Dienstag, 5. Oktober 2010

Bring mich nicht mit (14): Nichtlustig - Labor Chaos

Sommerferien sind klassischerweise die Zeit für kleine Mitbringspiele. Aber mittlerweile sind ja gar keine Sommerferien mehr. Völlig folgerichtig wendet sich REZENSIONEN FÜR MILLIONEN deshalb nun solchen Spielen zu, die man besser nicht mitbringt.

Als ich im Herbst 2009 an einer Spiele-Veranstaltung des Kosmos-Verlages teilnahm, stellte sich dort auch Comic-Zeichner Joscha Sauer den Anwesenden vor. Er erzählte, den Namen „Nichtlustig“ habe er unter anderem deshalb gewählt, weil sich dann niemand beschweren könne, wenn er die Comics nicht lustig finde. - Hm. Fürs gleichnamige Spiel nicht gerade eine ermutigende Vorinformation.

Bei NICHTLUSTIG - LABOR CHAOS geht es darum, alle Handkarten loszuwerden. Wer an die Reihe kommt, spielt eine Karte. Deren Text bestimmt, was nun passiert. Beispielsweise: „Ein Spieler deiner Wahl zieht drei Karten.“ - Und tatsächlich: Nichtlustig.
Manche Karten ändern auch das Spielziel: „Ab jetzt kann man das Spiel nur beenden, indem man exakt fünf Karten auf der Hand hält.“ - Nö. Auchnichtlustig.
Einige Karten lassen sich außer der Reihe abstoßen und beziehen sich auf die Realität außerhalb des Spiels: „Wenn ein Mitspieler zur Toilette geht oder dieses Bedürfnis äußert, gib ihm sofort diese Karte.“ – Nanu...?! Das ist lustig!!!

Eine Mitspielerin besaß genau diese Karte und versuchte uns Ahnungslose zu ködern: „Oh, nach der Partie muss ich aber dringend mal aufs Klo!“ stöhnte sie in der Hoffnung, dass jemand mitstöhnte. Großes Gelächter hinterher. Doch fortan war die Karte verbraucht. NICHTLUSTIG - LABOR CHAOS ist nur so lange lustig, wie es überraschend ist. Und überraschend ist es nun mal nicht sehr lange. NICHTLANGELUSTIG also. Haha.

Hat sich der Gag abgenutzt, bleibt ein stinknormales Ablegespiel übrig, das wegen der vielen Sonderbedingungen in den Texten sehr unrund verlaufen und mal nur zwei Minuten, mal aber auch länger als eine halbe Stunde dauern kann. Und mehr als eine halbe Stunde NICHTLANGELUSTIG ist echt nicht lustig.

NICHTLUSTIG – LABOR CHAOS von Ivo Dekoning für drei bis sechs Spieler, Kosmos.

Freitag, 1. Oktober 2010

Bring mich nicht mit (13): Arcana

Sommerferien sind klassischerweise die Zeit für kleine Mitbringspiele. Aber mittlerweile sind ja gar keine Sommerferien mehr. Völlig folgerichtig wendet sich REZENSIONEN FÜR MILLIONEN deshalb nun solchen Spielen zu, die man besser nicht mitbringt.

Über ARCANA ist zu hören, es sei wie DOMINION. Das stimmt insofern, dass beides Kartenspiele sind, bei denen man Karten erwirbt, in sein Blatt hineinmischt und im weiteren Spielverlauf mehrfach benutzt. Mit demselben Recht könnte man aber auch Tag und Nacht für ähnlich erklären, beispielsweise weil sie beide vom Stand der Sonne abhängen und in beiden Wörtern der zweite Buchstabe ein „a“ ist.
Bei genauerem Hinsehen verhalten sich Tag und Nacht zueinander jedoch wie – nun ja – Tag und Nacht. Oder wie DOMINION und ARCANA.

Die Spieler besitzen Karten mit unterschiedlich hohen Werten in den Bereichen „Militär“, „Politik“ und „Spiritualität“. Fünf Karten liegen in der Tischmitte zum Erwerb aus. Einige erwirbt man durch Militär, andere durch Politik oder Spiritualität. Reihum und teils offen, teils verdeckt legen die Spieler eine ihrer vier Handkarten als Gebot zu einem der Angebote. Hat jeder seine Karten abgespielt, wird in allen Fällen überprüft, wer das Höchstgebot abgegeben hat und ob das Mindestgebot erreicht wurde. Falls ja, wandert die Karte in den persönlichen Besitz und alle Gebote gehen auf die persönlichen Ablagestapel. Falls nein, bleibt alles so liegen und kann in der nächsten Runde aufgestockt werden.

Die erworbenen Karten zählen Punkte und bringen Spielvorteile: „Persönlichkeiten“ besitzen besonders hohe Werte, „Relikte“ sorgen dafür, dass Bietrunden schon vorzeitig und zum eigenen Vorteil ausgewertet werden, „Orte“ lösen bestimmte Ereignisse aus. Zum Beispiel sperrt man ein Angebot oder wirft seine Handkarten ab und zieht dieselbe Anzahl neu.

Die Auswahl von gerade mal vier Handkarten schränkt die Möglichkeiten sehr ein. Im Grunde bietet man nicht auf das, was man am liebsten will, sondern auf das, was einem das Blatt nahe legt. Immer wieder müssen auch Karten nutzlos abgeworfen werden, weil sie in der aktuellen Situation überhaupt nichts bewirken.
Zudem nerven Kleinigkeiten: Warum beträgt der Anfangs-Kartenbestand elf und nicht etwa zwölf? Dann ginge es wenigstens für die ersten drei Runden auf. Und was hat die Orts-Karte „Gildenhaus“ im Startdeck zu suchen? Gerade in der Anfangsphase des Spiels verpufft ihr Effekt besonders häufig.

