Dienstag, 31. Dezember 2019

Gern gespielt im Dezember 2019

DINOSAUR ISLAND: Besucherschwund im Dinopark.


PALM ISLAND: Man hat es vollständig in der Hand.


COOPER ISLAND: Das einzig Familienfreundliche hier ist der Hund.


DER FUCHS IM WALD: Fuchs, du hast den Trumpf gestohlen.


CRYSTAL PALACE: Warum sich der Bierglaszähler nicht durchgesetzt hat, ist mir auch nach längerem Überlegen unbegreiflich.


CRASH TEST BUNNIES: Hase am Steuer.






Montag, 30. Dezember 2019

First Contact

Buchverspielung: Wow, cool. Vor zehn Jahren war das hip.
Aber jetzt ist leider nicht mehr vor zehn Jahren. Sondern jetzt ist jetzt. Und jetzt gibt es: Wörterbuchverspielung!

Wie geht FIRST CONTACT? Aliens sind im Alten Ägypten gelandet, wollen schnell Geschenke abgreifen und dann wieder los. Gespielt wird in zwei Parteien mit zwei Gewinner*innen: das Alien, das zuerst seine Präsente hat, und der Mensch, der die meisten Wünsche erfüllen konnte.
Problem: Es fehlt ein Wörterbuch. Eine Partie FIRST CONTACT ersetzt dies und ist wie ein Schnellkurs Alien – Ägyptisch / Ägyptisch – Alien. In einem stark an CODENAMES erinnernden 5x5-Raster liegen 25 zufällige Bildkarten. Hinter ihrem Sichtschirm können die Aliens von einer noch stärker an CODENAMES erinnernden Codekarte ablesen, welche der Bildkarten ihre Geschenkwünsche sind.

Eine Spielrunde läuft so: Reihum sind die Ägypter*innen an der Reihe und markieren eine oder mehrere der Karten, die ein gemeinsames Merkmal haben. Beispielsweise Papagei und Biene, um den Code für „fliegen“ herauszufinden. Die Aliens malen nach gemeinsamer Beratung auf einer Tafel ihr Schriftzeichen für „fliegen“ … aber vielleicht auch für „lebendig“, weil sie den Hinweis leider anders verstanden haben. Jeder Mensch zieht nun daraus seine Schlüsse. Vielleicht die richtigen, vielleicht die falschen, denn man spricht sich mit seinen Mitmenschen nicht ab.
Anschließend sind reihum die Aliens an der Reihe und versuchen mit Schriftzeichen, den Menschen verständlich zu machen, was sie sich wünschen. Jeder Mensch wählt daraufhin geheim eine der Bildkarten. Läuft es gut, bekommt das Alien tatsächlich das Gewünschte. Läuft es noch besser, bekommt das Alien gleich mehrere Wunschgegenstände. So geht es reihum immer weiter, bis ein Alien seine Mission erfüllt hat.


Was passiert? FIRST CONTACT ist ein Kommunikationsspiel, bei dem wenig gesprochen wird. Nur die Aliens müssen sich mal beraten, ansonsten sind wir still und warten, dass es weitergeht.
Die Menschen-Phase ist überdies auch gar nicht so spannend, weil für den Menschen am Zug wenig herausspringt. Wenn es geklappt hat, weiß ich nun das Schriftzeichen für „fliegen“ – aber die anderen Menschen auch. Und vielleicht haben wir ein ganz anderes Schriftzeichen erfahren. Wer weiß?
Missverständnisse können lustig sein und die verblüfften Gesichter der Aliens, wenn sie ihre Geschenke bekommen und leider alles falsch ist, sind tatsächlich lustig. Doch FIRST CONTACT braucht lange, um Komik zu kreieren, außerdem ist die Komik eher ein zufälliges Unfallprodukt, wenn einige Beteiligte so agieren, dass es die anderen verwirrt.
Auch die klar spannendere Alien-Phase überzeugt mich spielerisch nicht. Denn FIRST CONTACT hält nicht sein Versprechen ein, dass wir gemeinsam eine Sprache erlernen. Als Alien muss ich hoffen, dass die Menschen in ihrer Fragerunde zufällig meine Geschenkkarten verwenden. Es wäre also günstig für mich, Papagei oder Biene gehörten zu meinen Wünschen. Sofort nutze ich das zugehörige Schriftzeichen, um meinen Wunsch anzuzeigen. Und siehe da: Es ist egal, ob es nun „fliegen“ oder „lebendig“ bedeutet. Entscheidend ist nur, dass es mit diesen beiden Bildkarten verknüpft war.
Läuft es optimal, gehören Papagei und Biene sogar beide zu meinen Geschenkwünschen. Dann kann ich in einer Runde – falls nicht zufällig alle Menschen dasselbe schenken – mit einem bewusst unscharf formulierten Wunsch gleich zwei Präsente einsacken. Zwar sagt die Anleitung, ich darf nur ein Objekt beschreiben. Aber damit kann meiner Auffassung nach lediglich gemeint sein, dass alle aufgemalten Schriftzeichen zusammengehören müssen und nicht die ersten zwei Zeichen „Statue“ bedeuten sollen die drei folgenden „Baumstamm“. Alles Weitere kann man sowieso nicht kontrollieren.


Was taugt es? FIRST CONTACT hat eine überragende Spielgeschichte, setzt sie aber nicht gelungen um. Das Spiel betreibt großen Aufwand und verbraucht viel Zeit, um ein paar Begriffe mit Schriftzeichen zu verbinden. Bis das Handwerkszeug für eine planvollere Kommunikation beisammen ist, ist FIRST CONTACT vorbei.
In jeder Partie stehen dieselben 25 Begriffe zur Auswahl und es zeigt sich, dass häufig dieselben („Mensch“, „Pflanze“ etc.) zuerst abgefragt werden, während andere erst später oder gar nicht an die Reihe kommen. Die Aliens sind auf passende Vorlagen angewiesen. Eine originelle oder kreative Verwendung der Schriftzeichen führt seltener zum Erfolg als bewusste oder unbewusste Unschärfe.


*** mäßig

FIRST CONTACT von Damir Khousnatdinov für zwei bis sieben Spieler*innen, Huch.

Sonntag, 22. Dezember 2019

5211

4687.
Das ist die Zahl der Rezensionen, die ich vorher noch schreiben müsste, um 5211 als Spiel Nummer 5211 in meinem Blog zu rezensieren. Denn wie cool wäre das denn?
Ehrlich gesagt: Wohl gar nicht so cool. Wegen meiner Marotte, die Spiele vorab spielen zu wollen, bin ich zweifellos nicht der Schnellste. Etwa 93 Jahre müsste ich bei meinem derzeitigen Tempo für das Projekt kalkulieren. Und jetzt weiß ich nicht: Interessiert sich im Jahr 2112 noch jemand für 5211? Eigentlich weiß ich nicht mal: Interessiert sich jemand im Jahr 2019?

