Donnerstag, 31. Oktober 2024

Gern gespielt im Oktober 2024

ENDEAVOR – DIE TIEFSEE: Eintauchen lohnt sich.

VERRÄTER AN BORD: Dito – aber nur, wenn man jemanden vom Gegenteam erwischt.

FAIRY RING: Das Spielkonzept erinnert mich sehr an MONOPOLY. Aber weil es Feen sind, die den Parcours entlangziehen, und wir Mana statt Money einsacken, ist es sicherlich ganz anders gemeint.

TIME TROUBLE: Ich hätte nie gedacht, eines Tages im Team mit unter anderem einer Cyberqualle Fluffys aufzulesen. Aber ich hätte auch nie gedacht, eines Tages Spielekritiker zu sein. Manchmal nimmt das Leben eben absurde Wendungen.

KRAKEL ORAKEL: Wer ein bisschen malen kann, fühlt sich durch die Krakeltafeln vermutlich eingeschränkt. Ich dagegen blühe auf. Mit einer derart hilfreichen Unterlage hätte ich es im Kunstunterricht möglicherweise auf eine Drei bringen können!



UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM OKTOBER:

BOMB BUSTERS: Das erste Bumm des jungen Spieljahrgangs.






Freitag, 25. Oktober 2024

Bomb Busters

Bomb Busters: Cover

Bei einem Bombenspiel eine zündende Einleitung zu schreiben, hätte ich für zu gefährlich gehalten.

Wie geht BOMB BUSTERS? Irgendjemand Verrücktes droht mit einer Bombe. Wir sollen die Bombe kooperativ entschärfen. Also tages- und weltpolitisch alles, wie aus dem Leben gegriffen.
BOMB BUSTERS enthält 66 Missionen mit steigendem Schwierigkeitsgrad. Oder genauer: mit vermutlich steigendem Schwierigkeitsgrad. Was heißen soll: Für die Missionen, die ich gespielt habe, kann ich das so bestätigen. Ich bin aber längst noch nicht mit allem durch. (Muss ich auch nicht, um zu wissen, was ich von BOMB BUSTERS halte.)
In der ersten Mission sind Zahlenplättchen von eins bis sechs im Spiel, jedes viermal. Wir mischen sie verdeckt, teilen sie auf und stellen sie in aufsteigender Folge auf unsere Ablagebänkchen. Nur ich kann meine Zahlen sehen. Eins meiner Plättchen markiere ich mit einem Zahlenchip, so dass nun alle wissen: Aha, das da ist eine Drei.

Bomb Busters: Bänkchen

Bin ich am Zug, wähle ich das Plättchen einer Mitspieler:in und gebe einen Tipp ab, um welche Zahl es sich handelt. Tippe ich richtig, legt die Mitspieler:in ihr Plättchen offen aus, und ich spiele ein Plättchen derselben Zahl von meinem Bänkchen herunter. Was bedeutet, dass ich nur Zahlen raten darf, die ich selbst auch besitze.
Tippe ich falsch, kostet das unsere Gruppe ein Leben, und allzu viele Leben haben wir nicht. Aber immerhin darf die Mitspieler:in nun bekannt geben, um welche Zahl es sich tatsächlich handelt. Und wenn die anderen mitdenken, wissen sie nun, welche Zahl ich irgendwo besitze, denn besäße ich sie nicht, hätte ich sie ja nicht raten dürfen.
„Raten“ ist aber eigentlich das falsche Wort. Denn normalerweise raten wir nicht. Sondern wir wissen. Oder vermuten zumindest. BOMB BUSTERS ist ein Deduktionsspiel. Aus der Sortierung der Plättchen von klein nach groß kann ich Rückschlüsse ziehen. Ich weiß, welche Zahlen schon geraten wurden und welche noch im Spiel sind. Ich berücksichtige Wahrscheinlichkeiten. Und das Spielverhalten der anderen lässt Rückschlüsse auf ihre Zahlenwerte zu.


