Sonntag, 30. November 2025

Gern gespielt im November 2025

13 LEAVES: Dass meine Pläne fallen wie Blätter, mag ein Zeichen dafür sein, dass ich mich längst in meinem spielerischen Herbst befinde.

RONIN: Big in Japan.

BOSS FIGHTERS QR: Einheitsfront gegen die Bosse. Marx hätte es gefallen.

TAG TEAM: Zu zweit stirbt man weniger allein.

BIDDLE: Komisch: Wenn ich einfach so einen Kniffel würfeln soll, finde ich’s öde. Wenn ich vorher wette, dass ich ihn würfle, ist es spannend.





UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM NOVEMBER:

DER HOBBIT – HIN UND ZURÜCK: Weniger Seiten als das Original von Tolkien, aber dafür viel dickere Pappe.





Freitag, 28. November 2025

Abgestaubt!

Abgestaubt: Cover

Rezensent:innen sagt man eine Abstaubementalität nach. Es würde erklären, warum ich dieses Spiel mag.

Wie geht ABGESTAUBT? Die Ähnlichkeit mit dem nahezu zeitgleich im selben Verlag erschienenen FLIP 7 ist verblüffend: Auch in ABGESTAUBT decken wir Zahlenkarten auf. Auch in ABGESTAUBT zählen sie Punkte entsprechend ihrer Zahl. Sobald ich eine Zahl aufdecke, die schon vor mir liegt, verliere ich alles. Deshalb sollte ich rechtzeitig vorher aufhören. Die Frage ist nur: Wann?
Anders als in FLIP 7 spielen wir nacheinander. Jede:r zieht solange, bis sie aufhört oder scheitert. Erst dann ist die nächste Person dran. Es gibt also auch nicht die reihum wechselnde Person, die die Karten verteilt und vielleicht ihre Opfer zu überhöhtem Risiko hinquatscht („Na los, eine geht noch!“). Es gibt auch keine Sonderkarten. Und die Zahlenkarten haben eine deutlich andere Häufigkeitsverteilung.
Der größte Unterschied: In ABGESTAUBT sacken wir unsere Beute nicht gleich ein, sobald wir mit dem Aufdecken fertig sind. Die Karten bleiben noch eine Runde lang liegen. Sie gehören mir erst dann, wenn ich wieder an den Zug komme (und sie noch da sind).
Denn wir beklauen einander. Decke ich eine Zahl auf, sagen wir die Acht, die schon vor irgendwem liegt, darf ich auch diese Acht nehmen und habe nun zwei. Und natürlich kommt es vor, dass irgendwer später ebenfalls eine Acht zieht, mir meine Achten wegnimmt und nun schon drei hat. So entstehen teils große Pötte, die zwischen den Spieler:innen hin- und herwandern, bis sie dann endlich jemand einsackt – oder dummerweise doch noch eine Acht aus der Mitte aufdeckt und alles abgeben muss.

Was passiert? Sehr Ähnliches wie in FLIP 7. ABGESTAUBT ist ein Glücksspiel. Der zugrunde liegende Zock (Beute sichern? Oder immer mehr wollen – und eventuell scheitern?) wird nicht zum ersten Mal spielerisch ausgetragen. Man kennt dieses CAN’T STOP-Prinzip spätestens seit CAN’T STOP.

Abgestaubt: Karten

ABGESTAUBT bricht wie auch FLIP 7 das Dilemma noch weiter herunter. Jetzt muss man nicht mal mehr würfeln und Zahlen kombinieren. Die Frage ist lediglich: Karte ja oder nein? Ob das Spaß macht, hängt zweifellos mit der Gruppe zusammen, die da gemeinsam am Tisch sitzt: ob alle bereit sind, sich so sehr dem Zufall zu überlassen. Ob sie Schadenfreude empfinden, wenn andere zu gierig sind oder Pech haben. Und ob sie den Frust wegstecken können, falls sie beklaut werden oder schon nach vier Karten raus sind.

