Freitag, 31. Juli 2015

Gern gespielt im Juli 2015

Was landete am häufigsten auf meinem Spieltisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?
Die Sommermonate, in denen kaum Neuheiten erscheinen, bezeichnet man gemeinhin als „Saure-Gurken-Zeit“. Das Paradoxe ist nun aber, dass gerade im Sommer weit weniger Gurken gespielt werden müssen als in anderen Monaten.

AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO: Den Schnorrer nehme ich schon aus Prinzip nicht, ärgere mich aber umso mehr, wenn er wieder gewinnt. Diese Mentalität sollte ich vielleicht mal fachkundig analysieren lassen.

THE GAME: Und schon wieder eine Manie! Seit mir ein gewisser Jemand gesteckt hat, dass er jede dritte bis vierte Solo-Partie gewinnt, denke ich, dass ich das auch schaffen müsste. Schaffe es aber nicht. Denke es trotzdem. Schaffe es aber nicht. Denke es trotzdem. Schaffe es aber nicht. Denke es trotzdem... und so weiter. Im Grunde kann ich den Sommer schon abhaken.

TRÄXX: Hat für meine Begriffe das bereits sehr gute WÜRFEL BINGO ausgestochen. Warum das so ist, werde ich demnächst hier etwas genauer beschreiben.

SANKT PETERSBURG: Das Fiese am neuen SANKT PETERSBURG ist: Ich besitze nun zwei SANKT PETERSBURG, und für jedes von beiden gibt es gute Argumente, um es zu behalten. Nur nicht den nötigen Regalplatz. (Falls es jemanden interessiert (und falls nicht, dann eben nur so als kleines Selbstgespräch): Die Ehre, dass ich zwei alternative Exemplare horte, wird ansonsten nur LÖWENHERZ und FUNKENSCHLAG zuteil.)

RA: Vor langer Zeit schrieb ein Kritiker: „Ägypten ist anders.“ Ich wäre mir da allerdings nicht ganz so sicher. Die Plättchen in meinem Spiel könnten durchaus noch aus der Epoche stammen.

DIE BURGEN VON BURGUND: In der letzten Partie dürfte ich einen neuen persönlichen Spielfeld-Befüllungs-Rekord aufgestellt haben. Zum Sieg reichte es trotzdem nicht, am Ende geht es nämlich angeblich um Punkte. Ach so!? Und warum sagt mir das keiner vorher?

Donnerstag, 30. Juli 2015

Beasty Bar

Wie schon sehr, sehr, sehr oft berichtet, lasse ich die Teilnehmer meiner öffentlichen und privaten Runden ihre gespielten Spiele benoten. Zweck des Ganzen ist nicht etwa die statistische Spielerei, neeeeiiiin! Sondern dass ich ein möglichst umfassendes Meinungsbild bekomme, selbst wenn ich nicht mitspiele.
Neben einigen Spielen, die fast alle toll bzw. fast alle doof finden, landen die meisten Spiele in der großen weiten „Ganz okay“-Grauzone. Und die Noten streuen tatsächlich so, wie Meister Gauß das einst in seiner Normalverteilung festgelegt hat.
BEASTY BAR indes ist der GAU des Gauß. Auch wenn im Durchschnitt doch wieder „ganz okay“ herauskommt, finden viele BEASTY BAR eben nicht „ganz okay“, sondern sind entweder Fan oder Anti-Fan. BEASTY BAR polarisiert in meinen Runden.
Ich selber finde es übrigens nicht ganz schlecht und auch nicht ganz gut, sondern – ganz okay! (Aufgerundet.)

Wie geht BEASTY BAR? Jeder von uns hat dieselben zwölf Tiere. Die Tiere wollen in die Bar. Wächst die Warteschlange auf fünf Tiere an, lässt der Gorilla die vordersten zwei hinein, der Hinterste kriegt einen Tritt und ist raus.
Wer am Zug ist, legt eine seiner vier Handkarten hinten an die Warteschlange. Jedes Tier hat so seine Tricks, die nun zur Anwendung kommen: Das Nilpferd drängelt sich an allen vorbei, die eine kleinere Zahl tragen. Das Chamäleon tut so, als wäre es wer anders. Das Stinktier pupst die zwei ranghöchsten Tierarten in die Flucht.
Sind die Kartenstapel aller Spieler durchgespielt, gewinnt der mit den meisten Tieren in der Bar.

