Freitag, 31. März 2023

Gern gespielt im März 2023

FEDERATION: Wer’s nicht wusste: Auch im Weltraum werden Gesetze stets von denen durchgesetzt, die am meisten davon profitieren.

WANDERLUST: Auf die Umgebung können wir in der Eile leider nicht achten. Aber die Karten sind wirklich schön.

SECRET IDENTITY: Peace im und nix auf dem Kopf: Das kann ja nur der Dalai Lama sein!

BELRATTI: Neuerdings steckt in jede:r von uns ein Belratti. Oder zumindest in jeder von unseren Kartenhänden.

CHALLENGERS: Bankenkrise, wohin man nur schaut.







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM MÄRZ:


PLANET UNKNOWN: Planet entdeckt? Cool. Fahr mit dem Auto drauf!






Dienstag, 28. März 2023

Findorff

Einleitungen schreibe ich aus dem Effeff.

Wie geht FINDORFF? Wir bauen den Bremer Stadtteil Findorff. Ein Bauwerk darf ich errichten, wenn ich die jeweils erforderliche Menge an Geld und Baustoffen (Ziegel und Schienen) bezahle und die entsprechende Gebäudekarte entweder von meiner Hand spiele oder sie im allgemeinen Markt liegt.
Jedes Bauwerk bringt mir am Schluss 50 Punkte, was den Punktwert der eingesetzten Baustoffe und des Geldes deutlich übersteigt. Jedes Bauwerk bringt außerdem ein Einkommen. Alles spricht also fürs Bauen.
Mechanisch ist FINDORFF ein „Engine-Builder“. Auf meinem Firmentableau, das wie ein Rondell funktioniert, darf meine „Vorarbeiter“-Figur bis zu drei Felder weiterlaufen. Das erreichte Feld definiert die Aktion, die ich anschließend ausführe – anfangs nur einmal. Mit Plättchen, die ich in der Aktion „Einkauf“ erwerben darf oder als Belohnung bestimmter Bauwerke erhalte, werte ich Aktionen auf, um sie fortan zweimal, dreimal oder noch häufiger ausführen zu dürfen.
Das spart längerfristig Züge, was in einem Wettrennen wie FINDORFF unerlässlich ist. Allerdings verlangsamt der Aufbau meines Unternehmens meinen Start und verschlingt das anfangs noch knappe Geld. Und zu groß sollte mein Apparat ohnehin nicht werden; sonst läuft er erst an, wenn das Spiel schon fast vorbei ist.
Die Aktionen neben „Einkauf“ sind: Arbeitskräfte anheuern, Arbeitskräfte zur Produktion (von Torf, Ziegeln, Schienen) einsetzen sowie Rohstoffe verkaufen. Jede Umrundung meines Rondells löst außerdem eine Bürokratie-Phase aus. Anfangs bin ich darauf weniger erpicht, weil jedes Mal eine meiner Arbeitskräfte stirbt. Später, wenn meine Bauwerke regelmäßiges Einkommen generieren, das jetzt ausgezahlt wird, finde ich Bürokratie toll.


Was passiert? Da die meisten Aktionen schnell abgewickelt sind, hat FINDORFF einen schnellen Rhythmus. Bis zur Bürokratiephase. Da müssen einige Schritte durchlaufen werden, die nicht allen Mitspieler:innen einleuchten – Bürokratie eben –, weshalb ich in meinen Partien unzählige Male anmahnen musste, tatsächlich alles von A bis D so auszuführen, wie es in der Kurzübersicht auch angegeben ist.
Auch ist diese Phase mit viel Handling verbunden. Torf wird aus dem Torfmarkt entfernt, Schienen auf dem Spielplan platziert, Torf wieder in den Markt hineingelegt. Der Torfmarkt wirkt wie eine etwas zu sehr gewollte Reminiszenz an FUNKENSCHLAG, die in FINDORFF nicht so gut trägt, weil für kleine Torfpreis-Schwankungen viel Aufwand betrieben wird.