Wie geht 5211? Wir haben fünf Karten auf der Hand, spielen simultan zwei, ziehen nach, spielen eine, ziehen nach, spielen noch eine. Der Titel 5211 erklärt also schon den Spielablauf.
Und die Wertung erkläre ich: Alle nun ausliegenden Karten werden verglichen: Welche Farbe liegt am häufigsten aus? Sämtliche Karten dieser Farbe (mit Werten von eins bis sechs) dürfen die Spieler*innen als Gewinnpunkte einsacken.
Allerdings: Liegen zu viele Karten einer Farbe da, nennt sich das „Desaster“ und die Farbe wird nicht berücksichtigt. Zweites Allerdings: Gibt es einen Gleichstand, punktet die nächststärkste Farbe. Drittes Allerdings: Echsen. Liegt eine bestimmte Menge Echsen aus, zählen Farben nichts und alle Echsen (Wert eins) sind die Gewinnkarten.


Was passiert? 5211 ist ein schnelles Spiel: Zwei Karten rauslegen, orientieren, nächste Karte wählen. Natürlich will ich der Mehrheit angehören. Und gehöre ich der Mehrheit nicht an, will ich die Mehrheit mittels Echsen oder Desaster zerstören.
Bin ich nach den ersten zwei oder drei Karten Teil der Mehrheit, stehe ich trotzdem vor einem Dilemma: Eigentlich möchte ich noch eine gleiche Farbkarte legen, um mehr Punkte einzusacken. Andererseits könnte diese Karte, wenn noch mehr derselben Farbe dazukämen, ein Desaster auslösen. Lege ich aber nicht nach, ergibt sich am Ende vielleicht ein Gleichstand und ich gucke ebenfalls in die Röhre.
Hatte ich in den ersten Partien noch den Eindruck, 5211 könne subtil und raffiniert sein, überwiegt mit zunehmender Erfahrung das Gefühl: ist es nicht. Um das Spiel planvoll in meinem Sinne zu beeinflussen, benötige ich passende Karten. Und die habe ich oder habe sie nicht. Die einzelnen Runden sind zu kurz, der Kartendurchlauf zu hoch und die Kartenhand zu beschränkt, um zielgerichtet Farben oder Zahlen zu sammeln oder aufzubewahren.
Obendrein sind da noch die anderen Spieler*innen, die auch irgendwas machen, und ich besitze keine Anhaltspunkte, was es sein wird. Selbst wenn mal ein kleiner Coup gelingt, beispielsweise die Zerstörung einer Mehrheit: Dass nun eine andere Farbe gewinnt, bedeutet nicht automatisch, dass ich davon mehr profitiere.

Was taugt es? Selbst in kleinerer Besetzung habe ich selten das Gefühl, etwas steuern zu können. In Kombination mit den mechanischen Abläufen und der nicht ganz einfach zu überblickenden Auswertung führt das zu einem Spiel, das die Beteiligten gleichgültig lässt.
Fast immer läuft die Entscheidung über die Farben. Mich irritiert, wie selten die Echsen zuschlagen. Dabei könnte ich mir wunderbar ausmalen, wie sie als relevantes Gegengewicht zu den Farben mehr Feuer ins Spiel bringen. Und ich muss es mir auch ausmalen, denn dieses Gegengewicht und dieses Feuer sind schlichtweg nicht da.


** misslungen

5211 von Tsuyoshi Hashiguchi für zwei bis fünf Spieler*innen, Next Move.

Mittwoch, 18. Dezember 2019

Vor 20 Jahren (84): Kakerlakenpoker

Coverausschnitt aus Kakerlakenpoker; Bezug zum Text rätselhaft

Ich konnte rechnen, deshalb war mir bewusst, dass es zur Deckung meines Lebensunterhalts langfristig nicht genügen würde, ab und zu die Spieleseite einer kleinen Tageszeitung zu befüllen und hobbymäßig für die Fairplay zu schreiben. Nachdem sich zuvor bereits herausgestellt hatte, dass ich zu einseitig interessiert war, um einer glücklichen Karriere als Lokaljournalist entgegenzusehen, konnte man es wohl als Wink des Schicksals deuten, dass tatsächlich zum allerersten Mal nach meinem Referendariat eine Stelle für genau meine Fächerkombination ausgeschrieben wurde: Geschichte und Deutsch.

Ich weiß nicht, wie die Stellensituation heute ist. Damals wurden pro Jahr zehn bis 15 Stellen in ganz Niedersachsen angeboten, die meisten davon im Wend-, Ems- oder Niemandsland und einige auch nur als halbe oder Feuerwehrstelle. Dass die Geschichte-plus-Deutsch-Schule in einer Dreiviertelstunde von Hannover aus erreichbar war, glich also einem Wunder. Ich erkannte die Zeichen am Himmel und bewarb mich und landete prompt in der engsten Auswahl von drei Personen.

In der Annahme, das mache man so, verabredete ich mich mit dem Schulleiter, um ihn und meine künftige Wirkungsstätte kennenzulernen. Der Eindruck war ernüchternd. Die Bildungsanstalt war eine niedrige, dunkle Betongrotte, der Schulleiter hatte einen derartigen Mundgeruch, dass sich die schlechte Luft bereits in jeden Winkel seines weitläufigen Rektorenzimmers verbreitet hatte und ich ihr rettungslos ausgesetzt war.

Zu meiner Überraschung erfuhr ich, dass die Schule in Wirklichkeit niemanden für Geschichte und Deutsch suchte, sondern – ätschibätsch – für das Fach Arbeit und Wirtschaft. Sie hätten das absichtlich nicht in der Ausschreibung erwähnt, erklärte der Rektor augenzwinkernd, weil das niemand studiere und sich dann auch niemand bewerbe.

Ach so. Was mich anging, lag er damit auf jeden Fall richtig. Arbeit und Wirtschaft war mir völlig fremd. Um mich gedanklich darauf einstellen zu können, was ich sehr bald unterrichten sollte, bat ich um einen Stoffverteilungsplan – aber bekam keinen mit der interessanten Begründung, die Schule dürfe mir keinen Vorteil gegenüber den anderen Bewerber*innen verschaffen. Und auch meine Bitte um eine Schulführung war wohl zu offensiv. Es klingele gleich zur großen Pause, bedeutete man mir. Da könne ich rumgehen und in die Klassenräume gucken.

Es klingelte zur großen Pause, ich ging rum, guckt ungefähr zwei Minuten in die Klassenräume, kam mir doof vor, fuhr nach Hause und wusste: An diese Schule mit diesem Rektor gehe ich NICHT! Die Frage war nur: Sollte ich das blöde Bewerbungsgespräch bei der Bezirksregierung noch machen oder sofort absagen? Ich entschied mich für: machen. Einfach mal um zu sehen, wie das so ist. Und es war … einprägsam.

