAPONE. Das Legespiel-Element kommt bereichernd hinzu und macht den bis dahin eher rohen Sammelmechanismus erst rund. Es verleiht dem Spiel eine weitere Ebene und damit Tiefe. In der Rückschau würde ich sogar sagen: STIMMT SO! und AL CAPONE waren noch nicht ganz komplett und wurden erst durch ALHAMBRA vollendet. Aber das soll diese beiden Spiele nicht abqualifizieren. Sicherlich wirkten sie bei ihrer Veröffentlichung fertig, und sicherlich sollten sie zunächst auch gar nicht mehr sein als schnell gespielte Sammelspiele mit Mehrheitswertungen.

So richtig kann ich mich in meinen damaligen Zorn über Neubearbeitungen also nicht mehr hineinfühlen. Habe ich in meinem jugendlichen Ungestüm tatsächlich den Anspruch gehabt, man müsse beim Entwickeln von Spielen alles Gewesene vergessen und den Würfel immer wieder neu erfinden? Falls ja: Das sehe ich überhaupt nicht mehr so. Ist doch super, wenn Autor:innen an ihren Mechanismen weiterarbeiten. Oder auch an Mechanismen, die in Spielen anderer Autor:innen eingeführt wurden. Gutes lässt sich mit der Zeit zu sehr Gutem verbessern. Der Weg zur Perfektion braucht Zwischenstadien.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

„Gutes lässt sich mit der Zeit zu sehr Gutem verbessern. Der Weg zur Perfektion braucht Zwischenstadien.“
… könnte früher oder später auch als Einleitung reichen ;-)

Lutz St hat gesagt…

"Und das, obwohl ich normalerweise bei der Vorstellung neuer Spiele allen greifbaren Verlagsmitarbeitern spontan um den Hals zu fallen pflege und jubelnd eine Runde um den Stand hüpfe. Nur diesmal nicht."
Lieber Udo, in Essen werde ich versuchen, dir auf den Fersen zu bleiben. Dieses Schauspiel will ich mir nicht entgehen lassen.

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