Neben dem planvollen Aufbau meines Unternehmens verlangt FINDORFF, aus meinen Bauwerk-Handkarten sowie den Karten im Markt strategisch die richtigen Schlüsse zu ziehen und das Spielende zu antizipieren, um die letzten Züge noch möglichst effektiv zu nutzen.
FINDORFF ist ein Wettrennen. In ihrer ersten Partie waren manche Mitspieler:innen überrascht, wie schnell es vorbei sein kann. Jeder Zug zählt, gerade auch am Anfang. Oft hatte ich den Eindruck, schon recht früh eingrenzen zu können, wer überhaupt noch Siegchancen hat. Allerdings hatte das nie etwas mit Glück zu tun, sondern mit zu geringer Fokussierung auf das Spielziel und auf Spieltempo. FINDORFF hat erkennbar eine Lernkurve.


Was taugt es? In FINDORFF steckt Lokalpatriotismus. Um die Atmosphäre und den Charme des Spiels wahrzunehmen, muss man dennoch nicht aus Bremen kommen. Schließlich spielte sich die Industrialisierung in anderen Städten ähnlich ab und wirkte sich ähnlich auf das Stadtbild aus. Die Illustrationen transportieren das sehr gut.
Vorgesehen ist, dass für jedes errichtete Bauwerk ein entsprechendes Plättchen herausgesucht und an der passenden Stelle auf den Plan gelegt werden soll. In jeder meiner Partien wurden Plättchen vergessen – und es ist vollkommen egal. Dass der Spielplan größtenteils dekorativen Zwecken dient, ist gewöhnungsbedürftig; ein Luxus, der letztlich aber nicht weiter stört.
FINDORFF ist spielerisch schlanker, als es der Materialaufwand erwarten ließe. Ein paar Variablen lassen sich von Partie zu Partie anders justieren, um das Ergebnis zu optimieren. Gleichwohl spielt FINDORFF in recht engen Bahnen, erzeugt kaum Reibung und bringt dem Genre wenig Neues. Ein sympathisches, aber kein spektakuläres Spiel.


**** solide

FINDORFF von Friedemann Friese für eine:n bis fünf Spieler:innen, 2F-Spiele.

Montag, 20. März 2023

Hunch!

Hinweis 1: „Zahl: Null“, Hinweis 2: „Eigenschaft: faul“, Hinweis 3: „Etwas Kompliziertes: den Anfang finden“.

Wie geht HUNCH? Wir erraten Wörter. Von den zwei oder drei Karten, die ich bekommen habe (jede zeigt drei Wortvorschläge), muss ich geheim je einen Begriff wählen. Haben das alle getan, werden sämtliche verteilten Karten in der Tischmitte ausgebreitet. So entsteht für alle sichtbar ein Pool von Begriffen, die im Spiel sein könnten.
Damit andere meine Begriffe erraten können, benötigen sie Hinweise. Allerdings: Ich darf diese Hinweise nicht selbst geben. Sondern in der nun folgenden Spielphase zieht jede:r zwei Tippkarten, die eine Kategorie für einen Hinweis vorgeben, beispielsweise erwische ich „Farbe“ und „Werkzeug“ und notiere auf der einen Karte „blau“, auf der anderen „Hammer“.
Reihum bietet nun jede:r die Hinweise zum Kauf an. Unter Einsatz von Münzen (fünf besitzt man von Beginn an) wird das Recht versteigert, einen der beiden angebotenen Hinweise einem eigenen Geheimwort zuordnen zu dürfen. Wer „Bach“ als Geheimwort hat, kann wohl ganz gut „blau“ gebrauchen, und so kassiere ich idealerweise Münzen, um auf die Hinweise anderer Spieler:innen zu bieten.
Nun folgt eine Ratephase. Alle dürfen je einen schriftlichen Tipp auf das Geheimwort einer Mitspieler:in abgeben. Bei Erfolg gewinnen alle Beteiligten einen Punkt. Das erratene Wort ist aus dem Spiel.
Diesen Ablauf spielen wir insgesamt dreimal. In der zweiten Runde dürfen wir zwei Wörter erraten und in der dritten drei. Natürlich gewinnt, wer die meisten Punkte besitzt, also wer gut geraten hat und oft erraten wurde.