Bomb Busters: Bänkchen von hinten

Was passiert? In den ersten Partien neigen viele Mitspieler:innen noch dazu, ihren eigenen Zug nur irgendwie fehlerfrei hinter sich zu bringen. Je geübter die Gruppe ist, desto mehr denkt man für die anderen mit: Wie mache ich einen fehlerfreien Zug UND gebe damit neue verwertbare Informationen?
Schon bei Spielbeginn ist die Frage, welche meiner Zahlen ich benenne, eine wichtige Entscheidung. Ich kann anzeigen, dass ich überwiegend hohe oder überwiegend niedrige Werte habe. Ich kann die Stelle in meiner Zahlenreihe markieren, von der aus sich meine Mitspieler:innen am besten vorantasten. Ich kann potenzielle Gefahren andeuten.
Auch Timing kann entscheidend sein. Statt eines Rateversuchs darf ich auch einfach Zahlen aus meinem Halter herauslegen – sofern ich alle dieser Sorte besitze. Also entweder alle vier gleichen Zahlen oder die verbliebenen zwei, nachdem das erste Paar gefunden wurde. Es scheint nahezuliegen, diesen Zug bei erstbester Gelegenheit auszuführen. Falls ich dadurch wichtige Informationen gebe, sollte ich das auch machen. Wenn aber sowieso schon alle wissen, dass die verbliebenen Zahlen bei mir stehen, gibt es vielleicht einen für das Team besseren Zug.

Bomb Busters: Ablageplan

Die Missionen werden, wie gesagt, schwieriger. Bald gehen die Zahlen von eins bis zwölf, und es kommen noch gelbe (die sind schwerer zu knacken) und rote Plättchen hinzu (die sind noch schwerer zu knacken und obendrein sehr gefährlich). Wir schalten hilfreiche Gegenstände frei (die wir dann auch brauchen). Wir müssen die Zahlen in einer bestimmten Reihenfolge erraten. Und immer so weiter. Die Missionen, die ich bislang gespielt habe, empfand ich als gelungene Variationen: stets ein bisschen anders als das davor, aber nicht so sehr, dass man viele neue Regeln erlernen muss oder BOMB BUSTERS sich womöglich von seinem eigentlichen Kern entfernt.

Was taugt es? BOMB BUSTERS fühlt sich an wie eine Mischung aus DA VINCI CODE, SUDOKU und HANABI. DA VINCI CODE wegen der aufsteigenden Zahlen und der Deduktionsaufgabe. SUDOKU wegen der Art, wie man sich innerhalb des Rätsels immer weiter vorantastet und wie eine erfolgreich ermittelte Zahl hilft, um weitere Zahlen zu entschlüsseln. Und HANABI schließlich wegen der Kooperation bei limitierter Kommunikation.
Es sind immer mindestens vier Plättchenhalter im Spiel. Sind wir weniger als vier Personen, müssen manche von uns (oder alle) zwei Plättchenhalter gleichzeitig bedienen. Mein Verdacht, das sei deutlich weniger reizvoll, hat sich bislang nicht bestätigt. Zu dritt, wenn eine Person mit der doppelten Menge Plättchen spielen muss, bringt das sogar einen Zusatzkniff. Die Spieler:in mit zwei Plättchenhaltern weiß viel mehr als die beiden anderen und muss, weil sie trotzdem nicht mehr Spielzüge hat, besonders gut abwägen, wie sie diese Informationen nutzt und teilt.

Bomb Busters: Missionen

BOMB BUSTERS hat in den meisten meiner Gruppen sofort Begeisterung ausgelöst. Viele Spieler:innen mochten nicht so schnell wieder aufhören, sondern haben nach einer Mission gleich noch die nächste gespielt. Und dann die danach.
Der Einstieg ist leicht, die Regeln sind einfach. Ohne lange Vorlaufzeit passiert sehr schnell viel Spannendes. Es gibt immer wieder knifflige Momente, in denen jemand ein Risiko eingehen muss. Niemand besitzt Vollinformationen, es kommt auf jedes einzelne Teammitglied an. Wenn man dranbleibt und mitdenkt, wird man gemeinsam besser. Man feiert Erfolge.
Ich war Fan von HANABI und SKY TEAM, nun bin ich Fan von BOMB BUSTERS. Kooperative Spiele, in denen wir Teilwissen besitzen und eingeschränkt kommunizieren, um zu einem gemeinsamen Erfolg zu kommen, treffen bei mir offenbar einen Nerv. Ich glaube, Immersion erlebe ich am intensivsten, wenn kooperative Spiele von uns allen eine gewisse Mündigkeit verlangen und wir deswegen an einer Aufgabe wirklich als Team wachsen.
Lediglich die Materialausstattung gefällt mir nicht so. Alles ist recht klein, die Zahlenplättchen stehen enger beisammen, als es optimal wäre. Die Handhabung ist fummelig, die Bänkchen kommen mir billig vor. Schön wäre es, auf ihrer Rückseite ließe sich erkennen, auf welcher Seite die großen und auf welcher die kleinen Zahlen sind. Liegen erst mal Plättchen aus, braucht man diese Hilfe nicht mehr. Vorher jedoch sind schon Teilnehmer:innen durcheinandergekommen.