Nun ja. In meiner bekannt jovialen Art bin ich trotzdem bereit, das Spiel bis hierhin als ideenlos und nicht weiter beachtenswert zu goutieren. Endgültig vermurkst wird es aber durch die Umsetzung: Die Benennungen sind inkonsequent und verwirrend, die Schriften kaum leserlich, das grafische Konzept ein Stolperstein. Die Unterscheidung, was eine Karte kann und was sie kostet, geschieht anhand von Zahlen, die an derselben Stelle stehen und entweder weiß oder hellgelb gefärbt sind. Dabei dachte ich bislang, nur die Ostfriesen machen das so.

Es soll ja tatsächlich Leute geben, die DOMINION nicht mögen. Ihnen allen empfehle ich ARCANA.

ARCANA von Damien Desnous für zwei bis vier Spieler, Pegasus.

Donnerstag, 30. September 2010

Gern gespielt im September 2010

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?

DOMINION - BLÜTEZEIT: Möglicherweise ist hier und da schon angeklungen, dass ich DOMINION anbete eine gewisse Wertschätzung entgegenbringe. Neue Erweiterungen sind deshalb der Stoff, der mich am Leben hält durchaus nicht uninteressant für mich. Und diese hier könnte die bislang beste sein. Hechel, hechel!

ASARA: Das Spielziel... na ja.
Die multiple Wertung... na ja.
Aber der Karten-Mechanismus... oho!



DIE MINEN VON ZAVANDOR: Besitzt gegenüber dem ZEPTER VON ZAVANDOR den unschätzbaren Vorteil, dass ich häufiger gewinne. (Allerdings auch den Nachteil, dass meine Mitspieler es überwiegend ablehnen.)


DER PATE: Unschöner Fall von Selbstüberschätzung: Vor dem Auszählen des Endkapitals hoffte ich, vorne mit dabei zu sein. Tatsächlich aber zeigte sich, dass ich bloß Erster von hinten geworden war.


MEMOIR ´44 - BREAKTHROUGH: Eine meiner stärksten Charaktereigenschaften ist die unbedingte Prinzipientreue. Neulich sagte ich ja noch in privater Runde, ich brauche keine weiteren MEMOIR-Erweiterungen. Aber da war ich - na ja - schlichtweg unzureichend informiert. (Ich hatte nämlich nicht mitgekriegt, dass es längst wieder was Neues gibt.)

DIE FÜRSTEN VON CATAN: Formerly known as SIEDLER-KARTENSPIEL. An den Regeln hat sich nicht allzu viel verändert. Und am Spielreiz zum Glück auch nicht. War früher gut; ist immer noch gut.

Montag, 27. September 2010

Bring mich nicht mit (12): Zozzle

Sommerferien sind klassischerweise die Zeit für kleine Mitbringspiele. Aber mittlerweile sind ja gar keine Sommerferien mehr. Völlig folgerichtig wendet sich REZENSIONEN FÜR MILLIONEN deshalb nun solchen Spielen zu, die man besser nicht mitbringt.

Wenn ich auf die Idee käme, MONOPOLY mit FLOHHÜPFEN zu kreuzen, gäbe es zwei alternative Vorgehensweisen: a) Ich achte darauf, dass Fenster und Türen geschlossen sind, und erzähle niemandem davon; b) ich denke mir einen offensiven Slogan aus und vermarkte meine Erfindung in mehreren Themen-Sets.

ZOZZLE trägt den Slogan „Mit dem Gedächtnis puzzeln“, und das Spiel gibt es in den Geschmacksrichtungen HOTTEHÜH, FLIPPOFLIP, WUFFIWAU und KNUDDELKNURR. Jedes ZOZZLE enthält 45 Plättchen. Je neun davon ergeben, zusammengelegt als ein drei mal drei großes Raster, dasselbe Motiv. Beispielsweise ein Hottehüh.
Die 45 Plättchen werden verdeckt gemischt. Wer am Zug ist, deckt zwei auf. Ist es ein Paar, darf er ein Teil behalten. Wer sie alle beisammen hat, die neun Teile eines Bildes, der gewinnt.

ZOZZLE ist Zochs Versuch, einen Mitnahme-Artikel für unter fünf Euro zu lancieren. Ich habe nichts gegen Mitnahme-Artikel, und ich habe erst recht nichts gegen Zoch. Ich will keine Aussage über die Produktstrategie treffen, und von mir aus darf ZOZZLE auch gerne ein Riesenerfolg werden. Ich denke sogar durchaus, dass man MEMORY, pardon: ZOZZLE, recht gut als einfaches Spiel für unterwegs einsetzen kann.

Allerdings trifft dasselbe auch auf rund 2793 andere Spiele zu.

Achtung, Vorbehalt! Meine Aussagen beziehen sich ausschließlich auf die Ausgabe HOTTEHÜH. Die mir nicht bekannten Sets FLIPPOFLIP, WUFFIWAU und KNUDDELKNURR sind möglicherweise von ganz anderem Kaliber.

ZOZZLE von Elena Fyrogeni für zwei bis sechs Spieler, Zoch.

Donnerstag, 23. September 2010

Bring mich nicht mit (11): Make ´n´ Break Würfelspiel

Sommerferien sind klassischerweise die Zeit für kleine Mitbringspiele. Aber mittlerweile sind ja gar keine Sommerferien mehr. Völlig folgerichtig wendet sich REZENSIONEN FÜR MILLIONEN deshalb nun solchen Spielen zu, die man besser nicht mitbringt.

Es sind Spiele wie dieses, die mich ahnen lassen, dass der Beruf des Spiele-Redakteurs auch nicht immer toll ist. Hat ein Verlag ein gut laufendes Produkt im Programm, folgt darauf heutzutage unweigerlich die Produktfamilie. Für die Redaktion bedeutet dies: „Leiert euch mal schön was aus den Rippen, Jungs. Wir brauchen Junior-Version, Profi-Version, Reise-Version... ihr kriegt das schon hin!“

Bei MAKE ´N´ BREAK bauen die Spieler mit Bauklötzen und unter Zeitdruck vorgegebene Konstruktionen. Das machen sie auch beim MAKE ´N´ BREAK WÜRFELSPIEL, bloß mit dem Unterschied, dass Stoppuhr und Bauteile jetzt Würfel sind. Während ein Spieler im Akkord den Zeitstopper-Würfel würfelt (mit Zahlen von 0 bis 3) und dabei so schnell wie möglich auf eine Summe von 30 kommen möchte (Rundenende), würfelt ein anderer im Akkord die Bauteile und stapelt sie gemäß der Vorgabe auf. Bedingung dabei: Würfel dürfen nur dann auf andere Würfel gestapelt werden, wenn sie dieselbe oder eine höhere Augenzahl zeigen. Das Ziel: So viele Aufgaben schaffen, wie möglich.

