Mittwoch, 31. Oktober 2012

Gern gespielt im Oktober 2012

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?

HANABI: Bumm!
DIE PALÄSTE VON CARRARA: Man sollte meinen, die End- und Punktebedingungen geben klar vor, was zu tun ist. Warum zur Hölle tut man’s nicht?
DER HOBBIT: Den langen Marsch zum Einsamen Berg versüßt manch kleiner Flirt am Wegesrand: „Hey, willst du ein Stück mit mir zusammen auf dem Pony reiten?“ – „Au ja!“
7 WONDERS LEADERS + CITIES: Erstaunlicherweise habe ich in diesem Jahr noch häufiger 7 WONDERS gespielt als in den Vorjahren. Liegt wohl daran, dass 7 WONDERS jetzt noch besser ist als in den Vorjahren.
DIE LEGENDEN VON ANDOR: Als Gelbspieler bevorzuge ich natürlich den Zwerg. Was dabei auffällt: Im Spiel überlässt man mir viel bereitwilliger Geld als im wahren Leben. (Aktueller Kontostand: 2 Euro.)
DOMINION – DARK AGES: Hier habe ich in Essen einen absoluten Geheimtipp ausgegraben: ein sensationelles Spiel mit ganz vielen Karten von einem völlig unbekannten Amerikaner! Und es scheint bereits mehrere Spiele namens DOMINION zu geben. Womöglich handelt es sich um eine ganze Serie? Ich werde der Sache nachgehen. Großes journalistisches Ehrenwort!

Freitag, 26. Oktober 2012

Divinare

Als Reiner Knizia noch einen Bart hatte und Blatz noch Blatz hieß, kam ein Spiel um schrullige Wetten auf den Markt: MEMBERS ONLY. Mir gefiel es, den spielbox-Kritikern gefiel es nicht. Sonst war es oft genau andersherum; deshalb kann ich mich noch besonders gut erinnern. „Hoffnungslos ausgeliefert“, „Zufallsbestimmt“, „Ärgerlich“ lauteten damals die Zwischenüberschriften im Text, und ich dachte nur: Na und?! Es ist ein Wettspiel. Wettspiele dürfen so sein.
Ich tische diese Anekdote aus drei Gründen auf: Erstens erinnert der Spiel-Charakter von DIVINARE an MEMBERS ONLY. Zweitens tauchen in beiden Spielen Porzellantassen als Kartenmotive auf – und so gängig ist das ja nun nicht. Drittens komme ich in die Jahre, und mit wachsendem Alter neigt man dazu, einschläfernde Geschichten von früher zu erzählen.

Wie geht DIVINARE? DIVINARE ist ein Wettspiel. Es gibt vier Kartensorten: Astrologie am häufigsten, Handlesen am seltensten. Zufällige 24 der insgesamt 36 Karten werden an die Spieler verteilt. Alle diese 24 Karten werden im Laufe eines Durchgangs reihum ausgespielt. Und in jedem Zug gibt der Spieler eine Wette darauf ab, wie viele Karten des gerade gespielten Motivs am Ende ausliegen werden. Treffer und knappe Fehlschätzungen bringen Punkte, grob falsche Prognosen zählen minus.
Das Gemeine ist: Man muss wetten. Man darf seine bestehende Wette auch nicht halten, sondern muss sie verändern. Und man darf nicht dasselbe tippen, was schon ein anderer tippt. Sind also die Wettfelder für vier und fünf Mal Handlesen blockiert, muss ich beim Ausspielen einer Handlesen-Karte notgedrungen auf drei oder sechs setzen – ob ich daran glaube oder nicht.

Was passiert? Das eigene Blatt reicht als Anhaltspunkt nicht aus. Man beobachtet also das Verhalten der Mitspieler, hält sich Optionen möglichst offen oder setzt aufs statistische Mittel. Man taktiert auch ein bisschen beim Ausspiel und hält vielleicht ein bestimmtes Symbol zurück in der Hoffnung, dass das angepeilte, aber schon von der Konkurrenz besetzte Wettfeld wieder frei wird.
Das allein wäre für den Spielspaß auf Dauer wohl nicht ausreichend. Zum Glück kommt noch ein Dreh hinzu. In bestimmten Intervallen geben die Spieler Handkarten an ihren linken Nachbarn weiter. So lernt man weitere Karten kennen. Und wird heikle Motive los, die man wegen der Pflicht-Wette ungern ausgespielt hätte. Und würgt dem Nebenmann Karten rein, die er ganz bestimmt nicht spielen will.

