Freitag, 12. Juli 2024

Cuzco

Cuzco: Cover

Wenn man aus BORA BORA einfach so CUZCO machen kann, kann man doch sicherlich auch aus einer Einleitung etwas Faszinierendes machen. Ganz bestimmt. Ich jedoch war es nicht, der aus BORA BORA CUZCO gemacht hat. Insofern sehe ich mich auch nicht in der Verantwortung, was das Aufpimpen dieser Einleitung angeht.

Wie geht CUZCO? CUZCO ist die Neufassung von BORA BORA und somit ein Würfel-Einsetzspiel. Pro Runde werfe ich drei Würfel und setze sie ein, um Aktionen auszulösen. Auf ein Aktionsfeld passen mehrere Würfel auch unterschiedlicher Spieler:innen, allerdings muss jede dort eingesetzte Augenzahl niedriger als alle vorherigen sein. Niedrige Würfelzahlen machen mich also flexibler. Höhere Würfelzahlen bringen stärkere Aktionen.

Cuzco: Spielplan

Ein merkliches Thema, das über „irgendwas mit Inkas“ hinausgeht, hat CUZCO nicht, genauso wie BORA BORA kein Thema hatte, das über „irgendwas mit Atoll“ hinausging. Wir wollen im Laufe der Partie mit unserer Figur über den Spielplan laufen, um in den erreichten Orten Federn einzusammeln. Die wiederum benötige ich in bestimmter Kombination, um eine schöne Ladung Punkte einzustreichen. Und: Mit jedem Ort, den meine Figur erreicht, schalte ich einen Platz auf meinem Tableau frei. Diese Plätze brauche ich für rote und blaue Personen-Plättchen, die mir zusätzlich zu meinen drei Würfelaktionen bis zu zwei Bonusaktionen (eine rote und eine blaue) einbringen.
Alle möglichen Teilerfolge werden mit Punkten honoriert. Am Ende des Spiels zählt es Extrapunkte, bestimmte Bereiche komplettiert zu haben, zum Beispiel das Maximum von zwölf Federn zu besitzen. Und regelmäßig am Ende jeder Runde punkte ich, wenn ich eine meiner drei Aufgaben erfülle (wofür ich bestimmte Personen-Plättchen besitzen muss oder bestimmte Karten, oder ich muss bestimmte Orte bereist haben etc.).
Erfülle ich keine Aufgabe, muss ich eine abschmeißen. In jedem Fall bekomme ich eine neue. Und hier ist die Spielreihenfolge sehr wichtig, denn wer zuerst dran ist, wählt zuerst und bevorzugt natürlich solche Aufgaben, die leichter zu erfüllen sind. Die Spielreihenfolge ergibt sich nicht zufällig, sondern wir konkurrieren darum.


Cuzco: Würfel

Was passiert? Auch wenn CUZCO keine wirkliche thematische Klammer hat, ist mechanisch alles dicht miteinander verwoben und logisch aufgebaut. Sehr gelungen ist die Spieler:innen-Fokussierung: Ich will einerseits am Ende jeder Runde eine Aufgabe erledigen. Denn lasse ich auch nur einmal eine aus, geht mir der Schlussbonus für komplette Aufgabenerfüllung durch die Lappen. Und genau diese Schlussboni sind es, die mir auch langfristig und spielübergreifend einen Plan geben: Ich will bestimmte Bereiche komplettieren. Das werde ich nicht in allen sechs Kategorien schaffen. Aber möglichst viele sollen es schon sein.
Gleichzeitig sind die Handlungsmöglichkeiten von Anfang bis Ende sehr knapp kalkuliert. Nur drei Würfelaktionen pro Runde sind fast schon eine Zumutung, insbesondere wenn man nicht immer die Wunschaktionen abbekommt. Oft erreiche ich meine Ziele nur haarscharf oder muss dafür Kompromisse eingehen oder Götterkarten verplempern. Doch genau diese Haarscharf-Entscheidungen machen CUZCO sehr spannend.

Was taugt es? CUZCO ist ein Punktesalat-Spiel. Die Kernidee ist die Würfelmechanik. Um diese Mechanik herum sind verschiedene Schauplätze, die jeweils eigenen Regeln folgen, eng mit einander verwoben. Wir werden in Wettläufe verstrickt, wir konkurrieren um Schritte auf Skalen, wir nehmen uns Boni auf dem Spielplan weg – originellerweise nicht, indem den Bonus abgreift, wer zuerst kommt. Sondern umgekehrt: Wer einen Ort zuletzt bereist, bekommt am Ende Punkte dafür.

