Montag, 22. März 2021

Crime Story - Vienna

Verbrechen! Verbrechen! Verbrechen! Schaue ich in mein Spieleregal, scheint es kaum noch ein anderes Thema zu geben. Wundert es da noch, dass Unbekannte meine diesmal wirklich ganz hervorragend gelungene Einleitung entwendet haben?

Wie geht CRIME STORY – VIENNA? Wie schon DETECTIVE oder auch POCKET DETECTIVE und so weiter. Wir ermitteln also in einem Verbrechen. Eine Einleitungsgeschichte stellt uns an ihrem Ende mehrere Optionen zur Wahl: mit X sprechen, Ort Y untersuchen, Dokument Z studieren. Wir dürfen jeder Option nachgehen und den entsprechenden Kartentext lesen, aber das kostet Zeiteinheiten.
Wie viele genau, ist uns vorab bekannt. Wenn wir meinen, der Aufwand sei den zu erwartenden Ertrag nicht wert, wählen wir eben eine andere Option. Fährten gibt es genügend, denn viele der Karten, die wir lesen, verweisen auf neue Spuren, denen wir fortan ebenfalls nachgehen dürfen.
Der Fall spielt in einer fiktiven Zeitspanne von 8:30 bis 17:00 Uhr. Um 17:00 Uhr müssen wir die Ermittlungen einstellen und Fragen beantworten.


Was passiert? Aufgrund von Erkenntnissen oder Hypothesen oder auch nur unserem Riecher klopfen wir diese und jene Fährte ab. Nicht alles geht, wir müssen eine Auswahl treffen. Manches geben wir auf, weil es doch nicht so heiß zu sein scheint, manches rückt nachträglich wieder in den Fokus.
Das Spiel steuert dabei recht viel. Fünfmal zwischendurch zu genau festgelegten Uhrzeiten bekommen wir neue Informationen. Beispielsweise ruft unser Chef an und berichtet von einem Fund in der Kriminaldatei. Dadurch ist gewährleistet, dass wir bestimmte Informationen nicht zu früh oder zu spät bekommen. Und dass wir sie überhaupt bekommen.


Was taugt es? Der zugrundeliegende Fall ist ziemlich schrill und wirkt nicht gerade wie aus dem Leben gegriffen, unterhält dank einiger Wendungen und des amüsanten Wiener Lokalkolorits aber gut.
An die Authentizität eines DETECTIVE kommt CRIME STORY – VIENNA nicht heran. Will es aber gewiss auch nicht. Es ist eine Ermittlung für zwischendurch mit einem Minimum an Regeln. CRIME STORY entwickelt das Genre in keiner Weise weiter, aber als DETECTIVE-light ist es eine runde Sache.
Was mir gegenüber dem sehr ähnlichen POCKET DETECTIVE besser gefällt, ist die Klarheit der Aufgabenstellung. Wir wissen: Um 17 Uhr müssen wir liefern. Zwar können wir keine Zusatzpünktchen durch schnelleres Lösen gewinnen, aber darauf kann ich verzichten. Am Ende präsentiert uns das Spiel die Auflösung, und um zu erfahren, ob wir zufrieden sein können, müssen wir, statt es von einer Punktetabelle abzulesen, in uns selbst hineinspüren.


**** solide

CRIME STORY – VIENNA von Peter Prinz für eine*n bis sechs Spieler*innen, Noris.

Donnerstag, 18. März 2021

Min-Amun

Ich hab nichts gegen das alte Ägypten, nur originell muss es sein.

Wie geht MIN-AMUN? Wir legen auf dem Spielplan Dominos an. Das Ansinnen wäre, dadurch Ressourcen zu erhalten, was geschieht, wenn gleiche Domino-Symbole aneinandergrenzen und / oder das Teil neben einem der auf den Spielplan gedruckten Getreidefelder abgelegt wird und / oder Symbole auf dem Spielplan überdeckt.
Mit den erhaltenen Ressourcen beliefern wir unsere Geschäfte und / oder erweitern die eigene Stadt um zusätzliche Geschäfte. Das ist immer wieder notwendig, denn ein vollständig beliefertes Geschäft nimmt nie wieder was. Zwischenlagern dürfen wir die Ressourcen nicht. Wir sammeln schlauerweise also nur das, was wir auch verarbeiten können.
Geschäfte verlangen beispielsweise: „Liefere Papyrus und du kriegst fünf Punkte, liefere Trauben und du kriegst vier Punkte.“ Oder: „Liefere drei Rinder und alle deine in der gesamten Stadt eingesetzten Rinder zählen je drei Punkte.“ Oder: „Liefere zwei Papyrus und du kriegst sieben Punkte, liefere Alabaster und du schaltest eine Gottheit frei.“
Gottheiten zählen dann so richtig viele Punkte, wenn man möglichst viele verschiedene freischalten konnte. Getreide (die einzige Ressource, die aufbewahrt werden darf) zählt viel, wenn man viel davon hat. Und Multiplikationen von Rindern oder Sonstigem bringen ebenfalls am meisten, wenn man – logo – viel multipliziert. Kurzum: Spezialisierung ist in MIN-AMUN nicht die schlechteste Idee.


Was passiert? Jede*r kommt neunmal an die Reihe, MIN-AMUN geht also flott. Meine Möglichkeiten in neun Zügen sind gut überschaubar. Ohnehin muss ich auf das reagieren, was mir im Zug davor hinterlassen wird. Läuft es schlecht, kann ich mit meinen Dominos nur eine oder zwei Ressourcen ergattern, läuft es gut, dann auch mal drei oder vier. Wer schöne Vorlagen kriegt, profitiert. Man wurschtelt sich eben so durch und macht das Beste aus dem, was man machen kann.
Was nicht heißen soll, MIN-AMUN wäre geistlos. Meine Plättchen bekomme ich nicht zufällig, sondern wähle nach jedem Zug ein neues für meinen Vorrat aus. Und auch neue Stadtviertel mit Geschäften kaufe ich aus einem Vorrat und muss mir überlegen, welche Geschäfte sich gut ergänzen und wie viele ich überhaupt beliefern kann. Es ist aber auch immer ein bisschen Planung ins Blaue. Was ich mit meinem zuvor ausgewählten Material konkret erreichen kann, erfahre ich erst am Beginn meines nächsten Zuges.


Was taugt es? Man ist in MIN-AMUN angenehm beschäftigt. Aber das Spiel hat nichts, das es herausragen lässt. Es ist nicht besonders spannend, nicht besonders verzwickt, nicht besonders tricky. Man legt, man kassiert, man wertet aus. Weitere Partien verlaufen ähnlich.
Wären Material und Grafik schöner oder hätte MIN-AMUN eine interessante thematische Einkleidung, könnte das vielleicht noch etwas rausreißen. So aber ist es zwar okay, aber auch nicht gut genug, um länger im Gedächtnis zu bleiben.


*** mäßig

MIN-AMUN von Cyrille Leroy für zwei bis vier Spieler*innen, Kobold / Catch Up Games.