Auch bei der Bezirksregierung erlebte ich originelle Überraschungen. Die erste: Die Frau von der Regierung war dieselbe Person, die an der Schule, in der ich mein Referendariat gemacht hatte, kurz vor meiner Zeit Schulleiterin gewesen war. Während meiner eineinhalb Jahre dort hatte ich ausschließlich Verächtliches über sie gehört. Vor allem hasste man sie wegen einer Affäre mit einem verheirateten Lehrer aus dem Kollegium, dessen Frau ebenfalls Lehrerin des Kollegiums war. Auch die pädagogischen Ideen und Leitungsqualitäten der Rektorin hatten wohl keinen so richtig mitgerissen, und so waren alle froh, als sie sich bald nach oben bewarb und nach kurzem Intermezzo wieder verschwand. Ob das alles so stimmte, weiß ich natürlich nicht. Trotzdem erstaunte mich die Reaktion der Beamtin, als sie feststellte, dass ich an derselben Schule gewesen war wie sie: Sie war begeistert! Sie jubilierte! Sie schwelgte, dort habe sie eine sooo schöne Zeit verbracht! Und ich hätte es sicher auch toll gefunden, nicht wahr?

Überraschung Nummer zwei: In dem Raum saßen drei Personen, nach meiner Überschlagsrechnung eine zu viel. Da war die Frau von der Regierung. Der Schulleiter mit dem schlechten Atem. Und noch ein anderer Schulleiter. Die Beamtin jubelte nämlich gleich weiter. Sie kündigte an, das sei heute für mich wie ein Jackpot im Lotto. Unter den drei Bewerber*innen hätte ich die beste Note, eine der Bewerbungen sei überdies zurückgezogen worden, und zusätzlich sei hier noch ein Rektor mit einer weiteren freien Stelle. Luxussituation: Beide Schulen würden sich um mich reißen. Ich könne zwischen zwei Vollzeitstellen wählen!

Es gab aber auch eine andere Sichtweise. Meine. Direktor Nummer zwei fand ich zwar viel sympathischer als die Nummer eins. Aber seine Schule war irgendwo im Outback, ich müsste aus der Stadt aufs Land ziehen. Die Schulform entsprach nicht meiner Ausbildung und für die Fächer, die ich dort unterrichten sollte, wies ich keinerlei Begabung auf. Ziemlich schnell kriegten der nette Mensch und ich heraus, dass wir leider nicht ins Geschäft kommen würden.

Mit dem nicht so netten Menschen wollte ich auch nicht ins Geschäft kommen, aber das mochte ich so offen nicht sagen, schließlich musste ich einen Grund für meine Anwesenheit vortäuschen. Das Spiel, das wir nun spielten, war ein Verhandlungsspiel. Eins von den knallharten: Ich gebe dir den Jackpot – was gibst du mir? Ich weiß, du bist auf meine Fürsprache angewiesen – was kann ich aus dir rauspressen? Mit den richtigen Beteiligten hätte das reizvoll sein können. Aber an diesem Morgen geschah das, was man bei Spielen oft erlebt, wenn einer ohne den nötigen Ehrgeiz am Tisch sitzt und gar nicht gewinnen will: Die Partie kommt nicht richtig in Gang, der Spielverderber macht den anderen den Spaß kaputt.

Ich wurde gefragt, ob ich außer Arbeit und Wirtschaft auch Sport unterrichten könne, da hätten sie einen Mangel. Und ich sagte: Nein, ganz bestimmt nicht. Ich hielte es für gefährlich und fahrlässig, wenn jemand ohne jede Ausbildung Sport unterrichtet.

Man sagte, in meiner Bewerbung hätte ich Jugendliteratur als Interessengebiet angegeben. Das sei ja ganz hervorragend, denn die Schulbücherei liege seit Jahren brach. Wie wäre es, wenn ich die wieder aufbaue? Ich sagte, perspektivisch wäre das denkbar, es aber für sofort verbindlich zuzusagen, hielte ich für unrealistisch. Ich sei Berufsanfänger, ich sei Pendler, ich solle fachfremd unterrichten. Mehr würde mir für den Einstieg nicht zutrauen.

Ich fand meine Antworten schlichtweg ehrlich. Andere fanden sie offenbar faul. Ins Gesprächsprotokoll, das mir aus Transparenzgründen vorgelesen wurde, hatte die Regierungsfrau geschrieben: „Herr Bartsch möchte mit zusätzlichen Arbeiten nicht belastet werden.“ Der nette der beiden Rektoren protestierte, das hätte ich doch gar nicht so gesagt. Und ich fand auch, dass ich das so nicht gesagt hatte, trotzdem gefiel mir die Subtilität dieser Formulierung sehr.

Zum Abschied sagten sie, sie würden sich bei mir melden. Aber sie meldeten sich nie. Nicht mal eine Absage war ich ihnen wert. Und so endete meine Schullaufbahn endgültig. Ich fragte mich nur: Zu was hatte sich die unbekannte arme Sau verpflichtet, der es gelungen war, mir den größten Jackpot aller Zeiten auf der Zielgeraden noch zu entreißen?


Samstag, 14. Dezember 2019

Machi Koro Legacy

Achtung, Spoiler: Diese Rezension enthält erhebliche Spoiler!

Weil ich MACHI KORO sehr mag, war ich auf MACHI KORO LEGACY besonders neugierig und überlegte, welcher meiner Spielegruppen ich das Privileg zukommen lasse, die Kampagne mit mir spielen zu dürfen. Jedoch: Die erste Spielegruppe stieg zu meiner Überraschung nach Partie eins aus. Es war ihnen zu simpel. Sie würden lieber das echte MACHI KORO spielen, anstatt sich über mehrere Partien erst dorthin zu entwickeln.
Ja, es stimmt schon, die Startpartie von MACHI KORO LEGACY setzt noch unterhalb von MACHI KORO an. Erwartungsgemäß ändert sich das aber während der Kampagne. Und so präsentierte ich das Spiel hoffnungsfroh Gruppe zwei. Wenn Gruppe eins nicht will, so dachte ich, tue ich eben Gruppe zwei was Gutes. Zumal auch bald Weihnachten ist.
Aber Weihnachten, liebe Kinder, das habe ich gelernt, ist nicht immer nur schön.


