Montag, 31. Mai 2010

Gern gespielt im Mai 2010

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?

DOMINION - DIE ALCHEMISTEN: Endlich erklärt eine Karte, was mit mir los ist: „Besessenheit“. Aber wer bloß ist in der Realität mein rechter Sitznachbar?



RA - THE DICE GAME: RA - THE DICE GAME ist ein einfaches Spiel. Vier Spieler jagen 30 Minuten lang zivilisatorischen Errungenschaften nach - und am Ende gewinnt Gelb. Harharhar.



STICHT ODER NICHT: Schon in der ungefähr vierten Partie begriff Blitzmerker Bartsch, dass hier ja lauter stachelige Tiere abgebildet sind. (Nachdem man ihn darauf hinwies.)


GLEN MORE: Keine Liebe auf den ersten Blick. Aber...





SNAPSHOT: Mit Zehnjährigen kann ich dieses Spiel leider nicht empfehlen. Oder genauer gesagt: mit gewinnenden Zehnjährigen!



SCHLAG DEN RAAB: Mein Papierflieger ist der beste. Und schön, dass wir uns endlich wieder auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben besinnen.




Sonntag, 30. Mai 2010

Maus au Chocolat

An Liebe fehlt es hier nicht: Etienne, das Eichhörnchen, Henri, der Hamster, Mathieu, der Mistkäfer, und all ihre Küchenkumpels sehen 1a bescheuert aus. Und genau so ist das sicherlich beabsichtigt.
Eher schon fehlt es an der titelgebenden Maus. Sie findet im Spielregelvorwort Erwähnung und tut auf dem Cover so, als würde sie arbeiten. Im Spiel selbst tut hingegen sie nichts.
Aber vor allem fehlt es an Flow.

Wie geht MAUS AU CHOCOLAT? Die Spieler sammeln Kartentrios, die sie gegen Siegpunkte eintauschen. Das stärkste Trio ist ein farbreiner Drilling, das schwächste eine gemischte Straße. Jede Runde kauft jeder Spieler eine Karte zu seinem Blatt hinzu. Das Handkartenlimit beträgt acht. Spätestens da sollte ein Trio eingetauscht werden.
Neue Karten bekommen die Spieler aus dem gemeinsamen Markt. Jeder Spieler bietet simultan und verdeckt eine seiner Karten. Der höchste Wert erhält den Zuschlag und zwei der angebotenen Karten. Das Gebot geht in den Markt. Nun sucht der Spieler mit dem zweithöchsten Wert aus und so weiter, Runde um Runde.
Durchbrochen wird dieses Schema durch spezielle Regeln beim Eintauschen der Trios. Jeder Spieler hat ein hilfreiches Tierchen an seiner Seite. Claude, die Kakerlake, beispielsweise erlaubt, die Farbe einer Karte umzudefinieren, was das Herauslegen eines gleichfarbigen Trios natürlich sehr erleichtert. Doch auf keinen Helfer ist dauerhaft Verlass. Bei Rundenende wandern die Tiere im Uhrzeigersinn weiter.

Was passiert? MAUS AU CHOCOLAT lässt sich taktisch spielen, und wer gewinnen will, sollte das auch beherzigen. Es gibt stärkere und schwächere Helfer, und eine ökonomische Spielweise zeichnet sich dadurch aus, nicht bei jeder Gelegenheit ein Karten-Trio herauszuhauen, sondern erst zu den optimalen Konditionen, also beispielsweise wenn Amelie, die Ameise, vorbeischaut und der Spieler nun vier statt drei Karten abgeben und dabei zweifach punkten darf.
Im Gegensatz dazu ist das Karten-Ergattern auf dem Markt eher eine willkürliche Angelegenheit, was MAUS AU CHOCOLAT zu einem Spiel zwischen Taktik und Glück werden lässt. Was ja nicht schlecht sein muss.