Was passiert? HUNCH ist ungewöhnlich, es ist indirekter und vertrackter als übliche Wortspiele. Als Hinweis-Anbieter betrachte ich den Pool der möglichen Lösungswörter und versuche, um möglichst hohe Einnahmen zu generieren, einen Hinweis zu formulieren, der zu mehreren dieser Wörter passen würde.
Als Hinweis-Käufer bin auf Hinweis-Ideen anderer Menschen angewiesen, die das Lösungswort gar nicht kennen. Manchmal ist nichts Passendes im Angebot, und ich muss entscheiden, ob ich auch auf halbwegs Passendes mitbiete oder ob diffuse Hinweise die Ratenden nicht sowieso eher verwirren würden.
Die Unkonventionalität fordert heraus, allerdings zeigen sich recht bald auch Probleme. Wer für seinen Hinweis-Vorschlag sehr einengende Kategorien erwischt hat, erzielt üblicherweise keinen oder nur einen niedrigen Erlös. Das wiederum bedeutet, wenig Kapital fürs Bieten zu gewinnen.
Die Sitzreihenfolge hat einen großen Einfluss. Wer zuerst anbietet, erwirtschaftet als Erste:r Kapital über das Startkapital hinaus und kann ab der zweiten Versteigerung alle anderen überbieten. Wer ganz hinten sitzt, muss zwangsläufig lange auf Einnahmen warten und agiert währenddessen sehr eingeschränkt.
Ob man passende Hinweise ergattert, hat letztlich viel mit Glück zu tun. Habe ich einen Hinweis, der schön deutlich mein Lösungswort umschreibt, lockt dies in der Rate-Phase viele Mitspieler:innen an. Und falls nun mehrere Personen gleichzeitig meinen Begriff erraten, erhalte ich zwei Punkte statt nur einem. Optimal.
Obendrein spare ich künftig auch Geld, weil ich für diesen Begriff keine Hinweise mehr kaufen muss. In manchen Partien führt dies sogar dazu, dass irgendwer auf einem riesigen Geldberg sitzt und nichts mehr damit anfangen kann. Auch dass die Bank gesprengt wurde, kam schon vor. Und nebenbei angemerkt, weil ich gerade beim Thema Geld bin: Dass der Aufdruck auf den Münzen wie eine römische Zwei aussieht, obwohl es eigentlich ein H wie HUNCH sein soll, verwirrt auch immer wieder.


Was taugt es? HUNCH schleppt ziemlich viel Ballast mit sich herum und fühlt sich nicht rund an. Dass es hier und da ruckelt, ist offenbar auch in den Tests aufgefallen. So jedenfalls erkläre ich mir, dass zu manchen Regeln gleich noch Verwässerungen mitgeliefert werden: Einmal pro Runde darf ich eine Hinweiskarte, deren Kategorie mir nicht gefällt, abwerfen, um eine andere zu ziehen. Obendrein darf ich entscheiden, wie ich die Kategorien auslege.
Weil es bei Wortspielen ohnehin immer Auslegungssache ist, wie großzügig man spielt, fällt dies vielleicht nicht so sehr ins Gewicht. Aber die Unstimmigkeiten betreffen eben auch die Kernidee des Spiels, die bei allem Interessanten und Neuartigen, das sie bringt, auch immer wieder Gefühle von Machtlosigkeit und Frust erzeugt.
HUNCH braucht ziemlich viele Regeln, viel Platz, viele Phasen, viel Verwaltung dafür, dass wir am Ende Wörter erraten. Es enthält Abläufe und Elemente, die Mitspieler:innen verwirren, und bleibt im Stadium einer guten Idee stecken, aus der noch kein gutes Spiel geworden ist.


*** mäßig

HUNCH! von Nomas Kurnia für drei bis sechs Spieler:innen, Nice Game.

