Bei einem Bombenspiel eine zündende Einleitung zu schreiben, hätte ich für zu gefährlich gehalten.
Wie geht BOMB BUSTERS? Irgendjemand Verrücktes droht mit einer Bombe. Wir sollen die Bombe kooperativ entschärfen. Also tages- und weltpolitisch alles, wie aus dem Leben gegriffen.
BOMB BUSTERS enthält 66 Missionen mit steigendem Schwierigkeitsgrad. Oder genauer: mit vermutlich steigendem Schwierigkeitsgrad. Was heißen soll: Für die Missionen, die ich gespielt habe, kann ich das so bestätigen. Ich bin aber längst noch nicht mit allem durch. (Muss ich auch nicht, um zu wissen, was ich von BOMB BUSTERS halte.)
In der ersten Mission sind Zahlenplättchen von eins bis sechs im Spiel, jedes viermal. Wir mischen sie verdeckt, teilen sie auf und stellen sie in aufsteigender Folge auf unsere Ablagebänkchen. Nur ich kann meine Zahlen sehen. Eins meiner Plättchen markiere ich mit einem Zahlenchip, so dass nun alle wissen: Aha, das da ist eine Drei.
Bin ich am Zug, wähle ich das Plättchen einer Mitspieler:in und gebe einen Tipp ab, um welche Zahl es sich handelt. Tippe ich richtig, legt die Mitspieler:in ihr Plättchen offen aus, und ich spiele ein Plättchen derselben Zahl von meinem Bänkchen herunter. Was bedeutet, dass ich nur Zahlen raten darf, die ich selbst auch besitze.
Tippe ich falsch, kostet das unsere Gruppe ein Leben, und allzu viele Leben haben wir nicht. Aber immerhin darf die Mitspieler:in nun bekannt geben, um welche Zahl es sich tatsächlich handelt. Und wenn die anderen mitdenken, wissen sie nun, welche Zahl ich irgendwo besitze, denn besäße ich sie nicht, hätte ich sie ja nicht raten dürfen.
„Raten“ ist aber eigentlich das falsche Wort. Denn normalerweise raten wir nicht. Sondern wir wissen. Oder vermuten zumindest. BOMB BUSTERS ist ein Deduktionsspiel. Aus der Sortierung der Plättchen von klein nach groß kann ich Rückschlüsse ziehen. Ich weiß, welche Zahlen schon geraten wurden und welche noch im Spiel sind. Ich berücksichtige Wahrscheinlichkeiten. Und das Spielverhalten der anderen lässt Rückschlüsse auf ihre Zahlenwerte zu.
Was passiert? In den ersten Partien neigen viele Mitspieler:innen noch dazu, ihren eigenen Zug nur irgendwie fehlerfrei hinter sich zu bringen. Je geübter die Gruppe ist, desto mehr denkt man für die anderen mit: Wie mache ich einen fehlerfreien Zug UND gebe damit neue verwertbare Informationen?
Schon bei Spielbeginn ist die Frage, welche meiner Zahlen ich benenne, eine wichtige Entscheidung. Ich kann anzeigen, dass ich überwiegend hohe oder überwiegend niedrige Werte habe. Ich kann die Stelle in meiner Zahlenreihe markieren, von der aus sich meine Mitspieler:innen am besten vorantasten. Ich kann potenzielle Gefahren andeuten.
Auch Timing kann entscheidend sein. Statt eines Rateversuchs darf ich auch einfach Zahlen aus meinem Halter herauslegen – sofern ich alle dieser Sorte besitze. Also entweder alle vier gleichen Zahlen oder die verbliebenen zwei, nachdem das erste Paar gefunden wurde. Es scheint nahezuliegen, diesen Zug bei erstbester Gelegenheit auszuführen. Falls ich dadurch wichtige Informationen gebe, sollte ich das auch machen. Wenn aber sowieso schon alle wissen, dass die verbliebenen Zahlen bei mir stehen, gibt es vielleicht einen für das Team besseren Zug.