Was taugt es? Spiele mit sehr, sehr ähnlichem Mechanismus hat Reiner Knizia auch bereits vor ABGESTAUBT veröffentlicht, zum Beispiel FAMILY INC. (Piatnik, 2021). Dennoch drängt sich wegen der zeitlichen Nähe vor allem der Vergleich mit FLIP 7 auf.
Für mich endet er unentschieden. Beide Spiele sind gut. An ABGESTAUBT mag ich besonders das Klauen. Obwohl wir nacheinander an die Reihe kommen und ich länger nichts zu tun habe, bange ich auch bei den Spielzügen der anderen mit. Ich zittere um meinen Besitz. Außerdem verleitet mich die Aussicht, irgendwo fünf Neunen abstauben zu können, vielleicht dazu, noch mehr zu zocken, als es eigentlich vertretbar wäre.
Auch FLIP 7 enthält Interaktion – durch die Sonderkarten. Und auch in FLIP 7 lasse ich mich durch äußere Umstände höhertreiben: Wenn meine Konkurrent:in eine weitere Karte nimmt und überlebt, dann will ich auch noch eine!
FLIP 7 finde ich schöner gestaltet. Das Spiel hat Kasino-Atmosphäre, während mich die Staubfusselthematik von ABGESTAUBT nicht wirklich reinzieht. FLIP 7 hat auch eine etwas größere Range, wie viele Personen gut mitspielen können. Bei ABGESTAUBT wird zu dritt eher zu selten und zu sechst eher zu häufig geklaut. Aber das sind winzige Nuancen. Beide Spiele bleiben für mich vom Jahrgang 2024/25 übrig.


***** reizvoll

ABGESTAUBT! von Reiner Knizia für zwei bis sechs Spieler:innen, Kosmos.

Montag, 24. November 2025

Hof-Verrat

Hof-Verrat: Cover

Verrate mir deine Einleitung, und ich sage dir, wie du heißt.

Wie geht HOF-VERRAT? Wir legen Karten aus. Immer drei habe ich auf der Hand, nachdem ich sie am Ende meines vorherigen Zuges gezogen habe. Eine davon muss ich in meine Auslage spielen, eine in die Auslage einer Mitspieler:in und eine in die Mitte, an die „königliche Tafel“.
Die Karten an der königlichen Tafel besagen bei Spielende, welche Kartenfarben in unseren Auslagen Plus- oder Minuspunkte zählen. Man kann Karten nämlich oberhalb oder unterhalb der Tafel ablegen. Und liegen am Ende mehr Karten einer Farbe oberhalb, zählt diese Farbe plus. Und umgekehrt.
Es gibt etliche Sonderkarten: Jede Karte „Adel“ zählt wie zwei Karten. Das gilt sowohl in Auslagen als auch an der Tafel. „Spione“ werden verdeckt gespielt und erst für die Schlusswertung aufgedeckt. „Assassinen“ eliminieren andere Karten, „Wächter“ sind geschützt.

Was passiert? Wenn ich nicht gerade mehrere gleichfarbige Karten auf der Hand habe, muss ich mit Widersprüchen umgehen: Eine Farbe, die ich bei mir auslege, würde ich eigentlich an der königlichen Tafel stärken wollen – aber dann kann ich sie ja nicht bei mir auslegen.

Hof-Verrat: Tafel

In der Theorie möchte ich natürlich Karten zu mir legen, die positiv zählen. Karten, die negativ zählen, sollen zur Konkurrenz. Und in die Mitte gehören Karten, die dazu beitragen, dass Wertungen in meinem Sinne kippen. Ob das alles klappt, hängt erstens von meinen Karten ab und zweitens von meinen Mitspieler:innen. Außer im Spiel zu zweit werden die meisten Karten nun mal von anderen Spieler:innen platziert. Je mehr Leute mitwirken, desto geringer mein Einfluss.
Parallel verfolgen wir noch Geheimmissionen. Die könnten mir beispielsweise Punkte bringen, wenn: die gelben Karten am Ende negativ zählen oder ich mehr blaue Karten habe als die Person links von mir oder mindestens drei Spione vor mir ausliegen. Spielerischer Vorteil dieser Karten ist, dass ich einen Fokus für die gesamte Partie erhalte, während ich ansonsten rein situativ agiere.
Nachteilig ist allerdings, dass auch das Erfüllen mancher Ziele kaum in meiner Hand liegt. Im Spiel zu fünft etwa habe ich sehr wenig Einfluss darauf, ob Gelb nun plus oder minus zählt. Und wenn ich im gesamten Spiel nur einen oder zwei Spione ziehe, wäre ich auf unfreiwillige Mithilfe angewiesen, um drei Spione vor mir versammeln zu können.