Donnerstag, 16. März 2023

Triggs

Das Spiel heißt Triggs.
An der Einleitung ändert sich nix.

Wie geht TRIGGS? TRIGGS ist in seiner Klarheit und Einfachheit typisch für den Nürnberger-Spielkarten-Verlag. Oder vielleicht war es typisch. Denn nach dem krassen personellen Aderlass dort wird man abwarten müssen, wie die redaktionelle Ausrichtung künftig sein wird.
In TRIGGS geht es darum, alle Felder des eigenen Blocks abzukreuzen. Sie zeigen Zahlenwerte von eins bis zwölf, und man kreuzt ein Feld ab, indem man eine Zahlenkarte mit genau diesem Wert spielt. Oder indem man zwei Zahlenkarten addiert und so den gewünschten Wert erreicht.
Bin ich dran, darf ich entweder zwei Karten von den drei Vorratsstapeln ziehen (zwei sind offen, einer verdeckt) oder Karten ausspielen, um Kreuze zu machen. Pro Zug darf ich Kreuze nur bei einer Zahl machen, dies aber mehrfach, so oft es meine Handkarten hergeben.
Für das letzte Kreuz einer Zahlenreihe bekomme ich ein Kreuz geschenkt, das ich irgendwo setzen darf. Und es kann sein, dass ich dadurch schon wieder ein Extrakreuz gewinne. Und so weiter.


Was passiert? TRIGGS ist flott gespielt und erfordert kein tiefes Nachdenken. Weil es ein Handkartenlimit gibt, hoffe ich beim Sammeln darauf, gleiche Zahlen zu erwischen. Ich nehme auch gerne hohe Zahlen, weil es Ressourcen spart, ein Kreuz mit nur einer Karte zu setzen statt zwei addieren zu müssen.
Deshalb neigt man dazu, die hohen Zahlen zuerst abzuarbeiten. Aber das kann in die Hose gehen, denn wie sich herausstellt, sind die Möglichkeiten, kleinere Zahlen zu bilden, begrenzt. Eine Eins kann ich nur mit einer Eins ankreuzen; eine Zwei mit einer Zwei oder der Addition aus zwei Einsen. Für das Ankreuzen einer Zwölf gibt es erheblich mehr Möglichkeiten.


Was taugt es? TRIGGS beinhaltet natürlich eine ganze Menge Glück. Auch durch die Regel, dass ich sofort fünf neue Karten bekomme, wenn ich meine Hand leerspiele. Dieses Geschenk kann supidupi sein oder totaler Schrott. Natürlich muss ich meine Hand nicht leer spielen. Andererseits: fünf Karten geschenkt …?
TRIGGS beinhaltet aber nicht nur Glück oder es lässt einen zumindest in diesem Glauben – und das ist der Reiz. Ich überlege durchaus, welche Karten ich in der aktuellen Situation sammle und wo meine Bonuskreuze am wertvollsten wären, damit sie Lücken meines Blattes überbrücken oder Züge einsparen. Und obwohl ich Entscheidungen treffe, geht alles sehr schnell, weil es auch überwiegend solitär geschieht. Sicher gibt es innovativere Spiele, aber TRIGGS macht auf sehr einfache Weise Spaß. Und darum geht es beim Spielen ja.
Ein zumindest symbolischer Ausgleich des Startspieler:innenvorteils wäre trotzdem nicht schlecht gewesen. Weniger gelungen finde ich außerdem, dass manche Zahlenwerte gegen Ende komplett überflüssig werden. Für den Fall, dass alle Spieler:innen alle Zwölfen schon angekreuzt haben, schlägt die Anleitung vor, Zwölfen auszusortieren, sobald sie auf den offenen Zugstapeln sichtbar werden. Und gegebenenfalls auch die Elfen. Und das passiert gar nicht so selten und ist unelegant.


**** solide

TRIGGS von Karin Hetling für zwei bis vier Spieler*innen, Nürnberger-Spielkarten-Verlag.