An dieser Stelle eine Zwischenbilanz: Wir haben ein Bauspiel mit bunten Würfeln, Aufgabenkarten und reduziertem Material. Aus Sicht der Produktvorgaben ist alles da. Perfekt.
Perfekt? Nun ja, eine Kleinigkeit wäre da womöglich schon noch. Die Sicht des Spielers. Und prompt stellt sich die Sache nicht mehr ganz so rosig dar.
Das Material zu limitieren, bedeutet in diesem Fall nämlich auch, den Spielspaß zu limitieren. Kleine Würfel aufzustapeln ist, sofern man mal darüber nachdenkt, als Freizeitbeschäftigung nicht wirklich interessant. Dem Spiel fehlt das Sinnliche und haptisch Angenehme, alles reduziert sich rein auf den Stress.

Gewiss: Indem ich erwarte, dass Ravensburger den Charme der großen Ausgabe auf das kleine Würfelspiel überträgt, verlange ich vermutlich zu viel. Das geht gar nicht. Aber wer sagt denn, dass MAKE ´N´ BREAK eine weitere Ausgabe braucht? Ich nicht. Nur Ravensburger.

MAKE ´N´ BREAK (WÜRFELSPIEL) von Maximilian Kirps und Randolf Siew für zwei bis vier Spieler, Ravensburger.

  • Was war: Bring mich nicht mit (10): Fantasy
  • Was kommt: Bring mich nicht mit (12): Zozzle

Sonntag, 19. September 2010

Bring mich nicht mit (10): Fantasy

Sommerferien sind klassischerweise die Zeit für kleine Mitbringspiele. Aber mittlerweile sind ja gar keine Sommerferien mehr. Völlig folgerichtig wendet sich REZENSIONEN FÜR MILLIONEN deshalb nun solchen Spielen zu, die man besser nicht mitbringt.

Man denke sich ein sehr simples Spiel. Und dann denke man sich ein Spiel, das trotz seiner Einfachheit wie ein übel zusammengeschustertes, in seinen Abläufen widersinniges Konstrukt erscheint, das sich nicht einmal für den Gewinner gut anfühlt. - Ja, diese Vorstellung fällt gar nicht so leicht, das muss man erst mal hinkriegen, dazu benötigt man Fantasy.

Apropos: Bei FANTASY geht es darum, am Schluss die meisten ausgespielten Karten vor sich liegen zu haben. Man hat immer fünf auf der Hand, zieht eine, spielt eine aus. Solange bis der Stapel leer ist und zumindest ein Spieler sich blank gespielt hat.

„?!“, werden nun einige Schlaumeier und –meierinnen denken. „Wenn jeder immer eine Karte spielt, haben am Ende doch alle dieselbe Anzahl Karten vor sich liegen!?“ – Stimmt. Richtig gerechnet. Aber ganz so simpel ist FANTASY dann doch nicht. Die Karten besitzen nämlich einen Text und der tritt beim Ausspielen in Kraft.

Sieben verschiedene Texte gibt es, und selbst mit viel Fantasy wäre ich kaum auf solch raffinierte Ideen gekommen: Die „Dryade“ darf dem Mitspieler eine ausgelegte Karte wegnehmen. Der „Wichtel“ tauscht die gesamte eigene Auslage mit der eines Mitspielers. Die „Fee“ wehrt solche Angriffe ab. Der „Elf“ ist ein Joker und kann alles, was andere Fabelwesen auch können. Und so weiter.

FANTASY ist ein echter No-Brainer. Nachdenken schadet hier sogar. Denn in dem Fall könnte jemandem bewusst werden, was er da eigentlich tut:
Wir legen Karten, dann noch welche, dann noch mehr. Vor uns wachsen wirre Auslagen, die wir immer mal wieder durchzählen, um zu ermitteln, wer gerade vorne liegt. Erst sind es pro Spieler nur zehn Karten, später 15, im Spiel zu dritt sogar 20. Wir beklauen uns, wir wehren ab, wir ziehen uns gegenseitig Karten aus der Hand. Und im letzten Zug spielt jemand einen „Wichtel“ und tauscht seine Auslage mit der größten Auslage...

Sagen wir´s mal so: Mit FANTASY kann man ganz prima die Zeit totschlagen. Und zwar mausetot.

FANTASY von Sylvie Barc für zwei bis vier Spieler, Asmodee.

Mittwoch, 15. September 2010

Bring mich nicht mit (9): Cardcassonne

Sommerferien sind klassischerweise die Zeit für kleine Mitbringspiele. Aber mittlerweile sind ja gar keine Sommerferien mehr. Völlig folgerichtig wendet sich REZENSIONEN FÜR MILLIONEN deshalb nun solchen Spielen zu, die man besser nicht mitbringt.

Mit zunehmendem Alter stumpft man ab. Indiz 1: Früher freute ich mich noch auf den Weihnachtsmann. Heute... eigentlich nicht mehr. Indiz 2: Früher las ich im Internet noch jeden Schnipsel über die kommenden Spieleneuheiten. Heute... eigentlich nicht mehr. Zumindest nicht mehr jeden Schnipsel.

Aber selbst mein zunehmendes Alter und ich können nicht verhindern, dass es immer wieder Spiele gibt, auf die wir gespannt sind. CARDCASSONNE zum Beispiel. Ich dachte, dieses müsse ein ganz besonderes Spiel sein.
Aber warum eigentlich? Vielleicht weil der Autor Karl-Heinz Schmiel ist, vielleicht auch nur weil mir das Titelwortspiel gefiel. Keinen Gedanken hatte ich jedenfalls an die Frage verschwendet, was genau man sich unter einem Kartenspiel zum Legespiel vorstellen könne. Und das war vielleicht etwas blauäugig.