Sonntag, 14. März 2021

Paris – Die Stadt der Lichter

Lieber das Cover an der Wand als das Spiel auf dem Tisch.

Wie geht PARIS – DIE STADT DER LICHTER? Wir legen Plättchen. Und darauf noch mal Plättchen. Die erste Plättchenlage stellt Straßenpflaster dar. Auf Pflaster meiner und neutraler Farbe darf ich später Gebäudeblöcke bauen: die zweite Plättchenschicht.
Damit die Blöcke viele Punkte zählen, sollten sie benachbart zu möglichst vielen Laternen errichtet werden. Ein großer zusammenhängender Gebäudekomplex ist auch sehr gut. Weitere Punkte gibt es für ein paar Details.
In Phase eins des Spiels legen wir abwechselnd unsere Plättchen oder reservieren uns einen Häuserblock. In Phase zwei bauen wir abwechselnd die reservierten Blöcke oder führen eine von acht Sonderaktionen aus, wodurch wir sie gleichzeitig unserem Gegenüber wegschnappen.


Was passiert? PARIS – DIE STADT DER LICHTER ist ein denkintensives und destruktives Spiel. Lege ich das Pflaster in der gewünschten Anordnung, kriege ich vielleicht nicht das passende Gebäude. Nehme ich zuerst das Gebäude, verhindert mein Gegenüber womöglich die benötigte Pflasteranordnung.
Über solche Fragen und Abhängigkeiten kann ich mir lange und tiefe Gedanken machen, zumal sehr vieles, was man sich so denkt, nicht im nächsten oder übernächsten Zug ausgeführt werden kann, sondern erst irgendwann in Spielphase zwei.
PARIS türmt jede Menge Komplexität und Eventualitäten auf. Gleichzeitig lassen sich Pläne leicht zerstören. Es genügt manchmal schon, dass mein Gegenüber in Phase zwei ein einziges Gebäude ungünstig platziert, um mein ausgeklügeltes Häuser-Arrangement komplett hinfällig werden zu lassen.
Wer Phase zwei beginnen darf, hat deshalb einen großen Vorteil. Und die besten Chancen, Phase zwei zu beginnen, besitzt, wer schon in Phase eins begonnen hatte. Um Chancengleichheit herzustellen, muss man zwei Partien PARIS mit wechselnden Startspieler*innen spielen.


Was taugt es? PARIS – DIE STADT DER LICHTER finde ich herausragend schön gestaltet, wenn auch nicht in allen Belangen praktisch. Die großformatigen Postkarten, die die Sonderaktionen symbolisieren, benötigen entweder viel Platz auf dem Tisch oder sind nicht für beide Spieler*innen gut zu sehen. Für ihren Zweck sind sie überdimensioniert und ihre Symbolik ist nicht in allen Fällen eingängig.
Vor allem aber hinterlässt PARIS – DIE STADT DER LICHTER bei mir kein gutes Spielgefühl. PARIS enthält viele Faktoren, die ich mitbedenken könnte. Und wohl auch sollte. Aber wenn ich in einem Spiel weit vorausrechnen soll, möchte ich auch die Erfahrung machen, dass sich das überwiegend lohnt. In PARIS sind meine Pläne am Ende zu sehr von meinem Gegenüber abhängig. Kommt etwas dazwischen, kann ich das meiste wieder vergessen und muss gedanklich von vorn beginnen. Viele Überlegungen sind unnütz.

Ja, gewiss, PARIS – DIE STADT DER LICHTER ist taktisch, strategisch und sehr interaktiv. Aber solche Attribute allein machen ein Spiel nicht gut.


*** mäßig

PARIS – DIE STADT DER LICHTER von José Antonio Abascal für zwei Spieler*innen, Kosmos.

Mittwoch, 10. März 2021

Vor 20 Jahren (99): Der große Gallier

Vor einiger Zeit, als ich feststellte, dass Top-Listen absolut hip sind und mein Blog gar leider nicht, kam mir die originelle Idee, ebenfalls Top-Listen zu veröffentlichen. Das Vorhaben kam jedoch nie über den vagen Planungsstatus hinaus. Schon das Erstellen einer Top-Liste, welche Top-Listen der Welt wohl noch fehlen, gestaltete sich so ermüdend, dass mir die Motivation auf eine Umsetzung rasch wieder abhandenkam.

Eine der Top-Listen, die mir damals vorschwebte: „Zehn Spiele, über die sich Betrachter*innen meines Spieleregals am meisten wundern.“ Gemeint waren nicht etwa Granaten wie UNO oder MONOPOLY. Die sind in meinem Haushalt nicht zu finden und können deshalb auch niemanden irritieren. Gemeint waren vielmehr Spiele, die selbst Sachkundige grübeln lassen: Statement oder Versehen?

In einem qualifizierten Regal erwartet man DIE SIEDLER VON CATAN, CARCASONNE und vor allem DOMINION mit sämtlichen Erweiterungen. Wer cool sein will, kann auch noch GLOOMHAVEN und BRASS: BIRMINGHAM dazustellen. Doch wer hat schon DER GARTEN DES SONNENKÖNIGS? Ich. Oder DER GROSSE GALLIER? Auch ich.

Dieses Spiel von Wolfgang Kramer und Udo Nawratil aus dem Jahr 2001 ist ziemlich von der Bildfläche verschwunden, was vielleicht an der Grafik liegt oder auch daran, dass es bei Clementoni erschienen ist, das ebenfalls ziemlich von der Bildfläche verschwand. Oder liegt es am Spiel selbst? In DER GROSSE GALLIER wird permanent gelogen und betrogen. 2001 galt das möglicherweise noch als unanständig.

Ich will gar nicht behaupten, jeder Mechanismus des Spiels sei supertoll. Aber den Bluffmechanismus habe ich damals sehr gemocht, und er hat mich veranlasst, das Spiel all die Jahre zu behalten, bis ein Spiel kommt, das den Mechanismus noch mal aufgreift … jedoch: Es kam keins.


In DER GROSSE GALLIER tragen wir verschiedene Wettbewerbe aus. Man nimmt teil, indem man verdeckt Karten legt und ihren Wert ansagt. Diesen kann man sich übrigens komplett ausdenken, sollte aber trotzdem eine zumindest theoretisch erreichbare Zahl dahinfabulieren. Denn üblicherweise ein*e Teilnehmer*in wird überprüft. Und jede Ansage, die zum Himmel stinkt, wäre eine klare Bewerbung dafür.

Anhand der Kartenrückseiten ist erkennbar, welche Karte für welchen Wettbewerb zählt. Und wenn nun Bullenziehen (blaue Karten) stattfindet und jemand auch Gelb und Rot auslegt, scheinen Zweifel an dessen Ehrlichkeit angebracht. Lustigerweise kann die Ansage trotzdem stimmen. Manche Karten sind unabhängig von ihrer Farbrückseite Joker.