Sonntag, 12. März 2023

Woodcraft

Dreimal auf Holz geklopft … vielleicht klappt’s ja irgendwann wieder mit den Einleitungen.

Wie geht WOODCRAFT? Wir erfüllen Aufträge. Das könnte ziemlich langweilig sein, wenn es mal wieder darum ginge, Rohstoff-Kombinationen abzugeben; doch darum geht es nicht. In WOODCRAFT betreiben wir eine Tischlerei und fertigen Holzgegenstände. Die abzugebenden Materialien sind überwiegend Würfel. Sie müssen die richtige Farbe haben und exakt eine ganz bestimmte Augenzahl.
Man kann sich jeden Würfel also als ein Stück Holz vorstellen; seine Zahl ist die Größe, seine Farbe die Art des Holzes. Holz lässt sich bearbeiten, zum Beispiel mit einer Säge in zwei Stücke teilen. Aus einer grünen Sechs könnten so eine grüne Zwei und eine grüne Vier werden. Umgekehrt kann man auch mit Leim zwei kleinere Stücke zu einem größeren vereinen. Das sind Nebenaktionen, die ich einstreuen kann, sofern ich mir Werkzeuge und Kleber beschafft habe.

Hauptaktionen (sieben verschiedene gibt es) stehen mir im gesamten Spiel aber nur 14 Mal zur Verfügung. In jedem meiner 14 Züge eine. Ein Rad auf dem Spielplan sorgt dafür, dass Aktionen, die länger nicht gewählt wurden, Boni bringen. Die sogar noch weiter ansteigen, wenn die Aktion trotzdem niemand wählt. So kommt es vor, dass ich mich wegen der Boni für eine andere Aktion entscheide als die ursprünglich geplante. Oder zumindest verlockt werde.
Eine mögliche Hauptaktion wäre: Ich stelle einen „Helfer“ ein. Das ist eine Karte, die mir (im Regelfall) für den Rest des Spiels eine Extrawurst erlaubt. Beispielsweise darf ich die Zahlen meiner grünen Würfel verändern oder ich bekomme Rabatte bei Einkäufen. Die Helfer platziere ich auf Feldern meines Tableaus, wo sie – je nach Anordnung – außerdem Boni freischalten.
Eine andere Hauptaktion: Ich pflanze einen Baum. Dazu versetze ich einen meiner Würfel mit kleiner Augenzahl auf einen Blumentopf. Zu Beginn meiner kommenden Züge steigt die Augenzahl dieses Würfels automatisch um zwei, bis ich ihn ernte (oder eher: fälle), was mich keine Aktion kostet. Mangels geeigneter Blumentöpfe steht mir Möglichkeit des Einpflanzens anfangs nur für grüne Würfel offen. Weitere Blumentöpfe könnte ich mit der Hauptaktion „Werkstatt verbessern“ erwerben.