Bei CARDCASSONNE legen wir reihum eine unserer Handkarten in vier farblich sortierte Reihen. Wer sich die Karten einer Reihe als Beute sichern möchte, stellt seinen Gefolgsmann dazu. Je später, desto mehr Karten bekommt er. Allerdings besteht die Gefahr, dass jemand anderes vorher zugreift.
Die gefühlte Bedrohlichkeit dieses Szenarios ist abhängig von der Mitspielerzahl. Im Viererspiel geht die Verteilung der vier Reihen meist ziemlich glatt auf.

Die Karten punkten auf unterschiedliche Weise. Manche sofort, manche am Schluss, manche mit Wertsteigerung immer wieder. Hier lässt sich ein möglicher Spielreiz erahnen, der jedoch aus mehreren Gründen nur ansatzweise zum Tragen kommt: 1. Weil das Kartenzocken nicht in jeder Besetzung ein Zock ist, 2. weil es Spiele dieser Art ohnehin schon mehrere gab und vor allem 3. weil am Ende doch nur eine abstrakte Rechnerei mit hohen Zahlen herauskommt.

Was habe ich gelernt? Das am meisten Besondere an CARDCASSONNE ist: Es ist das Kartenspiel zu CARCASSONNE.

CARDCASSONNE von Klaus-Jürgen Wrede und Karl-Heinz Schmiel für zwei bis fünf Spieler, Hans im Glück.

Samstag, 11. September 2010

Samarkand

Ich glaube nicht, dass außerhalb der Spieler-Szene ein sonderliches Bedürfnis nach Eisenbahnspielen besteht. Und ich glaube, die Queen Games-Redaktion glaubt das auch nicht. Äußerst raffiniert wurde SAMARKAND deshalb in ein orientalisches Mäntelchen gesteckt. Statt Gleise zu bauen, setzen wir Kamele. Statt Aktienanteile an Gesellschaften zu erwerben, heiraten wir in Familien ein. Statt um das meiste Geld geht es um... äh, das meiste Geld. Nein, das muss man auch nicht ändern. Ein sonderliches Bedürfnis nach Geld besteht schließlich immer.

Wie geht SAMARKAND? SAMARKAND spielt auf einer Landkarte, die in mehr als 120 Felder aufgeteilt ist. Auf 33 dieser Felder ist eine Ware abgebildet, und zu jeder Ware existiert eine entsprechende Warenkarte. Anfangs besitzt jeder Spieler zwei solcher Karten, im Spielverlauf werden es mehr. Bei vier Personen maximal sieben.
In der Schlusswertung bringt es besonders viel Geld, wenn Kamele der Familien, in die man eingeheiratet hat, auf Warenfeldern platziert sind, deren Karten man besitzt. Um überhaupt Kamele einer Farbe setzen zu dürfen, muss man in die entsprechende Familie einheiraten. Das kostet Geld und einen kompletten Zug. Aber es bringt auch zusätzliche Warenkarten inklusive der Möglichkeit, unliebsame bereits vorhandene Karten wieder abzuwerfen.
Alle anderen möglichen Spielzüge sind denkbar einfach: Man setzt bis zu zwei Kamele einer eigenen Familie angrenzend an bereits vorhandene Kamele. Ein angepeiltes Ziel sind dabei die Warenfelder. Ein anderes die Begegnung mit fremdfarbigen Kamelen. Solch eine Fusion bringt erstens Bargeld als Mitgift für weitere Heiraten. Zweitens steuern die Fusionen das Spielende.

Was passiert? SAMARKAND ist spannend. In die wichtigsten Familien heiraten immer zwei Spieler ein und das schürt Konflikte: Verbrät mein Kompagnon die wertvollen Kamele für Verbindungen in völlig falsche Richtungen? Gelingt es mir, zwei Familien zu vereinigen, bevor es wer anders tut? Und lohnt sich noch eine weitere Heirat oder ist das Spiel gleich vorbei?
Je häufiger ich SAMARKAND gespielt habe, desto deutlicher stellte sich jedoch das Gefühl ein, dass man sich um viele Dinge völlig unnötig sorgt. Die Karten entscheiden und dazu noch das Glück, ob die Aktionen der Mitspieler einem weiterhelfen oder nicht. Natürlich kann man missliebige Karten auch wieder abstoßen. Aber das ist jedes Mal mit einer weiteren Heirat verbunden, die Geld und einen Spielzug kostet. Und ob man überhaupt bessere Karten nachzieht, ist ungewiss. Wer früh im Spiel ein brauchbares Blatt beisammen hat, ist auf jeden Fall besser dran.

Was taugt es? SAMARKAND geht erstaunlich schnell. Ohne Erklärung und den vergleichsweise aufwändigen Aufbau lässt es sich eine Partie in einer halben Stunde absolvieren. Das muss kein Manko sein, im Gegenteil. Man könnte ja sofort eine Revanche nachschieben. Doch dieser Wunsch wurde auffallend selten geäußert.
Nach meinem Verständnis versucht SAMARKAND, ein Familienspiel zu sein. Während Optik und Spieldauer da bestens passen, sprechen Wertung und Abläufe eher eine Spielerspiel-Sprache. Und vielleicht deshalb gefällt SAMARKAND allen nur ein bisschen.

SAMARKAND von David V. H. Peters und Harry Wu für zwei bis fünf Spieler, Queen Games.

Dienstag, 7. September 2010

Als ich noch kein Spieler war (8): Goldrausch

Als mein Vater seinen Meisterbrief erwarb, war er mehrmals tagelang zum Blockunterricht in einer fremden Stadt. Wenn er wieder nach Hause kam, brachte er uns Kindern Geschenke mit. Manchmal für jeden einzeln, manchmal gemeinsame. Teilweise waren dies überraschend teure Geschenke. Zum Beispiel kam ich bei einer dieser Gelegenheiten in den Besitz eines eigenen STRATEGO. (Das Preisschild klebt heute noch dran. Gekauft für 26,50 DM bei Hochherz.)