Wie geht MACHI KORO LEGACY? Grundsätzlich so wie MACHI KORO. Wer am Zug ist, würfelt. Gebäude mit der erzielten Augenzahl schütten Geld aus. Von dem Geld kauft man ein weiteres Gebäude oder ein Großprojekt. Wer vier Großprojekte besitzt, gewinnt die Partie.
Das Wörtchen „Legacy“ in MACHI KORO LEGACY bedeutet nun, dass wir eine Kampagne über zehn Partien spielen, bei der sich fortlaufend etwas ändert. Zusätzliche Gebäude füllen den Markt, Großprojekte werden allmählich durch andere ersetzt, es kommen neue Elemente mit neuen Regeln ins Spiel, wir erhalten zusätzliche Optionen.


Was passiert? MACHI KORO LEGACY erzählt nebenbei eine kleine Geschichte von einem Monster und einer Prinzessin. Die Geschichte ist naiv, aber immerhin nicht so sehr störend wie die in CHARTERSTONE. Im anspruchsvollen CHARTERSTONE wirkte die Erzählung wie ein peinlicher Fremdkörper; zum leichteren MACHI KORO LEGACY passt so etwas besser.
MACHI KORO LEGACY setzt auf sanfte Veränderungen. Die hinzukommenden Elemente bringen Abwechslung, aber nichts davon ist bedeutsam genug, um MACHI KORO irgendetwas Substanzielles hinzuzufügen. Es fühlt sich an, als spiele man mit nachträglich hinzuerfundenen Promos. Kann man machen, muss man aber nicht. Und von Promos erwartet man ja auch nicht mehr.
Von einem komplett neuen Spiel aber schon. Wobei nicht vergessen werden sollte: MACHI KORO LEGACY ist ein Spiel ab acht Jahren. Es an beispielsweise PANDEMIC LEGACY SEASON 2 zu messen, wäre unfair. MACHI KORO LEGACY richtet sich offenbar an Legacy-Neulinge: Von Partie zu Partie ändert sich was, es kommt niedliches Material hinzu, man darf ab und zu Sticker aufkleben, auch wenn einige von ihnen überhaupt nichts bewirken. Manchmal hätte ich mir etwas ausführlichere Regeln gewünscht, um Zweifelsfälle auszuschließen; generell kann ich in einem Legacy-Spiel ab acht Jahren aber akzeptieren, dass man während der Kampagne nahezu keine individuellen Eigenschaften entwickelt, kaum persönliche Vorteile freischaltet und dass sich der Verlauf verschiedener Kampagnen nur geringfügig voneinander unterscheiden wird.

Was taugt es? Dass MACHI KORO LEGACY meines Erachtens ein Flop ist, liegt an Fehlentscheidungen im Spieldesign. Eine der reizvollsten Abwägungen in MACHI KORO ist die Frage, ob und ab wann man mit zwei Würfeln statt einem spielen möchte. Der zweite Würfel muss über den Bau eines Großprojekts freigeschaltet werden, was sich außerdem erst dann lohnt, wenn man auch nennenswert Gebäude hat, die von Zahlen ab sieben getroffen werden. Andererseits sind diese Gebäude mit höherer Augenzahl nun mal diejenigen, die besonders viel Geld auf einen Schlag generieren. Erwürfelt man sie schnell und häufig genug, hat sich die Durststrecke während der Entwicklungszeit gelohnt. Zahlen sie sich zu langsam aus, kann auch jemand mit nur einem Würfel gewinnen.
MACHI KORO LEGACY schafft dieses Element nach der ersten Partie ab. Wer will, darf fortan immer zwei Würfeln rollen. Gleichzeitig aber ist die Möbelfabrik (Augenzahl acht) aus dem normalen MACHI KORO übernommen worden. Bei einem Treffer kann sie horrende Geldsummen auswerfen – und dies neuerdings ohne lange Anlaufzeit.
Denn wir können nicht nur von Beginn an Achten würfeln, wir dürfen obendrein aus einem persönlichen Vorrat unsere Startgebäude wählen. Und es sind mehrere dabei, die die Einkünfte der Möbelfabrik multiplizieren. So hat sich bei uns die Spielweise herausgebildet, möglichst schnell Möbelfabriken zu kaufen und auf die Acht zu hoffen. Auch Siebenen waren willkommen, denn sie aktivieren den Springbrunnen (anfangs noch ein Großprojekt, später ein mögliches Startgebäude) und damit einen kompletten Extrazug, in dem man bevorzugt eine Möbelfabrik kauft. Bis der Vorrat leer ist.
Gewiss können auch andere Gebäude viel Geld bringen (unter bestimmten Voraussetzungen zum Beispiel der Fischmarkt). Und gewiss hängt es immer noch vom Würfel ab. Ich kann sämtliche fünf Möbelfabriken besitzen: Ohne dass ich eine Acht würfle, bringen sie nichts. Ohnehin stelle ich sehr ungern die Behauptung auf, eine Vorgehensweise sei die absolut beste, weil ich natürlich davon ausgehe, dass das Spiel im Vorfeld der Veröffentlichung deutlich häufiger gespielt wurde als von mir. Aufgrund von Wahrscheinlichkeitsrechnung und der gemachten Erfahrungen fällt mir bei MACHI KORO LEGACY aber kein anderer Schluss ein.


** misslungen

MACHI KORO LEGACY von Rob Daviau und J.R. Honeycutt für zwei bis vier Spieler*innen, Pandasaurus Games.

Dienstag, 10. Dezember 2019

Space Gate Odyssey

Achtung! Dies ist Bonus-Content. Nur Förder*innen, Premium-Kund*innen und VIPs dürfen weiterlesen.

Wie geht SPACE GATE ODYSSEY? Wir beamen Figuren auf Planeten. Dafür brauchen wir auf unserem Raumschiff Luftschleusen, wo immer neue Figuren aus dem Vorrat an Bord kommen, und Raumtore, von wo aus wir sie losbeamen.
Der Teil von SPACE GATE ODYSSEY, in dem wir mit dem Bau unserer Schiffe beschäftigt sind, ist ein Legespiel. Die Wege von den Luftschleusen zu den Raumtoren sollten kurz sein. Wegen der Bewegungsregeln empfiehlt es sich außerdem, keinen allzu bunten Farbteppich zu gestalten.
Hinzu kommt ein sehr eleganter Aktionsmechanismus. Fünf verschiedene Aktionen gibt es. Ich löse eine aus, indem ich eine meiner Ingenieurinnen auf ein anderes Aktionsfeld versetze. Für jede Ingenieurin, die ich nun auf diesem Feld habe, bekomme ich eine entsprechende Aktion. Alle anderen für ihre Ingenieurinnen aber auch.
Jeder startet mit vier Ingenieurinnen: zu wenig, um bei jeder Aktion dabei zu sein. Neue Ingenieurinnen gewinnt, wer seine Station mit entsprechenden Plättchen ausstattet und diese noch durch Hinlaufen einer Figur freischaltet, was allerdings Zeit kostet, in der man nicht beamt.