Das aber Lustigste und zugleich Frechste an DER GROSSE GALLIER ist: Wer mit seiner Lüge durchkommt, profitiert nicht nur durch eine unrechtmäßig gute Platzierung im Wettbewerb. Sondern noch mehr: Alle nicht enttarnten Falschansagen werden durch einen Bonus ausdrücklich extra honoriert. Das erhöht den Anreiz zu schwindeln ganz enorm. Mit einer Mogelei durchzukommen, fühlt sich doppelt triumphal an: ein Ätsch-Faktor sondergleichen. Oh, man ahnt ja nicht, welch fürchterliche Charaktereigenschaften in DER GROSSE GALLIER zu Tage treten! Die dreckige Lache einer ganz bestimmten Mitspielerin klingelt mir jedenfalls noch heute im Ohr.


Samstag, 6. März 2021

Gloomhaven – Die Pranken des Löwen

Ich bin ja gar nicht so. Auf vielfachen Wunsch steht hier endlich mal wieder eine Einleitung.

Wie geht GLOOMHAVEN – DIE PRANKEN DES LÖWEN? Es ist ein Dungeon Crawler, was auf Deutsch übersetzt bedeutet, dass wir in einen düsteren Unterschlupf hineinrennen, alle Monster plätten und Schätze abräumen. Mit dem Geld gönnen wir uns hilfreiche Ausrüstung. Und wir gewinnen Erfahrungspunkte und werden stärker und gewiefter – die Monster aber leider auch.
Das Spiel basiert auf Karten. Pro Zug wähle ich zwei aus meinem Bestand. Von einer werde ich die Textanweisung der unteren Hälfte nutzen (die oft etwas mit Bewegung zu tun hat), von der anderen Karte die obere (oft Angriff). Von welcher was, muss ich aber noch nicht jetzt entscheiden, sondern erst wenn ich an der Reihe bin. Das wiederum richtet sich nach dem Initiativewert einer meiner gewählten Karten.
Auch für alle anwesenden Monsterarten wird je eine Karte aufgedeckt, um Initiative, Bewegung und Angriff zu bestimmen. GLOOMHAVEN – DIE PRANKEN DES LÖWEN kommt also ohne Spielleiter*in aus, wir dürfen alle im selben Team mitmachen. Wie sich die Monster verhalten, unterliegt aber festen Regeln.
Die Kämpfe benötigen keine Würfel. Jeder Angriff hat laut Kartenanweisung einen gewissen Erwartungswert, wie viel Schaden er anrichtet. Zusätzlich wird eine Modifikatorkarte aufgedeckt, die den Angriff verstärkt oder abschwächt oder gar komplett verpuffen lässt.
An dieser Stelle kommt Deckbau ins Spiel. Denn sowohl unsere Modifikationsdecks werden sich individuell verändern als auch unsere Aktionsdecks. Die sind natürlich schon von Beginn an unterschiedlich. Die Sprengmeisterin spielt mit anderen Karten als der Axtwerfer.


Was passiert? Von Partie zu Partie wird es immer komplizierter, weil während der ersten fünf Szenarien immer mehr Regeln und Spielelemente hinzukommen. Allerdings werden wir hervorragend an die volle Komplexität des Spiels herangeführt. DIE PRANKEN DES LÖWEN nutzt dafür eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, ergänzt durch ein Glossar zum Nachschlagen. Höchst bemerkenswert finde ich, dass Teile unserer Decks und auch der Monsterdecks ausschließlich dazu da sind, um den Einstieg zu erleichtern. Nach und nach werden diese Karten durch die „richtigen“ Karten ersetzt und fortan nicht mehr gebraucht. Ein hilfreicher Luxus.
Auch die sehr gute Heranführung ändert aber nichts daran, dass DIE PRANKEN DES LÖWEN ein komplexes Spiel mit vielen zu beachtenden Kleinigkeiten ist. Es gibt selbst nach diversen Partien noch Situationen, in denen unsicher bin, wie die Monsterzüge korrekt abgewickelt werden müssen. Oder ich vergesse irgendwelche Effekte oder Verwaltungsschritte. DIE PRANKEN DES LÖWEN ist kein Spiel, bei dem ich in einen Flow gerate. Denk- und Handlingaufwand sind recht hoch.
Auf dem Brett (na gut, es ist ein Hefter, auf dessen Doppelseiten wir spielen) passiert vergleichsweise gar nicht so viel. Die meiste Spielzeit benötigen wir für die Abwägung, welche Kartenkombination aktuell die beste sei, und für (beschränkt erlaubte) Absprachen mit der Gruppe. Es ist wie Actionkino – aber in Superzeitlupe und mit vielen Stopps.


Was taugt es? Fantasy ist nicht das Thema, das mich typischerweise anspricht. Auf Dauer finde ich es nicht so faszinierend, ein Monster nach dem anderen zu töten. Aber das ist eine Geschmacksfrage. Denn zweifellos wiederholen sich die Abläufe in anderen Spielen auch, sei es nun, dass ich wieder und wieder Seuchenwürfel wegräume oder wieder und wieder Rinder zur Verladestation treibe.
Es mag also mit etwas Vorsicht zu genießen sein, wenn ich sage: Die Szenarien in DIE PRANKEN DES LÖWEN empfinde ich als nicht sehr abwechslungsreich. Bislang war der Plan jedes Mal: Erst die vorderen Monster, dann die dahinter, dann die hintersten.
Die Geschichte, die dabei erzählt wird, ist gut erzählt. Aber letztlich leitet sie nur von Kampf zu Kampf über. Denn das ist der Inhalt des Spiels: kämpfen.
Oder besser gesagt: gut kämpfen. Der Einsatz der Karten lässt das Hirn rauchen. Ich plane nicht nur situativ. Manche Effekte sind stärker, wenn zuvor Elemente wie Eis oder Licht beschworen worden sind, was bestimmte Kartenfolgen sinnvoll macht. Ich muss außerdem meine Pläne mit denen der Mitspieler*innen koordinieren. Mehr als individuelle Einzelgänge hilft es oft, wenn wir einigermaßen beisammenbleiben. Wir sprechen uns ab, wer welches Monster übernimmt, wer wann zu rasten oder irgendwen zu heilen beabsichtigt. Dass alle zugleich zum Durchschnaufen gezwungen sind, während wir noch von Monstern umringt sind, wäre tödlich.

Genau, die Monster: Von Art zu Art verhalten sie sich unterschiedlich, was man bei der Erstbegegnung erst mal herausfinden wird. Da spekuliert man auf einen Nahkampf und wählt eine späte Initiative, um den Feind prächtig ins offene Messer laufen zu lassen – und dann stellt sich heraus: Das sind feige Lahmärsche, die sich nicht vom Fleck bewegen!
DIE PRANKEN DES LÖWEN erfordert eine intensive Beschäftigung. Es ist nicht das Spiel für eine lustige Keilerei zwischendurch. Je nachdem, wie lange eine Gruppe an ihren Zügen herumtüftelt, kann eine Partie schon mal zwei Stunden dauern. Und man sollte regelmäßig am Ball bleiben. Ich mag mir nicht ausmalen, wie lange ich nach einem Jahr Pause für den Wiedereinstieg bräuchte.
DIE PRANKEN DES LÖWEN bietet epische und anspruchsvolle Kämpfe, eine Charakterentwicklung, die neugierig macht, auf das was noch kommt, viel Fantasyatmosphäre und dazu ein bisschen Deckbau und Legacy.
Ich bin beeindruckt, wie viel Mühe darauf verwendet wurden, selbst Dungeon-Noobs wie mir den Einstieg zu erleichtern. Es liegt sogar ein doppelseitiges Blatt bei mit Anweisungen, wie ich die sehr volle Schachtel sinnvoll auspacke und die Materialien sortiere. Die meisten Spiele lassen uns mit so etwas allein.