Ein gemeinsames Geschenk für meine Schwester und mich war GOLDRAUSCH*, ein Geschicklichkeitsspiel mit viel Plastik, bei dem man Nuggets in einem Ring eine Rampe hochziehen musste, um sie von dort in den eigenen Sammelbecher fallen zu lassen. Eine Partie dauerte kaum fünf Minuten, was in einem frappierenden Missverhältnis zur Größe der Verpackung stand. Meiner Erinnerung nach haben wir GOLDRAUSCH trotzdem ziemlich häufig gespielt.

Meine Schwester war fünf Jahre jünger als ich, und das machte es sehr schwierig, gemeinsame Spiele zu finden. Nur um überhaupt zu spielen, spielte ich sogar Spiele mit ihr, für die ich eigentlich zu alt war, solche wie MIX MAX oder MAUSEFALLE. Das Hauptproblem war aber vermutlich gar nicht der Altersunterschied an sich, sondern dass ich immer gewinnen wollte und auf den Spielspaß meiner Schwester keine Rücksicht nahm.

Die entzog sich in solchen Fällen einfach, indem sie ankündigte, kurz etwas trinken zu gehen. Ich saß dann da vor dem Spielbrett und wartete.
Und wartete.
Und wartete.
Sie kam nicht zurück.

Als intelligenter junger Mensch hatte ich das Muster nach mehreren Vorfällen dieser Art natürlich durchschaut, und als meine Schwester wieder einmal ankündigte, sie wolle nur kurz etwas trinken gehen, meckerte ich los: Wenn sie keine Lust mehr habe, könne sie das ruhig sagen!

Nein, nein, hieß es dann, sie wolle wirklich nur etwas trinken. Tja, und so saß ich da vor dem Spielbrett und wartete.
Und wartete.
Und wartete...

Selbst jüngere Schwestern können einen echt fertig machen!


*) Ich bin nicht sicher, ob das Spiel wirklich GOLDRAUSCH hieß. In meiner Erinnerung ist dies so. Meine Internetrecherche verlief ergebnislos.

Nachtrag, 26.12.2010: Es hieß GOLDRAUSCH! Hier das Beweisfoto:



  • Was war: Als ich noch kein Spieler war (7): Avalanche
  • Was kommt: Als ich noch kein Spieler war (9): Geister
  • So ging es los: Als ich noch kein Spieler war (1): Jag und schlag

Freitag, 3. September 2010

Havanna

Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm. - So hat es uns in Kindheitstagen die Sesamstraße eingebläut, und es schien eine tragfähige Strategie fürs gesamte Leben zu sein.
Worauf einen allerdings niemand vorbereitet hat: Spätestens mit den ersten grauen Haaren zieht die Masche nicht mehr. Immer häufiger erwarten nun andere von einem, dass man auf all ihre lästigen Fragen überzeugende Antworten liefert.
Ausgangssituation diesmal: HAVANNA. Alles scheint zu stimmen. Ein feiner Kartenmechanismus, knackig-kurze Spieldauer, atmosphärische Grafiken, opulente Materialausstattung... Doch anscheinend stimmt es nicht. Weder mich, noch irgendeinen meiner Mitspieler hat HAVANNA nachhaltig berührt. Wieso, weshalb, warum?

Wie geht HAVANNA? Mit verschiedenfarbigen Baustoffen, Geld und Arbeitern errichten die Spieler Gebäude. Je kostspieliger das Objekt, desto mehr Punkte zählt es. Wer zuerst eine bestimmte Punktesumme erreicht, gewinnt.
Motor des Spiels sind pro Spieler 13 nummerierte Aktionskarten. Je höher die Zahl, desto stärker die Karte. Immer zwei seiner Karten darf ein Spieler pro Runde nutzen. Ihre beiden Nummern (die kleinere als Zehnerstelle, die größere als Einerstelle) bestimmen über die Spielerreihenfolge. Die Kombination 0/9 kommt früher dran als 3/6, die wiederum vor 4/4 zieht. Von Runde zu Runde darf man nur eine der Aktionskarten austauschen, die andere bleibt liegen und gilt erneut.
Die meisten Karten bewirken, dass man entweder Ressourcen aus der Bank bekommt oder einem Mitspieler Ressourcen wegnimmt. Meistens treffen solche Angriffe die Spieler mit den höheren Zahlenkombinationen.

Was passiert? Jenseits des Kartenmechanismus besitzt HAVANNA keine interessanten Elemente. Ressourcen zu horten und gemäß vorgegebener Baukosten in Siegpunkte umzuwandeln, ist inzwischen sattsam bekannt.
Insbesondere zu viert leistet der Kartenmechanismus nicht das, was man sich wünscht: Steuerung. In Vollbesetzung fühlt sich HAVANNA willkürlich an: Das angepeilte Haus baut ein anderer, die Rohstoffe bleiben ungenutzt liegen, eine Runde später werden sie weggeklaut... Für den einen läuft es, für den anderen nicht.
Zu zweit und zu dritt ist HAVANNA berechenbarer und auch befriedigender. Der Kartenmechanismus zeigt sein Potenzial. Doch eins ändert sich nicht: Mit ziemlich viel Material wird ziemlich wenig gespielt. Nachdem sich die Spieler für ihre Kartenkombination entschieden haben, ist fast der gesamte Rest nur noch Auswertung und Abwicklung.

Was taugt es? Der Reiz von HAVANNA steckt im Kartenmechanismus. Alles andere macht optisch viel her und verleiht HAVANNA einen Anschein von Brettspiel. Spielerisch wird dieses Versprechen aber nicht eingelöst. Der Grad unserer spielerischen Aktiviertheit entspricht dem eines Kartenspieles. Man hätte mehr erwartet und wundert sich nach der Partie, dass das schon alles gewesen sein soll.