Was passiert? Wie bitte? Nur 14 Aktionen? Man will natürlich alles und mehrfach und ist hin- und hergerissen. Zum Beispiel lohnen sich die Spielplanboni meiner Helfer besonders dann, wenn ich mindestens drei, noch besser vier, am besten sogar sechs Helfer anheuere. Aber allein sechs von 14 Aktionen für Helfer aufwenden?
Um Aktionen zu sparen, wäre es besser, mit der Hauptaktion „Aufträge“ immer zwei Aufträge gleichzeitig zu nehmen statt nur einen. Aber ich binde mir Verpflichtungen ans Bein. Die Belohnung sinkt, lasse ich Aufträge zu lange unerledigt liegen. Und erfülle ich sie bis zum Spielende nicht, setzt es eine empfindliche Strafe.
Auch an anderen Schauplätzen stehe ich vor der Entscheidung, solide und sicher zu spielen oder ehrgeizig mit mehr Risiko. Etwa darf ich am Ende jedes Zuges einen Schritt auf der „Vermarktungsskala“ voranschreiten, was zunehmend Geld kostet, aber auch zunehmend Punkte bringt. Will ich in die hohen Punktebereiche vordringen, dauert das einige Züge und ich darf nicht zu lange mit dem Losgehen warten. Andererseits: Geld ist extrem wichtig. Ich sollte flüssig bleiben. Und vielleicht verjuble ich genau die eine Münze, die mir später fehlt.
Tatsächlich kann eine fehlende Münze sehr entscheidend sein. Oder ein fehlender Würfelpunkt. Oder ein fehlendes Irgendwas. Mit Spontanentscheidungen und Pi mal Daumen kommt man bei WOODCRAFT nicht weit. Kleine Fehler oder Versäumnisse können richtig übel reinhauen. Folgewirkungen von Entscheidungen zeigen sich aber manchmal erst viel später. Vielleicht hat man sich, weil Leim benötigt wird, für die Aktion „Materialkauf“ entschieden, die es erlaubt, neben Leim noch entweder Restholzblöcke oder Sägeblattscheiben zu erwerben. Man hat keine Priorität und nimmt Sägeblattscheiben. Und Runden später stellt sich heraus: Tja, Restholzblöcke wären es gewesen! Und nur um sie zu besorgen, wird nun noch einmal eine volle Hauptaktion nötig.


Was taugt es? WOODCRAFT ist ein Optimierspiel für Menschen, die gerne auch kleine Details durchplanen. Mit der richtigen Kombination und dem richtigen Timing von Haupt- und Nebenaktionen lässt sich sehr viel herausholen. Insofern passiert das, was bei solchen Spielen nun mal passiert: Manche überlegen sehr lange, manche können sich nicht entscheiden, manche vergessen Boni oder Nebenaktionen und möchten sie rückwirkend nachholen, manche sind völlig überfordert und machen dicht und manche überlegen noch immer.
Das klingt negativ, und tatsächlich langweilt mich diese Art Spiel mittlerweile oft. Dass es bei WOODCRAFT nicht so ist, liegt erstens am Thema. Viele der Mechanismen lassen sich thematisch herleiten. Würfel als Werkstoffe zu verwenden, ist originell. Und es ist nicht dasselbe wie Rohstoffe zu sammeln und abzugeben, denn ein Würfel kann auf verschiedene Arten bearbeitet werden und nimmt in Form der Augenzahlen unterschiedliche Zustände an.
Zweitens gefällt mir die Stringenz. WOODCRAFT ist auf wenigen Prinzipien aufgebaut, es lässt sich vergleichsweise schnell erklären. Es erreicht seine Tiefe ohne eine Vielzahl an Regeln oder Berge von Materialien. Es gibt verschiedene Wege zum höchsten Score. Aber es ist kein Punktesalat, der die Erträge diverser Schauplätze addiert. Alles ist schlüssig miteinander verzahnt.
Trotzdem scheint mir mancher Schnörkel immer noch übertrieben. Werkzeug-Plättchen, die es häufig als Belohnungen für Aufträge gibt und die man auf seinem Tableau pyramidenförmig stapelt, bringen Boni. Aber nur, wenn es verschiedene Werkzeuge sind – was sich eher wie Schikane anfühlt, weniger nach einem reizvollen Dreh. Man ist schon froh, unter den vier zur Wahl stehenden Aufträgen überhaupt welche zu ergattern, die sich erfüllen lassen. Und manche Aufträge werden nun noch zusätzlich madig gemacht, weil als Teil der Belohnung ausgerechnet ein unerwünschtes Werkzeug abgebildet ist.
Aus dem Bauch spielen kann man WOODCRAFT nicht oder jedenfalls nicht erfolgreich. WOODCRAFT ist deshalb kein Wohlfühlspiel für mich und auch kein Dauerbrenner. Gleichwohl finde ich es mechanisch zu pfiffig und ausgereift, um es nur „solide“ zu nennen.


***** reizvoll

WOODCRAFT von Vladimir Suchý und Ross Arnold für eine:n bis vier Spieler:innen, Delicious Games / Pegasus Spiele.