****** außerordentlich

BOMB BUSTERS von Hisashi Hayashi für zwei bis fünf Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Montag, 21. Oktober 2024

Intarsia

Intarsia: Cover

Hätte ich mir jetzt mit Gewalt eine Einleitung ausgedacht, sie wäre mit Sicherheit hölzern geworden.

Wie geht INTARSIA? INTARSIA ist ein Legespiel mit besonders schönen Holzornamenten. Alle Ornamentteile kosten entsprechend ihrer aufsteigenden Wertigkeit eine, zwei, drei oder vier Karten derselben Farbe. Der Clou des Spiels ist, dass ich direkt nach dem Bauen neue Karten meiner Wahl nehmen darf, allerdings eine weniger, als das Teil gekostet hat, und in einer anderen Farbe. Mit jedem Bau treffe ich also auch schon eine Festlegung für kommende Bauaktivitäten.

Intarsia: Tableau

Es gibt natürlich Legeregeln (alles muss aneinandergrenzen, Ornamente müssen von außen nach innen gebaut werden), aber weniger diese Vorgaben schränken mich ein, sondern mehr meine Kartenhand. Ich muss zielgerichtet sammeln, um die nötige Kartenmenge einer Farbe zusammenzubekommen; ein allzu buntes Blatt will ich vermeiden.
Jede Bauaktion kostet mich unter dem Strich eine Karte. Kombiniere ich meine Karten gut, kann ich mit meinen zehn Karten pro Runde zehnmal bauen. Muss ich auf den Notbehelf zurückgreifen, eine fehlende Farbkarte durch zwei beliebige andere zu ersetzen, werde ich einmal weniger bauen. Denn kostet etwas nominell drei Karten, erhalte ich trotzdem nur zwei neue, selbst wenn ich vier oder mehr Karten eingesetzt habe.
Niemand würde ein Parkett verlegen, gäbe es keine Punkte dafür. Also gibt es Punkte: Die Zwischenwertungen belohnen, dass ich mich auf meiner Legefläche ausbreite, die Schlusswertung, dass ich mich auf wenige Ornamente konzentriere und sie komplettiere. Zwischen diesen beiden Extremen liegt die dritte Wertungsmöglichkeit: „Werkzeugplättchen“.
Solche Plättchen enthalte ich, wenn ich einen bestimmten Baufortschritt als Erster oder Zweiter erreiche, beispielsweise soll ich zwei rote Ornamente begonnen oder bei drei gelben Ornamenten schon mindestens bis zum zweiten Teil gekommen sein. Bereits gesammelte Plättchen punkten erneut, sobald ich ein weiteres mit demselben Werkzeugsymbol erhalte.

Intarsia: Werkzeuge

Es wäre also naheliegend, immer auf Plättchen der Sorten abzuzielen, die ich schon besitze. Aber genau das ist nicht so einfach, weil ich jedes Plättchen eines Werkzeug-Sets mit einer andere Baufarbe gewinne. Während also Zwischen- und Endwertung sture Zielgerichtetheit belohnen, erfordern die Werkzeuge Flexibilität.

Was passiert? INTARSIA hat einen klaren Rhythmus. Ich baue, ich nehme Karten, und vielleicht werte ich dann noch. Wegen des Wettrennens auf die Werkzeugplättchen beobachte ich auch die Baufortschritte der anderen, um nicht versehentlich Ziele anzupeilen, die andere voraussichtlich schneller erreichen. Oder um mich zwischen zwei Baumöglichkeiten für die dringendere zu entscheiden. Mit schwindenden Baukarten verringern sich meine Möglichkeiten aber. Oft ist schon für mehrere Züge klar, welche Kombination ich spiele und welche Karten ich mir dann nehmen werde und was ich dann spiele.

Intarsia: Karten

Sachte durchbrochen wird dieses Schema durch einen Rondellmechanismus. Baue ich für vier Karten, darf ich mir nicht irgendwelche drei Karten nehmen, sondern ziehe mit der gemeinsamen Figur einen oder zwei Schritte auf dem Rondell weiter. Das erreichte Feld bestimmt, welche drei Karten ich nun bekomme. Hier das Passende zu erwischen, erfordert Timing – sofern mir Timing möglich ist. Irgendwann muss ich meine Viererkombination nun mal spielen, selbst wenn es gerade nicht so gut passt. Der gemeinsam gesteuerte Spielstein auf dem Rondell ist ein winziger Chaosfaktor in diesem ansonsten nahezu zufallsfreien Spiel.

