Lange Rezension, kurze Einleitung.
Wie geht HELIOS? Aus Landschaftsplättchen baut jeder Spieler sein Imperium. Drumherum kreist die Sonne. Dass jede Umrundung Punkte zählt, ist ein Argument für die Bildung eines kleinen Reiches mit kurzen Wegen. Aber es gibt auch Gegenargumente. Denn viele Plättchen produzieren viele Rohstoffe, und mit Rohstoffen baut man Tempel und Häuser und aktiviert Personen.
Die Sonnenreichweite beträgt am Anfang des Spiels zwei Felder und kann durch den Erwerb von Häusern oder Personen stark ansteigen. Bewegt ein Spieler seine Sonne, darf er dies bis zum Maximum ihrer Reichweite tun. Optimalerweise zieht die Sonne nicht nur möglichst weit, sondern stoppt exakt neben leeren Rohstoffplättchen (dann wächst dort was nach) oder neben Plättchen mit Tempeln (das zählt Siegpunkte).
Gesteuert wird das Spiel über Aktionsplättchen. Sie liegen sortiert in drei Spalten aus. Wer am Zug ist, muss aus einer Spalte das unterste Plättchen nehmen und darf dann die Aktion ausführen. Die Plättchen sind zudem unterschiedlich gefärbt. Hat man vier derselben Farbe gesammelt (Weiß ist dabei ein Joker), gewinnt man eine Zusatzaktion. Auf diese Weise kann man sich während der Partie bis zu vier Aktionen hinzuverdienen.
Die drei Aktionsarten sind: 1. Sonnenbewegung, 2. Tempel- oder Hausbau (Tempel bringen einmalig Mana sowie bei Sonnenschein Siegpunkte; Häuser bringen Spezialfunktionen, Sonnenreichweite, Mana etc. und zählen auch ein paar Punkte), 3. Plättchen ans Reich anlegen. Außer Rohstoffplättchen stehen auch Siegpunktplättchen zur Auswahl, die bei Spielende für bestimmte Eigenschaften ihrer Nachbarfelder punkten, zum Beispiel vier Punkte für jeden benachbarten Tempel oder einen Punkt für jedes benachbarte leere Feld.
Mit Mana kauft man Personen, die mit einer Kombination aus drei Rohstoffen noch aktiviert werden müssen. Dann zählen sie bei Spielende Punkte für bestimmte Errungenschaften, beispielsweise für die Sonnenreichweite oder für jede Landschaftssorte im Reich.
Was passiert? Die Erklärung der Regeln verschlingt locker eine halbe Stunde, das Spiel selbst kann schon nach einer Stunde beendet sein. Weil alles sehr miteinander verzahnt ist, braucht man eine Partie, um zu verstehen, was HELIOS eigentlich von einem will. Ziemlich schnell wird dann deutlich, dass HELIOS einen stark ausgeprägten strategischen Charakter hat.
Erwiesenermaßen kann man mit höchst unterschiedlichen Vorgehensweisen gewinnen, etwa indem man voll auf Tempel setzt oder sein Reich mit vielen Plättchen zupflastert. Optimalerweise ergattert man die jeweils passenden Häuser und Personen, welche das Ganze entsprechend aufwerten.
Es ist reizvoll, die verschiedenen Wege auszukundschaften und zu optimieren: Wie ordne ich meine Landschaften an, damit die Sonne möglichst viele Plättchen gleichzeitig bescheint? In welcher Reihenfolge hole ich mir die Häuser? Wie kriege ich es hin, am Ende des Durchgangs für Personen Mana und die passenden Rohstoffe da zu haben?
HELIOS besitzt die Substanz, um über mehrere Partien interessant zu bleiben. Gleichzeitig ist HELIOS sehr verdichtet. Die Entscheidungen sind aufgrund ihrer Verwobenheit komplex. Wenn ich beispielsweise eine Landschaft ans Reich anlege, muss ich mich im Hinblick auf zukünftige Gebäude und Personen für die richtige Rohstoffsorte entscheiden. Ich muss das Plättchen so platzieren, dass es für den zukünftigen Sonnenlauf passt. Und schließlich erhalte ich beim Abdecken bestimmter Felder Zusatzrohstoffe, Mana oder Punkte, was ebenfalls in die Überlegungen einfließt. – Viel Denkstoff also und viele Fehlerquellen.
Was taugt es? HELIOS weckt mein Interesse, löst in mir aber kaum Emotionen aus. Interessanterweise hat Hans im Glück zuletzt zwei von der Grundanlage her ähnliche, von mir jedoch wesentlich mehr geschätzte Spiele herausgebracht, nämlich HAWAII und
RUSSIAN RAILROADS. Genau wie HELIOS sind sie Optimierungsspiele, in denen das Thema sehr blass bleibt. Und genau wie in HELIOS offenbaren sich diverse Strategiewege. Also stellt sich mir die Frage: Was haben HAWAII und RUSSIAN RAILROADS, das ich in HELIOS nicht finde?
Erstens: Die Interaktion in HELIOS ist gering. Es kommt vor, dass andere Spieler mir Aktionsplättchen oder Personen wegschnappen. Aber die meiste Zeit schaue ich einzig auf mein Reich und optimiere meine eigene Maschine.
Zweitens: Der Sonnenmechanismus in HELIOS ist sehr neuartig und eine reizvolle Idee. Aber dieser Kern des Spiels, das eigentlich Originelle, nimmt vergleichsweise wenig Raum ein. Drumherum ist ein gewaltiger Apparat gestrickt, handwerklich einwandfrei, aber für mein Empfinden relativ austauschbar.
HELIOS von Martin Kallenborn und Matthias Prinz für zwei bis vier Spieler, Hans im Glück.