Wieso, weshalb, warum? Ist eben so. Und jetzt ab ins Bett!

HAVANNA von Reinhard Staupe für zwei bis vier Spieler, eggertspiele.

Dienstag, 31. August 2010

Gern gespielt im August 2010

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?

GOA: Es ist ein Muss, immer wieder auch gute, alte Spiele zu spielen: Um meinen Mitspielern das Hobby Spiel nicht zu verleiden. Um mir selber das Hobby Spiel nicht zu verleiden. Und um realistisch zu bleiben, was die Qualität aktueller Spiele angeht.
(= Erstes Bartsches Kritiker-Theorem)

ATTIKA: siehe GOA.
Ansonsten: Das waren meine ATTIKA-Partien Nummer 34, 35 und 36. So langsam fühle ich mich fit, um eine Rezension zu schreiben.


MACAO: Feld-Spiele ohne Bestrafung wären wie Bier ohne Alkohol.




PRIESTS OF RA: Nach dem RA-Kartenspiel und dem RA-Würfelspiel nun also wieder ein RA-RA-Spiel. Trara!


MEMOIR ´44: Hah! Als Deutscher Arnhem Bridge gewonnen! Wieder ein Lebensziel erreicht, Häkchen dahinter.
Ansonsten: siehe Erstes Bartsches Kritiker-Theorem.


DOMINION - DIE ALCHEMISTEN: Kleine Erweiterungen wie diese überbrücken perfekt die Wartezeit bis zur nächsten großen Erweiterung.




Donnerstag, 26. August 2010

Albion

Über Spiele mit hohem Glücksfaktor zu meckern, ist leicht. Man moniert einfach, der Glücksfaktor sei zu hoch, und darf sich allgemeiner Zustimmung sicher sein.
Über Spiele mit niedrigem Glücksfaktor zu meckern, ist weit weniger leicht. Vielleicht deshalb habe ich meinen Blog-Beitrag über ALBION schon mehrfach verschoben.

Wie geht ALBION? ALBION ist ein strategisches Optimierungsspiel mit einem kleinen Risiko-Element: Baut man etwas in einem feindlichen Gebiet, wird dort (falls vorhanden) ein Pikten-Marker aufgedeckt. Ist die Kampfstärke der Pikten jetzt höher als die eines der anwesenden Spieler, wird dessen Gebäude um eine Stufe abgewertet.
Gebäude aufzuwerten kostet Rohstoffe. Welche, ist egal. Aber es müssen verschiedene sein und so viele, wie es der gewünschten Gebäudestufe entspricht. Gebäude aufzuwerten ist zugleich das Spielziel: Wer drei seiner Gebäude des Typs „Siedlung“ zu Stufe 4 hochrüstet, gewinnt.
Alle anderen Gebäudetypen unterstützen dieses Vorhaben: „Rohstoffbetriebe“ bringen Rohstoffe, „Befestigungen“ erhöhen die Kampfstärke, „Kastelle“ erhöhen die Reichweite der eigenen Figuren. Jedes eigene Gebäude muss in einer anderen Provinz errichtet werden. Dabei muss stets eine eigene Figur vor Ort sein, die nach jeder neuen Baustufe wieder ganz zurück in den südlichsten Distrikt geschickt wird.

Was passiert? Auf dem Spielplan herrscht eine ständige Bewegung von Süd nach Nord. Jede Bautätigkeit bringt einen irgendwie voran. Die Spieler optimieren nebeneinander her, ALBION fühlt sich an wie ein Wettlauf, den letztlich Kleinigkeiten entscheiden.
Stark zurückgeworfen wird nur der, den die Pikten erwischen. Meistens weil er nicht aufgepasst hat (Anfängerfehler), seltener weil ein Mitspieler das gezielt initiieren konnte (fieser Typ). Aber Schaden macht klug: Die Spieler lernen schnell, dass sie Festungen brauchen. Fortan spielen die Pikten kaum noch eine Rolle.
Dabei müsste das gar nicht so sein. Zum Spielziel tragen Festungen nämlich überhaupt nichts bei. Mehr Festungen als unbedingt nötig zu errichten, ist Verschwendung, und die hohe Kunst der Strategie besteht darin, alle Verteidigungsmaßnahmen auf ein gerade noch ausreichendes Minimum zu beschränken.
Das Problem ist nur: Niemand hat Lust, so sehr in die Tiefen von ALBION vorzudringen, um hier und da noch ein paar Zehntel herauszukitzeln und verschiedene Strategieansätze durchzuprobieren.

Was taugt es? ALBION ist zu langweilig und gleichförmig, um einen Wiederspielreiz auszulösen. Es wirkt fleischlos und theoretisch. Wen Amigo als Zielgruppe ansieht, ist mir ein Rätsel. Ich hätte höchstens einen Verdacht.

ALBION von Klaus-Jürgen Wrede für zwei bis vier Spieler, Amigo.

Sonntag, 22. August 2010

Was meine Mitspieler gerne spielen III

Essen naht und damit auch die neue Spiele-Saison. Die folgende Auflistung ist die letzte vor Essen - aber trotzdem nicht als Abschlusstabelle zu verstehen! Neue Noten und Notenänderungen könnten die Reihenfolge ruckzuck durcheinanderwerfen. (Insbesondere wenn manche Mitspieler ihre Punktzahl von einer Partie zur nächsten von 9 auf 3 reduzieren...)

Erfasst sind nur Spiele mit mindestens zehn Benotungen. Erweiterungen sind nicht erfasst, a) weil ich es schwierig finde, den Spielreiz von Erweiterungen mit demselben Punktesystem zu beurteilen, b) weil ich keine Lust auf eine Liste habe, in der DOMINION mehrere Plätze blockiert.

Alles in allem ist die Liste nur eine scheindemokratische Spielerei ohne Wert und teilweise Zeugnis dessen, wie sehr Volksabstimmungen in die Hose gehen können. Wer wissen will, wie gut die Spiele wirklich sind, sollte die verlinkten Rezensionen lesen.