Aktionswahl

Was passiert? Der Aktionsmechanismus erinnert an PUERTO RICO, bringt aber zugleich Neues. Wie bei PUERTO RICO hoffe ich darauf, dass andere genau die Aktion auslösen, auf die ich angewiesen bin, sodass ich meinen eigenen Zug anderweitig verwenden kann. Und wie bei PUERTO RICO achte ich darauf, welche Aktion ich anderen möglichst nicht schenke.
Zugleich – und das ist das Reizvolle – weckt der Mechanismus den Forschungsdrang: Ist es besser, die Ingenieurinnen zu verstreuen, um überall mitzumischen? Oder sie zu häufen, um bei wenigen zentralen Aktion (auf die ich den Bau meines Schiffs natürlich abgestimmt habe) so richtig abzusahnen? Oder hole ich mir gar nicht viele Ingenieurinnen, sondern spiele mit Schleusen und Beamen gnadenlos auf Tempo?
Dies zusammen mit dem Umstand, dass man zunächst keine Vorstellung hat, wie ein sinnvoll konstruiertes Raumschiff aussehen könnte, macht die ersten Partien SPACE GATE ODYSSEY enorm vielversprechend. Doch der Reiz lässt nach. Vor allem beim Plättchenlegen lernt man schnell dazu, vermeidet Experimente und schlimme Fehler.
SPACE GATE ODYSSEY wird zunehmend abgespult. Ich halte dem Spiel zugute, dass sowohl eine Tempo-Spielweise als auch eine längerfristige Strategie mit vielen Ingenieurinnen zum Erfolg führen kann. Trotzdem ist das Abwickeln der Züge bald nicht mehr spannend, sondern ein Abwickeln der Züge. Je länger das Spiel dauert, desto weniger gibt es zu entscheiden. Die Spannungskurve steigt im Finale kaum an; es ist eher ein geduldiges und repetitives Befüllen der Planeten.

Planet

Dass jeder Planet dezent anderen Wertungsregeln folgt, soll vermutlich Variation bringen, bewirkt aber wenig, weil es keine Gründe liefert, mich auf einen bestimmten Planeten zu fokussieren oder nur an ganz bestimmten Zeitpunkten zu beamen. Gewiss wäre die Beamerei ohne die Planetenregeln arg nüchtern; in der vorliegenden Form sind es jedoch Regelschnörkel ohne großen Mehrwert.
Für die Schlusswertung, die große Raumschiffe belohnt, gilt dasselbe. Marker auf einer Skala bestimmen, welche Plättchen-Farbmehrheiten die meisten Punkte zählen. Als Beam-Nebeneffekt dürfen benachbarte Marker vertauscht werden, was sich zu Beginn der Partie ziemlich beliebig anfühlt, weil man nicht weiß, in welchen Farben man zukünftig stark sein wird. Und in der zweiten Hälfte will meine Mitspielerin Blau pushen und ich will Rot, und sie schiebt hin und ich wieder zurück, und am Ende ist alles, wie es vorher war, und man fragt sich, was das überhaupt sollte.


Raumschiff im Bau

Was taugt es? SPACE GATE ODYSSEY fängt stark an, hält über mehrere Partien aber nicht, was es verspricht. Der Aktionsmechanismus ist trotzdem klasse und ich würde ihn gerne in einem anderen Spiel wiedersehen. Auch das Dilemma, dass Figuren durch zu bunte Bauweise im Raumschiff nur langsam vorankommen (ich verzichte darauf, die genauen Regeln herunterzubeten), erscheint mir interessant. Nur ist in SPACE GATE ODYSSEY aus diesen originellen Komponenten kein Spiel entstanden, das viel Spaß macht.


*** mäßig

SPACE GATE ODYSSEY von Cedric Lefebvre für zwei bis vier Spieler*innen, Ludonaute.

Freitag, 6. Dezember 2019

Pandemic – Schnelles Einsatzteam

Einleitung? Keine Zeit!

Wie geht PANDEMIC – SCHNELLES EINSATZTEAM? Wir retten mal wieder die Welt – aber im Schnellverfahren. Die Sanduhr läuft zwei Minuten lang. Viermal rieselt sie durch, und für jeden Auftrag, den wir zwischenzeitlich erfüllen, einmal mehr.
Aufträge erfüllen wir, indem wir genau die gewünschten Hilfsgüter in eine Zielstadt bringen, was erfordert, dass wir diese Güter hergestellt und im Frachtraum liegen haben (wo natürlich Platzmangel herrscht) und dass sich unser Flieger auf dem 24-feldrigen Rundparcours über der richtigen Stadt befindet.
All das steuern wir mit unseren Würfeln. Abwechselnd kommen wir an die Reihe, würfeln bis zu dreimal und setzen unsere Würfel anschließend für verschiedene Dinge ein. Flugzeug-Symbole rücken den Flieger voran. Jeder beliebige Würfel bringt meiner Figur einen Laufschritt. Und mit den Würfelfarben stelle ich Hilfsgüter her. Befinde ich mich im gelben Sektor, kann ich gelbe Güter herstellen, benötige dafür gelbe Symbole und lege entsprechende Würfel auf einer Skala ab. Je nach Farbe müssen drei oder vier Würfel zusammenkommen, damit sie Güter produzieren. Am besten sogar fünf.
Zusätzlich erschwerend: Man darf auf den Skalen nicht einfach so viele Würfel ablegen, wie man will. Manchmal sind zwei, manchmal gar drei gleiche Farben auf einmal gefordert. Und die Produktion der Güter verursacht zufallsbasiert Müll. Müll lässt sich durch bestimmte Aktionen entsorgen. Vernachlässigt man das oder hat Würfelpech und das Müllvolumen übersteigt das erlaubte Maß, ist die Partie verloren. Was ebenfalls passiert, wenn die Zeit abläuft. Gewinnen kann man aber auch, dazu müssen fünf bis (im Profilevel) 13 Städte versorgt werden.