Was taugt es? DIVINARE ist kein Muss und kein Soll, aber ein gutes Kann. Intuition, Bluff und Schadenfreude sind die wesentlichen Komponenten des unterhaltsamen Zeitvertreibs. Als emotional stärkster Moment in DIVINARE sticht immer wieder der dramatische Kartenreigen hervor.
Die Aufmachung ist originell, das Spielthema Wahrsagerei ist es auch. Und sogar die Spielregel ist... irgendwie anders, indem sie einfach mal ganz galant die Vorbereitungen für das Zweier- und Dreierspiel unterschlägt. So werden Hellseherei und Kombinationsgabe schon vor der Partie auf die Probe gestellt und Anwärter ohne mediale Fähigkeiten wirkungsvoll ausgesiebt.

DIVINARE von Brett J. Gilbert für zwei bis vier Spieler, Asmodee.

Sonntag, 21. Oktober 2012

Huhnis Abenteuer (5): SPIEL ´12, Sonntag

Sonst ist Huhni immer der Erste beim Frühstück, heute kommt er nicht aus den (höhö) Federn. Irgendetwas stimmt da nicht.
Mein Instinkt sagt mir, der mysteriöse Vorfall könnte mit Huhnis rasant gestiegener Popularität zusammenhängen. Und richtig: Als ich nachschaue, wo Huhni bleibt, sehe ich ihn immer noch im Bett liegen. Mit einem Groupie!!! Klaro, logische Folge eines Presseausweises. Ich hätte nur nicht gedacht, dass es so schnell geht.

Auf der Messe zeigt Huhni längst nicht denselben Einsatz wie sonst. Statt auf 43 Sprachen seinen Segen zu sprechen, die Osterandacht zu halten und in die jubelnde Menge zu winken, sitzt Huhni lieber auf dem Innenhof in der Sonne. Er scheint über irgendetwas nachzudenken.
Auch ich habe bereits nachgedacht. Mit Huhnis Popularität lassen sich doch gewiss die noch an meiner Million fehlenden 999.998 Euro erwirtschaften: Huhni-Shirts, Huhni-Caps, und als besonderer Clou – Huhni-Handschuhe. Aufschrift: „Ich habe Huhni die Hand geschüttelt!“ Später dann: das Buch zum Huhn, der Film zum Huhn, das Spiel zum Huhn und die Messe zum Huhn. Vielleicht kann Huhni auch in die Politik gehen und Subventionen für Spieleblogs verordnen. Lechz! Unwillkürlich schleicht sich ein sattes Grinsen in mein Gesicht, das ich den ganzen Tag nicht mehr loswerde.

Wieder zu Hause angekommen, hilft mir Huhni wie versprochen beim Auspöppeln der neuen Spiele. Wir pöppeln im Akkord, aber Huhni bleibt irritierend schweigsam. Ich mache mir Sorgen. Hoffentlich ist das nicht schon der Burnout! Huhni darf nicht ausgerechnet jetzt schlapp machen, wo sich all meine Träume verwirklichen. Huhni, was ist los mit dir?

Und dann rückt Huhni endlich mit der Sprache heraus. Er sagt, er möchte sich aus dem Rummel zurückziehen. – Waaas?! Ich bettle, ich flehe, ich schreie: „Huhni, das kannst du nicht machen!“ Aber Huhni hat sich längst entschieden. Er hat sein Huhn für die Zukunft gefunden, und Nachwuchs ist auch schon unterwegs. Ich werde Patenonkel!

Samstag, 20. Oktober 2012

Huhnis Abenteuer (4): SPIEL ´12, Samstag

Nachrichten von zu Hause: Seitdem Huhni so unglaublich groß rausgekommen ist, läuft Pingi Amok, und Wursti ist eingeschnappt. Ich hoffe, die beiden kriegen sich bis Sonntagabend wieder ein. Sonst muss der Kuschelzoo vorübergehend separiert werden. Die ganzen anderen Plüschtiere können zum Glück nicht lesen und ahnen gar nichts von dem Trubel.
Gerade jetzt könnte Huhni die Solidarität aller Kuschelkollegen gebrauchen. Denn der gestrige Versuch, einen Reporterkollegen zu interviewen, ging gründlich schief.

