Donnerstag, 10. Dezember 2015
Grand Austria Hotel
Neulich habe ich festgestellt: Man kommt viel besser mit seiner Zeit hin, wenn man kein Blog betreibt. Dann habe ich festgestellt: Ach herrje, ich betreibe ein Blog!
Wie geht GRAND AUSTRIA HOTEL? Wir leiten ein Hotel. Und wie allen Hoteliers geht es uns dabei einzig und allein um die Siegpunkte. In jedem Spielzug dürfen wir einen Gast aus dem Wartebereich des Spielplans wählen. Der Gast möchte mit bestimmten Farbwürfeln abgefüttert werden, anschließend in ein Zimmer seiner Farbe ziehen.
Sind seine Wünsche erfüllt, zählt dies Punkte. Außerdem bringen die Gäste weitere Belohnungen, also etwa Lebensmittel, neue Räume, Geld und so weiter. Das ist auch bitter nötig, denn im gesamten Spiel stehen uns bloß 14 Aktionen zur Verfügung, die ohne solche Zwischenbelohnungen nie und nimmer ausreichen, um alles Dringende zu erledigen.
Motor des Hotelbetriebs sind (bei vier Spielern) 14 Würfel, die geworfen und entsprechend ihrer Werte sortiert werden. Jede Augenzahl steht für eine Aktion. Die Einsen und Zweien bringen Lebensmittel, die Dreien erlauben es, Räume herzurichten. Und so weiter. Reihum entnehmen die Spieler einen Würfel und nutzen ihn. Anschließend noch einmal dasselbe in umgekehrter Reihenfolge. Je mehr Würfel derselben Augenzahl vorhanden sind, desto effektiver die Aktion.
Was passiert? Angenommen, die Würfel fallen nicht optimal (und Würfel neigen dazu), ergibt sich die reizvolle Abwägung: Die Aktion mit den meisten Würfeln wählen, weil sie gerade so toll effektiv ist? Oder die eigentlich zwingend notwendige Aktion wählen? Ganz blöd allerdings, wenn passend zu dieser Aktion überhaupt kein Würfel ausliegt. Freundlicherweise darf man passen. Die übrigen Würfel abzüglich einem werden dann erneut geworfen. Aber das neue Ergebnis (auch dazu neigen Würfel) muss nicht zwangsläufig besser sein.
GRAND AUSTRIA HOTEL erfordert viel Tüftelei. Räume fehlen, Essen fehlt, Geld ist knapp. Und man will nebenbei auch noch Bedienstetenkarten ausspielen, die dauerhafte Vergünstigungen bringen. Und um die Gunst des Kaisers buhlen will man auch. Folglich entspinnen sich Gedankenketten wie: Wenn ich als Gast die Kammersängerin nehme (kostet leider Geld), könnte sie gleich einziehen, weil ein passendes Zimmer frei ist und Wein und Strudel vorrätig sind (dies aus der Küche herbeizuschaffen, kostet schon wieder Geld). Die Kammerjägerin schenkt mir anschließend ein Stück Torte, das ich sogleich dem Veterinärrat serviere, und erlaubt mir, eine Personalkarte mit Rabatt auszuspielen. So kommt endlich mein Barmann zum Zuge, der jede Runde einen Wein spendiert. Den ersten davon gebe ich ebenfalls dem Veterinärrat, der daraufhin einziehen kann und ... immer so weiter.
Mit anderen Worten: Weil jeder Spieler nur 14 Spielzüge hat, dauert ein einzelner ziemlich lange. Spielt man zu viert, zieht es sich besonders, bis man nach den Kettenzugmonstern anderer Hoteliers wieder an die Reihe kommt. Oder noch mal anders gesagt: Am besten spielt man GRAND AUSTRIA HOTEL gar nicht erst zu viert.
Was taugt es? Von der Tüftelaufgabe geht für Vielspieler ein Reiz aus. Man ahnt, dass es unmöglich ist, alle Belange optimal unter einen Hut zu bringen. Das hindert einen aber nicht, es probieren zu wollen, sich herausgefordert zu fühlen und sich an gelungenen Kombinationen zu erfreuen. Und auch an immer wieder neuen Kombinationen. Denn jeder der 56 Gäste ist individuell. Es gibt zudem 48 verschiedene Bedienstete. Und in jeder Partie gelten andere Sonderaufgaben.