Was taugt es? Vor allem aber ist MAUS AU CHOCOLAT ein Spiel zwischen Mechanismus und Mechanismus. Es tut nicht weh, man kann das spielen. Doch ein Grund, um es öfter zu spielen, findet sich nicht.

MAUS AU CHOCOLAT von Christian Fiore und Knut Happel für zwei bis sechs Spieler, Kosmos.

Mittwoch, 26. Mai 2010

Als ich noch kein Spieler war (2): Monopoly

Vermutlich habe ich noch niemals die Anleitung von MONOPOLY gelesen. Und das Spiel trotzdem Dutzende Male und noch häufiger gespielt. Ein Freund brachte mir MONOPOLY bei, und das einzige Detail, das uns in der Anleitung interessierte, war die genaue Stückelung des Startkapitals. Man nahm da nicht einfach drei Zehntausender und legte die lieblos ab. Nein, nein, nein! Die Startgeldverteilung wurde zelebriert. Schön säuberlich schichteten wir die einzelnen Sorten auf dem Teppichboden vor uns auf: Einmal 10.000, sechsmal 2.000, viermal 1.000, dreimal 400, zehnmal 200, siebenmal 100 und fünfmal 20. In Summe 30.000. Ich kann das noch heute herunterbeten.

Ein etwas intensiverer Blick in die Regel hätte uns vielleicht erkennen lassen, dass wir MONOPOLY völlig falsch spielten. Erst später erfuhr ich beispielsweise, dass man ganze Straßenzüge besitzen muss, um dort bauen zu dürfen. Wir hingegen bauten, sobald wir wollten. Und weil wir mit dem Wort „Hypothek“ nichts anfangen konnten, gab es keine Hypotheken. Überhaupt war uns der gesamte untere Teil der Grundstückskarten zu komplex, weshalb wir der Einfachheit halber (und idiotischerweise) die Mietkosten auch als Baukosten zahlten. Ein Hotel auf der Schlossallee kostete demnach schlappe 40.000 DM und war aus diesem Grund eine Rarität. Das Spiel funktionierte trotzdem bestens, und das Hantieren mit den vielen bunten Scheinen beschäftigte uns stundenlang.

Blöd war nur, dass wir, wenn andere Mitspieler dazukamen, diesen immer erst die richtigen Regeln (also unsere) beibiegen mussten. Einmal war eine Schulfreundin da und sie setzte eine schadenfrohe Variante durch: Wer nicht bemerkt, dass jemand auf seiner Straße steht, hat Pech gehabt! Sobald gewürfelt wird, verfällt der Mietanspruch. Meinem Kumpel wäre das beinahe passiert. Er wollte schon würfeln, konnte sich erst im allerletzten Moment so eben noch bremsen und rief voller Entsetzen: „Halt! Brrr! Wieher! Stopp!“

31 Jahre dürfte das nun her sein, doch dieses Zitat hat sich in mein Hirn eingebrannt. So war also die Jugendsprache 1979. Und schon immer mal wollte ich dieses „Halt! Brrr! Wieher! Stopp!“ in einem Artikel unterbringen. Jetzt endlich ist es mir gelungen.

So sah mein MONOPOLY aus: http://www.ils.unc.edu/~sharalyn/inls461/monopoly.jpg

Samstag, 22. Mai 2010

Identik

„Auf dem Bild ist ein Junge zu sehen. Vor dem Jungen liegt ein aufgeklapptes Buch, dessen Seiten wie ein Schachtbrett gemustert sind. Auf diesem Schachtbrett stehen vier Figuren: ein König, ein Turm, ein Pferd, ein Läufer. Der Junge hat einen Pullover mit zwei Streifen an und hat seinen Kopf auf beide Hände gestützt. Der Junge sitzt übrigens rechts hinten im Bild...“ – Argh! Prinzipiell sind Gewaltanwendungen gegen Mitspieler natürlich zu verurteilen; manchmal aber sind sie unerlässlich.
Die Sanduhr läuft erbarmungslos, und mangels genauerer Anweisungen ihres „Meisters“ und in der Not, irgendetwas aufs Papier bringen zu müssen, haben die „Künstler“ den Jungen eben mittig ins Bild gesetzt. - Und nun plötzlich rechts...?