Mittwoch, 8. März 2023

Vor 20 Jahren (123): Mitternachtsparty

Ja, ich weiß, MITTERNACHTSPARTY ist schon älter als 20 Jahre. Es stammt aus dem Jahr 1989, und das ist – ich hatte Matheleistungskurs, deswegen lege ich an dieser Stelle meine Hand ins Feuer – noch eine ganze Ecke länger her. Aber es gibt – ich weiß nicht, ob ich hier für alle Spieler:innen sprechen kann oder nur für mich – eben ein paar Spiele, die man aus irgendwelchen Gründen nie spielt, obwohl sie eigentlich zum absolut klassischen Kanon gehören.

CLUEDO wäre noch so ein Beispiel aus meiner Spielerbiografie. Natürlich wusste ich allein schon vom Hörensagen, worum es da geht und was mich erwartet. Vielleicht hätte ich sogar mehr oder weniger die Regeln aus dem Stegreif erklären können, ohne sie je gelesen zu haben. Aber meine erste und einzige CLUEDO-Partie ist tatsächlich noch nicht einmal zehn Jahre her.

2003 also MITTERNACHTSPARTY. Es war damals nicht neu, aber es kam neu bei Amigo heraus. Und weil ich für viele Tageszeitungen schrieb, erschien mir das Spiel sehr relevant für meine Kolumnen und ich bat um Bemusterung. – Gute Idee. Nein, sogar sehr gute Idee! Denn obwohl ich ziemlich genau zu wissen glaubte, worum es da ging und was mich erwartete, war es sehr erhellend, mein Theoriewissen praktisch zu überprüfen. MITTERNACHTSPARTY hatte ich als lustig und unterhaltsam vermutet. Aber es war dann sogar noch lustiger und noch unterhaltsamer.

MITTERNACHTSPARTY ist ein Wettrennen, allerdings zu verschiedenen Orten. Oder besser: Ein „Davonrennen“, falls es diese Gattung gibt. Unsere Spielfiguren drehen auf einer hochherrschaftlichen Galerie ihre Runden, und irgendwann, früher oder später und gesteuert durch unseren Würfel, reiht sich ein Gespenst in den Rundkurs ein und fängt eine Figur nach der anderen, die dafür Minuspunkte kassiert.

Rettung findet nur, wer sich in einen der umliegenden Räume hineinwürfelt. Bevor es zu spät ist. Denn natürlich schließt jede:r sofort hinter sich die Tür ab und sperrt die anderen aus. Das ist vom Sozialverhalten her das Allerletzte. Aber man folgt ja nur den Anweisungen der Spielregel, und außerdem macht es riesigen Spaß, sich im sicheren Versteck daran zu ergötzen, wie die anderen in heller Panik über die Gänge rennen. Hahaha!

Selbst in einer Runde, die üblicherweise nur die schweren Brocken spielte und sich dabei nichts schenkte, spielten wir gerne nach sehr langem Kauen an einem dieser Brocken noch MITTERNACHTSPARTY. Sozusagen als unsere Mitternachtspartie. Und -party. Meist brachte das die Stimmung nach vorn. Und erst nachträglich kommt mir der Gedanke: Wenn sich am Ende des Abends als wesentliches Spielziel herausstellt, anderen eins auszuwischen: Warum haben wir den ganzen komplizierten Kram davor nicht einfach weggelassen?


Freitag, 3. März 2023

Akropolis

Ich bin noch die Auflösung schuldig: Ja, tatsächlich hat das Murmeltier seinen Schatten gesehen. Wirklich schade, aber man kann es ja nicht ändern.