Was passiert? BEASTY BAR erfordert zunächst einigen Erkläraufwand und später Regelfestigkeit. Jedes Tier hat eine andere Sofort-Eigenschaft. Zudem besitzen einige Tiere Permanent-Eigenschaften, die jede Runde ausgeführt werden müssen. Seltsamerweise enthält BEASTY BAR trotzdem nur exakt eine Übersichtskarte auf Deutsch. Die Kartengrafik versucht, das Informationsgebirge bestmöglich erklimmbar zu machen, allerdings ist sie nicht komplett selbsterklärend, und beim Affen fehlen Informationen.
Die Einstiegshürde ist somit recht hoch. Und der Gehalt des Spiels vergleichsweise niedrig: Stehen vor meinem Zug schon vier Karten Schlange, suche ich mir unter meinen Handkarten diejenige heraus, die mir den Eintritt in die Bar verschafft. Habe ich keine: Pech gehabt!
Wer selten (oder nie!) die Gelegenheit bekommt, die fünfte Karte spielen zu können, ist nahezu chancenlos. Denn alle Züge, die keine endgültigen Fakten schaffen, sind nicht viel mehr als Geplänkel. Schon das Tier des nächsten Spielers kann alles wieder umwerfen.
Zum Glück ist aber die Spielgeschichte extrem stark! Die Karten-Charaktere sind lustig gestaltet, die Eigenschaften passen. Und wenn ein kleines Tier die Großen in die Flucht schlägt, sorgt dies für Jubel und Applaus.
Einigen meiner Mitspieler ist völlig egal, ob sie Einfluss besitzen und am Ende gewinnen oder total den Bach runtergehen. Sie begreifen BEASTY BAR als reines Fun- und Chaos-Spiel und kringeln sich ob des charmanten Themas. Einige haben BEASTY BAR bereits für den Eigengebrauch oder als Geschenk gekauft. Es gibt also eine Zielgruppe. Ich gehöre nicht dazu.

Was taugt es? Für mein Empfinden stehen Aufwand (Regeln und Verwaltungsabläufe) in keinem guten Verhältnis zur spielerischen Substanz. Ich fühle mich durch BEASTY BAR gespielt und fragte mich, warum ich dafür nun so viele Regeln lernen muss.
Es tut nicht weh, BEASTY BAR zu spielen. Einen besonderen Wiederholungsreiz erlebe ich jedoch nicht. Andere (siehe oben) sehen das anders. Aber dies ist nun mal mein Blog. Und deshalb darf ich’s mäßig finden und finde es auch mäßig.

BEASTY BAR von Stefan Kloß für zwei bis vier Spieler, Zoch.

Samstag, 25. Juli 2015

Bad Bunnies

...Mensch, und nach Bernd hat jetzt auch noch Hilko Geburtstag! Alles Gute!
(So trifft es sich ja wirklich bestens, dass ich diesen Artikel nicht innerhalb meines angestrebten Acht-Tage-Intervalls fertig bekommen habe. Wenn ich’s nicht besser wüsste, würde ich sagen: Das kann kein Zufall sein.)

Wie geht BAD BUNNIES? Wir wollen unsere Handkarten loswerden. Wer die letzte Karte eines Durchgangs legen kann, erhält so viele Punkte, wie insgesamt Karten gespielt wurden.
Die Karten tragen Werte von eins bis 13. Wer spielt, sagt an, ob der Nächste eine höhere oder tiefere Zahl legen muss. Eine Dreizehn zu spielen und „höher“ zu sagen, setzt den Nachfolger natürlich etwas unter Druck, aber es gibt Auswege: Einsen und Siebenen sind Joker und dürfen (fast) immer gelegt werden. Außerdem darf man grundsätzlich dieselbe Karte spielen wie der Vorgänger. Dann sagt man „Doppelhoppel“, und fortan müssen alle „doppelhoppeln“, also denselben Zahlenwert legen. Nur eine Sieben hebt das Doppelgehoppel wieder auf.
Wer nicht legen kann oder will, steigt aus. Erreicht einer 60 Punkte, gewinnt er.

