Als Kind vom Lande wurde mir wiederholt die Gefährlichkeit von Moorgebieten eingebläut. Insofern mache ich mir jetzt echt Sorgen, wo wohl die Einleitung abgeblieben ist. Sie wollte eigentlich pünktlich heute hier sein.
Wie geht MOORLAND? MOORLAND ist ein ungewöhnliches Legespiel. Wir legen Moorkarten, die Kanäle und Tiere zeigen. Jede:r puzzelt in zwölf Spielrunden die zwölf leeren Felder des eigenen Tableaus voll. (Falls jemand auf dem Foto nachzählt und einen Widerspruch entdeckt: Vier Felder sind schon bei Spielbeginn bebaut.)
Ich will (wegen der Punktwertung) einen möglichst langen ununterbrochenen Kanalweg konstruieren. Ich will viele verschiedene Tiere, aber auch Tierpaare ansiedeln. Ich will viele Wasserläufer in meinem Moor haben.
Legen darf ich eine Karte nur, wenn – sozusagen als Baukosten – die erforderlichen Pflanzenmarker auf dem entsprechenden Feld liegen. Symbole auf der Karte zeigen an, was gebraucht wird und was anschließend geschieht. Beispielsweise verlangt ein Kärtchen zwei orangefarbene und eine violette Pflanze. Und nach dem Legen verschwindet der violette Stein aus meinem Moor, ein orangefarbener siedelt sich als Siegpunkt auf der gelegten Karte an, und der zweite orangefarbene wird weggeschwemmt.
Das bedeutet: Ich versetze ihn entlang der vorhandenen Kanäle auf ein noch unbebautes Feld. Kann ich das nicht, weil meine Wege nur in Sackgassen oder zum Spielplanrand führen, schwimmt der Stein vom Tableau und bringt mir einen Minuspunkt ein.
Jede Runde muss ich eine Moorkarte aus der Auslage wählen. Ich muss sie nicht sofort einbauen; zwei Karten darf ich zwischenlagern. Und ich darf Pflanzen nehmen. Aber in jeder Runde nur Pflanzen in einer der vier Sorten. Und meistens stehen nur jeweils zwei Farben zur Auswahl. Und ich darf neu genommene Pflanzen nicht verteilen, sondern muss alle auf dasselbe Feld legen. Sogar die Anzahl ist vorgegeben. Zahlen auf den Feldern zeigen an, ob ich dort exakt eine, zwei oder drei Pflanzen ablegen muss. Kurzum: Die Regeln, um Pflanzen auf den Spielplan zu bringen, sind rigide.
Was passiert? Da die meisten Moorkarten eine bunte Pflanzenkombination erfordern, besteht die Anforderung in MOORLAND darin, durch das gezielte Schwemmen der Rohstoffe die Voraussetzungen zu schaffen, um weitere Karten platzieren zu können. Gerade zu Beginn einer Partie, wenn nur wenige Pflanzen im Spiel sind, ist auch eine gute Portion Zock dabei.
Weil man es aus anderen Spielen mit Rohstoffen so gewohnt ist, mag man denken: Je mehr ich habe, desto besser. Bei MOORLAND geht diese Rechnung nicht auf. Spätestens bei Spielende fließt alles, was übrig ist, von meinem Brett: lauter Minuspunkte. Und solange man diese Gefahr noch nicht kennengelernt hat, können das sehr viele sein.
MOORLAND verlangt eine gute Balance, genügend Rohstoffe auf dem Tableau zu haben, um handlungsfähig zu bleiben, aber eben auch nicht zu viele. Komplett durchkalkulieren kann das niemand, weil man nicht weiß, welche Karten man zukünftig bekommt und welche Pflanzen zur Verfügung stehen werden. In meinen Partien war es ziemlich unbeliebt, in der letzten Runde den letzten Zug machen zu müssen. Man muss dann eine der zwei verbliebenen Karten aus dem Markt nehmen und kann nicht mehr darauf reagieren, falls beide nicht passen.
Was taugt es? MOORLAND ist ein Tüftelspiel. Man muss vorausdenken und benötigt dafür räumliches Vorstellungsvermögen, man muss die Ressourcen nicht nur mengenmäßig richtig kalkulieren, sondern auch ihre Bewegungen von Ort zu Ort. Das zusammen ist komplex, und so benötigen viele Spieler:innen recht lange, um sich für eine der ausliegenden Moorkarten zu entscheiden.
MOORLAND enthält einige Konkurrenzmechanismen. Ich erhalte Vorteile, wenn ich Felder zuerst bebaue; es gibt eine Mehrheitswertung für Wasserläufer. In meinen Runden hat jedoch niemand so viel Meisterschaft erlangt, um mit den mannigfachen Problemen auf dem eigenen Tableau fertigzuwerden und zusätzlich anderen planvoll Karten wegzuschnappen, um irgendwem was zu vermiesen, ohne sich dabei selbst ins Knie zu schießen. Soll heißen: In meinen Runden war MOORLAND eine solitäre Angelegenheit.
Dass ein Spiel grübelig und solitär ist, muss per se kein Nachteil sein. Und MOORLAND belohnt die Mühen ja auch erstens mit einer anspruchsvollen Denkaufgabe und zweitens einem innovativen und auch thematisch stimmigen Mechanismus, der uns beim Spielen auf ungewöhnliche Weise denken und planen lässt.
Wer Spielen vorrangig als Kopfangelegenheit betrachtet, findet in MOORLAND sehr viel Gutes. Obendrein sieht das Spiel schön aus, ist toll ausgestattet und redaktionell gut umgesetzt.
Trotz Vorhandensein eines Kopfes zähle ich mich aber nicht zu den reinen Kopfspieler:innen. Nüchterne, emotionsarme Spiele, deren Reiz vor allem darin besteht, über den besten Zug nachzudenken, haben es schwer, mich zu begeistern. Und so ist es auch bei MOORLAND: Ja, ich achte die interessanten Mechanismen und das Gesamtprodukt. Aber Freude und Neugierde auf immer noch mehr Partien verspüre ich nicht.
**** solide
MOORLAND von Steffen Bogen für zwei bis vier Spieler:innen, Pegasus Spiele / Deep Print.