Die zehn Spiele mit der besten Durchschnittsnote:

1. EGIZIA
Kritik: Spielbox 2/2010
***** reizvoll



2. VASCO DA GAMA
**** solide




3. MAGISTER NAVIS
***** reizvoll




4. VOR DEN TOREN VON LOYANG
Kritik: Spielbox 6/2010
***** reizvoll



5. IDENTIK
***** reizvoll




6. DIXIT
**** solide




7. HANSA TEUTONICA
***** reizvoll




8. DIE TORE DER WELT
Kritik: Spielbox 7/2009
****** außerordentlich



9. DUNGEON LORDS
Kritik: Spielbox 2/2010
****** außerordentlich




10. JÄGER UND SAMMLER
Kritik: Spielbox 3/2010
***** reizvoll




Die zehn Spiele mit dem größten Anteil Spitzennoten (mindestens 8 Punkte von 10):

Bei einer Sortierung nach Durchschnittsnote (siehe oben) schneiden Spiele, die stark polarisieren, nur mittelmäßig ab. Spiel A, das ausschließlich 6 Punkte erhält, steht im Schnitt besser da als Spiel B, das von der einen Hälfte der Bewerter 8 und von der anderen Hälfte 3 Punkte bekommt. Aber ist Spiel B deshalb schlechter? Ich meine: nein. Zumindest einige Teilnehmer begeistert es ja viel mehr als Spiel A überhaupt irgendwen. Um Spielen der Kategorie B gerechter zu werden, dient diese Sortierung.

1. IDENTIK





2. EGIZIA





3. MAGISTER NAVIS





4. DUNGEON LORDS





5. HANSA TEUTONICA





6. VOR DEN TOREN VON LOYANG





7. JÄGER UND SAMMLER





8. VASCO DA GAMA





9. FRESKO





10. DIE TORE DER WELT

Mittwoch, 18. August 2010

Macao

Als ich meine Spielbox-Note für MACAO abgab, fühlte mich in meinem Urteil sicher: Zu viel an dem Spiel störte mich. Zu mehr als sechs Punkten mochte ich mich trotz Originalität nicht hinreißen lassen.
Dann kam das spielerische Sommerloch. Eine Zeit, in der man gemeinhin frei vom Druck des Testen-Müssens einfach mal spielen kann, worauf man Lust hat. Und was kam mehrfach auf den Tisch? MACAO!
Mit anderen Worten: Die sechs Punkte erwiesen sich doch als einer zu wenig. Oder mit noch anderen Worten: Udo Bartsch, der alte Schwachmat, hat sich mal wieder disqualifiziert.

Wie geht MACAO? MACAO besitzt einen reizvollen Aktionssteine-Mechanismus: Sechs (von irgendwem gewürfelte) farbige Augenwürfel geben vor, welche und wie viele Aktionssteine die Spieler bekommen können. Jeder wählt zwei der Würfel. Dies dürfen auch dieselben sein, die jemand anders gewählt hat.
Entscheide ich mich für die gewürfelte grüne Fünf, lege ich fünf grüne Steine zu meinem Vorrat. Es dauert dann allerdings fünf Runden, bis ich über die Steine verfügen darf. Eine gewürfelte Zwei in Schwarz bringt demzufolge zwei schwarze Steine, die mir bereits zwei Runden später zugute kommen.
Mit bestimmten Stein-Kombinationen aktiviere ich dann Privilegien, die entweder weitere Steine oder Punkte oder Geld bringen. Oder ich erwerbe Waren. Die Waren bringen Punkte, sobald sie in ihrem Zielhafen abgeliefert werden, weshalb man mit Steinen auch sein Schiff voransetzen kann.
Kurz gesagt: Es ist vorteilhaft, viele Steine zu haben. Und bestimmte Farbkombinationen sind erst recht vorteilhaft.

Was passiert? Mehrere Dinge an MACAO stören: 1. In den ersten Runden passiert herzlich wenig. Dann plötzlich explodiert das Spiel, jeder hat mit Unmengen Klötzchen zu kämpfen und weiß kaum, wohin damit. 2. Viele der Privilegien bewirken so gut wie gar nichts. Man aktiviert sie nur deshalb, weil jedes nicht aktivierte Privileg am Ende Minuspunkte zählt. 3. Man erhält nicht das Gefühl, zielgerichtet etwas aufzubauen. Oft erweist es sich als besser, solche Privilegkarten auszuwählen, die sich leicht aktivieren lassen, als solche, die einen erstrebenswerten Effekt bewirken. Strategien wirken dadurch wie Zufallsstrategien.

Was taugt es? Der Aktionssteine-Mechanismus ist sowohl neuartig als auch reizvoll und bietet sehr viele Möglichkeiten, um taktisch zu agieren. Wirklich schlechte Würfelergebnisse gibt es kaum. Wenn es bei den Privilegien nicht passt, ist der gezielte Warenerwerb eine gute Alternative. Und auch die geballte Steinmenge bringt etwas ein.
Was dem Spiel definitiv fehlt, ist eine Geschichte. Und immer wieder ein Manko ist die Zähigkeit ab etwa der Hälfte der Partie. Gerne würde ich den Grundmechanismus noch mal in einem anderen Spiel wiedersehen, dann vielleicht nicht mit Würfelzahlen von eins bis sechs, sondern lieber etwas niedriger, um die Sache übersichtlich zu halten und kleinere Würfelergebnisse aufzuwerten.

MACAO von Stefan Feld für zwei bis vier Spieler, alea.

Samstag, 14. August 2010

Als ich noch kein Spieler war (7): Avalanche

Liebe Kinder, aufgepasst: Dünne Plastikteile können leicht abbrechen! Ich musste diese Lektion ausgerechnet lernen, als ich mir bei meinem Cousin AVALANCHE ausgeliehen hatte. Und das war sehr, sehr peinlich.