Was passiert? Es eilt! Panik!! Aus Erfahrung kann ich berichten, dass es durchaus an den Nerven zehrt, wenn ein Neuling für seinen ersten Zug gleich einen kompletten Sanduhrlauf verbrettert. Argh!!! Es ist nicht die Zeit für lange Analysen, was sich mit einem Wurf am geschicktesten anstellen ließe unter der wahrscheinlichkeitsbasierten Prämisse, dass die Nachwürfe so oder anders ausfielen.
Zwar wäre es ganz wunderbar, stets das Optimum herauszuholen. Besser aber ist es, wenig Zeit zu verplempern. In meinen Partien habe ich beobachtet, dass sich die Spielzüge immer weniger darum drehten, was sich mit einem Wurf schlauerweise anfangen lässt. Sondern alle überlegten und besprachen schon vorher, was sie in ihrem nächsten Zug erreichen wollten, und dann wurde auf dieses Ziel hingewürfelt, und es passte oder passte nicht.
Wie zuletzt schon in ROLL FOR ADVENTURE sind auch in PANDEMIC – SCHNELLES EINSATZTEAM Würfel blockiert, solange sie auf Farbskalen herumliegen. Das zwingt die Gruppe dazu, Projekte frühzeitig und womöglich vor Erreichen des Maximums abzuschließen, um die Würfel auszulösen. Allerdings: Das Zeitdiktat dieses Spiels verbietet längere Abwägungen, weshalb der Reiz, den dieser Mechanismus haben könnte, kaum ausgeschöpft wird.
PANDEMIC – SCHNELLES EINSATZTEAM bleibt auf der Ebene eines chaotischen Schnellwürfelwettbewerbs. Man macht einfach. Und Runde für Runde immer dasselbe. Auch wenn jeder Spieler eine Rolle mit besonderen Fähigkeiten besitzt und Krisenkarten noch zusätzliche Komplikationen ins Spiel bringen können, ändert das nichts am schematischen Ablauf: zur nächsten Stadt fliegen, derweil Güter produzieren, am Ziel abwerfen. Check. Nächste Stadt.
Versiertere Spieler produzieren schon für das übernächste Ziel mit, teilen sich die Arbeit ein, um Laufwege zu sparen, und kümmern sich regelmäßig um den Müll. Je nach Gruppendisziplin geht es dabei mehr oder weniger geordnet zu. Die Materialien werden korrekt auf die vorgesehenen Plätze gelegt oder purzeln durch die Gegend. Die Sanduhr wird wahlweise scharf beäugt oder auch mal vergessen. Man hilft während der Züge der anderen mit und nimmt ihnen die Verwaltungsschritte ab. Oder man lässt stur jeden seinen Kram alleine abwickeln.


Was taugt es? Rein handwerklich macht PANDEMIC – SCHNELLES EINSATZTEAM nichts falsch. Die Mechanismen greifen sauber ineinander und obwohl das Spielgefühl ein völlig anderes ist, findet man genug PANDEMIE im Spiel, um den Titelbezug zu rechtfertigen.
Um es aber „solide“ zu nennen, empfinde und beobachte ich zu wenig Wiederspielreiz. Was vermutlich daran liegt, dass die Spielhandlungen an sich nicht so reizvoll sind und uns allein der Zeitdruck bei der Stange hält. Zwar genügt nicht eine einzige Partie, um PANDEMIC – SCHNELLES EINSATZTEAM gut zu spielen. Doch in einer Partie erfährt man schon alles, was das Spiel zu bieten hat, und alle weiteren Partien sind wie Training ohne sonderlichen Neuigkeitswert.


*** mäßig

PANDEMIC – SCHNELLES EINSATZTEAM von Kane Klenko für zwei bis vier Spieler*innen, Z-Man Games.

Freitag, 29. November 2019

Gern gespielt im November 2019

Nachdem ich im Vormonat einen Tag zu spät war, bin ich diesmal einen Tag zu früh. Ich denke, damit sind wir quitt.

NOVA LUNA: Auf neumondische Weise abstrakt.


DIE CREW REIST GEMEINSAM ZUM 9. PLANETEN: Heh, und was ist mit den Planeten 1 bis 8?


AUFBRUCH NACH NEWDALE: Offenbar eine Fahrt ins Blaue, falls ich das Cover richtig interpretiere.


MARACAIBO: Wie viele Pfisters passen in ein Spiel?


DER KARTOGRAPH: Traue keiner Skizze, die du nicht selbst gemalt hast.


WETTLAUF NACH EL DORADO – DIE GOLDENEN TEMPEL: Was im Grünen Gewölbe natürlich eine Riesensauerei ist, geht im Dschungeltempel schon in Ordnung.



Donnerstag, 28. November 2019

Die Crew

Wie sagte bei solchen Gelegenheiten mein ehemaliger Mitspieler Olaf? „Hätt’ ich einen Hut auf, würd’ ich ihn ziehen.“ Und genau das will ich jetzt mal tun: hypothetisch meinen Hut ziehen. Nach MISS LUPUN, TACKLE und KRIBBELN ist DIE CREW das vierte mir bekannte Spiel von Thomas Sing: alle originell, alle aus anderen Genres, alle haben mir in irgendeiner Weise imponiert. Ihr gemeinsames Merkmal besteht darin, ohne jeden unnötigen Schnörkel direkt auf den Punkt zu kommen.


Wie geht DIE CREW? DIE CREW ist ein kooperatives Stichspiel. Wir spielen uns durch 50 Missionen mit steigendem Schwierigkeitsgrad. In den meisten Missionen geht es darum, dass bestimmte Spieler*innen bestimmte Karten in ihren Stichen haben, zum Beispiel muss A einen Stich gewinnen, der die gelbe 4 enthält, und B die blaue 7. In höheren Schwierigkeitsstufen wächst die Zahl der Vorgaben, außerdem müssen manche Aufgaben in festgelegter Reihenfolge erfüllt werden.
Das Blatt besteht aus 40 Karten: vier Fehlfarben von 1 bis 9 und vier Trümpfe von 1 bis 4. Wer den höchsten Trumpf hat, wählt zuerst seine Aufgabe aus, dann geht es reihum im Uhrzeigersinn, bis alle Aufträge vergeben sind. Gespielt wird ein normales Stichspiel nach den in Deutschland üblichen Bedienregeln.
Unsere Kommunikation ist eingeschränkt. Pro Mission darf ich genau eine Mitteilung machen, indem ich eine Karte herauslege und mit einem Chip markiere, ob sie meine höchste, niedrigste oder einzige ihrer Farbe ist.


Was passiert? Nicht alle Spielerunden nehmen die Kommunikationsregeln so genau. Wenn Menschen ohne große Stichspielerfahrung am Tisch sitzen, halte ich das – obwohl ich lieber streng spiele – auch für legitim, um überhaupt eine Idee zu vermitteln, was das Spiel verlangt und wie wir erfolgreich sein können: aufpassen; die Karten mitzählen; mitverfolgen, wer welche Farben hat; sich auf den richtigen Farben blankwerfen; schlussfolgern, wer warum welchen Auftrag gewählt hat; mitdenken, wie es gelingen kann, dass alle ihre Ziele erreichen; sinnvolle Mitteilungen machen.
Das ist schon recht herausfordernd und nicht alle Spieler*innen bringen die nötige Konzentration oder den nötigen Ehrgeiz auf. Auf der anderen Seite habe ich auch überehrgeizige Runden erlebt, in denen unangenehm nachgekartet wurde und A meinte, B belehren zu müssen, wie die Mission zu gewinnen gewesen wäre, wenn ... Meistens aber überwiegen die Erfolgserlebnisse und somit auch die gemeinsame Freude am Erreichten.
Auch Glück gehört dazu; schließlich ist es ein Kartenspiel. Wenn der böse Zufall verlangt, dass vier Crewmitglieder in ihrem Stich eine grüne Karte gewinnen sollen, ist das wesentlich komplexer als vier Karten in verschiedenen Farben. Der Schwierigkeitsgrad hängt außerdem stark von Crewgröße ab: Zu dritt sind die Missionen am leichtesten, anfangs sogar trivial, zu fünft sind sie am schwersten.