***** reizvoll

GLOOMHAVEN – DIE PRANKEN DES LÖWEN von Isaac Childres für eine*n bis vier Spieler*innen, Feuerland.

Sonntag, 28. Februar 2021

Gern gespielt im Februar 2021

GLOOMHAVEN – DIE PRANKEN DES LÖWEN: Überall Blut, überall Mord. GLOOMHAVEN scheint mir die ideale Partnerstadt für Crime City aus MICROMACRO zu sein.


DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK: Wenn der Titel schon spoilert, wie’s für dich ausgeht.


FANTASTISCHE REICHE: Das war schon immer mein Credo. Darum heißt diese Website auch, wie sie heißt.


CLOUDAGE: Wolkenkuckucksheim.


UNDAUNTED – NORMANDIE: Man sagte mal, Brettspielen sei Eskapismus in harmlose Traumwelten. Mir kommt das immer weniger so vor.





UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM FEBRUAR:

PANDEMIC LEGACY SEASON 0: Wie man sieht, habe ich mich entschieden, doch noch mal ein Spiel des Monats zu küren. Obwohl auch hier die obligatorische Jubelrezension schon kurz bevorsteht. Irgendwann im März werde ich sie wohl schreiben.
Doch PANDEMIC LEGACY wird man mit (lediglich) einer Rezension ohnehin kaum gerecht. Nachdem die Trilogie nun komplett vorliegt, ist es an der Zeit, die Gesamtreihe zu würdigen. Völlig unabhängig von dem Zufall, dass um uns herum auch gerade eine Pandemie herrscht, ist PANDEMIC LEGACY von 0 bis 2 eine Sensation, ein Meilenstein und eine Referenz, von der wir noch lange zehren und noch lange reden werden.
PANDEMIC LEGACY hat mit seiner herausragenden Verbindung aus Story, Mechanik, Kooperation und Überraschung Legacy-Spiele auf eine bislang unerreichte Stufe gehoben und damit auch das Medium Brettspiel weiter nach vorne gebracht. Mich als Spieler hat es bereichert, diese Trilogie zu spielen. Und ich will gar nicht ausschließen, dass ich die komplette Serie bei Gelegenheit noch einmal durchspiele. Oder drei eingeschweißte Spiele auf Vorrat in meinem Zwischengeparkt-die-Rente-Regal bunkere (da ist allerdings schon alles voll) (eigentlich).
Ich fürchte, für ein wirklich großes Publikum ist die PANDEMIC-Trilogie zu komplex. Deshalb wird sie wohl kein Massenphänomen wie CATAN oder CARCASSONNE. Von der Bedeutung sehe ich PANDEMIC trotzdem auf demselben Niveau. Menschen werden staunend entdecken, welche Erlebnisse Spiele heutzutage kreieren können, und diese Erfahrungen werden sie nicht vergessen. Autor*innen werden sich durch PANDEMIC inspirieren lassen. Der vermutlich riesigen Arbeit zum Trotz wird es weitere Spiele dieser Art geben, gelungene und sicher auch weniger gelungene – und irgendwann wieder den nächsten Meilenstein. Juhu!


Freitag, 26. Februar 2021

Break In: Area 51

O weh, die lustige Einleitung wird in der streng bewachten Militärbasis Area 51 unter Verschluss gehalten. Witz, komm raus!

Wie geht BREAK IN? Es ist ein Escape-Spiel, bei dem wir laut Geschichte irgendwo einbrechen. Was originell ist, aber am Spiel nicht viel ändert: Wir lösen mal wieder Rätsel auf Rätsel auf Rätsel.
Alle Rätsellösungen in BREAK IN benötigen einen dreistelligen Code aus Symbol, Farbe und Zahl. Damit wissen wir, welchen Lösungsstreifen (Symbol) wir bis zu welcher Markierung (Farbe) in welchen Schacht (Zahl) stecken müssen. In einem kleinen Fenster ist dann ein weiteres Symbol zu sehen, das uns sagt, welche Karte wir nun aufdecken. Diese erzählt die Geschichte weiter und führt zum nächsten Rätsel.


Was passiert? Im Spielverlauf legen wir schichtweise die Schachtel frei, um schließlich in ihr Innerstes zu gelangen. Die aufwändige 3D-Konstruktion zu entblättern, ist ein schönes Spannungsmoment. Allerdings ist die Dreidimensionalität eher Gimmick und trägt zu den Rätseln wenig bei.
Ansonsten: Wir rätseln. – Und rätseln wir auch gerne? Na ja. Wie ich schon bei ESCAPE THE ROOM – DAS VERFLUCHTE PUPPENHAUS schrieb: Ein gutes Rätselspiel vermittelt das Gefühl, dass es sich lohnt, auch bei aufkommenden Schwierigkeiten weiterzuknobeln und nicht in die Hilfe zu schauen. Ein gutes Rätselspiel erarbeitet sich durch schlüssige Lösungen das Vertrauen der Spielegruppe.
BREAK IN: AREA 51 enthält gerade gegen Ende einige Rätsel, die mir gut gefallen haben. Oder eher: hätten … wenn nicht bis dahin schon einiges passiert wäre, das Vertrauen gekostet hat.
Immer unter dem Vorbehalt, dass wir uns vielleicht nur zu blöd angestellt haben: Uns war teilweise die genaue Aufgabenstellung nicht klar. Und manche Rätsel setzten in ihrer Lösung Dinge voraus, die uns im Nachhinein überraschten. Es ist etwa so, als lautete die Aufgabe: Nimm den größten Ball aus der Kiste. Und hinterher stellt sich heraus, dass nur gelbe Bälle hätten genommen werden dürfen, andere nicht, und man hat keine Erklärung dafür.
Und wenn einem erst mal etwas seltsam vorkommt, unterstellt man bei späteren Rätseln, dass sie vermutlich auch nicht logischer sein werden, und gibt früher auf als nötig.


Was taugt es? Die Konkurrenz unter den Exit- und Escapespielen ist groß und BREAK IN fügt dem Genre nichts Entscheidendes hinzu. Die 3D-Konstruktion ist nicht besonders schön und auch nicht wirklich notwendig (außer vielleicht fürs Marketing). Die Rätsel sind in ihrer Qualität uneinheitlich. Manche haben mich positiv überrascht, manche haben genervt. Das größte Plus von AREA 51 sehe ich in der (gemessen an anderen Genrevertretern) gelungen eingebetteten Story. Aber das reißt es nicht raus.
Zu sechst, wie auf der Packung angegeben, würde ich BREAK IN übrigens auf keinen Fall spielen wollen, maximal zu dritt. Doch ganz generell würde ich sehr, sehr, sehr gerne mal wieder zu sechst spielen.