Was taugt es? Positiv ist mir aufgefallen, dass in INTARSIA höchst unterschiedliche und auch extreme Strategien zum Erfolg führen können. Allerdings erlebe ich wenig Spannung dabei, diese Strategien zu spielen. Egal, ob ich auf maximale Ausbreitung oder vollendete Ornamente spiele: Es fühlt sich immer schematisch an, INTARSIA verläuft gleichförmig und höhepunktarm. Damit kommt es tatsächlichem Parkettbauen vermutlich näher als AZUL dem tatsächlichen Fliesenlegen.
Letztendlich spielt das Thema nur eine untergeordnete Rolle. INTARSIA ist auf Unvollkommenheit angelegt, niemand wird sein Parkett bis zum Spielende auch nur annähernd fertigbauen. Das ist auch gar nicht das Ziel. Mit dem hübschen Material unternehmen wir wenig. Wir legen es lediglich auf exakt vorgegebene Orte des eigenen Spieltableaus. Denn die schönen Holzteile sind nur Anzeiger. Man hätte das Spielkonzept auch wesentlich weniger aufwendig umsetzen können, beispielsweise mit Pyramidenebenen.
Natürlich ist es in dieser Umsetzung viel schöner. Und vielleicht stand die Idee dahinter, ein Erfolgsrezept zu wiederholen: Nachdem uns Michael Kiesling in AZUL mit sehr hübsch gestalteten Kunststoffteilen Wände fliesen ließ, sind nun und mit wunderbaren Holzteilen die Fußböden an der Reihe.
Mechanisch haben AZUL und INTARSIA aber nicht viel gemeinsam. Und auch der Spielreiz klafft auseinander. In AZUL wäge ich ab, bin hin- und hergerissen, spekuliere und hoffe. In INTARSIA plane ich eher emotionslos vor mich hin. Ich spiele meinen Stiefel runter.


*** mäßig

INTARSIA von Michael Kiesling für zwei bis vier Spieler:innen, Deep Print Games / Pegasus Spiele.

Mittwoch, 16. Oktober 2024

MFG

MFG: Cover

TMLAADGEKE.

Wie geht MFG? Wir merken uns (genauer: wir versuchen es!) umschreibende Buchstaben-Abkürzungen zu verschiedenen Objekten. In der ersten Spielphase erhalten wir reihum ein Bildplättchen und drei Buchstaben zugeteilt. Vielleicht zeigt mein Bild einen Koffer, und die geforderte Buchstabenkombination lautet EZU. Jetzt muss ich einen Drei-Wort-Slogan mit exakt diesen Anfangsbuchstaben ersinnen, der gut den Koffer beschreibt. Ich sage zum Beispiel: „Enthält zwei Unterhosen“ (oder „Einpacken, zuklappen, Urlaub“ etc.), und Bild- und Buchstabenplättchen werden nun gemeinsam gewendet.
Das machen wir zwölfmal. In der zweiten Spielphase geht es dann ums Auflösen. Ein zufällig bestimmtes Bildplättchen decken wir auf, und jede:r notiert geheim die zugehörige Buchstabenkombination oder das, was davon in Erinnerung geblieben ist. Für jeden korrekten Buchstaben an der korrekten Stelle erhalte ich einen Punkt. Und auch das machen wir zwölfmal nacheinander.

Was passiert? Die erste Spielphase ist der lustigere Teil. Man freut sich über die originellen Umschreibungen der anderen. Wir dürfen uns auch ausdrücklich gegenseitig helfen; wir sind gemeinsam kreativ.

MFG: Auswertung

Das anregende Brainstorming mündet dann abrupt in eine Klassenarbeit. Alle brüten hinter ihren Sichtschirmen. Zusammenarbeit oder Abschreiben sind verboten. Und am Ende haben immer dieselben eine Eins.
Es ist nun mal so: Manche Spieler:innen konzentrieren sich mehr oder haben das bessere Kurzzeitgedächtnis, andere weniger. Ich habe MFG in manchen Spielgruppen (an verschiedenen Tagen) mehrfach mit denselben Personen gespielt, und der Ausgang war mit nur geringen Abweichungen immer identisch.