Was taugt es? DIE CREW erfordert aufmerksames Spiel und Gehirnarbeit. Deshalb halte ich es nicht in jeder Runde für optimal. In der passenden Runde aber ist es eine Granate. DIE CREW vereint beeindruckend elegant und zugleich tiefgründig das klassische Stichspiel mit Kooperation. So als hätte beides schon immer zusammengehört.
Besonders motivierend sind die unterschiedlichen Missionen mit stets wechselnden Herausforderungen. Wir spielen nicht auf irgendeinen Highscore. Sondern jedes Mal neu stellt sich die Frage: Schaffen wir es oder nicht? Falls nein: noch mal. Falls ja: ab ins nächste Level. Jede Partie macht so wieder neugierig und man dringt Abschnitt für Abschnitt tiefer ein.
Die Karten hätte ich mir in besserer Qualität gewünscht, ansonsten ist das Preis-Leistungs-Verhältnis hier schlichtweg sensationell.


****** außerordentlich

DIE CREW REIST GEMEINSAM ZUM 9. PLANETEN von Thomas Sing für drei bis fünf Spieler*innen, Kosmos.

Mittwoch, 20. November 2019

Paper Tales – Die Tore der Unterwelt

Ich glaube nicht, dass weniger mehr ist, auch wenn ich das möglicherweise irgendwann mal irgendwo geschrieben habe. (Wer weiß das schon, was man im Laufe der Jahre so verzapft.) Ich glaube jedoch, dass weniger besser sein kann. Und dass oftmals wenig genügt.

Wie bringt die Erweiterung DIE TORE DER UNTERWELT? Auf den ersten Blick: wenig. Gerade mal 20 neue Einheitenkarten (13 verschiedene), sechs neue Gebäude, Materialien für das Solo-Spiel und für Mitspieler*innen Nummer sechs und sieben. An den Regeln ändert sich nichts, außer dass ausgelost wird, welche fünf der jetzt elf Gebäude im Spiel sind.


Was passiert? Mehr oder weniger dasselbe wie im Grundspiel. Wer es nicht kennt: siehe hier. DIE TORE DER UNTERWELT spielt sich genauso, bringt aber Variation. Weil große Abwechslung trotz kleinem Regelgerüst ohnehin schon der Trumpf von PAPER TALES war und ist, halte ich es für genau richtig, diesen Reiz noch weiter zu schärfen, anstatt gewollt irgendwelche neuen Elemente zu addieren.
Der Erweiterung gelingt es, die Alterungsmarker noch vielfältiger ins Spiel einzubinden. Nun gibt es auch Gebäude, die mit den Alterungsmarkern interagieren, während die neue Einheit Zauberlehrling (dreimal im Spiel) Alterungsmarker verschiebt. Ich habe deshalb mehr Partien erlebt, in denen Strategien auf diesen Markern beruhten und erstaunliche Mengen Marker auf einer Karte zusammenkamen.
Geizig ist die Erweiterung hingegen mit Rohstoffen. Ein Gebäude nach dem ersten Durchgang gleich auf Stufe zwei zu bauen, ist nun schwieriger, was wiederum Strategien ohne schnelles erstes Gebäude stärkt. Die Dominanz der Stufe-2-Gebäude, wie ich sie aus dem Grundspiel kenne, wird auf diese Weise elegant abgemildert. Gleichzeitig bietet DIE TORE DER UNTERWELT mehr Möglichkeiten, um Gebäude rohstofflos von Stufe 1 nach 2 aufzuwerten, wodurch es wiederum mehr Alternativ-Wege zu Gebäuden gibt.


Was taugt es? Spiele spielt man dann immer wieder, wenn man hinterher befriedigt, aber nicht satt ist, weil Neugierde auf weitere Partien verbleibt. DIE TORE DER UNTERWELT hebt die Neugierde wieder an, indem es neue Möglichkeiten für gewinnträchtige und teilweise krasse und überraschende Kartenkombinationen schafft. Das grundlegende Spielsystem kennt man schon; im Detail muss man sich trotzdem neu zurechtfinden.
Weil ich selten solo spiele, ist der Solo-Modus für mich nicht sehr relevant. Trotzdem sehe ich ihn wegen eines Kniffs als weiteren Pluspunkt dieser Erweiterung an: Ich spiele gegen einen imaginären Fürsten der Unterwelt und wähle – um das Draften zu simulieren – jeweils eine Karte aus mehreren Kartenpaketen. Die Karten, die ich verschmähe, entscheiden darüber, wie viele Punkte mein Gegner gewinnt. So optimiere ich nicht nur vor mich hin, sondern stecke in einem ähnlichen Dilemma wie beim Mehr-Personen-Spiel: Bestimmte Karten möchte ich zwar nicht haben. Aber weitergeben möchte ich sie auch nicht.
Weil weniger mal wieder mehr gewesen wäre, hätte man hätte das alles aber auch viel kürzer sagen können: PAPER TALES spiele ich nicht mehr ohne DIE TORE DER UNTERWELT.


***** reizvoll

PAPER TALES – DIE TORE DER UNTERWELT von Masato Uesugi für eine*n bis sieben Spieler*innen, Frosted Games / Pegasus Spiele.

Sonntag, 17. November 2019

Vor 20 Jahren (83): Millennium

Meine Geschichte von der SPIEL ’99 ist noch nicht zu Ende erzählt. Nachdem ich es geschafft hatte, erst einen Autor und dann einen Pressemenschen zu verärgern, musste es doch auch noch mit einem Verlag zu schaffen sein!

Auf der Messe lief ich zu meiner Überraschung dem Redakteur der kleinen Tageszeitung über den Weg, für die ich seit geraumer Zeit die Spieleseite bestückte. Also dem Hauptverantwortlichen dafür, dass die Seite nur so unregelmäßig erschien. Andererseits auch dem Hauptverantwortlichen dafür, dass ich mich überhaupt Tageszeitungs-Kritiker nennen durfte.

Unser Verhältnis war demnach ambivalent. Generell irritierte mich auch die Attitüde dieses Menschen. Ich hatte ein paar Monate zuvor in der Redaktion ein Praktikum und dabei die Beobachtung gemacht, dass einige der Redakteur*innen ganz unbescheiden in der Überzeugung lebten, klar intelligenter zu sein als diejenigen, über die sie tagtäglich berichteten. Woraus sie ableiteten, ganz selbstverständlich diverse Sonderrechte zu besitzen. Überall langfahren, überall vordrängeln, alles umsonst kriegen. Das war Pressefreiheit. Sonst konnte man als Journalist*in ja gar nicht arbeiten!