*** mäßig

BREAK IN: AREA 51 von David Yakos, Nicholas Cravotta und Rebecca Bleau für eine*n bis sechs Spieler*innen, Schmidt.

Donnerstag, 18. Februar 2021

Bonfire

Hier stand eine Einleitung. Aber dann ist sie weggeschmolzen.

Wie geht BONFIRE? BONFIRE ist ein Optimierungsspiel mit diversen Baustellen. Vor allem wollen wir Aufgaben erledigen (wofür wir bestimmte Dinge besitzen oder Konstellationen auf dem Spielplan / persönlichen Tableau hergestellt haben müssen). Aufgaben erhalten wir, indem wir zu Inseln reisen und dort unter Abgabe der erforderlichen Rohstoffkombination eins der ausliegenden Aufgabenplättchen kaufen.
Zwischenzeitlich werben wir auf anderen Inseln Figuren an, die sich Hüterinnen nennen. Den Hüterinnen bauen wir rund um unser Tableau einen Pfad aus Wegplättchen, der sie bis Spielende zu einem unserer Ablagefelder für Aufgabenplättchen führen soll. Je weiter vom Startpunkt das erledigte Plättchen entfernt liegt, desto mehr Punkte zählt die ankommende Hüterin.
Im eng verzahnten BONFIRE kommt es auf allerlei Kleinigkeiten an. Ein Beispiel nur: Die Hüterinnen machen auf ihrer Umlaufbahn nicht einfach nur Tempo, sie sammeln an ihren Haltepunkten auch Rohstoffe ein. Deshalb ist es wichtig, mit welchen Pappteilen ich die Laufbahn baue und wo ich die Hüterinnen Zwischenstation machen lasse. Die Farben der Wegteile sollten außerdem denen der dort abgelegten Aufgabenplättchen entsprechen; dann gibt es Extrapunkte.
Der Motor in BONFIRE sind Aktionsmarker. Um eine bestimmte Aktion ausführen zu dürfen, muss ich einen entsprechenden Marker (oder zwei beliebige) zahlen. Marker wiederum erhalte ich durch eine kleine Puzzelei. Alle Spieler besitzen ein Raster, wo sie nach und nach Teile mit je drei Symbolen ablegen. Jedes der Symbole bringt dann einen Aktionsmarker. Platziert man gleiche Symbole nebeneinander, bekommt man zusätzliche Marker.
Allerdings haben wir immer nur zwei Legeplättchen zur Auswahl. Welche Plättchen in welcher Reihenfolge einsatzbereit sind, steht schon bei Spielbeginn fest, so dass wir bei aller Eingeschränktheit langfristig planen können.


Was passiert? BONFIRE ist ein Wettrennen. Die Zahl der Runden hängt davon ab, wie schnell die Spieler*innen Ziele erfüllen. Wenn meine Pläne sehr langfristig angelegt sind, die der Konkurrenz aber gar nicht, kann die Partie viel früher enden, als es mir gefällt. Auch wenn in BONFIRE weitgehend jede*r für sich spielt, sorgt diese Tempofrage dann doch für spürbare Abhängigkeit von den Mitspielenden.
Die Aktionen selbst sind meist schnell abgewickelt. Viele Züge sind nicht sehr umfangreich und können auch über mehrere Runden im Voraus geplant werden. So hat man das Gefühl, ständig beteiligt zu sein.
Für Variabilität sorgen die wechselnden Aufgaben und die Gnome. (Gnome sind Karten, die für den Rest der Partie bestimmte Fähigkeiten verleihen.) Nicht mal die Hälfte aller Aufgaben und Gnome liegt pro Partie überhaupt aus. Und noch weniger davon werden tatsächlich gewählt. Man hat also nicht so schnell alles gesehen. Die Vielfalt lässt Raum für Experimente, welche Kombinationen besonders hilfreich sind.
Am meisten fasziniert dann aber doch der Puzzlemechanismus. Ich kann nicht immer von allen Aktionsmarkern welche im Vorrat haben. Wenn ich nun eine bestimmte Aktion wählen möchte, den Marker jedoch nicht besitze: Ist mir die Sache dann auch zwei Marker wert oder warte ich, bis ich wieder passende Marker bekomme?
Meist ergibt es sich auch, dass ich von einer Sorte recht viele anhäufe, während andere Arten rar bleiben: Kann ich die Massenware Stück für Stück sinnvoll einsetzen? Oder haue ich das Zeug zwei zu eins als Joker raus, um vorrangig Tempo zu machen?


Was taugt es? Der Mechanismus, dass mein Aktionspool während der Partie wechselt und bestimmten Wellenbewegungen unterliegt, ist neuartig und interessant. Besonders reizvoll: Durch meine Plättchenpuzzelei bestimme ich selbst, welche Aktionen mir in welcher Phase des Spiels zur Verfügung stehen.
Überhaupt ist BONFIRE ein Spiel, das vorrangig Freiheiten bietet. Meine Aufgaben bekomme ich nicht zugeteilt. Ich suche sie mir aus – im Rahmen dessen, was mir die Mitspieler*innen übriglassen und was ich zu zahlen bereit bin.
BONFIRE ist zudem ein überwiegend belohnendes Spiel. Zwischen den vielen hilfreichen Gnomen und den vielen tollen Boni kann man sich manchmal kaum entscheiden. Letztlich ist jeder Spielzug produktiv. Allerdings ist längst nicht jeder Spielzug optimal. Um BONFIRE zu gewinnen, ist Optimierung unerlässlich.
Aber: Trotz der vielen positiven Eigenschaften, einer gelungenen Grafik und tollem Material hat mir BONFIRE weniger Lust auf Folgepartien gemacht als manch anderes Spiel vergleichbaren Anspruchs oder manch anderes Spiel von Stefan Feld. Für mein Empfinden ist um den Aktionspoolmechanismus zu viel herumgebaut, insbesondere auch zu vieles, das konstruiert und austauschbar wirkt.
Wie ich die Aktionsmarker generiere, ist neu. Doch wofür ich die Marker dann einsetze, ist ein Gemisch aus Euro-Mechanismen, das lediglich Komplexität statt Emotion erzeugt. Das allein wäre nicht weiter schlimm, allerdings nimmt dieser herkömmliche Teil des Spiels den größten Raum ein, während der innovative Mechanismus zur Nebensache gerät. Ich hätte gern mehr mit diesem Mechanismus gespielt und direkter und intensiver erfahren, was er leistet.
Ja, ich weiß, Grafiker und Verlag haben extra eine Fantasy-Geschichte entwickelt, die für alle Abläufe im Spiel Begründungen findet. Trotzdem ändert das nichts fürs Spielgefühl. Wer will, kann sich die Mechanismensammlung nun besser erklären; eine Mechanismensammlung bleibt es dennoch.