MFG: Bilder

Was taugt es? Spielt man MFG wegen der Punkte, ist es also etwas langweilig. Die Platzierung ist vorhersagbar. Aber MFG bietet noch andere Spielanreize: Es sind die überraschenden Assoziationen und dazu die freudigen Erfolgserlebnisse, die man immer wieder hat, wenn man sich wider Erwarten doch an einiges mehr erinnert, als zuvor geglaubt.
Ob das funktioniert, hängt von der Qualität der Umschreibungen ab. Meiner Erfahrung nach wird etwas Bildhaftes wie „Enthält zwei Unterhosen“ wesentlich häufiger geraten als bloße Aufzählungen wie „Erfurt, Zwickau, Unna“.
Für den Spielspaß tut sich die Gruppe also einen Gefallen, wenn sie sich in der Kreativphase Mühe gibt. (Wobei ich als Powergamer natürlich hinterfragen könnte, wozu ich das tun soll. Nachdem „Erfurt, Zwickau, Unna“ vorgeschlagen wurde, könnte ich die bessere Alternative „Enthält zwei Unterhosen“ zum eigenen Vorteil stillschweigend für mich behalten. Mache ich aber nicht.)

MFG: Buchstaben

Was Anforderungen und Emotionen angeht, ähnelt MFG ESELSBRÜCKE, das ebenfalls von Stefan Dorra und Ralf zur Linde stammt. In ESELSBRÜCKE wurden Bildplättchen zu einer Geschichte verknüpft, was manchen Personen schwerfiel (weshalb arg kurze Geschichten entstanden), anderen wiederum große Freude bereitete (weshalb arg lange Geschichten entstanden). MFG komprimiert und kanalisiert den Kreativteil.
Obwohl auch ESELSBRÜCKE einige Nachteile mit sich herumschleppte, halte ich es für das stärkere Spiel, erstens weil die Auswertungsphase spielerischer ist. Und zweitens weil die oft abstrusen Geschichten noch mehr als die Abkürzungen haften geblieben sind. Ich habe aus den Partien etwas mitgenommen, das Spielen hat mich bereichert. Diesen Aspekt gibt es auch an MFG, aber er ist weniger deutlich.


**** solide

MFG von Stefan Dorra und Ralf zur Linde für zwei bis sechs Spieler:innen, Schmidt.

Freitag, 11. Oktober 2024

Vor 20 Jahren (142): Fairy Tale

Fairy Tale: Cover

In ihrer Oktober-Ausgabe 2004 veröffentlichte die Fairplay einen Artikel von mir über die Spieleszenen in Japan und Südkorea. Auf das Thema war ich nicht selbst gestoßen, sondern jemand hatte es mir vorgeschlagen und mich gelockt mit der Aussicht, Kontakte zu Interviewpartner:innen vermitteln zu können. Das würde also gar nicht so aufwendig sein. Hieß es. Wie sich später herausstellte, wussten die vermeintlichen Interviewpartner:innen noch gar nichts von ihrem Glück. Und einige hatten auch kein Interesse, sich mit mir auszutauschen.

Aber vielleicht gar nicht schlecht. So musste ich von Beginn an selbst recherchieren und fand sehr hilfsbereite Interviewpartner:innen aus Japan, Südkorea und Deutschland. Die innerdeutschen Interviews führte ich am Telefon, die anderen per Mail, was auf der Gegenseite sehr viel Zeit und sehr viel Geduld erforderte, weil es ganz viel zu schreiben gab – und dann nicht mal in der Landessprache (sondern in etwas, von dem ich hoffte, es sei Englisch). Deshalb auch 20 Jahre später noch einmal meinen herzlichen Dank für die großartige Unterstützung! Es war mir eine Ehre.

Doch offenbar galt das auch umgekehrt. Auf der Messe in Essen strömten überraschend viele Japaner:innen und Südkoreaner:innen an den Fairplay-Stand, um das Heft zu kaufen, das sie sicherlich gar nicht lesen konnten. Einer meiner japanischen Interviewpartner kam in Begleitung eines Verlegers. Und der wiederum überreichte mir als Geschenk ein Spiel. Und wer die Überschrift dieses Posts gelesen hat, ahnt schon, welches es gewesen sein könnte: FAIRY TALE von Satoshi Nakamura.

Ein Geschenk zu erhalten, war ohnehin schon eine tolle Geste. Hinzu kam: Das Spiel entpuppte sich als mein Messe-Highlight! Eine absolute Überraschung, die – zumindest für mich – wie aus heiterem Himmel gekommen war.