Und offenbar galten die Sonderrechte nicht nur in der kleinstädtischen Heimat, sondern auch in Essen. Der Redakteur hatte sich hierhin aufgemacht, um für seine Zeitung Verlosungsspiele zu akquirieren. Ohne Termin landeten wir am Stand von Schmidt und mussten – ich würde sagen: logischerweise – ein bisschen warten. Weil Schmidt der MENSCH ÄRGERE DICH NICHT-Verlag ist, gab es ein Gewinnspiel, bei dem man eine Karte ausfüllen sollte: „Was ärgert Sie?“ Und der Redakteur schrieb: „Lange Wartezeiten.“ Haha.

Er bekam dann problemlos seine gewünschten Spiele. Fünfmal MILLENNIUM. Und die große Ehre, den Hauptgewinn zu besprechen, oblag – mir. Ohne ins Detail gehen zu wollen: MILLENNIUM gefiel mir ganz und gar nicht und von den bis zu sechs Sternchen, die ich hätte vergeben dürfen, vergab ich ... na ja, die meisten halt nicht. Hinterher erfuhr ich, dass die Verlosung ein ungewöhnlicher Flop gewesen sei. Es hatte nur einen Bruchteil der üblichen Einsendungen gegeben: exakt fünf. Also jedes Los ein Treffer. Oder eine Niete, je nachdem.

Und was sagte nun der Verlag dazu? Ich bekam ein Schreiben: „Vielen Dank für die schöne Rezension!“ Und ich grüble heute noch, wie das wohl gemeint war.


Dienstag, 12. November 2019

Century – Eine neue Welt

Arbeitereinsatz? Fragt man mich: Ein alter Hut. Fragt man den Verlag: EINE NEUE WELT!

Wie geht CENTURY – EINE NEUE WELT? Die Spielereihe CENTURY beruht auf immer demselben Grundprinzip: Es gibt vier Warensorten mit aufsteigender Wertigkeit von Gelb über Rot und Grün hin zu Braun. Der häufigste Spielzug besteht darin, Waren zu erhalten oder Waren in vorgegebenen Verhältnissen gegen mehr oder bessere Waren einzutauschen. Das finale Ziel ist natürlich der Erwerb von Punkten. Und Punkte erhält, wer gegen Abgabe einer Warenkombination einen der ausliegenden Aufträge erfüllt. Alle CENTURY-Spiele sind Wettrennen. Wir schnappen uns gegenseitig die Aufträge weg und sobald jemand eine bestimmte Menge Aufträge erfüllt hat, ist CENTURY vorbei.
Der Unterschied zwischen den drei Versionen besteht darin, wie Warengewinn und Warentausch ausgelöst werden. CENTURY – DIE GEWÜRZSTRASSE setzt auf Deckbau. Man muss Karten erwerben, die diese Warenaktionen erlauben. CENTURY – FERNÖSTLICHE WUNDER ist ein Ausbreitungsspiel. Hier ermöglichen Felder des Spielplans die Warenaktionen. Allerdings muss man sie mit seinem Schiff erst mal erreichen und dort eine Dependance errichten.
Und Motor von CENTURY – EINE NEUE WELT ist Arbeitereinsatz. Erneut ermöglichen Spielplanfelder die Aktionen, doch das Reisen dorthin entfällt. Ich muss lediglich bis zu drei Arbeiter abstellen, dann erhalte ich die Aktion. Stehen schon gegnerische Arbeiter dort, kicke ich sie weg, was mich einen Arbeiter extra kostet. Wer hinausgeworfen wird, freut sich, denn verjagte Arbeiter stehen sofort wieder zur Verfügung. Ansonsten muss man, um bei Personalmangel alle Figuren nach Hause zu beordern, einen kompletten Zug aussetzen.


Was passiert? Der Verdrängungsmechanismus löst Freude aus (Höhö, da habe ich mich mal wieder clever in den Weg gestellt) und Ärger (Menno, warum werde nie ich rausgeworfen?) und vergrößert beim Figuren-Management das Dilemma. Ohnehin will ich möglichst wenige Züge verschwenden, um meine Arbeiter heimzuholen. Jetzt nervt mich zusätzlich, dass ich mit dieser Aktion auch noch den anderen Spieler*innen die Felder freiräume.
Tiefe erhält CENTURY – EINE NEUE WELT durch Bonuseffekte. Jeder erfüllte Auftrag bringt nebst Punkten noch irgendeinen weiteren Vorteil (zusätzliche Arbeiter, Rabatte oder bessere Erträge auf manchen Feldern). Außerdem darf man dreimal im Spiel zusätzlich oder alternativ zur Auftragskarte ein Bonusplättchen nehmen, das wiederum Punkte für bestimmte Symbolkombinationen auf den erledigten Aufträgen zählt. Deshalb gewinnt nicht zwangsläufig, wer am schnellsten Schluss macht. Auch geduldigere Strategien mit planvollen Kombinationen führen zum Erfolg.


Was taugt es? CENTURY – EINE NEUE WELT ist ein elegantes, kompaktes und gut verzahntes Spiel. Handwerklich ist alles sehr solide gemacht. Allerdings fühlt man CENTURY – EINE NEUE WELT diese Gemachtheit auch an, so als sei der Ausgangspunkt des Spiels rein handwerklicher Natur gewesen. Dasselbe Tauschprinzip sollte, konnte und musste ein drittes Mal durchdekliniert werden. Voilà!
Dass es dann auch noch auf eine Weise geschieht, wie man es in Spielen der vergangenen zehn Jahre schon häufig erlebt hat, hebt CENTURY – EINE NEUE WELT trotz interessanter Details nicht aus der riesigen Masse der handwerklich sehr soliden Spiele heraus. Eine Partie macht schon Spaß, das Spiel ist insgesamt in Ordnung, doch häufiger hervorgeholt werden am Ende nur die besonderen Spiele, und CENTURY – EINE NEUE WELT ist keins.
Auch vom Material her nicht. Die Arbeiterfiguren sind so winzig, dass man sie eher über den Spielplan verstreut statt sie einzusetzen. Und obwohl ich gewiss nicht der Fraktion angehöre, die bei jeder Gelegenheit nach noch dickeren Pappen schreit, hätte ich in diesem Fall etwas mehr Substanz sehr begrüßt. Die dünnen Spielplansegmente verrutschen häufig.


**** solide

CENTURY – EINE NEUE WELT von Emerson Matsuuchi für zwei bis vier Spieler*innen, Plan B Games.