GRAND AUSTRIA HOTEL ist allerdings nicht so strategisch, wie es scheinen mag. Beim einen läuft’s, beim anderen nicht, und das liegt an den Würfeln. Und am Belohnungssystem. Wenn alles passt, habe ich einen guten Gästedurchlauf. Die Gäste bringen mir Vorteile, und die Vorteile helfen mir dabei, dass es weiter gut passt. Und genauso wirken sich Belohnungen aus, die ich für abgeschlossene Hotelbereiche erhalte. Dumm also, wenn der Gästefluss stockt und ich die Bereiche langsamer abschließe.
Spieler, die aus dem Tritt geraten, operieren ganz hart an der Kante. Sie müssen ihr letztes Geld investieren, um an der Würfelauslage zu drehen und so doch noch wenigstens einen Kaffee-Stein zu bekommen, ohne den überhaupt nichts mehr weiterginge (Ein lächerlicher Stein kann in GRAND AUSTRIA HOTEL unheimlich entscheidend sein!). Andere genießen den Luxus, einfach die Würfelsorte wählen zu können, die gerade am häufigsten da liegt.
Das Spiel schickt die Spieler in Sackgassen, aus denen es nur mit viel Aufwand wieder herausgeht. Wer auf der Kaiser-Skala hinterherhechelt, sieht sich von fiesen Strafen bedroht, während andere Spieler schon wieder Belohnungen einplanen dürfen. Die Strafe abzuwehren und nicht ins totale Elend abzurutschen, kostet womöglich einen kompletten Zug, den die glücklicheren Kollegen viel effektiver nutzen können, um ihr Hotel für den nächsten Gästeschub vorzubereiten.
Aufgrund dieser für mein Empfinden zu wenig ausbalancierten Härten sehe ich GRAND AUSTRIA HOTEL nicht in der Oberklasse des aktuellen Jahrgangs – obwohl mich das Spiel durchaus reizt und herausfordert.
Anmerken möchte ich noch, dass es keine gute Idee war, die Berufe der Bediensteten in kleiner Schnörkelschrift auf die Karten zu drucken.
GRAND AUSTRIA HOTEL von Simone Luciani und Virginio Gigli für zwei bis vier Spieler, Lookout Spiele.
Wie geht GRAND AUSTRIA HOTEL? Wir leiten ein Hotel. Und wie allen Hoteliers geht es uns dabei einzig und allein um die Siegpunkte. In jedem Spielzug dürfen wir einen Gast aus dem Wartebereich des Spielplans wählen. Der Gast möchte mit bestimmten Farbwürfeln abgefüttert werden, anschließend in ein Zimmer seiner Farbe ziehen.
Sind seine Wünsche erfüllt, zählt dies Punkte. Außerdem bringen die Gäste weitere Belohnungen, also etwa Lebensmittel, neue Räume, Geld und so weiter. Das ist auch bitter nötig, denn im gesamten Spiel stehen uns bloß 14 Aktionen zur Verfügung, die ohne solche Zwischenbelohnungen nie und nimmer ausreichen, um alles Dringende zu erledigen.
Motor des Hotelbetriebs sind (bei vier Spielern) 14 Würfel, die geworfen und entsprechend ihrer Werte sortiert werden. Jede Augenzahl steht für eine Aktion. Die Einsen und Zweien bringen Lebensmittel, die Dreien erlauben es, Räume herzurichten. Und so weiter. Reihum entnehmen die Spieler einen Würfel und nutzen ihn. Anschließend noch einmal dasselbe in umgekehrter Reihenfolge. Je mehr Würfel derselben Augenzahl vorhanden sind, desto effektiver die Aktion.
Was passiert? Angenommen, die Würfel fallen nicht optimal (und Würfel neigen dazu), ergibt sich die reizvolle Abwägung: Die Aktion mit den meisten Würfeln wählen, weil sie gerade so toll effektiv ist? Oder die eigentlich zwingend notwendige Aktion wählen? Ganz blöd allerdings, wenn passend zu dieser Aktion überhaupt kein Würfel ausliegt. Freundlicherweise darf man passen. Die übrigen Würfel abzüglich einem werden dann erneut geworfen. Aber das neue Ergebnis (auch dazu neigen Würfel) muss nicht zwangsläufig besser sein.