Fairy Tale: Karten

FAIRY TALE ist ein frühes Draftingspiel. In vier Runden will ich eine punkteträchtige Auslage (mein Märchen) erschaffen. In jeder Runde erdrafte ich mir fünf Karten, drei davon spiele ich. Manche Karten haben Ausspieleffekte und greifen zeitgleich gespielte Karten an oder blocken sie ab; manche verlangen als Preis, dass ich Karten in meiner Auslage verdecke und somit neutralisiere; manche lassen mich Karten wieder aufdecken. Karten zu verdecken, muss übrigens gar nicht immer schlecht sein. Denn manche zählen Minuspunkte. Ich spiele sie nur wegen des starken Soforteffekts. Aus meinem Märchen möchte ich sie dann bei Gelegenheit rausstreichen.

Die verdeckte Kartenweitergabe war im Jahr 2004 noch ein sehr ungewöhnlicher Mechanismus. FAIRY TALE war originell und innovativ. Und wegen der Grafiken, der japanischen Schriftzeichen und der sehr plakativen englischen Kurzanweisungen auf den Karten war es auch exotisch. Wegen dieser Qualitäten ist FAIRY TALE für mich herausragend. Die Kombination mit dem Erinnerungswert macht FAIRY TALE obendrein zu einem Spiel, das selbst bei einer möglichen Sammlungsverkleinerung niemals zur Disposition stehen wird.


Mittwoch, 9. Oktober 2024

Pixies

Pixies: Cover

Pixies sind kleine Fabelwesen. Vermutlich ist deshalb auch die Schachtel von PIXIES so winzig. Und die Einleitung zu PIXIES so kurz.

Wie geht PIXIES? Wir konkurrieren um die wertvollste Kartenauslage. Karten gibt es in vier Farben und mit Punktwerten von eins bis neun. Diese Punkte bekomme ich jedoch nur dann, wenn die Karte in meiner Auslage auf einer anderen liegt (die sich dann „Waldboden“ nennt). Unabhängig von vorhandener oder fehlender Unterlage zählt jede Karte zudem einen negativen oder positiven Punktwert entsprechend ihrer Symbole (Spiralen plus, Kreuze minus). Und ich punkte für die größte zusammenhängende Gruppe einer Farbe.
In jeder Runde werden so viele Karten aufgedeckt, wie Personen mitspielen. Reihum (und mit wechselnder Startperson) wählen wir eine der Karten. Wohin ich sie dann lege, ist vorgegeben: Jede:r baut ein Raster aus drei mal drei Karten. In die oberste Zeile gehören die Werte eins bis drei, dann vier bis sechs, in der dritten Zeile sieben bis neun. Ich muss nicht angrenzend legen. Geht ja manchmal auch nicht.
Wenn ich dieselbe Zahl ein zweites Mal bekomme, beispielsweise eine zweite Sechs, entscheide ich, welche der beiden Sechsen ich nun zu Waldboden kompostiere und welche Sechs oben liegt. Bekomme ich eine dritte Sechs, muss sie Waldboden werden, und zwar an einer beliebigen leeren Stelle meines Rasters.
Eine Runde endet, sobald jemand sein gesamtes Raster mit offenen Karten oder Waldboden belegt hat. Nach demselben Schema spielen wir drei Runden. Die größte zusammenhängende Gruppe einer Farbe zählt von Runde zu Runde pro Karte mehr Punkte, wird also zunehmend wichtiger.


Pixies: Kartenraster

Was passiert? Ich habe mal mehr, mal weniger Auswahl. Sitze ich in der Reihenfolge ganz hinten, muss ich nehmen, was man mir lässt. Sitze ich vorn, kann ich mit Berechtigung auf eine gute Karte hoffen. Was sich aber nicht immer erfüllt. Manchmal decke ich halt nur Mist auf. Umgekehrt bekomme ich als Letzter manchmal genau das, was ich haben wollte.
Der Auswahlprozess ist nicht trivial. Weil die Karten dreifach gewertet werden, sind viele von ihnen nicht einfach nur gut oder nur schlecht. Die grüne Sechs, die wegen ihrer Symbole vier Minuspunkte bringt, ist die schlechteste Sechs, die es gibt. Man könnte mit einer anderen Sechs – sogar einer grünen – auch einen Pluspunkt bekommen. Aber vielleicht nehme ich die miese Sechs trotzdem, weil sie meine grünen Gebiete verbindet. Ob die bessere Sechs jemals auftaucht und ob ich sie bekomme, weiß ich ja nicht.
Auch das Legen ergibt sich nicht immer von selbst. Bekomme ich eine Zahl zum dritten Mal und muss sie also als Waldboden verwenden, könnte ich diesen – sofern noch frei – auf den Platz der Neun legen. Bekomme ich später eine Neun, bedeutet das, sie zählt schöne neun Punkte. Aber es bedeutet auch: Ich habe bei der Neun keine Wahl mehr. Wenn ich eine bekomme, gehört sie auf diesen Waldboden. Schöner wär’s – theoretisch –, erst mal eine Neun ohne Unterlage zu legen und bei der zweiten Neun entscheiden zu können, welche von beiden Waldboden werden und welche oben liegen soll. Aber Neunen sind selten. Dass ich zwei bekomme, ist deshalb ebenfalls selten.
Ich kann mich beim Sammeln wahlweise mehr auf Symbolpunkte, mehr auf Kartenwerte mit Waldboden oder (vor allem in späteren Runden) mehr auf Farbflächen konzentrieren. Letztendlich gilt es, alles zu beachten und alles unter einen Hut zu bringen. Und letztlich bin ich natürlich sowieso immer davon abhängig, was mir die Kartenauswahl ermöglicht und was nicht.