Was passiert? Mein Erfahrungsschatz zahlreicher Partien: Besitze ich viele Joker, habe ich gute Chancen, die Runde zu gewinnen. Habe ich wenige Joker, stehen meine Chancen schlecht.
Es kann aber trotzdem klappen, insbesondere wenn es gelingt, den Mitspielern das Doppelhoppeln aufzuzwingen. Womit aber nicht gesagt sein soll, dass man nennenswerten Einfluss hätte. Den hat man nicht – dafür aber Spaß. BAD BUNNIES ist emotional, die Entscheidungen sind schnell gefällt. Hopp oder top. Ich kann legen oder ich bin raus. Und eben weil es so schnell und witzig und schadenfreudig ist, unterhält es die Runde gut, nicht zuletzt wegen des schönen Ausrufs „Doppelhoppel!“
Wider Erwarten musste ich allerdings recht häufig beobachten, dass BAD BUNNIES Schwierigkeiten verursacht, die das Spiel bremsen. Erstens verwirren die unterschiedlichen Fähigkeiten der beiden Joker-Sorten. Zweitens verstehen viele Spieler bis zum Schluss nicht die komplizierte „Sonderregel Finale Karte“.

Was taugt es? Zwei Joker-Sorten zu unterscheiden, halte ich für intellektuell noch zumutbar. Und auch die Sonderregel wird gewiss ihren Grund haben. Allerdings verhindert sie in Kombination mit anderen Kleinigkeiten, dass das locker-leichte BAD BUNNIES von der Zielgruppe tatsächlich als locker-leicht wahrgenommen wird.
Das ist schade, denn in der Sparte der „Betrunken am Strand“-Spiele sehe ich bei BAD BUNNIES einiges Potenzial. Auch grafisch ist BAD BUNNIES sehr nett bzw. bad gemacht. Es wäre schade, wenn dieses Spiel schnell wieder unterginge.

BAD BUNNIES von Jacques Zeimet für zwei bis sechs Spieler, Schmidt.

Sonntag, 19. Juli 2015

Vor 20 Jahren (31): Geister

hm, ist wohl längere Zeit nicht in Gebrauch gewesen
Besonders gute Erinnerungen habe ich an bestimmte Übergangsphasen in meinem Leben. Zum Beispiel an die Monate zwischen Abitur und Studienbeginn oder an die Monate zwischen Zuvieldienst und Referendariat. Dass dies tatsächlich Monate waren, verdankte ich der (höflich ausgedrückt) vorwiegend gewinnorientierten Arbeitsorganisation meiner damaligen Dienststelle.

Wir Zivis wurden erstens für Dinge eingesetzt, die wir allein gar nicht hätten machen dürfen. Zweitens waren von den drei Zivi-Stellen mehrere Monate lang nur zwei besetzt. Das bedeutete, dass jeder Zivi jedes zweite Wochenende Dienst hatte (ohne Freizeitausgleich unter der Woche), was wiederum bedeutete, dass sich bei beiden unglaublich viele Überstunden ansammelten.

Wir wurden vertröstet, wenn erst der dritte Zivi komme, werde sich alles wieder regulieren. Aber der dritte Zivi kam nicht.
Und trotz vollgestopftem Dienstplan: Sobald sich ein neuer Patient anmeldete, der gute Einnahmen versprach, fanden wir zu unserem Erstaunen im Übergabebuch den hingekritzelten Befehl, dass von nun an montags bis freitags auch Herr XY noch je eine halbe Stunde unterzubringen sei. Wäre ich damals nicht schon Zyniker gewesen, hätte ich es werden können.

So geschah es also, dass mein Zuvieldienst schon zwei Monate vor dem eigentlichen Ende endete, weil ich meine Überstunden abfeierte und den Resturlaub nahm. Und so wiederum kam es zu dieser langen, schönen Übergangsphase, in der ich die Beine hochlegte und nicht viel tat. Eigentlich gar nichts. Und genau das war ja das Schöne.