Cuzco: Tableau

Die ständigen Aufgaben empfinde ich neben dem trickreichen Würfelmechanismus als die reizvollste Idee in CUZCO. Anstatt nur am Schluss Punkte aufzuaddieren, erhalte ich so schon häppchenweise Belohnungen und bin orientiert, wie gut ich dastehe und wo es hakt. Und ich werde in einen ständigen Kampf um die Reihenfolge verstrickt, um machbare Aufgaben abzubekommen.
Der Würfelmechanismus macht CUZCO interaktiv und konfrontativ. Kleine Zahlen finde ich zwar eher doof, aber immerhin kann ich mit einer eingesetzten Eins andere von einer Aktion ausschließen. Oder zumindest besteht diese Drohung. Wahrscheinlich habe ich Wichtigeres zu tun, als plump destruktiv zu spielen. Aber können sich meine Mitspieler:innen darauf verlassen? Die Würfel in einer vorteilhaften Reihenfolge einzusetzen, erfordert gutes Timing.
Zum Glück ist auch Glück im Spiel. Dafür sorgen schon die Würfel. Und auch was jeweils an Plättchen und Aufgaben im Angebot ist, kann mir fein in die Hände spielen oder auch nicht.
Gegenüber BORA BORA empfinde ich die Endwertung als etwas gerechter und die Götterkarten als etwas ausgeklügelter. Statt fünf Sorten gibt es nun 15. Die richtigen Karten zu erwischen und zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen, ist jetzt noch entscheidender.

Cuzco: Material

Aber braucht man CUZCO, wenn man BORA BORA hat? In meinem Fall: nein. Ich bleibe trotz der Verfeinerungen bei BORA BORA. Das liegt daran, dass ich es – offenbar gegen den Trend unserer Zeit – als Nachteil von Spielen empfinde, wenn sie jede Menge Platz verschlingen. Ich brauche keine Unterleg-Tableaus aus dicker Pappe, um darauf den Plättchennachschub aufzustapeln (zumal der dafür vorgesehene Raum seltsam knapp bemessen ist). Ich staple so etwas seit Jahrzehnten sehr erfolgreich auf meiner Tischplatte.
BORA BORA passt problemlos auf meinen Spieltisch, und man kann sogar noch Getränke hinstellen. Und ich habe BORA BORA – im Gegensatz zu manch anderem alea-Spiel – nie als zu gedrängt empfunden. CUZCO benötigt ungefähr die doppelte Fläche. Ich sehe ein, dass dieser Monumentalismus das Konzept der gesamten „City Collection“-Reihe ist und seine Fans hat; meine Bedürfnisse erfüllt das nicht. Nebenbei: Ich finde auch die Materialaufbewahrung in der Box unnötig platzraubend, unübersichtlich und frickelig. Hans im Glück hat da – ebenfalls plastikfrei – ein praktikableres System gefunden.
Auch thematisch hat CUZCO im Vergleich zu BORA BORA nicht gewonnen. Die Materialien heißen jetzt „Khipu-Plättchen“, „Chasqui-Läufer“ oder „Inti-Medaillons“, und der Spielablauf hilft mir nicht, mir darunter etwas vorzustellen. So sind es einfach nur besonders komplizierte Wörter.


***** reizvoll

CUZCO von Stefan Feld für zwei bis vier Spieler:innen, Queen Games.

Sonntag, 7. Juli 2024

Vor 20 Jahren (139): Dino Booom

Dino Booom

Beim Spielen lachen zu können, ist das Schönste am Spielen. Deswegen war WIE ICH DIE WELT SEHE so ein Volltreffer bei uns. Und deswegen erinnere ich mich auch noch bestens an ein weiteres Spiel aus derselben Zeit, bei dem wir Tränen gelacht haben, weil es einfach zu gut war. Allerdings lachten wir über das Spiel. Schadenfreudig.

Das ging schon vor der Partie los. Beim unschuldigen Ausprobieren der Mechanik. DINO BOOOM (von Dominique Ehrhard und Pierre-Nicolas Lapointe bei Goldsieber) enthielt Plastikstäbe mit Saugnäpfen. Die sollte man auf Pappplättchen rammen; die wiederum sollten an den Saugnäpfen haften bleiben.

Das allerdings funktionierte bestenfalls zwei Sekunden lang. Denn DINO BOOOM kam schon in unbrauchbarem Zustand an. Das habe ich mir natürlich nicht 20 Jahre lang gemerkt; ich entnehme es meiner damaligen Rezension in der Fairplay. Die Plastikstäbe sahen aus, als seien sie das Billigste vom Billigsten. Und ich würde wetten: Sie waren das Billigste vom Billigsten. Die Saugnäpfe waren von Beginn an deformiert und ließen sich auch nicht richten.