Pixies: Karten

Was taugt es? PIXIES kommt in meinen Runden überdurchschnittlich gut an, was sicherlich auch an der Grafik liegt. PIXIES benötigt keine Vorbereitung, man ist ständig involviert und trifft Entscheidungen. Für den stationären Fachhandel ist die hübsche kleine Schachtel, die man mal eben so mitnehmen kann und in der ein Spiel steckt, das man guten Gewissens empfehlen darf, sicher ein Treffer.
Nach so viel Positivem stellt sich die Frage, warum ich PIXIES trotzdem nur als solide empfinde. Ein Manko ist die langwierige Abrechnung am Ende jeder Runde, bei der immer wieder Fehler passieren und bei der ich schon einigen Mitspieler:innen helfen musste. Hilfreich wäre ein Schreibblock gewesen, aber weil die umfangreiche Addition viel Platz erfordert, hätte der nicht in die Schachtel gepasst.
Trotzdem ist das nichts, was mir PIXIES verleidet. Das Spiel macht nichts falsch, es gefällt mir durchaus, ich spiele gerne mit. Nur glaube ich eben nicht, dass ich es langfristig spielen werde. PIXIES hat für mich keinen speziellen Kniff, mit dem ich mich dauerhaft auseinandersetzen möchte, es weckt keine Emotionen, die ich wieder und wieder erleben wollte. Warum das so ist, lässt sich schwer mit klaren Argumenten belegen. Es ist halt so, und es ist natürlich auch Geschmackssache. Die Spielidee ist in meinen Augen in Ordnung, aber nicht herausragend.


**** solide

PIXIES von Johannes Goupy für zwei bis fünf Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Dienstag, 1. Oktober 2024

Path of Civilization

Path of Civilization: Cover

Manche sagen, vorm Essen soll man nichts trinken. Für mich gilt: Vor Essen soll man keine Einleitung schreiben.

Wie geht PATH OF CIVILIZATION? Wir spielen Zivilisationen. Jede startet mit denselben fünf Technologien (Karten). Jede Runde verwende ich vier dieser Karten, um entweder farbige Marker zu generieren oder um auf fünf Farbskalen zu klettern. Die fünfte Karte lege ich für den Rest des Spiels ab.
In der nächsten Runde besitze ich trotzdem wieder fünf Karten, denn gegen Ende jeder Runde kaufe ich eine neue und bezahle mit Skalenschritten: für eine grüne Karte (Kultur) mit Schritten auf der grünen Skala, für eine gelbe (Wissenschaft) mit Schritten auf der gelben und so weiter. Je mehr Schritte ich bezahle, desto mehr Punkte zählt die gekaufte Karte und (vor allem) desto mehr Marker oder Skalenschritte wird sie mir bei ihrer zukünftigen Verwendung einbringen.