Wie geht IDENTIK? Schlechte Zeichnungen, notdürftige Korrekturen und dilettantisch ins Bild gequetschte nachträgliche Details sind bei IDENTIK an der Tagesordnung.
Der reihum wechselnde „Meister“ beschreibt ein Bild, das die anderen Spieler in der Rolle von „Künstlern“ so exakt wie möglich nachmalen müssen. Ohne es zu sehen, versteht sich. Doch selbst der „Meister“ tappt teilweise im Dunkeln, denn er hat keine Ahnung, um welche Kriterien es bei der anschließenden Punktewertung gehen wird.
Ist die Sanduhr durchgelaufen (erschütternd früh), wird anhand eines Kriterienkataloges ausgewertet: „Mindestens eine der Schachfiguren trägt eine Krone“, „Auf dem Pulli des Jungen ist mindestens ein waagrechter Strich“, „Auf dem Schachbrett sind mindestens 16 Felder“, „Im Käse sind mindestens vier Löcher“. – Argh! Welcher Käse??? Tja, so weit war der „Meister“ in seiner Beschreibung leider nicht gekommen.

Was passiert? Wir spielen ein völlig sinnfreies, albernes und ungerechtes Spiel und haben Spaß dabei. Und das ist eine verwirrende Erfahrung. Insbesondere für alle, die Mal-Spiele eigentlich verabscheuen und sich gegen das Gefühl von Amüsiertheit trotzdem kaum wehren können.
Die entstehenden Kunstwerke reizen zum Lachen. Und das Gelächter schwillt sogar noch stärker an, wenn jemand für seine krakelige Strichmännchen-Skizze die Höchstpunktzahl einheimst (oben im Bild: ein Original und seine Top-Interpretation).

Was taugt es? IDENTIK ist ein gutes, unterhaltsames Partyspiel. Zu einem sehr guten Partyspiel fehlen jedoch ein paar Prozent: Der Aufschreibblock zum Notieren der Punkte verwirrt und verschwendet jede Menge Papier. Die Punktwertung - so egal sie für ein Spiel dieser Art auch sein mag - bestraft den „Meister“ für gute Bildbeschreibungen, anstatt ihn zu belohnen. Und eine Obergrenze für die Mitspielerzahl festzulegen, hätte auch nicht geschadet. Ab sieben oder acht Teilnehmern zieht sich IDENTIK dann doch.

IDENTIK von William P. Jacobson und Amanda A. Kohout für drei oder mehr Spieler, Asmodee.

Mittwoch, 19. Mai 2010

Was meine Mitspieler gerne spielen II

Manchen Runden trage ich manche Spiele gar nicht erst an, weil ich ahne, dass sie ihnen sowieso nicht gefallen werden. Tauchen solche Spiele nun aber in den Mitspieler-Top 10 auf, wollen plötzlich genau diese Runden genau diese Spiele doch kennen lernen - und es passiert das Erwartete. Insofern gibt es innerhalb kurzer Zeit bereits ziemliche Verwerfungen in den Charts. Dieses Update zeigt sie an und wird neue Verwerfungen provozieren und immer so fort.
Nebenbei wurde selbstverständlich auch weiter gespielt, neue Noten kamen hinzu, alte änderten sich usw.
Ich weise noch einmal auf die relative Willkürlichkeit der Ergebnisse hin. Um in dieses Ranking aufgenommen zu werden, genügen lediglich zehn Bewertungen. Die Top 10 sind also bestenfalls repräsentativ für meine Spielerunden, sonst aber für gar nichts. Sie sind eine Spielerei.
Als besonderen Service und damit jeder die Chance hat zu erfahren, wie gut die Spiele wirklich sind, habe ich - soweit möglich - meine Rezensionen verlinkt.