**** solide

BONFIRE von Stefan Feld für eine*n bis vier Spieler*innen, Hall Games / Pegasus Spiele.

Sonntag, 14. Februar 2021

Crash Test Bunnies

Hier stand eine Einleitung. Aber dann ist sie zugefroren.

Wie geht CRASH TEST BUNNIES? Es ist ein Reaktionsspiel, bei dem wir schnell unsere zehn Handkarten loswerden wollen (das bringt Punkte) – aber ohne Fehler zu machen (Minuspunkte). Alle spielen gleichzeitig. Unsere Karten werfen wir eine nach der anderen in den Schachtelboden. Hat jemand alles abgespielt, drehen wir den Stapel um und werten Karte für Karte aus. So wie beispielsweise auch in MAMMA MIA!
Nach welchen Kriterien wirft man seine Karten? Jede oberste auf dem Stapel zeigt eine Verkehrskreuzung mit den Möglichkeiten links, rechts und geradeaus. Aber die Piste ist nicht frei und auf allen Karten unterschiedlich gestaltet. Manche Richtungen sind durch Hindernisse oder Lebewesen blockiert (wer hier abbiegt, wird bestraft), andere zeigen freie Fahrt oder (noch besser) ein Goldstück oder (mal so, mal so) einen Würfel.
Unsere Handkarten zeigen außer unserer Farbe die gewählte Fahrtrichtung, beispielsweise „Linksabbieger“. Will ich in der aktuellen Situation links abbiegen, werfe diese Karte in die Schachtel, und zwar verkehrtherum. Ihre Rückseite zeigt eine neue Verkehrssituation, auf die wir nun wieder reagieren sollen.


Was passiert? Wie man sich denken kann, entsteht ein gewisses Chaos, und es gibt immer wieder Spieler*innen, denen Spiele dieser Art überhaupt nicht liegen, weshalb sie keinen Reifen an die Erde bekommen. Und natürlich gibt es auch hin und wieder strittige Situationen (gilt eine Karte, die nur so halb in der Schachtel landet?), und die Spieler*innen sollten in der Lage sein, sich fair zu einigen.
Vor allem aber ist CRASH TEST BUNNIES Fun. Weil es schnell gehen soll, gucke ich nicht immer so genau, wie ich müsste, bin froh, überhaupt eine Karte zu schmeißen, und noch während ich sie loslasse, merke ich: Verdammt! Das war falsch.
Oder ich habe die richtige Karte, aber komme um den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Die Regel sagt: liegen lassen! Argh! Jetzt kann ich nur noch hoffen, dass meine Karte zufällig auch zu der passt, auf die sie gar nicht fallen sollte.
Oder ich werfe den Joker, der Abbiegen in alle drei Richtungen erlaubt, so dass man eigentlich nichts falsch machen kann … eigentlich. Liegt auf der Strecke jedoch eine Bananenschale, was zwar selten vorkommt, rätselhafterweise aber genau in diesem Moment, setzt es auch für den Joker eine Strafe.
Und von wegen: Lechts und rinks kann man nicht velwechsern. Kann man doch! Besonders wenn die Vorgängerkarte über Kopf in der Schachtel liegt.


Was taugt es? Thema und Gestaltung machen CRASH TEST BUNNIES zu einem sehr sympathischen Spiel. Egal ob man in den Steinhaufen crasht oder höchst raffiniert der Goldmünze ausweicht: Die Spielhandlung bietet immer wieder Anlass für schönsten Trashtalk.
Die vergleichsweise lange Auswertungsphase führt nicht zu einem sonderlichen Spannungsabfall. Im Gegenteil reibt man sich schon die Hände, wenn eine Kreuzung mit zwei blockierten Wegen auftaucht: Da wird doch wohl sicher irgendwer dagegenfahren, höhö! – Ach, ich selbst? Mäh!
Nachdem einige Partien CRASH TEST BUNNIES gespielt sind, wird man in Folgepartien allerdings nichts Neues erleben. Im Bestfall erlebt man weiterhin dasselbe wie zu Anfang: Fehlgriffe, Schicksalsschläge, Schadenfreude. Im schlechteren Fall sind manche Spieler*innen bald so sehr trainiert, dass ihnen immer weniger Missgeschicke unterlaufen. CRASH TEST BUNNIES bietet keine Variation.
Bei diesem Viertelstundenspiel wäre ich trotzdem immer dabei. Dass ich nicht mehr als „solide“ vergebe, liegt daran, dass es Jahr für Jahr Spiele ähnlicher Machart gibt, die nicht schlechter oder weniger lustig sind. Immer nur dieselben zehn Karten nach immer denselben Regeln runterzuspielen, empfinde ich im Vergleich als etwas eindimensional und nicht speziell genug, um das Spiel aus dem oberen Mittelfeld herauszuheben.


**** solide

CRASH TEST BUNNIES von Florian Nadler für zwei bis vier Spieler*innen, moses.

Mittwoch, 10. Februar 2021

Wasserkraft

Hier stand mal eine Einleitung. Aber dann ist sie zugeschneit.

Wie geht WASSERKRAFT? WASSERKRAFT ist ein Spiel um Energiegewinnung. Der Spielplan zeigt mehrere Wasserläufe, die aus dem Gebirge ins Tal fließen. Um Energie zu erzeugen, benötigt man zunächst mal angestautes Wasser. Das kann sich hinter neutralen Staumauern befinden oder denen des eigenen Unternehmens. Man benötigt Rohrwerke am entsprechenden Staubecken; gegen Zuzahlung darf man auch gegnerische verwenden. Und man benötigt am Ende der Rohrleitung auf jeden Fall ein eigenes Turbinenwerk.

Wo genau die Rohre entlangführen, ist auf dem Spielplan vorgegeben. Mitnichten ist es so, dass es immer nur bergab ins nächste Staubecken geht. Teilweise wird das Wasser in einen anderen Fluss, teilweise sogar wieder bergauf gepumpt. Das Leitungsgeflecht ermöglicht manche Finesse. Beispielsweise kann ich dasselbe Turbinenwerk aus verschiedenen Quellen speisen. Oder ich positioniere meine Bauten so, dass das Wasser der ersten Stromerzeugung etwas tiefer im Tal in einem anderen meiner Staubecken landet und nochmals genutzt werden kann.
Die Grundmechanik des Ganzen ist Arbeitereinsatz. Wir setzen Figuren ein, um beispielsweise Bauten zu errichten, Strom zu erzeugen, Bauwerkzeuge zu kaufen oder außerplanmäßig Wasser ins Spiel zu geben. Am Ende eines Durchgangs gewinnt Punkte, wer die größte Energiemenge erzeugen konnte. Außerdem zählen in jedem Durchgang bestimmte Errungenschaften, beispielsweise könnte jedes Rohrwerk vier Punkte bringen – jedoch mit Abzügen, falls man zu wenig Energie erzeugt.
Daneben darf man mit jeder einzelnen Energieerzeugung einen Vertrag erfüllen („Erzeuge mindestens x Energie, erhalte dafür y.“) – und sollte es auch, denn diese Zwischendurch-Belohnungen bringen entscheidende Tempovorteile.