Noch während des Zuvieldienstes hatte ich im Schaufenster eines Gebrauchtwarenladens für Kinderbedarf GEISTER entdeckt und das Spiel erworben. Ich kannte es noch aus meiner frühen Jugend und wusste, dass es ein gutes Spiel war – außer man verlor zu oft.

Ich erinnere mich nun an einen Sommerabend, irgendwann in dieser lauen Übergangsphase: Mit meinem damals besten Spielekumpel radelte ich zu den Badeteichen. Wir schwammen eine Runde, hinterher kam mein neues gebrauchtes GEISTER auf den Rasen. Diesmal war es genau anders herum als 15 Jahre zuvor. Diesmal war ich derjenige, der dauernd gewann. Und mein Gegenüber verzweifelte und entwickelte eine zunehmend GEISTER-kritische Haltung.

In meiner Erinnerung haben wir fast zwanzig Partien gespielt. Allerdings habe ich bereits damals meine gespielten Spiele notiert. Und ein Blick in meine Aufzeichnungen zeigt mir heute: Es waren bloß sieben. Wie erbärmlich! Eine meiner gefühlt größten Siegesserien verpufft bei näherem Hinsehen zur Bedeutungslosigkeit!

Vielleicht war also gar nicht immer alles so toll, wie man sich das hinterher zurechtlegt. Vielleicht waren selbst die vermeintlich schönen Übergangsphasen nur in der Rückschau entspannt, während man damals voller Unruhe schon ans drohende Referendariat dachte: In welche Stadt wird es mich verschlagen? Komme ich mit den Schülern klar? Wird die Jugend an meinen Lippen hängen, während ich die coolsten Geistergeschichten von den Stränden dieser Erde erzähle, oder muss ich für meine Prahlereien etwa extra ein Blog aufmachen?

Mittwoch, 15. Juli 2015

Queen’s Architect

Hurra, Bernd S. hat heute Geburtstag! Herzlichen Glückwunsch und alles Gute! Aber Bernd wird das hier gar nicht lesen, weil er überhaupt nicht weiß, dass es dieses Blog gibt. Was natürlich höchst bedauerlich ist, gerade vor dem Hintergrund, dass...
Aber nein, mehr dazu dann erst in etwa einem Jahr in der Rubrik „Vor 20 Jahren“. (Höhö. Wie man sieht, hat REZENSIONEN FÜR MILLIONEN die Trailer-Funktion der Einleitung entdeckt.)

Wie geht QUEEN’S ARCHITECT? Wir wollen den Palast der Königin bauen. Um uns dessen als würdig zu erweisen, müssen wir mit anderen Bauten vorab Ruhm sammeln. Oben auf der Anerkennungs-Skala angekommen, müssen wir in die Hauptstadt eilen und einen Handwerkertrupp im Wert von mindestens 15 Punkten mitbringen.
Für einen Schritt auf der Skala brauche ich vier bis neun Punkte (das ist variabel und wird zu Spielbeginn ausgelost). Eine Bau-Aktion kann bis zu 20 Punkte bringen. Ich darf mehrere Schritte gleichzeitig aufsteigen. Für überschüssige Punkte, die ich nicht in Schritte umwandeln kann oder will, erhalte ich Schuldscheine, die sich über Umwege zu Geld machen lassen.
Geld ist nötig, um Handwerker anzuwerben. Die allerdings haben eine begrenzte Lebensdauer und machen normalerweise höchstens sechs Einsätze mit. Besuche im Wirtshaus päppeln die erschlafften Schergen auf, aber auch das kostet schon wieder. Und Geld benötigen wir obendrein noch fürs Reisen.
Jeder Spieler hat ein Aktionsrondell und wählt seine Handlungen, indem er mit seiner Figur zum entsprechenden Feld zieht. Maximal drei Schritte weit. Es geht also nicht immer alles. Und schon gar nicht dieselbe Aktion zwei Mal hintereinander.
Gebaut wird so: Ich weise die in der Stadt erforderlichen Handwerker-Sorten vor, addiere die aktuellen Werte meiner gesamten (!) Handwerker, gehe auf der Skala voran und drehe alle Handwerker (es sind Sechseck-Plättchen) um eine Position in Richtung Ruhestand. Dadurch verändern sich ihre Werte, allerdings nicht zwangsläufig zum Negativen.
Eine Alternative zum Bauen ist Reparieren. Dazu verwende und drehe ich nur bis zu drei meiner Handwerker und addiere ihre Reparaturwerte. So kann ich auf maximal neun Punkte kommen.