Die zehn Spiele mit der besten Durchschnittsnote:

1. EGIZIA
Kritik: Spielbox 2/2010
***** reizvoll



2. VASCO DA GAMA
**** solide




3. MAGISTER NAVIS
***** reizvoll




4. HANSA TEUTONICA
***** reizvoll




5. DIE TORE DER WELT
Kritik: Spielbox 7/2009
****** außerordentlich



6. DUNGEON LORDS
Kritik: Spielbox 2/2010
****** außerordentlich



7. FRESKO
**** solide




8. DIXIT
**** solide




9. UBONGO 3-D
Kritik: Spielbox 1/2010
***** reizvoll



10. IDENTIK
***** reizvoll





Die zehn Spiele mit dem größten Anteil Spitzennoten (mindestens 8 Punkte von 10):

Bei einer Sortierung nach Durchschnittsnote schneiden Spiele, die stark polarisieren, nur mittelmäßig ab. Spiel A, das ausschließlich 6 Punkte erhält, steht im Schnitt besser da als Spiel B, das von der einen Hälfte der Bewerter 8 und von der anderen Hälfte 3 Punkte bekommt. Aber ist Spiel B deshalb schlechter? Ich meine: nein. Zumindest einige Teilnehmer begeistert es ja viel mehr als Spiel A überhaupt irgendwen. Um Spielen der Kategorie B gerechter zu werden, dient diese Sortierung.

1. EGIZIA





2. MAGISTER NAVIS





3. IDENTIK





4. DIE TORE DER WELT





5. DUNGEON LORDS





6. HANSA TEUTONICA





7. FRESKO





8. VASCO DA GAMA





9. JÄGER UND SAMMLER





10. EINSATZ BITTE





Freitag, 14. Mai 2010

Fresko

Auf Flaschko, den Mann in der Heizdecke, und Klitschko, den Mann mit der Eisenfaust, folgt nun Fresko, der Mann mit dem bunten Bibelbildnis. Fresko besitzt eine sehr große Bet-Halle, deren Deckengemälde eine farbige Auffrischung bestens gebrauchen könnte. Wir sind Maler und übernehmen mit unseren fünf Gehilfen den Job.

Wie geht FRESKO? Das Deckengemälde des Herrn Fresko besteht aus 25 Abschnitten. Jedes restaurierte Teil erfordert bestimmte Farben und liefert Siegpunkte. Sind sechs oder weniger Plättchen übrig, beginnt die letzte Runde. Der mit den meisten Punkten gewinnt.
Die erste Entscheidung bei FRESKO ist dieselbe wie im echten Leben, wenn der Wecker klingelt: Bleibe ich liegen oder stehe ich tatsächlich auf? Frühes Aufstehen bedeutet die größte Auswahl am Markt, allerdings auch die höchsten Preise und eine Verschlechterung des Betriebsklimas. Sinkt es in den kritischen Bereich, erscheint einer der Gesellen nicht zur Arbeit und wir müssen mit vier statt fünf Leuten auskommen.
Zweite (geheime) Entscheidung: Was lasse ich wie viele meiner Männchen tun: a) Farbsteine einkaufen, b) Kombinationen von Farbsteinen gegen Siegpunkte eintauschen (= malen), c) Geld verdienen, d) Farbklötzchen gegen höherwertige Farbklötzchen eintauschen (= mischen), e) Laune der Mitarbeiter verbessern? Die Sichtschirme werden aufgedeckt und alle Aktionen schön der Reihe nach und in Aufstehreihenfolge abgewickelt.

Was passiert? Man kennt das alles. Die einzigen Überraschungen im Ablauf resultieren aus Fehlplanungen. Hier und da verkalkuliert sich einer, kriegt auf dem Markt womöglich nicht die angepeilten Farben, muss dann beim Malen oder Mischen umdisponieren, oder die eingesetzte Figur bleibt sogar arbeitslos. Ansonsten spielt sich FRESKO reibungslos runter.