Was taugt es? In meinen öffentlichen Runden war HOF-VERRAT in der vergangenen Saison sehr beliebt, während es bei den regelmäßigeren Mitspieler:innen überwiegend Schulterzucken ausgelöst hat.
Ich ordne mich eher bei der Fraktion Schulterzucken ein. Sicher hat das damit zu tun, dass ich aggressive Interaktion nicht so mag. Zu entscheiden, welcher Person ich eine miese Karte reindrücke, macht mir üblicherweise wenig Freude. Immerhin ist bei HOF-VERRAT nicht so deutlich, was denn nun eine miese Karte ist. Vielleicht zählt eine vermeintlich miese am Ende dann doch Pluspunkte.

Hof-Verrat: Karten

HOF-VERRAT ist sehr dynamisch. Erstens im Sinne von schnell: Niemand muss über den eigenen Zug lange nachdenken. Zweitens im Sinne von wechselhaft: Die Assassinen können die Spielstände sehr plötzlich verändern. Und wegen der Spione ist der genaue Spielstand sowieso nicht ersichtlich, und es bleibt spannend bis zum Schluss.
Als unterhaltsam erlebe ich HOF-VERRAT also zweifellos: Ich habe Ziele, ich habe Aufgaben; ich versuche, mich irgendwie durchzulavieren, mich an Mehrheiten anzuhängen, nicht negativ aufzufallen. Und bevor ich eine blöde Karte selbst nehme, würge ich sie doch lieber einer Mitspieler:in rein, sorry. Diese Mixtur kann durchaus Stimmung erzeugen, und so erkläre ich mir die vielen sehr positiven Bewertungen.
Für mein spielerisches Wohlbefinden fühlt sich HOF-VERRAT am Ende jedoch zu oberflächlich und auch zu beliebig an. Klar gibt es Stellschrauben, aber gleichzeitig auch zu viele Personen, die daran herumdrehen. Vom interessanten Twist, drei Karten an drei Orte spielen zu müssen, hätte ich mir mehr Dilemma erhofft.


**** solide

HOF-VERRAT von Romaric Galonnier und Anthony Perone für zwei bis fünf Spieler:innen, Huch.

Donnerstag, 20. November 2025

Bohemians

Bohemians: Cover

Man muss Spielthemen auch leben! Deshalb habe ich mich verpflichtet gefühlt, ausgiebig meinen Tagträumen nachzuhängen. Für eine Einleitung hat es dann nicht mehr gereicht.

Wie geht BOHEMIANS? Paris um 1900. Wir sind Künstler:innen am Anfang unserer Karriere und auf der Suche nach Erfolg. Wir spielen so viele Tage (Runden), bis jemand die vorgegebene Anzahl Erfolgskarten kaufen konnte.
Jede Runde entspricht einem Tag in meinem Künstlerleben. Während dieses Tages sammle ich Inspirationspunkte. Damit kaufe ich bessere Karten für mein Deck oder eben Erfolgskarten, die eine nach der anderen zunehmend teurer werden. Sie werden nicht in mein Deck gemischt.
Pro Runde ziehen wir mindestens fünf Karten und legen vier davon auf unsere Tagesplan-Tableaus. Die Karten besagen, was wir morgens, mittags, abends und nachts tun. Vor allem aber haben sie an ihren linken und rechten Kanten halbe Symbole. Ordne ich meine Karten so an, dass halbe Symbole aneinandergrenzen und auf diese Weise zu kompletten Symbolen werden, sammle ich Inspirationspunkte.