Was passiert? Die Gestaltung der Handwerker als Sechseck-Plättchen ruft ungeahnte Probleme hervor: Viele meiner Mitspieler haben Schwierigkeiten, die Plättchen korrekt an den Aktionsstern anzulegen und richtig herum zu drehen. Manche Spieler müssen auch probehalber drehen, um nachvollziehen zu können, wie sich die Werte der Handwerker nach einer Bau-Aktion verändern werden. Dass die Handwerker obendrein einen Wert für Reparaturen besitzen, verwirrt zusätzlich, und so startet das Spiel von Anfang an holprig und hakelig.
Bei aller Abspeckung, die QUEEN’S ARCHITECT im Laufe seiner Entwicklung erfahren haben mag: Es enthält immer noch zu viele Kanten und Sonderregeln. Diverse Kleinigkeiten werden häufig übersehen oder vergessen (Preismarker verschieben, keinen Handwerker doppelt besitzen, Geldsack-Symbole).
Die Reparatur-Aktion erweist sich als überraschend stark. Sie erfordert kein Reisen und verbraucht weniger Handwerker als das Bauen. Sofern es beim Bauen nicht gerade für mehrere Skalen-Aufstiege reicht, ist das Reparieren meist die bessere Wahl. Und wenn man das erst mal kapiert, fragt man sich, warum der Spielplan so groß ist und so viele Bauorte hat. (In meiner letzten Partie habe ich drei Schritte durch Reparieren und je zwei Mal drei Schritte durch Bauen gemacht. 16 der 18 Orte waren für mich also – außer zum Durchreisen – bedeutungslos.)

Was taugt es? QUEEN’S ARCHITECT ist ein Optimierspiel, bei dem es aufs Tempo ankommt. Zwar bringt mich jede Aktion voran, aber jede Aktion kostet auch Zeit, weshalb ich Aktionen mit nur geringem Nutzen strikt vermeiden sollte.
Die Spieler interagieren kaum. Jeder tüftelt vor sich hin und versucht, ein paar Prozente herauszuholen, indem er seine Handwerker so arrangiert, dass sie im richtigen Moment die besten Werte haben.
In diesem durch und durch auf Berechnung beruhenden Ablauf gibt es einen krachenden Glücksfaktor: Taucht eine Handwerkersorte am Markt lange nicht auf, werden Spieler, denen dieser Handwerker fehlt, zu Notaktionen gezwungen. Die so verlorene Zeit lässt sich schwer wieder aufholen.
Die Konzeption des Spiels als Wettrennen und die Idee, dass Handwerker altern und in ihrer Leistungsfähigkeit schwanken, gefallen mir. Die guten Ansätze bleiben spielmechanisch und redaktionell allerdings unvollendet.

QUEEN’S ARCHITECT von Volker Schächtele für zwei bis vier Spieler, Queen Games.

Donnerstag, 9. Juli 2015

Kraftwagen

o Tüüt, tüüt!
o Brumm, brumm!
o Weder – noch.
Da Einleitungen von einem Großteil meiner Leserschaft (also von zwei oder drei People) hartnäckig gefordert werden, mir aber die Zeit für eloquente Editorials fehlt, möge sich der geneigte Leser unter den drei hingeworfenen Varianten seine persönliche Einleitung einfach aussuchen.