Path of Civilization: Karten

Meine Marker setze ich ein, um aus einem variablen Vorrat Anführer- (kosten violette Marker) oder Wunderkarten (kosten graue Marker) zu kaufen. Auch hier gilt: Je mehr irgendwas kostet, desto mehr kann es. Anführer:innen bringen – grob gesagt – Dauereffekte, die solange gelten, bis ich eine neue Anführer:in installiere. Wunder bringen Marker, Skalenschritte und Punkte.
Die meisten Runden enden mit einem Stärkevergleich. Viermal im Spiel vergleichen wir unsere militärische Stärke: Zu meiner Grundstärke addiere ich meine angesammelten roten Marker (die dann verloren gehen). Je nach Abschneiden gewinne ich Prämien. Aber niemandem wird, obwohl sich das Prozedere „Schlacht“ nennt, etwas zerstört oder weggenommen.
Und viermal im Spiel vergleichen wir, wer von einer bestimmten Symbolsorte auf seinen Karten wie viele besitzt. Hierbei werden gelbe Marker addiert. Eine Formel bestimmt dann meine Belohnung. Geht es etwa um die Herausforderung „Xuanzang-Übersetzung“, ergibt die Summe aus Kultursymbolen und gelben Würfeln meinen Punkteertrag, und für jeden zweiten Punkt bekomme ich zudem einen Skalenfortschritt bei Wissenschaft.


Path of Civilization: Tableau

Was passiert? Es kommt in PATH OF CIVILIZATION oft auf Kleinigkeiten an. Bei der Xuanzang-Übersetzung wäre es schöner, einen geraden Punktwert zu erreichen, sonst geht mir ein halber Skalenfortschritt durch die Lappen.
Und auf den Skalen will ich möglichst die Werte vier, sieben oder zehn erreichen. Denn so viel kosten die Technologien der Stufe zwei, drei und vier. Bei einem Stand von sechs zu kaufen, wäre suboptimal. Die bessere Karte habe ich haarscharf verfehlt. Und ich müsste nun über längere Zeit Skalenschritte sammeln, um mir überhaupt mal wieder eine konkurrenzfähige Karte dieser Farbe kaufen zu können. Und im Vergleich zur besseren Karte habe ich nun eine, die mir Runde für Runde einen Marker oder Skalenschritt weniger einbringt.
Da sich vieles in PATH OF CIVILAZATION vorab ausrechnen lässt, rechnet es, wer will, eben aus. Viele Dinge können wir parallel erledigen; so entstehen zum Glück keine langen Wartezeiten. Doch bei der Skalen- und Klötzchen-Optimiererei zum punktgenauen Erreichen bestimmter Schwellenwerte kommt nie das Gefühl auf, ein Thema zu spielen. Zwar sind die Karten nach historischen Personen, Ereignissen oder Bauwerken benannt, doch bleiben sie abstrakt und austauschbar. Der Zusammenhang zwischen Fähigkeit und Name der Karte ist üblicherweise sehr gering.
Auch was sich „Kultur“ oder „Wissenschaft“ oder „Spiritualität“ nennt, ist nur irgendeine von mehreren Währungen, die sich von den anderen Währungen hauptsächlich durch eine andere Farbe unterscheidet. Obwohl man zunehmend mehr Marker und mehr Skalenschritte gewinnt, hat man nicht den Eindruck, eine geschichtliche Entwicklung zu erleben.


Path of Civilization: Rundenvergleich

Was taugt es? PATH OF CIVILIZATION wirkt wie der Versuch, ein ohnehin schon sehr abstrahiertes Zivilisationsspiel wie THROUGH THE AGES stark zu vereinfachen und damit noch weiter zu abstrahieren. Das Thema ist dabei nahezu komplett verloren gegangen und existiert überwiegend in den Benennungen und Bildern.
Auf der Schachtelrückseite prahlt der Verlag noch sehr damit, wie aufregend und bedeutend sein Spiel doch sei. In der Anleitung klingt das dann gleich viel nüchterner: „PATH OF CIVILIZATION ist ein Nationenverwaltungsspiel, bei dem die Spieler darum kämpfen, die meisten Siegpunkte zu erzielen.“ Das trifft es ziemlich gut, wobei mir vor allem der Begriff „Verwaltungsspiel“ gefällt.
Die Anleitung als solche ist übrigens sehr gut, sehr klar, sehr detailliert, und obwohl die Symbolik wirklich gelungen ist, überlässt der Verlag nichts dem Zufall (also den Interpretationen der Spielenden), sondern spendiert jeder einzelnen Karte eine ausführliche Erläuterung. Diesen Service wünschte ich mir in allen Spielen.
Die Mechaniken von PATH OF CIVILIZATION sind durchaus schlüssig und elegant. Mir gefällt auch, dass jede Partie eine etwas andere Ausrichtung und Gewichtung hat, weil immer nur ein zufälliger Teil aller Karten enthalten ist. Was dem Spiel jedoch sehr fehlt, ist eine Seele.


*** mäßig

PATH OF CIVILIZATION von Fabien Gridel für eine:n bis fünf Spieler:innen, Captain Games.