Was taugt es? FRESKO ist ein weiteres der vielen Worker Placement-Spiele, hat anderen aber eine sehr stimmige Spielgeschichte voraus. Die motiviert zum Mitspielen, erleichtert den Einstieg und lässt denkbare Regelkomplikationen gar nicht erst aufkommen.
Nicht ganz ausgewogen scheint mir das Einsteigerspiel zu dritt: Wer immer spät aufsteht, Farben billig kauft, Geld scheffelt und erst kurz vor Schluss beim Malen so richtig ranklotzt, hat meistens den Pinsel vorn. Im Viererspiel lässt sich diese Strategie zum Glück nicht so leicht anwenden. Und überhaupt sind für Leute, die auf solche Ideen kommen, ja auch die drei zusätzlichen Module da.
Die Module schütten mehr Material ins Spiel, die Zusammenhänge werden komplexer, die Spielzeit verlängert sich und es bieten sich erheblich mehr Möglichkeiten, um Fehler zu machen. Vielspielern gefällt dies meist besser, obwohl der Kern des Spiels genau derselbe bleibt und alles Besondere an FRESKO (nämlich die schöne Verzahnung von Thema und Mechanismus) bereits im Grundspiel enthalten ist.

FRESKO von Marco Ruskowski und Marcel Süßelbeck für zwei bis vier Spieler, Queen Games.

Montag, 10. Mai 2010

Als ich noch kein Spieler war (1): Jag und schlag

Wenn auf dem Pausenhof der Orientierungsstufe 15 Jungen, ein Mädchen und ein Lehrer einem kleinen Ball nachjagen, dann nennt sich dies: Verfügungsstunde! Der pädagogische Nutzwert solcher Unterrichtseinheiten leuchtete selbst dem letzten Klassendepp ein. Denn wenn normalerweise irgendetwas auf dem Schulhof verboten war, dann Fußball spielen. Und während die Referendarin die übrigen Mädchen bespaßen durfte, lernten wir Jungen: Solange unser Lehrer dabei ist, darf man alles!

Auch an der Grundschule gab es die Verfügungsstunde. Hier ließ uns der Klassenlehrer spielen. Der Fundus der Schule war erbärmlich, also brachte er Spiele von zu Hause mit. Eines hieß JAG UND SCHLAG, und während es einem meiner Klassenkameraden beigebracht wurde, sammelte sich eine staunende Schülerschar um den Tisch und schaute gebannt zu. Ab diesem Tag wollte jeder nur noch dieses Spiel spielen! Wieder und wieder. Wir haben uns darum gezankt.

Und weil dummerweise nicht jeden Tag Verfügungsstunde war, bastelte ich mir mein eigenes JAG UND SCHLAG für zu Hause. Die Rückseiten etlicher Zeichenblöcke mussten dran glauben, damit ich massenhaft Pappen zu massenhaft Plättchen verarbeiten konnte. Mit Gestaltung hielt ich mich nicht unnötig auf: Statt Füchse zu malen, was sowieso misslungen wäre, schrieb ich einfach ein "F" auf die Kärtchen. Der Jäger war ein Strichmännchen mit Pfeil. Und weil das Spiel ja so supertoll war, musste ich unbedingt spielverlängernde Elemente einbauen. Das Feld war deshalb statt sieben mal sieben gleich neun mal neun Felder groß und es gab Waldtiere, die der JAG UND SCHLAG-Autor Rudi Hoffmann offenbar vergessen hatte. Wildschweine zum Beispiel, die in meinem Spiel genauso wie Holzfäller Bäume aus dem Weg räumen konnten.