Bohemians: Tagesplan

Meine Tagesplanung ist also ein Puzzle. Und wir puzzeln simultan. Statt einer der vier Karten könnte ich auch mein Job-Plättchen spielen. Das hat keine Symbole, wird also meine Inspirationswertung verschlechtern. Allerdings: Übe ich meinen Job nicht aus, bekomme ich eine Leidenskarte in mein Deck, die – sobald ich sie später ziehe – meinen Tag negativ modifiziert. Positiv sich wirken Musenkarten aus, die ich unter bestimmten Voraussetzungen mit meinen Symbolkarten kombinieren darf.

Was passiert? Am Ende des Tages sollen wir nicht nur schnöde unsere Inspirationspunkte addieren und Karten kaufen, sondern wir sollen den anderen auch von unserem Tag erzählen. Das könnte dann so klingen: „Morgens bin ich ziellos durch die Straßen geschlendert. Mittags habe ich mich darauf eingestimmt, zu komponieren. Abends habe ich dann aber doch lieber an einem Manifest gearbeitet. Unterstützt und inspiriert hat mich dabei mein treuer Freund Pascal. Nachts musste ich mich wie so oft als Straßenmusiker verdingen.“
Diese Erzählungen fangen das Spielthema gelungen ein und lösen schönen Trashtalk aus. Vielleicht sind es nur Klischees, die hier wiedergegeben werden, dennoch kann man sich gut vorstellen, wie hier jemand innerhalb einer progressiven Szene und gleichzeitig am Rande des Abrutschens über die Runden zu kommen und Kunst auszuüben versucht.

Bohemians: Karten

Dass ich letztendlich nur Karten aneinanderpuzzle, finde ich nicht schlimm. Zwar ist das so gar nicht künstlerisch, aber man kann schon nachvollziehen, dass ein bestimmter Tagesverlauf mehr oder weniger kreative Energie freisetzt. Das wäre in der Realität genauso.
Allerdings ist es fürs Spiel völlig unerheblich, was die anderen so von ihrem Tag zu erzählen haben, und es ist auch ermüdend. Denn wir starten mit denselben Decks, und so sehr verändern sie sich auch nicht im Laufe der Partie. Deshalb wiederholen sich die Geschichten bald und nutzen sich ab.
Sogar die Puzzelei selbst ist repetitiv und wird im Laufe der Partie nicht spannender. Und auch die Erfolgskarten bringen keinen Twist. Man kann froh sein, die nötigen Inspirationspunkte zusammengekratzt zu haben, also kauft man meistens einen Erfolg, wenn man es irgend kann.

Was taugt es? Zu den bereits genannten Negativpunkten kommt hinzu: Bei der Übersetzung ist vieles schiefgegangen. Die Anleitung ist lückenhaft. Symbole sind vertauscht. Spielphasen heißen mal so und mal anders. Ein ganz wichtiges Symbol auf Musenkarten ist nicht erklärt, so dass man denken könnte, es sei nur Zierde.
Es hätte gute Gründe gegeben, um BOHEMIANS das Label „misslungen“ zu verpassen. Denn elementare Dinge sind ganz unbestreitbar misslungen. In der Gesamtschau auf das Spiel mag ich das dennoch nicht tun. Denn grafisch, atmosphärisch und thematisch finde ich BOHEMIANS so ansprechend, dass ich allein deswegen freiwillig noch mal eine Partie spielen würde.

Bohemians: Erfolge

Man kann viele authentisch wirkende Details entdecken. Die Erfolge heißen nicht einfach nur „Erfolg“, sondern „Das erste Freunden vorgestellte Kunstwerk“, „Worte des Trostes vom Mentor“ oder „Eine zufriedenstellende Rezension“; Karten heißen „Geh tanzen“, „Übe, übe, übe“ oder „Sage das Ende der Kunst voraus“. Das kommt mir alles sehr treffend vor. Angesichts von Leidenskarten wie „Obdachlosigkeit“ oder „Syphilis“ könnte man BOHEMIANS vielleicht mangelnde Sensibilität vorwerfen oder gar, dass es sich lustig macht. Ich habe das beim Spielen nicht so empfunden.


*** mäßig

BOHEMIANS von Jasper de Lange für eine:n bis vier Spieler:innen, Portal Games / Pegasus Spiele.

Mittwoch, 12. November 2025

Am Goldenen Fluss

Am Goldenen Fluss: Cover

Gewiss wollte ich eine Einleitung schreiben, aber ich kam nicht so recht in den – hahaha – Fluss.