Die Missionen werden, wie gesagt, schwieriger. Bald gehen die Zahlen von eins bis zwölf, und es kommen noch gelbe (die sind schwerer zu knacken) und rote Plättchen hinzu (die sind noch schwerer zu knacken und obendrein sehr gefährlich). Wir schalten hilfreiche Gegenstände frei (die wir dann auch brauchen). Wir müssen die Zahlen in einer bestimmten Reihenfolge erraten. Und immer so weiter. Die Missionen, die ich bislang gespielt habe, empfand ich als gelungene Variationen: stets ein bisschen anders als das davor, aber nicht so sehr, dass man viele neue Regeln erlernen muss oder BOMB BUSTERS sich womöglich von seinem eigentlichen Kern entfernt.
Was taugt es? BOMB BUSTERS fühlt sich an wie eine Mischung aus DA VINCI CODE, SUDOKU und HANABI. DA VINCI CODE wegen der aufsteigenden Zahlen und der Deduktionsaufgabe. SUDOKU wegen der Art, wie man sich innerhalb des Rätsels immer weiter vorantastet und wie eine erfolgreich ermittelte Zahl hilft, um weitere Zahlen zu entschlüsseln. Und HANABI schließlich wegen der Kooperation bei limitierter Kommunikation.
Es sind immer mindestens vier Plättchenhalter im Spiel. Sind wir weniger als vier Personen, müssen manche von uns (oder alle) zwei Plättchenhalter gleichzeitig bedienen. Mein Verdacht, das sei deutlich weniger reizvoll, hat sich bislang nicht bestätigt. Zu dritt, wenn eine Person mit der doppelten Menge Plättchen spielen muss, bringt das sogar einen Zusatzkniff. Die Spieler:in mit zwei Plättchenhaltern weiß viel mehr als die beiden anderen und muss, weil sie trotzdem nicht mehr Spielzüge hat, besonders gut abwägen, wie sie diese Informationen nutzt und teilt.
BOMB BUSTERS hat in den meisten meiner Gruppen sofort Begeisterung ausgelöst. Viele Spieler:innen mochten nicht so schnell wieder aufhören, sondern haben nach einer Mission gleich noch die nächste gespielt. Und dann die danach.
Der Einstieg ist leicht, die Regeln sind einfach. Ohne lange Vorlaufzeit passiert sehr schnell viel Spannendes. Es gibt immer wieder knifflige Momente, in denen jemand ein Risiko eingehen muss. Niemand besitzt Vollinformationen, es kommt auf jedes einzelne Teammitglied an. Wenn man dranbleibt und mitdenkt, wird man gemeinsam besser. Man feiert Erfolge.
Ich war Fan von HANABI und SKY TEAM, nun bin ich Fan von BOMB BUSTERS. Kooperative Spiele, in denen wir Teilwissen besitzen und eingeschränkt kommunizieren, um zu einem gemeinsamen Erfolg zu kommen, treffen bei mir offenbar einen Nerv. Ich glaube, Immersion erlebe ich am intensivsten, wenn kooperative Spiele von uns allen eine gewisse Mündigkeit verlangen und wir deswegen an einer Aufgabe wirklich als Team wachsen.
Lediglich die Materialausstattung gefällt mir nicht so. Alles ist recht klein, die Zahlenplättchen stehen enger beisammen, als es optimal wäre. Die Handhabung ist fummelig, die Bänkchen kommen mir billig vor. Schön wäre es, auf ihrer Rückseite ließe sich erkennen, auf welcher Seite die großen und auf welcher die kleinen Zahlen sind. Liegen erst mal Plättchen aus, braucht man diese Hilfe nicht mehr. Vorher jedoch sind schon Teilnehmer:innen durcheinandergekommen.
****** außerordentlich
BOMB BUSTERS von Hisashi Hayashi für zwei bis fünf Spieler:innen, Pegasus Spiele.