GRAND AUSTRIA HOTEL erfordert viel Tüftelei. Räume fehlen, Essen fehlt, Geld ist knapp. Und man will nebenbei auch noch Bedienstetenkarten ausspielen, die dauerhafte Vergünstigungen bringen. Und um die Gunst des Kaisers buhlen will man auch. Folglich entspinnen sich Gedankenketten wie: Wenn ich als Gast die Kammersängerin nehme (kostet leider Geld), könnte sie gleich einziehen, weil ein passendes Zimmer frei ist und Wein und Strudel vorrätig sind (dies aus der Küche herbeizuschaffen, kostet schon wieder Geld). Die Kammerjägerin schenkt mir anschließend ein Stück Torte, das ich sogleich dem Veterinärrat serviere, und erlaubt mir, eine Personalkarte mit Rabatt auszuspielen. So kommt endlich mein Barmann zum Zuge, der jede Runde einen Wein spendiert. Den ersten davon gebe ich ebenfalls dem Veterinärrat, der daraufhin einziehen kann und ... immer so weiter.
Mit anderen Worten: Weil jeder Spieler nur 14 Spielzüge hat, dauert ein einzelner ziemlich lange. Spielt man zu viert, zieht es sich besonders, bis man nach den Kettenzugmonstern anderer Hoteliers wieder an die Reihe kommt. Oder noch mal anders gesagt: Am besten spielt man GRAND AUSTRIA HOTEL gar nicht erst zu viert.
Was taugt es? Von der Tüftelaufgabe geht für Vielspieler ein Reiz aus. Man ahnt, dass es unmöglich ist, alle Belange optimal unter einen Hut zu bringen. Das hindert einen aber nicht, es probieren zu wollen, sich herausgefordert zu fühlen und sich an gelungenen Kombinationen zu erfreuen. Und auch an immer wieder neuen Kombinationen. Denn jeder der 56 Gäste ist individuell. Es gibt zudem 48 verschiedene Bedienstete. Und in jeder Partie gelten andere Sonderaufgaben.
GRAND AUSTRIA HOTEL ist allerdings nicht so strategisch, wie es scheinen mag. Beim einen läuft’s, beim anderen nicht, und das liegt an den Würfeln. Und am Belohnungssystem. Wenn alles passt, habe ich einen guten Gästedurchlauf. Die Gäste bringen mir Vorteile, und die Vorteile helfen mir dabei, dass es weiter gut passt. Und genauso wirken sich Belohnungen aus, die ich für abgeschlossene Hotelbereiche erhalte. Dumm also, wenn der Gästefluss stockt und ich die Bereiche langsamer abschließe.
Spieler, die aus dem Tritt geraten, operieren ganz hart an der Kante. Sie müssen ihr letztes Geld investieren, um an der Würfelauslage zu drehen und so doch noch wenigstens einen Kaffee-Stein zu bekommen, ohne den überhaupt nichts mehr weiterginge (Ein lächerlicher Stein kann in GRAND AUSTRIA HOTEL unheimlich entscheidend sein!). Andere genießen den Luxus, einfach die Würfelsorte wählen zu können, die gerade am häufigsten da liegt.
Das Spiel schickt die Spieler in Sackgassen, aus denen es nur mit viel Aufwand wieder herausgeht. Wer auf der Kaiser-Skala hinterherhechelt, sieht sich von fiesen Strafen bedroht, während andere Spieler schon wieder Belohnungen einplanen dürfen. Die Strafe abzuwehren und nicht ins totale Elend abzurutschen, kostet womöglich einen kompletten Zug, den die glücklicheren Kollegen viel effektiver nutzen können, um ihr Hotel für den nächsten Gästeschub vorzubereiten.
Aufgrund dieser für mein Empfinden zu wenig ausbalancierten Härten sehe ich GRAND AUSTRIA HOTEL nicht in der Oberklasse des aktuellen Jahrgangs – obwohl mich das Spiel durchaus reizt und herausfordert.
Anmerken möchte ich noch, dass es keine gute Idee war, die Berufe der Bediensteten in kleiner Schnörkelschrift auf die Karten zu drucken.
GRAND AUSTRIA HOTEL von Simone Luciani und Virginio Gigli für zwei bis vier Spieler, Lookout Spiele.
Label:
**** solide
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3 Kommentare:
Die Einleitung kann ich sehr gut verstehen :-)
Schöne Rezi!
Das Thema ist super, aber das Spiel finde ich überfrachtet, da ist einfach zu viel los. Aber ich habe es bislang auch nur zu viert gespielt, und das hat sich dann, wie du auch schreibst, wirklich gezogen.
Vielleicht ist das als Zweierspiel flüssiger, mal sehen.
Das Leben ohne Spieleblog ist möglich, aber sinnlos. ;-)
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