Wie geht AM GOLDENEN FLUSS? Wir sammeln Geld, um damit Häuser am Flussufer zu bauen. Und wir sammeln Waren, um damit Kundenkarten auszuspielen. Diese Karten bringen erstens Spielvorteile, zweitens zählen sie Punkte. Häuser punkten indirekt, indem sie mich bei Regionswertungen unterstützen. Jeder Bauplatz gehört einer der sechs Regionen an. Neubauten bringen mir Schritte auf der Einflussskala ihrer Region. Und am Ende des Spiels bekommen Erst-, Zweit- und eventuell auch Drittplatzierte jeder Region Punkte.
Zudem profitieren meine Häuser, wenn Schiffe – eigene oder fremde – bei ihnen anlegen. Immer dann schüttet das Haus eine Belohnung für den Ankommenden aus sowie eine andere Belohnung für die Hausbesitzer:in. Was genau es gibt, lässt sich am Gebäudeplättchen ablesen: Das könnte etwa Geld sein oder Waren oder Einflussschritte in der Region oder direkt Punkte und so weiter.

Am Goldenen Fluss: Situation

Für jeden Spielzug würfle ich einen Farb-und-Zahlenwürfel. Das Ergebnis lässt mir drei Optionen: Ich könnte a) ein Haus in der erwürfelten Region bauen (sofern ich es bezahlen kann), b) eine zur erwürfelten Region passende Kundenkarte ausspielen (sofern ich die geforderten Waren abgebe), c) mit einem meiner Schiffe um die erwürfelte Anzahl Felder weitersegeln. Das mache ich, um lukrative Häuser zu erreichen, im Idealfall meine. Jedes Flussfeld bietet den Zugriff auf vier Gebäude gleichzeitig. Schön ist es, auf einem Feld zu landen, das an mehrere attraktive Häuser grenzt.
Ich bin nicht komplett vom Würfelglück abhängig: Unter Abgabe von „göttlicher Gunst“ (eine weitere Währung im Spiel) darf ich mein Würfelergebnis verändern.

Was passiert? AM GOLDENEN FLUSS kommt schnell in Gang. Das Startkapital reicht bereits aus, um das erste Haus zu bauen. Zweimal mit dem Schiff zu fahren, kann dann auch schon für das zweite genügen.

Am Goldenen Fluss: Kundschaft

Etwas länger dauert die Beschaffung der Waren. Vielleicht wollen meine Kund:innen bevorzugt Porzellan, aber es kommen keine Gebäude ins Spiel, die Porzellan liefern. Zwar gibt es auch Möglichkeiten, um Karten auszutauschen oder Waren 2:1 zu handeln, aber direkt zum Ziel zu kommen statt über Umwege, ist zweifellos besser.
AM GOLDENEN FLUSS ist ein positives Spiel. Jeder Zug bringt mir einen sichtbaren Fortschritt, indem ich entweder Einnahmen generiere oder irgendwas erwerbe. Und auch die Züge der Gegner:innen können mir helfen, sofern meine Gebäude angesteuert werden. Ob das geschieht, hängt davon ab, ob ich attraktive Häuser gebaut habe oder ob attraktive Häuser direkt nebenan stehen (und der Besuch bei mir so eine Art Beifang ist). Es hängt aber auch von den Würfelergebnissen ab.
Nachteilig ist es auf jeden Fall, wenn zu viele Schiffe an meinen Gebäuden vorbeisegeln – was auch immer der Grund dafür ist. Weil AM GOLDENEN FLUSS ein schnelles Spiel mit nicht allzu vielen Zügen ist, wird sich so etwas auch auf lange Sicht nicht zwangsläufig ausgleichen, zumal diejenigen, bei denen es besser läuft, höhere Geld- und Wareneinnahmen haben und somit auch bessere Chancen, dass es weiterhin gut läuft.
AM GOLDENEN FLUSS bietet Chancen, um mit Glück, aber auch mit Taktik zum Ziel zu kommen. Pro Partie gibt es drei unterschiedliche Spielziele, die mich mit Punkten belohnen, sofern ich sie schneller erreiche als die Konkurrenz. Auch die Regionswertungen variieren. Dort gezielt statt wahllos Einfluss zu sammeln, bewirkt einen Punkteunterschied.