Was passiert? Die erste Partie WASSERKRAFT kann man getrost als Lernpartie verbuchen. Ab Partie zwei kann man sich dann über geschicktes Zusammenspiel der Verträge oder cleveres Ausnutzen der Rohrleitungen Gedanken machen. Trotzdem ist WASSERKRAFT kein kompliziertes Spiel. Hat man die Kernelemente Energieerzeugung und Wasserfluss verstanden, leitet sich alles stimmig und logisch davon ab.
Doch auch spätere Partien können noch zur Lektion werden. Denn WASSERKRAFT ist wenig fehlertolerant. Schlecht platzierte Bauten zu Beginn lassen sich kaum noch kompensieren. Und manchmal sind schlichtweg die Mitspieler*innen nicht nett. Ein Stausee oberhalb meines Stausees gebaut, der mir den Wassernachschub kappt, kann mich um viele Züge zurückwerfen. Warnung also: WASSERKRAFT ist ungewöhnlich konfrontativ. Nur im Spiel zu zweit kann man sich ganz gut ausweichen und ein bisschen nebeneinanderher spielen.
Timing, Ressourcenmanagement und Optimierung spielen in WASSERKRAFT eine große Rolle. Man kennt Vergleichbares aus anderen Spielen, deshalb nur kurz: Es sind Fragen wie: Welches Einsatzfeld könnte mir weggeschnappt werden? Wie kann ich trotz knapper Ressourcen bauen? Hat die Energiegewinnung Priorität oder sollte ich mir erst noch mal mehr Verträge sichern? Trotzdem gibt es auch hier etwas Neues: Ressourcen für Bauten gebe ich nicht ab. Sie sind lediglich für längere oder kürzere Zeit (worauf ich Einfluss habe) in Benutzung und ich erhalte sie zurück.
Zu diesen taktischen Komponenten kommen sehr entscheidend die strategische Positionierung auf dem Spielplan und das Ausnutzen der individuellen Ingenieurs- und Firmeneigenschaften. Mit Viktor Fiesler werde ich anders agieren als mit Jill McDowell.


Was taugt es? Mich fasziniert WASSERKRAFT enorm. Obwohl manches gar nicht so revolutionär ist. Arbeitereinsatz samt typischer Dilemmata ist bekannt, Management und Optimierung sind es ebenso. Neu aber ist das Umfeld, das System, in dem sich das alles abspielt.
WASSERKRAFT beruht auf einer thematischen Idee. Der Mechanismus steht im Dienst dieser Thematik. Und weil die Thematik bereits sehr viel Originalität ins Spiel bringt, stört es gar nicht, dass der Rest teilweise Bekanntes variiert. Im Gegenteil: Das erleichtert den Zugang und die Fokussierung auf den spielerischen Kern. Auch als erfahrener Spieler wünsche ich mir kein mit Innovationen vollgestopftes Spielmonstrum.
Entscheidend für den hohen Spielreiz ist das Gefühl, in WASSERKRAFT spielerische Überlegungen anstellen zu dürfen, die ich anderswo nicht auch schon angestellt habe. Wie ich Gewürze gegen Wolle tausche oder von Bagdad nach Belgien transportiere, habe ich schon auf viele verschiedene Weisen durchexerziert; wie ich Wasserströme für Energiegewinnung nutze und umleite noch nicht. Obendrein fühlt es sich weit weniger beliebig oder konstruiert an.
Man könnte sogar sagen: Das Thema generiert durch seine Rahmenbedingungen einen neuen, ganz eigenen Mechanismus: Es gibt Wasser. Das Wasser fließt. Man kann es stauen. Wir betreiben Wasser-Management. Bloß ist dieser Wasser-Mechanismus eben ungewöhnlich stark an das Thema gekoppelt. Er ist nicht austauschbar wie andere Mechanismen.
WASSERKRAFT ist für mein inneres Spielkind wie ein neues Spielzeug, bei dem ich erst mal alles ausprobieren möchte. Und da lockt so einiges: Die Ausgangslage jeder Partie ist ein bisschen anders, es gibt zwei Schwierigkeitsstufen, und ich kann vier verschiedene Unternehmen und sieben Chefingenieure wählen: Stoff für viele Experimente.
Nur zwei Dinge gefallen mir weniger: Bei den Baumaschinen lassen sich Einer, Dreier und Fünfer leicht verwechseln, außerdem gibt es zu wenige Einer. Und: WASSERKRAFT ist seinem Thema dann doch nicht ganz treu. Obwohl es ja eigentlich um Energie geht, macht man gegen Ende auch bemerkenswert viele Punkte nur damit, dass man ordentlich viel baut, ohne es je benutzen zu wollen. Ich sehe ein, dass das spielmechanisch nötig ist, weil sonst in den letzten zwei Durchgängen viele Aktionen keinen Sinn mehr hätten. (Und man kann es sich auch irgendwie erklären: Vielleicht repräsentieren die Bauten Projekte der Zukunft?) Schade finde ich es dennoch.


****** außerordentlich

WASSERKRAFT von Tommaso Battista und Simone Luciani für zwei bis vier Spieler*innen, Feuerland.

Samstag, 6. Februar 2021

Vor 20 Jahren (98): Schnee von gestern

Dass Mitglieder aus dem Verein Spiel des Jahres austreten, passiert immer wieder mal und ist angesichts der Arbeitsbelastung, die das Ehrenamt mit sich bringt, nichts Erstaunliches. Wenn jedoch drei Mitglieder gleichzeitig das Handtuch werfen, ist das schon bemerkenswerter. Und wenn alle drei ihren Schritt ausführlich öffentlich begründen und deutliche Kritik am Verein üben, könnte das in der Szene ein Erdbeben auslösen.
Oder hätte können.
Aber hat nicht.

Am 3. Februar 2001 traten Michael Knopf, Andreas Mutschke und Edwin Ruschitzka aus dem Verein Spiel des Jahres aus. Ihr Hauptkritikpunkt war – zumindest nach meinem Verständnis – die damalige Verflechtung von Spiel des Jahres mit dem Marburger Spielearchiv.

Ich war seinerzeit vollkommen überrascht. Erstens von den Ereignissen als solchen und dem, was ich da in den Austrittserklärungen erfuhr. Zweitens vom letztlich geringen Widerhall. Gewiss wurde in einschlägigen Foren diskutiert, und Spielezeitschriften und einige Online-Seiten versuchten in Dokumentationen, Interviews und Kommentaren, die Hintergründe zu beleuchten. Doch das Thema war recht schnell Schnee von gestern und der öffentliche Erkenntniswert blieb gering.