Wie geht KRAFTWAGEN? Wir bauen und verkaufen Autos. Ein Auto braucht eine Karosserie, einen Motor und mindestens einen Mechaniker. Im Moment der Konstruktion legt ein Spieler auch gleich den Preis (in Siegpunkten) fest, den er für das Auto erzielen möchte.
Im Laufe eines Durchganges sammeln sich Kunden. Sie wollen entweder das Auto mit der besten Karosserie, dem besten Motor, den meisten Mechanikern oder dem niedrigsten Preis kaufen. Am Ende des Durchgangs kauft jeder der (üblicherweise vier) Kunden einen der (üblicherweise sechs) angebotenen Wagen. Der Konstrukteur erhält die Siegpunkte. Unverkaufte Wagen sind genauso verloren wie verkaufte Wagen.
Für die Aktionsauswahl benutzt Matthias Cramer erneut sein Aktionsrondell aus GLEN MORE. Immer der Hinterste ist am Zug und darf auf dem Pfad zu einer Aktion, Doppelaktion oder gar Tripelaktion seiner Wahl hüpfen. Wer weit springt, muss länger warten, bis er wieder an die Reihe kommt.
Aktionen können erwartungsgemäß sein: Karosserie bauen, Motor bauen, Mechaniker anwerben, Kunde platzieren. Sowie: Grand Prix fahren (jeder Spieler besitzt ein Rennauto, in das er Motoren einbauen und bei Wettrennen Extrapunkte verdienen kann) oder Forschungskarte nehmen. Die Forschungskarten bringen entweder Ingenieure (Sonderfähigkeiten) oder erhöhen das Knowhow fürs Bauen von Karosserien / Motoren.

Was passiert? Die Aktionswahl zwingt zu interessanten Entscheidungen: Attraktive Doppelaktionen liegen meist ein paar Felder entfernt, und alle übersprungenen Aktionen überlasse ich kampflos den Mitspielern. Zögere ich allerdings und lege einen Zwischenschritt ein, kann es passieren, dass ein anderer die eigentlich gewünschte Aktion abgreift.
Zu viert ist dieses Dilemma weniger ausgeprägt als zu dritt; ein weiter Sprung ist hier nicht ganz so bedenklich, denn 1. sind noch immer drei andere hinten, die sich gegenseitig bekabbeln, 2. frisst sich die Karawane ohnehin schneller durch den Parcours.
Den Markt empfinde ich als das schönste Spielelement: reizvoll, aber auch knallhart. Fehlentscheidungen lassen sich nicht korrigieren. Da glaube ich, ganz sicher das Auto mit der besten Karosserie zu haben, und platziere das höchste Preisplättchen. Doch dank glücklich erworbener Forschungskarten zieht ein anderer Spieler noch unerwartet gleich, und der blöde Kunde kauft dessen Schrottkarre statt meines Nobelmodells (bei Gleichstand wird immer das billigere Auto verkauft).
Weil die Kunden in der Reihenfolge ihrer Platzierung kaufen, ergeben sich manchmal unerwartete, aber interessante Wendungen, weil beispielsweise das Auto mit dem stärksten Motor schon von dem Kunden gekauft wird, der Wert auf viele Mechaniker legt, weshalb dem Motor-Fetischisten nur das Auto mit dem zweitbesten Motor bleibt, obwohl es sogar viel teurer ist. Wer seine Autos spät auf den Markt bringt, hat oft mehr Kontrolle. Andererseits zwingen volle Lagerhallen manchmal schon früher zum Handeln. Außerdem reduziert sich am Ende des Durchgangs die Auswahl bei den Preisplättchen.

Was taugt es? Zu viert rauscht eine Partie durch, und das Gefühl, Einfluss zu haben, ist nicht sonderlich groß. Aber auch zu dritt können sich ganz erhebliche Punkteunterschiede ergeben, was wohl ein Indiz dafür ist, dass es mehr oder weniger unverschuldet mal ziemlich blöd oder mal ganz besonders prächtig laufen kann.
Schicksal spielen vor allem die Fortschrittskarten. Immer zwei stehen zur Auswahl. Oft bringt zumindest eine der Karten klar mehr als jede andere Aktion. Pech für den, der gerade schön auf die Fortschritt-Aktion hüpfen könnte, aber genau in diesem Moment nichts Hilfreiches vorfindet... Insgesamt sind mir die Forschungskarten in KRAFTWAGEN zu dominant.
Auf Dauer finde ich die Partien deshalb nicht sehr abwechslungsreich, den Markmechanismus aber trotzdem hinreichend schön, so dass ich, wenn schnell gespielt wird, gerne dabei bin. Am liebsten zu dritt. KRAFTWAGEN ist ein solides Mittelgewicht. Besonders gut gefällt mir die Gestaltung durch Harald Lieske.

KRAFTWAGEN von Matthias Cramer für zwei bis vier Spieler, Blackfire.