Tatsächlich 20 Jahre lang gemerkt habe ich mir aber den Lachflash, der einen meiner Mitspieler überkam, als er seinen Saugstab, nur so zur Probe, auf ein Plättchen poppte. Und zack: Das dünne Stäbchen knickte ab und war hinüber. Tja, fortan konnten nur noch fünf Personen mitspielen, und ich verrate: Bei diesem einen Unfall blieb es nicht.

Übrigens habe ich mir ebenfalls 20 Jahre lang gemerkt, dass ich meine Rezension seinerzeit mit dem Fragesatz eingeleitet hatte: „Warum müssen Spiele idiotensicher sein?“ Und hier ist der Beweis; ich zitiere mich mal selbst: „Warum müssen Spiele idiotensicher sein? Na, ganz klar: Weil ab und zu Idioten mitspielen. In meiner Mittwochs-Runde zum Beispiel. Dort hatten übereifrige Halbstarke schon nach wenigen Minuten die langen Plastikstiele ihrer Saugnapf-Speere zerknickt. Na toll, Jungs!“

„Jungs“, haha. Wir spielen heute immer noch in fast derselben Konstellation. Allerdings sind wir alle seitdem … äh, bis zu zehn Jahre älter geworden. Weiter im Text: „Schicksalsschläge dieser Art hindern den aufrechten Kritiker natürlich nicht an seinen fundierten Testreihen. Wohl reduziert der Materialverschleiß von Partie zu Partie die Zahl der möglichen Teilnehmer, aber da sich gleichzeitig auch die Zahl der Freiwilligen lichtet, entsteht letztlich kein Nachteil.

Wie ungefähr alle Goldsieber-Spiele funktioniert DINO BOOOM ein bisschen anders, als man uns auf der Messe glauben machen wollte. „Ist doch wurscht“, scheinen sich die Verantwortlichen zu denken und haben sogar noch recht damit. (…) Vermutlich sollen die Saugnäpfe DINO BOOOM von ähnlichen Spielen abheben. Und zugegebenermaßen bringt das Material tatsächlich den besonderen Pfiff: Wir hatten eindeutig am meisten Spaß, wenn wieder etwas kaputtging.“

Mehr ist nicht zu sagen. Ich schlage eine Schweigeminute für die einst glänzende, aber damals schon sichtbar im Niedergang begriffenen Marke Goldsieber vor.


Donnerstag, 4. Juli 2024

Ritual

Ritual: Cover

Einleitungen sind, wenn man mich fragt, ein ziemlich ausgedientes Ritual.

Wie geht RITUAL? Wir spielen kooperativ und dürfen dabei nicht reden. Unabhängig von der Zahl der Mitspieler:innen müssen drei Personen eine geheime persönliche Aufgabe erfüllen, anschließend muss die Gruppe eine Gemeinschaftsaufgabe (oder mehrere) erledigen. Sollte die Zeit dann noch nicht abgelaufen sein, haben wir gewonnen.
Jede:r startet mit zugelosten vier farbigen Steinen. Die persönlichen Aufgaben bestehen darin, entweder fünf oder sechs ganz bestimmte Steine zu besitzen. Weil wir als Gruppe insgesamt nie mehr Steine haben werden als zu Beginn, bedeutet dies: Einige von uns müssen welche hergeben, damit andere ihre Aufgaben schaffen. Und: Nicht alle gleichzeitig können ihre Aufgabe erledigen, wir sollten es der Reihe nach tun.
Bin ich am Zug, führe ich eine der folgenden Aktionen aus: Ich verschenke einen meiner Steine (außer ich habe nur noch zwei; weniger als zwei darf ich nie besitzen). Oder ich nehme einen Stein der Person links von mir. Oder ich lege einen Stein auf mein Austauschfeld. Oder ich nehme den Stein von meinem Austauschfeld herunter. Oder ich tausche den Stein vom Austauschfeld einer Mitspieler:in mit einem Stein des Vorrats. Dies ist die einzige Möglichkeit, wie die Gruppe an andere Farben herankommt als die ursprünglich zugelosten.

Ritual: Situation

Habe ich meine Aufgabe erledigt, gebe ich das bekannt. Auch das ist eine Aktion. Bin ich gar als Erster fertig, darf ich mir schon mal die Gruppenaufgabe ansehen. Für alle anderen bleibt die Karte geheim. Sie könnte zum Beispiel besagen: Nur eine:r von uns darf blaue Steine besitzen, und es müssen mindestens drei sein. Ist die Aufgabe an der Reihe, muss ich dafür sorgen, dass die anderen aus meinen Handlungen schlau werden und bei der Erfüllung mithelfen.