Ich hatte den Eindruck, dass die ganze Angelegenheit nicht sehr viele Menschen interessierte. Die meisten wollten vor allem eins: Spiele spielen. Mich dagegen interessierten die Vorgänge sehr. Ich schrieb damals Spielrezensionen für neun Zeitschriften und Tageszeitungen, teilweise sogar mit hoher Auflage. Obwohl in der Szene ein Unbekannter, machte ich mir durchaus schon zu diesem frühen Zeitpunkt Gedanken, ob ich eines (mutmaßlich noch fernen) Tages Mitglied bei Spiel des Jahres werden wollen würde oder nicht. Dass im Verein offenbar einiges nicht so war, wie es sein sollte, schreckte mich ab.

Am kritischsten griff damals die Fairplay (Heft 55 und folgende) das Thema auf. Ich liebte sie dafür. Und ich war jede Ausgabe, also alle drei Monate, höchst gespannt, ob die Sache irgendwie weiterging. Aber selbst in der Fairplay lief sich das Thema bald tot, es gab einfach nichts Neues mehr darüber zu berichten.

Und heute … ist kein Jurymitglied von damals ist noch aktiv, die Verbindung zwischen Marburger Archiv und Verein besteht nicht mehr, die Namen der seinerzeit Beteiligten sind den wenigsten Spieler*innen noch geläufig. Ich glaube, es ist tatsächlich Schnee von gestern. Und dass ich diese quasi urzeitlichen Ereignisse auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN noch mal hochkoche, könnte ein ernstzunehmendes Indiz sein, dass auch REZENSIONEN FÜR MILLIONEN immer gestriger wird.


Dienstag, 2. Februar 2021

Escape The Room – Das verfluchte Puppenhaus

Wie bereits erzählt: Ich hatte nie eine Modelleisenbahn und war sehr froh, sie Jahrzehnte später mit SWITCH & SIGNAL nachgeliefert zu bekommen.
Ein Puppenhaus hatte ich übrigens auch nie. Dennoch …

Wie geht ESCAPE THE ROOM – DAS VERFLUCHTE PUPPENHAUS? Es ist ein Escape-Spiel. Wir erhalten Materialien und müssen damit Rätsel lösen. Als Lösungen ergeben sich jeweils Symbole, die auf dem blauen, grünen oder roten Ring der Lösungsscheibe eingestellt werden müssen. Sind alle drei Ringe korrekt eingestellt, geht es in die nächste Rätselabteilung. Oder korrekter gesagt: in den nächsten Raum. Denn wir spielen in einem Puppenhaus mit fünf Zimmern.


Was passiert? Die Aufschrift auf der Verpackung warnt, dass selbst Rätsel-erprobte Spieler*innen zwei bis drei Stunden herumknobeln werden. Das stimmt auch. Allerdings sind Rätsel nicht zwangsläufig wegen ihrer Dauer gut. Lange Beschäftigung kann sich beispielsweise auch daraus ergeben, dass man stupide Fleißarbeiten ausführen soll.
Das passiert in DAS VERFLUCHTE PUPPENHAUS nicht. Und ich will auch positiv anmerken, dass es hier mal keine Zahlen- oder Mathematikrätsel gibt. Sondern es wird überdurchschnittlich viel gefaltet, gepuzzelt, geflochten. Was teilweise manuelles Geschick erfordert oder – wenn man es nicht in genügendem Maße besitzt – viel Geduld und mehrere Anläufe ... Und auch das verlängert die Spieldauer, ohne dass in demselben Maße auch der Spielspaß steigt.


Was taugt es? Die Qualität von Rätseln zu beurteilen, ist etwas zweischneidig. Hat man alles lösen können, fühlt sich das Spiel meist gut an – aber möglicherweise unberechtigt, weil es schlichtweg zu leicht war. Hat man es nicht geschafft, neigt man eher dazu, das Spiel in Frage zu stellen – aber möglicherweise unberechtigt, weil man schlichtweg zu blöd war.
Es ist also ein schmaler Grat. Hier trotzdem ein Versuch: Wir haben die meisten Rätsel in DAS VERFLUCHTE PUPPENHAUS lösen können, aber nicht alle. Online kann man sich Hilfe holen, das taten wir, und ich war gleich in mehreren Fällen erstaunt, wie dort die Lösung hergeleitet wurde. Im Puppenhaus befinden sich Hinweise, die wir gar nicht als Hinweise wahrgenommen, nicht auf das Rätsel bezogen oder schlichtweg nicht verstanden hatten. Und selbst im Nachhinein und mit Erklärung kommt mir nicht alles schlüssig vor.
Nach dem Spiel habe ich systematisch sämtliche Hilfeanweisungen durchgeklickt und stellte fest: Oh, zwei der von uns gelösten Rätsel hätten in Wahrheit deutlich komplizierter sein sollen, als wir es gemacht hatten. Unsere Lösung war dann wohl Zufall – und auch da fragte ich mich, wie viele Menschen wohl den vorgesehenen Weg gegangen sind.
Gewiss dürfte in Tests aufgefallen sein, dass DAS VERFLUCHTE PUPPENHAUS Schwierigkeiten bereitet. Aber ich spekuliere, man hat sich gesagt: Gut so! Lassen wir! Soll ja eine Herausforderung sein. Falls diese Spekulation zutrifft, möchte ich einwenden: Nein! Nicht gut so! Schwierigkeiten nur der Schwierigkeiten wegen sind kein Qualitätsmerkmal.
Die EXIT-Spiele zeigen immer wieder, wie man Hinweise dosieren und platzieren kann, dass sie nicht sofort alles verraten, aber trotzdem auf die Sprünge helfen. So fühlt es sich für die Spielenden durchweg besser an: a) währenddessen, weil man eine Chance bekommt, b) hinterher, weil man feststellt: Na gut, wir hätten drauf kommen können.
Ein gutes Rätselspiel vermittelt das Gefühl, dass es sich lohnt, weiterzuknobeln und nicht in die Hilfe zu schauen. Ein gutes Rätselspiel erarbeitet sich dadurch das Vertrauen der Spielegruppe. DAS VERFLUCHTE PUPPENHAUS hat mein Vertrauen ziemlich schnell verspielt.
Natürlich muss ich einkalkulieren, dass wir schlichtweg nicht clever genug waren. Deshalb und weil ich mehr als die Hälfte der Rätsel in Ordnung fand, möchte ich das Spiel nicht „misslungen“ nennen.
Aber „solide“ ist es auch nicht. Es gibt viele Escape-Spiele mit besserem Verhältnis von Aufwand und Nutzen. Das Puppenhaus verspricht durch seine Optik ein ganz besonderes Erlebnis. Und tatsächlich schafft der 3D-Effekt Atmosphäre und das Mobiliar ist Teil der Rätsel. Allerdings erschwert der Aufbau auch die Sicht. Thematisch stimmig sind die Rätsel höchstens in Ansätzen, und die Story ist nicht weniger oberflächlich, als man es von Escape-Spielen ohne 3D-Schnickschnack kennt.


*** mäßig

ESCAPE THE ROOM – DAS VERFLUCHTE PUPPENHAUS von Nicholas Cravotta und Rebecca Bleau für eine*n bis vier Spieler*innen, Thinkfun.