Ich war so um die zehn Jahre alt und von AVALANCHE total fasziniert. Man warf Murmeln in die Schächte eines Apparats. Dort blieben sie an Wippen hängen. Andere Kugeln, in Nebenschächte geworfen, konnten die Kippmechanik der Blockade auslösen, daraufhin fiel die gefangene Murmel tiefer, blieb vielleicht woanders hängen oder löste die Wippe aus oder rauschte durch bis ins Auffangfach. Tolle Kettenreaktionen waren möglich.

Diese Mechanik allein war so spannend, dass ich gar keine weiteren Spielregeln erwartete und die Regeln deshalb auch nie las. Bei mir ging AVALANCHE so: Jeder kriegte eine Farbe. Folglich ging AVALANCHE höchstens zu dritt und das war irgendwie irritierend, zumal etwas ganz anderes auf der Schachtel stand. - Aber kriegte nicht in allen Spielen jeder immer eine Farbe?

Also weiter: Jeder kriegte eine Farbe. Wer dran war, warf eine seiner Kugeln ein. Und zwar so, dass möglichst viele herausfielen. Wer am Schluss die meisten Kugeln besaß, gewann. Warum dem Spiel bunte Pappkarten beilagen (die Aufgabenkarten), wunderte mich schon ein bisschen. Aber das ließ sich nicht klären - außer man hätte in die Regel geguckt. Und das musste ich ja nicht, weil ich bereits wusste, wie AVALANCHE geht.

Ein wirkliches Spiel war das nach meinen Regeln natürlich nicht mehr. Sondern ausschließlich ein Test, welches Kind das bessere mechanische Vorstellungsvermögen hat. Und das war ich, und deshalb war AVALANCHE nach meinen Regeln ja auch so super.

Einmal spielte ich mit einem Freund, der sonst kaum Schachtelspiele spielte. Er war mehr ein Freund zum Bäumeklettern oder Sandburgen-Bauen. Locker gewann ich also auch gegen ihn, weshalb er schnell den Spaß an der Sache verlor. Er wandelte AVALANCHE nach seinen Regeln ab, und die gingen folgendermaßen: Wir stopfen gleichzeitig so viele Kugeln wie möglich in die Öffnungen und gucken, was passiert.

Und es passierte etwas sehr, sehr Peinliches.

Verzweifelt habe ich versucht, die Wippe irgendwie zu reparieren oder wieder anzukleben, aber das ging nicht. Als ich das Spiel reumütig zurückgab, war mein Cousin glücklicherweise nicht zu Hause. Ich zeigte das Malheur meiner Tante und die sagte: „Ach, das merkt er doch gar nicht...!“ Und damit fühlte ich mich komplett rehabilitiert.

Übrigens merkte er es doch. Irgendwann später in meinem Beisein sagte er: „Wenn ich den erwische, der das gemacht hat...!“ Heldenhaft rettete ich das Leben meines Freundes, indem ich mir nichts anmerken ließ.

Tipp für Gefahrensucher: Genau so kriegt man AVALANCHE am besten kaputt: http://www.boardgamegeek.com/image/483408/avalanche?size=medium

Dienstag, 10. August 2010

Jaipur

Die Welt wird immer komplizierter, und ich weiß nicht, ob ich in meinem Alter mich noch daran gewöhnen werde. Früher war es so: Die brauchbaren Spiele für Zwei steckten in einer flachen quadratischen Schachtel.
Diese Zeiten sind vorbei. Und woran soll man die brauchbaren Spiele für Zwei jetzt erkennen? Gerade mir als Spielekritiker macht das große Sorgen.

Wie geht JAIPUR? Wir sammeln Warenkarten und verkaufen sie für Punktechips derselben Farbe. Jede Karte bringt einen Chip. Die Chips liegen absteigend sortiert in der Bank. Wer früher verkauft, bekommt den höheren. Wer viele Karten auf einmal verkauft (drei, vier oder fünf), bekommt einen lukrativen Bonus-Chip.
Wer am Zug ist, verkauft entweder eine Warensorte oder nimmt sich Karten aus dem offenen Markt. Dort liegen immer fünf. Nimmt man eine, wird als Ersatz eine neue vom Stapel hingelegt. Nimmt man mehrere, muss man im Tausch eigene Karten dafür hergeben. Dies können Warenkarten oder auch Kamelkarten sein. Kamelkarten werden nicht gegen Chips getauscht, sie dienen nur als Tauschobjekt, um schnell an viele Waren zu gelangen. Und weil der Markt auf diese Weise ruckzuck kamelverstopft ist, gibt es noch eine dritte Zugmöglichkeit: Man nimmt sämtliche Kamele. In diesem Fall werden die Lücken vom Nachziehstapel gefüllt.

Was passiert? Lange Serien zu sammeln ist grundsätzlich erstrebenswert. Doch gibt es a) ein Handkartenlimit und b) einen Gegenspieler. Dieser könnte schnell dieselbe Warensorte verkaufen. Damit verhindert er zwar nicht die Serie, greift aber schon mal die teuersten Chips ab.
JAIPUR wirkt in vielen Dingen sehr herkömmlich. Karte nehmen, die Bank füllt auf - Das hatten wir schon. Die Feinheiten zeigen sich dann beim Taktieren am Markt. Indem ich im richtigen Moment Waren gegen Kamele oder unattraktive Waren aus meiner Hand tausche, verhindere ich, dass neue Karten nachfließen. Wahrscheinlich muss jetzt der Mitspieler einen Zug machen, der mir frische Waren eröffnet. Bei der Frage, was dann vom Stapel in den Markt kommt, spielt natürlich das Glück eine gewichtige Rolle.

Was taugt es? JAIPUR ist nicht neuartig genug, um vollkommen zu begeistern. Doch es enthält genügend Eigenständiges und genügend unterhaltsame Momente, um als eines der netteren Zwei-Personen-Spiele der jüngsten Vergangenheit durchzugehen. An die goldenen Zeiten der flachen quadratischen Schachteln kann JAIPUR zwar nicht ganz anknüpfen: Aber es erinnert zumindest daran.

JAIPUR von Sébastien Pauchon für zwei Spieler, GameWorks.