Was taugt es? AM GOLDENEN FLUSS ist sehr schön ausgestattet und gestaltet. Lediglich die Gebäudefarben könnten klarer unterscheidbar sein. Sehr gelungen sind die Übersichten und Hilfen für Spieler:innen.

Am Goldenen Fluss: Tableau

Obwohl es angenehm ist, ständig Erträge zu bekommen und obwohl die drei Aktionsmöglichkeiten gut harmonieren und zusammenspielen, haben sich die Partien für mich selten spannend, sondern eher linear angefühlt.
Dem Spiel fehlen Höhepunkte und knifflige Situationen, Entscheidungen liegen teilweise auf der Hand. Alle Partien verlaufen gleichförmig, und vor allem zu viert habe ich AM GOLDENEN FLUSS auch immer als zu kurz empfunden, als dass sich alle vorhandenen Elemente hätten entfalten können.
Positiv finde ich die schnell getakteten Spielzüge, die klare Zielführung und die durchgehend positive Interaktion. Das Prinzip, entlang eines Rondells Häuser zu bauen und bei deren Betreten Einnahmen zu kassieren, ist mir zuletzt in FAIRY RING begegnet. Auch wenn unter meiner damaligen Rezension genau wie hier „solide“ steht, würde ich FAIRY RING aufgrund seiner Direktheit gegenüber AM GOLDENEN FLUSS bevorzugen.


**** solide

AM GOLDENEN FLUSS von Keith Piggot für zwei bis vier Spieler:innen, Kosmos.

Samstag, 8. November 2025

Vor 20 Jahren (155): Wir sind schwanger

Wir sind schwanger: Cover

WIR SIND SCHWANGER gehört zu den weniger bekannten Werken Uwe Rosenbergs. Auf boardgamegeek hat das Spiel gerade mal 35 Bewertungen. Und auch nicht die allerbesten. Dass ich das Spiel weiterhin besitze, ist trotzdem kein Zu- oder Unfall. Ich mag den Mechanismus.

Worum geht’s? Reihum abwechselnd werden uns Vornamen zugelost, wie unser hypothetisches Neugeborenes heißen könnte. Unseren Nachnamen bringen wir mit. So ergeben sich Kreationen wie „Eros Bartsch“, „Trixi Bartsch“, „Beverly Bartsch“ oder „Fausto Bartsch“.

Dann bewerten wir diesen Namen. Dazu besitzen alle dieselben 20 Karten mit Urteilen wie: „Als Elternteil würde ich mich schämen, auf dem Schulhof den Vornamen dieses Kindes rufen zu müssen.“ Oder: „Erst bekommt das Kind diesen Nachnamen und nun auch noch diesen Vornamen. So ein Pech!“ Fünf dieser Bewertungen wählt jede:r geheim aus. Bin ich anschließend dran, decke ich eine meiner fünf Karten auf. Wer dieselbe hat, muss ebenfalls aufdecken.


Wir sind schwanger: Karten

Sind das alle Mitspieler:innen, ist das schlecht für mich. Ich verliere einen Punkt. Ebenso, wenn ich mit meiner Bewertung ganz allein dastehe. Stimme ich hingegen mit einem Teil der Mitspieler:innen überein, gewinnen wir alle je einen Punkt. Ich will also Bewertungen wählen, die andere auch wählen. Zu offensichtlich sollte es aber auch nicht sein. Haben wir alle dieselbe Karte ausgesucht, will ich zumindest nicht derjenige sein, der sie aufdeckt.

Diesen Mechanismus finde ich nach wie vor reizvoll und gewitzt. Er verbindet ein Partyspiel mit Taktik und Thrill. Dieser Art von Handkartenmanagement mit Spekulation auf die gewählten Karten der anderen bin ich in WIR SIND SCHWANGER zum ersten Mal begegnet. Spätere Spiele mit ähnlichem Mechanismus sind bekannter geworden. Ich denke an WIE VERHEXT (2008 von Andreas Pelikan), DIE GLASSTRASSE (2013 von Uwe Rosenberg) oder STELLA (2021 von Gérald Cattiaux und Jean-Louis Roubira).