Was passiert? Wir kommunizieren nicht verbal, wir kommunizieren durch unsere Spielzüge. Nehme ich meinem linken Nachbarn einen grünen Stein weg, bedeutet das wohl, ich brauche Grün. Lege ich einen Stein auf mein Austauschfeld, signalisiere ich: Tauscht ihn bitte aus! Und gebe ich einen gelben Stein meiner rechten Nachbarin, heißt das vielleicht: Gelb brauche ich nicht. Oder: Ich glaube, sie braucht Gelb. Oder: Ich habe leider gar keine Peilung, ich mache nur irgendwas, um nicht den Laden aufzuhalten.

Ritual: Aufgaben

Beim ersten Mal verliert man recht häufig. Ob man auch in weiteren Anläufen verliert und wie oft, hängt maßgeblich von den Beteiligten ab. Die persönlichen Aufgaben folgen Mustern (fünf von einer Farbe / je drei von zwei Farben / je zwei von drei Farben). Wenn man das verinnerlicht und aufpasst, was die anderen tun, wird man es – normalerweise – irgendwann hinkriegen.
Allerdings ist da der Zeitdruck, der einige Leute stresst oder gar überfordert, und da ist das Kommunikationsverbot, das viel Konzentration und Mitdenken erfordert – für manche Gruppen eine tödliche Mischung. Ich habe hin und wieder Mitspieler:innen von einer Seite kennengelernt, die ich nicht unbedingt hätte kennenlernen wollen.
Zum Beispiel gibt es den Typus „Ich zuerst“. A nimmt von B einen blauen Stein, und alle wüssten nun: Gebt blaue Steine an A. Aber noch bevor A damit eine Aufgabe erledigen kann, nimmt C einen blauen Stein von A. Weil: C braucht ihn ja auch! Oder den Typus „Alle doof außer ich“. D ist megabeleidigt, weil A, B und C, wenn sie sich noch erinnerten, was D fünf Züge zuvor gemacht hat, doch längst wissen müssten, welche Farbe D noch fehlt.
Ich habe auch Frust erlebt. Denn es kommt immer mal vor, dass irgendwer mit nur noch zwei Steinen dasitzt und über Runden nichts Sinnvolles beitragen und schon gar nicht die eigene Aufgabe erfüllen kann. Auch wenn wir instinktiv gerne aktiver wären: Das Spielprinzip verlangt, dass einige sich mit der Rolle des Helferleins abfinden.
Unschön ist auch, als Neuling in eine eingespielte Gruppe hineinzukommen. Selbst wenn gar keine Vorwürfe ausgesprochen werden: Die eigene Planlosigkeit löst erst mal schlechte Gefühle aus.


Ritual: Material

Was taugt es? RITUAL ist ein sehr spezielles Spiel. Es ist nicht für alle Runden geeignet, und es spielt sich auch nicht fehlerfrei. Ungezählt, wie häufig ich unerlaubte Spielzüge korrigieren musste: Nein, Klauen nur links! Nein, nicht den eigenen Stein mit der Bank tauschen! Nein, nicht in einem Zug den Stein von Austauschfeld wegnehmen und gleich den nächsten hinlegen!
Aber sobald man sich hineingearbeitet und aufeinander eingegroovt hat, kann sich RITUAL für die Gruppe sehr belohnend anfühlen. Weil man den Schwierigkeiten getrotzt hat. Weil man eine gemeinsame Sprache gefunden hat. Weil man einander verstanden hat.
Dieser Moment des gemeinsamen Durchbruchs ist für mich der schönste Moment des Spiels. Ist man gut eingespielt, lässt sich RITUAL mit anderen Gemeinschaftsaufgaben und noch mehr Zeitdruck vielfach variieren. Den schönsten Moment hat man dann aber schon hinter sich. Um weiter erfolgreich zu sein, verfestigt sich die gemeinsame Sprache. Spielzüge werden zu Codes. Man interpretiert nicht mehr, sondern arbeitet ab.
RITUAL zu spielen, ist sehr interessant. Es ist ein Erlebnis. Das Label „solide“ passt begrifflich mal wieder nicht gut, RITUAL ist zu außergewöhnlich dafür. „Solide“ soll in diesem Fall bedeuten: Ich würde mitspielen, bin aber nicht direkt heiß darauf. RITUAL ist für mich kein Wohlfühl-Spiel. Ich möchte nicht noch mal mit einer Gruppe durch all die Schwierigkeiten gehen und auch nicht mit einer geübten Gruppe solange weiterspielen, bis wir restlos alle Aufgaben durchhaben.
Die Anleitung empfinde ich übrigens als schlecht strukturiert. Und dass dem Spiel eine esoterische Sprache aufgepfropft wird („Elementarsteine“, „Inspirationsmarker“, „mystische Ebene“ etc.), macht es nicht leichter.


**** solide

RITUAL von Tomás Tarragón für zwei bis sechs Spieler:innen, Strohmann Games.