Gerne zu spielen bedeutet leider nicht, immer auch Spaß daran zu haben. Denn es gibt Phänomene wie TRIVIAL PURSUIT. Aus Sicht derer, die nicht so viel spielen, ist TRIVIAL PURSUIT kein Phänomen, sondern ebenfalls ein Spiel. Und ich befürchte: sogar eines der besten.
Ein paar Mal habe ich mitgespielt, freiwillig und gerne. Als aufstrebender Oberstufenschüler wollte ich mit meinem Universalwissen eben nicht hinter dem Berg halten. Außerdem gebe ich zu: TRIVIAL PURSUIT sah wirklich aus wie ein Spiel, täuschend echt imitiert.
Tatsächlich aber spielte man gar nicht. Sondern saß da und starrte ins Leere, bis man wieder an die Reihe kam. Währenddessen zogen die Mitstreiter auf Felder und kriegten Fragen und überlegten. Und überlegten noch länger und irgendwann wussten sie die Antwort vielleicht, bekamen aber nicht einmal ein Tortenstück dafür, weil sie dummerweise auf einem der vielen bedeutungslosen Felder standen. Zur Belohnung durften sie jedoch ein weiteres Mal würfeln, zogen erneut auf Felder, kriegten neue Fragen und überlegten von vorn.
Statt zu spielen versank ich unwillkürlich in leichten Schlummer und träumte von Golfbällen auf dem Mond oder dem 1959er Welthit von Rocco Granata. TRIVIAL PURSUIT lieferte mir einen schrecklichen Vorgeschmack auf das Altersheim. Genau so musste sich das anfühlen.
Meine Mitspieler verstanden mich nicht:
„Du willst doch sonst immer spielen“, wunderten sie sich, wenn ich Verteidigungshaltung annahm, weil schon wieder irgendjemand die dunkelgrüne Schachtel im Anschlag hatte.
„Du willst doch sonst immer spielen.“ Das war definitiv ein Vorwurf.
„Du willst doch sonst immer spielen.“ Für ihr wundervolles Entgegenkommen erwarteten meine Freunde offenbar Dankbarkeit.
Ächz!
TRIVIAL PURSUIT war nicht der einzige Rückschlag auf meinem Weg zum Spieler: Mehrfach hatte ich mir von meinem Cousin DAS SPIEL DER NATIONEN ausgeliehen. Das hatte als Spielfiguren (unter anderem) kleine Panzer. Es gab Öltanker, Pipelines, eine Landkarte, Ereigniskarten und Spielgeld mit unglaublich vielen Nullen. Außerdem war das Spiel von Parker und es gehörte meinem hoch verehrten Cousin. - Nach allem, was mir damals an Urteilskraft über Spiele zur Verfügung stand, war DAS SPIEL DER NATIONEN theoretisch ein ganz großer Wurf. Nur der Praxistest haperte jedes Mal.
Auch als Kind gab es schlimme Enttäuschungen. In unserem kleinen Dorf-Supermarkt hatte ich LETRA-MIX entdeckt und mir von meinem Taschengeld gekauft. Welche Erwartungen ich auch immer an dieses Spiel geknüpft haben mag: Es hat sie nicht erfüllt. Die einzige Partie, an die ich mich erinnere, spielte ich mit meinem Onkel, und sie machte keinen Spaß. Er bildete Wörter, von denen ich noch nie gehört hatte, und behauptete, es gäbe sie.
Schließlich das MAD-SPIEL, das ich als treuer Leser dieser Zeitschrift unbedingt haben musste. Ich bekam es auch, obwohl mein Vater ausdrücklich prophezeite, es würde nichts taugen. Zu einer einzigen Partie konnte ich ihn überreden, und hinterher sah er sich in seiner Meinung voll bestätigt. Objektiv gesehen hatte er möglicherweise vielleicht sogar ein kleines bisschen Recht, doch ein Spiel, um das ich so lange gebettelt hatte, konnte ich unmöglich kampflos aufgeben. Das MAD-SPIEL durfte nicht doof sein! Ich spielte es deshalb noch mehrere Male. Das war Zeitverschwendung, diente aber der seelischen Bewältigung. „Aktive Trauerarbeit“ nennt man das heute, und die Psychologen sagen, es sei sehr gesund.