Angefangen hatte Uwe Rosenbergs Karriere mit Kartenspielen. Vor 20 Jahren befand der Autor sich schon in seinem zweiten Karriereabschnitt. Es war eine Übergangsphase, in der Rosenberg Kommunikations- und Partyspiele entwickelte, denen viel Textarbeit (in diesem Fall das Recherchieren von 2600 Vornamen) vorausging. WIR SIND SCHWANGER ist für mich das beste Spiel aus dieser kürzeren Periode. Das nächste große Kapitel schlug Rosenberg ab 2007 auf. AGRICOLA und in der Folge all die Figureneinsatzspiele machten ihn in Spieler:innenkreisen weltberühmt.

Schon vor dem Öffentlich-Werden dieser dritten Phase munkelte man in meinem erweiterten Umfeld, dass da etwas ganz Großes kommen würde. Spieler:innen aus Hannover standen irgendwie mit Uwe Rosenberg in Kontakt. Vielleicht wirkten sie in seinen Testrunden mit oder tauschten sich in sozialen Medien mit ihm aus. Im Detail weiß ich das nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich irritiert war über dieses elektrisierte Raunen und die spürbare Vorfreude auf das ganz tolle Vielspieler:innen-Ding. Denn Uwe Rosenberg brachte ich damals mit solchen Spielen nicht in Verbindung. Er stand für Spiele wie BOHNANZA, MAMMA MIA!, SPACE BEANS oder eben WIR SIND SCHWANGER.

Und wer bislang dachte, ich schreibe diese Rückschauen spontan, wie sie mir gerade in den Sinn kommen, wird nun so richtig staunen: Tatsächlich ist alles sorgsam komponiert und baut dramaturgisch aufeinander auf. Der Schritt von WIR SIND SCHWANGER zu AGRICOLA wäre nicht möglich gewesen ohne – tadaaa! – CAYLUS, das vor einem Monat Thema war. Nach Uwe Rosenbergs eigenen Angaben hat CAYLUS ihn zu AGRICOLA inspiriert. Nach der Messe 2005 habe er zwei Wochen lang jeden Abend CAYLUS gespielt und darüber nachgedacht, wie er es zu einem eigenen Spiel weiterentwickeln könne. Aber dazu mehr wohl in zwei Jahren. Für heute sagt der Papa in spe von Hannelore Bartsch, Oswald Bartsch und Ilsebill Bartsch auf Wiedersehen.


Dienstag, 4. November 2025

Meister Makatsu

Meister Makatsu: Cover

Meister Makatsu mag kein Geschwätz.

Wie geht MEISTER MAKATSU? Wer will Minuspunkte? Niemand natürlich. Der strenge Meister Makatsu verteilt sie allerdings sehr großzügig.
Jede:r besitzt dasselbe Deck mit Karten in drei Farben und Werten von Eins bis Acht. Zufällige vier davon bekommen wir pro Runde auf die Hand. Erst spielen wir ohne jede Bedienpflicht reihum eine, dann reihum eine zweite. Die beiden übrigen Karten legen wir für den nächsten Durchgang beiseite.
Nun werten wir für jede der drei Farben die gespielten Karten aus. Wer die höchste gespielt hat, kriegt Strafe: Die höchste blaue Karte bringt einen Minuspunkt, die höchste gelbe zwei, die höchste violette einen und obendrein die sehr unbeliebte Ausspielpflicht.
Man will also niemals hoch spielen. Aber irgendwann muss man das wohl. Schrecklicherweise werden die Minuspunkte im zweiten Durchgang verdoppelt, im dritten verdreifacht. Diese Durchgänge sind erheblich kürzer. Denn wir spielen nur noch mit unseren zuvor beiseitegelegten Karten. Die werden jeweils neu gemischt, und wieder gibt es für jede Runde vier meiner Karten auf die Hand.