Wie geht AKROPOLIS? Meine Akropolis soll besser sein als deine. Wir bauen mit Legeteilen, die aus jeweils drei Sechseckfeldern bestehen. Wer am Zug ist, wählt ein Teil aus der Auslage. Das vorderste ist kostenlos, für weiter hinten in der Schlange liegende muss mit Steinen bezahlt werden.
Das erworbene Teil lege ich entweder an meine Fläche an oder ich baue in die Höhe. Überdecke ich dabei weiße Felder (Steinbrüche), erhalte ich je einen Stein. Farbige Felder zu überbauen, ist eher nicht so ratsam, denn sie bringen am Schluss die Punkte. Wobei jedes Feld in der zweiten Ebene wie zwei zählt, jedes in der dritten wie drei und so weiter. In die Höhe zu bauen, lohnt sich also.
Damit die Farbfelder punkten, muss ich allerdings noch zwei Dinge beachten: 1. Jede Farbe hat ihre eigene Regel, wie sie wertet. Bei Blau beispielsweise zählt nur meine größte zusammenhängende Fläche; bei Rot zählen nur Teile, die am Rand meiner Akropolis liegen. Und 2. Meine Punktzahl ergibt sich als Multiplikation aus den gültigen Teilen mit gleichfarbigen Sternen. Wo sich die Sterne in meiner Stadt befinden, ist egal. Entscheidend ist nur, dass ich möglichst viele davon herangeschafft habe.


Was passiert? Anders als man es gemeinhin kennt, wird die Auslage nicht sofort nach jedem Zug um ein Teil ergänzt. Sondern die Teile kommen portionsweise immer dann, wenn alles bis auf eins abverkauft ist. Das verkürzt einerseits Überlegungen und Wartezeiten, denn manchmal sind es nur noch zwei Teile, zwischen denen ich zu wählen habe. Andererseits erhöht dies auch die Schicksalhaftigkeit.
Denn: In Spielen mit vergleichbarem Marktmechanismus liegen neue Teile zunächst auf den teuren Plätzen und werden erst langsam billiger. In AKROPOLIS landet beim Nachlegen eins der neuen Teile sofort auf dem zweitbilligsten Platz. So kann es vorkommen, dass Spieler:innen die tollsten Schnäppchen quasi vor die Füße fallen und die interessantesten Teile schon weg sind, sobald jemand mit vielen Steinen (also Geld) an die Reihe kommt. Man kann sich trotz Geld seines Zugriffs nicht so sicher sein.
Spezialisierung ist der Schlüssel zum Erfolg. Mit einer Gemischtstrategie werden meist deutlich weniger Punkte erzielt. Schlecht wäre es natürlich trotzdem, sich ausgerechnet die Farbe als Sammelobjekt herauszupicken, die auch wer anders sammelt. Schlecht wäre es ebenso, andere Sterne als die der bevorzugten Sammelfarbe komplett zu ignorieren. Den einen oder anderen Stern sollte man den anderen auch mal wegschnappen.


Was taugt es? Der Versuch, mehreres unter einen Hut zu bringen, nämlich eine oder vielleicht auch zwei Farben massiv und inklusive der Sterne zu sammeln, die Teile punkteträchtig anzuordnen, schnell und mehrfach in die Höhe zu bauen und dabei möglichst nur Steinbrüche zu überdecken, macht Spaß.
AKROPOLIS ist ein flott gespieltes, schön gradliniges und deshalb unkompliziertes taktisches Legespiel. Große Spielkontrolle empfinde ich nicht. Der Erfolg ist davon abhängig, welche Teile wann und an welcher Stelle in den Markt kommen. Im Verhältnis zur Spieldauer ist das durchaus passend, auch wenn sich für mich der anfängliche Reiz nicht ganz gehalten hat. Das Vorgehen der Spieler:innen wiederholt sich auf Dauer, es entstehen Automatismen, AKROPOLIS wird gleichförmig, eben weil die Entscheidungsfreiheit in einigen Situationen nicht so groß ist.
Die nüchterne Optik mag zu meiner emotionalen Zurückhaltung beitragen. Schließlich macht eine Spielwelt, die man immer wieder gerne anschaut, oft den Unterschied zwischen dem, was man erneut auf den Tisch bringen möchte, und dem, was nicht.


**** solide

AKROPOLIS von Jules Messaud für zwei bis vier Spieler:innen, Gigamic / Kobold Spieleverlag.