Anfang der 90er, also noch vor der Wiederveröffentlichung als HALALI und auch noch vor Ebay, kam ich auf die Idee, bei meiner alten Schule nachzufragen, ob sie das Spiel noch hätten. Und ob sie es mir für private Verfügungsstunden überlassen könnten. Tatsächlich begab sich die Rektorin höchstpersönlich auf die Suche und grub JAG UND SCHLAG in irgendeiner Abstellkammer aus. Doch das Spiel war hinüber: die Schachtel zerfleddert, die Teile unvollständig, die Bilder abgescheuert. Generationen von Kindern hatten JAG UND SCHLAG kaputtgeliebt.

So sah JAG UND SCHLAG aus: http://www.boardgamegeek.com/image/148912/tally-ho

Donnerstag, 6. Mai 2010

R-Öko

Wenn es Nacht wird auf dem Recyclinghof, erwachen achtlos weggeworfene Glasflaschen, Papierstapel, Plastikbecher oder Blechdosen zu neuem Leben. Mit Kakerlaken, Grillen und anderem Ungeziefer wird eine Party gefeiert...
Normalerweise schreibe ich nicht einfach nur die Einleitung aus der Spielregel ab. Doch wenn sie so brillant ist, dass ich es selber auf keinen Fall besser erfinden könnte, mache ich gerne eine Ausnahme.

Wie geht R-ÖKO? Wir wollen Punktekarten. Die gibt es in vier Farben und aufsteigend von null bis fünf. In jede Farbe hat sich allerdings auch eine böse „-2“ hineingemogelt. Die wollen wir nicht. Am Schluss zählen nur Farben, von denen man mindestens zwei Punktekarten besitzt.
Zweitens gibt es noch Müllkarten. Die haben wir auf der Hand und legen sie an die farblich passenden Recyclingfabriken an. So viele auf einen Schlag, wie wir wollen. Sollten sich jetzt vier oder mehr Müllsymbole im Lager auftürmen, wird alles abgeräumt und der Verursacher bekommt die oberste Punktekarte.
Nach jeder Lieferung müssen wir allerdings auch Abfall von der Fabrik mit nach Hause nehmen. Und zwar alles, was im Hof liegt. Und je voller das Wertstoff-Lager, desto voller auch der Hof. Nur auf diese Weise gelangt man an neue Handkarten. Und es ist eine gefährliche Weise. Denn wer das Handkartenlimit von fünf überschreitet, muss den Überschuss als Minuspunkte beiseite legen.

Was passiert? Die Sortierung der Punktekarten an den Fabriken (kleine Pluspunkte, dann Minuspunkte, dann fette Pluspunkte) gibt die emotionale Fahrtrichtung vor: Erst wollen die Spieler Wertungen auslösen, dann eine Zeitlang eher nicht, dann unbedingt doch wieder. Und bei all dem sitzt einem der Druck im Nacken, nicht das Handkartenlimit zu überschreiten.
Um Karten zu reduzieren, eignen sich lange Farbenserien. Entsorge ich die alle auf einen Schlag, bekomme ich im Regelfall weniger Müll wieder zurück. Auf das, was ich sammele, habe ich Einfluss. Denn was ich als Müll bekomme, sehe ich ja bereits im Hof. Und genau deswegen legt man an manche Fabriken lieber an als an andere. Sofern man die Wahl hat. Manchmal diktieren die Handkarten das Geschehen auch einfach.

Was taugt es? Dass Handkarten ausgespielt werden, um andere Handkarten dafür zu bekommen, ist so neu nicht. Sehr organisch ist diesmal allerdings der Punktemechanismus in den Ablauf eingewoben. Für ein 20-Minuten-Spiel ist R-ÖKO spannend und unterhaltsam genug. Lediglich das Handling stört etwas und unterbricht den Spielfluss. Nach jedem Ausspiel - also andauernd - muss vom Kartenstapel neuer Müll auf dem Fabrikgelände nachgelegt werden.

R-Öko von Susumu Kawasaki für drei bis fünf Spieler, Amigo.