Was passiert? Spiele ich anfangs immer kleine Werte, kann ich mich darauf einstellen, die späteren Durchgänge mit den hohen Karten bestreiten zu dürfen. Spiele ich anfangs hoch, nutzen meine Mitspieler:innen das womöglich aus, um als galante Beigabe zu meiner Acht eigene Sechsen und Siebenen zu entsorgen.
Sehr ärgerlich übrigens, wenn man in solchen Situationen nichts Hohes hat. Da spielt jemand – vermutlich aus Verzweiflung – die gelbe Acht vor, man könnte den allergrößten Mist abstoßen … hat gerade aber keinen parat. Oder nur in den anderen Farben. Oder man hat ausgerechnet eine gelbe Acht. Und bei mehreren gleichen Zahlen sticht die später gespielte.

Meister Makatsu: Material

MEISTER MAKATSU ist ein ständiges Dilemma: Ich will niemals die violetten Stiche gewinnen, weil es viel bequemer ist, hinten zu sitzen und reagieren zu können. Gelbe Stiche will ich aber auch nicht. Denn die sind ja besonders teuer. Und immer nur Blau zu legen, ist auch ungünstig. Denn so behalte ich für die späteren Durchgänge zwangsläufig Gelb und Lila.
Vermutlich kann ich ohnehin nicht immer unterbieten. Wann also ist der geeignete Moment, um doch mal klein groß beizugeben? Vielleicht wenn ich zwei hohe Werte einer Farbe auf der Hand habe, sagen wir Sechs und Acht. Und in dem Fall: Spiele ich erst die Sechs an, um zu gucken, was sich ergibt? Vielleicht legt jemand eine weitere Sechs oder die Sieben rein, und ich kann es mir mit der Acht noch mal anders überlegen? Na ja, aber vielleicht spielt aber auch jemand eine Acht, und dann frage ich mich, warum ich nicht auch gleich mit der Acht herausgekommen bin. Jetzt wäre ich sie los.

Was taugt es? MEISTER MAKATSU ist von Partie zu Partie in meiner Gunst von „ganz nett“ zu „echt gut“ gestiegen. Im Grunde ist es ein Legacy-Stichspiel. Auf einfachste Weise: Was ich nicht ausspiele, ist mein Erbe für den nächsten Durchgang. Das kann gut sein oder auch schlecht.
Das Handling allerdings ist etwas kompliziert. Wir müssen unterscheiden zwischen Karten, a) die endgültig raus sind, b) für den nächsten Durchgang beiseitegelegt wurden und c) noch auf unseren Nachziehstapeln des laufenden Durchgangs liegen. Da gab es schon etliche Verwechslungen, Mitspieler:innen haben ihre Karten durcheinandergebracht.
Bei Spielende erwartet uns noch die neueste Variante eines speziellen Knizia-Scorings: Bei Gleichstand gewinnt die Person, die den Startmarker besitzt und also in der Ausspielpflicht wäre – selbst wenn diese Person am Gleichstand gar nicht beteiligt ist. Das ist ungewöhnlich und etwas verrückt. In größerer Besetzung ab fünf Personen habe ich tatsächlich schon Gleichstände erlebt, und dann gewann halt irgendwer … oder stopp: vermeintlich irgendwer. Denn es spricht ja nichts dagegen, einen sehr hohen violetten Wert bin zum letzten Durchgang durchzuschleppen, um sich nun ganz gezielt den Startmarker zu holen. Trotzdem ist es immer noch großer Zufall, ob dann auch der erhoffte Gleichstand eintritt. Ein finaler Zock also, der meistens nicht funktioniert. Und wenn doch: Angesichts der Kürze des Spiels finde ich es okay, wenn das Ergebnis hin und wieder im letzten Moment auf den Kopf gestellt wird.
Durch MEISTER MAKATSU fühle ich mich bestens unterhalten. Ab vier Personen finde ich es am spaßigsten. So einfach die Regeln sind: Ich treffe immer wieder relevante Entscheidungen oder zumindest Risikoabwägungen. Ich bin gespannt auf das, was passiert. Ärger über die ungünstige Verteilung meiner Handkarten und Freude, eine hohe Karte überraschend abgestoßen zu haben, wechseln sich munter ab.


***** reizvoll

MEISTER MAKATSU von Reiner Knizia für zwei bis sechs Spieler:innen, Amigo.