Huhnis erstes Interview:
Huhni: „Hallo, ich bin Huhni. Wer bist du?“
Guido: „Hallo Huhni, ich bin der Guido von trictrac.“
Huhni: „Kennst du Pingi und Wursti?“
Guido: „Wer sind die denn? Kommen die das nächste Jahr auch?“
Huhni: „Pingi war schon in Italien. Da ist es warm und es gibt den ganzen Tag Nudeln zu essen.“
Guido: „Nein, kenne ich wirklich nicht. Ich bin nicht oft in Italien, auch wenn es um die Ecke liegt.“
Huhni: „Das war mein erstes Interview. Hat es dir gefallen?“
Guido: „Es war unvergesslich. Lass uns das nächstes Jahr noch mal machen. Aber dann überleg dir richtige Fragen, Huhni!“

Ja, liebe Leser, so geht es zu in der Journalistenzunft! Kaum klettert einer auf der Karriereleiter nach oben, wird sein Fortkommen von fiesen Neidern torpediert. Völlig zu Unrecht unterstellt man Huhni schlechte Vorbereitung. Dabei hatten Huhni die Antworten auf seine Fragen wirklich interessiert. Und liegt der Sinn eines Interviews nicht genau darin, das zu fragen, was man wissen will?!

Huhni ist in den nächsten Stunden sehr bedrückt. Zur emotionalen Stabilität findet er erst während eines Besuchs beim Zoch-Verlag zurück. Endlich eine Mama! Ein großes gelbes Huhn zum Anlehnen und In-den-Arm-Nehmen!
Die beiden haben viel miteinander geflüstert. Huhni konnte sein ganzes Journalisten-Herz ausschütten. Das tat gut.

Wie nicht anders zu erwarten, hat Huhni im Laufe des Tages wieder viele Freunde gefunden.
Zum Beispiel Frank mit seinem lustigen Hut...

… und Tobias...

… und hier einen ganzen Fan-Club namens „Pöppelhelden“.

Zum Schluss noch zwei gestandene Journalisten-Kollegen, die Huhni auf vorbildliche Weise integrieren, indem sie ihn bei ihrer Vorfeierabend-Siesta mitmachen lassen. Herbert und Rolf haben Huhni den Glauben an seinen Beruf zurückgegeben. Nachwuchsreporter ist nämlich doch der beste Job der Welt!


Freitag, 19. Oktober 2012

Huhnis Abenteuer (3): SPIEL ´12, Freitag

Nachdem gestern ein Kommentator Huhnis Kredibilität in Frage stellen wollte, hier zunächst ein paar Privatinformationen über Huhni, die bitte vertraulich zu behandeln sind: Huhni umwehen einige Geheimnisse. Da ist nicht nur das seltsame goldene Band, das ihm oben aus dem Kopf wächst. Ungeklärt ist ebenso, warum Huhni ein Huhn, aber trotzdem ein „Er“ ist. Und schließlich weiß niemand so recht, woher Huhni stammt und wie alt er eigentlich ist. Ich befürchte, früher war er ein junges Huhni, das gegen seinen Willen mit Schaustellern gereist ist. Er spricht aber nie darüber.

Huhni hat es bestimmt nicht immer leicht gehabt im Leben. Jetzt aber scheint eine Glücksperiode angebrochen zu sein, und der bislang allerschönste Tag für Huhni war heute! Endlich hat Huhni seine wohlverdiente eigene Pressekarte! Peter hat sie besorgt und Huhni in einer feierlichen Zeremonie überreicht. (Zum Vergrößern bitte anklicken.)

Huhni hat inzwischen auch seinen ersten eigenen Bericht geschrieben. Der geht so:
„Hallo, hier spricht Huhni! Ich bin neuer Nachwuchsreporter auf der Messe SPIEL ’12 in Essen. Und hier ist echt viel los. Im Presse-Center durfte ich sogar Cola trinken. Ich finde, ich bin jetzt richtig erwachsen. Auf dem Hof haben welche mit Schwertern gekämpft. Ui, das sah gefährlich aus! Heute habe ich mit Udo, Karsten und Hauke gespielt. Ich habe den Bleistift gehalten. Ganz lange. Und alle sagen, ich habe das richtig gut gemacht. Und eine Pressekarte habe ich jetzt auch. Und ganz viele neue Freunde. Nachwuchsreporter ist der tollste Beruf der Welt!
Viele Grüße an Pingi, Wursti und all die anderen zu Hause!
Euer Huhni“

Alle auf der Messe lieben Huhni... Wenn ich ehrlich bin, finde ich das langsam ein bisschen übertrieben: „Was macht denn Huhni?“ „Wie geht’s denn Huhni?“ „Hat Huhni heute schon Kackerchen gemacht?“ Als ob es keine wichtigeren Themen gäbe! Zum Beispiel: Was macht denn Udo Bartsch? Usw.

Und weitere berühmte Menschen standen Schlange, um Huhni die Hand zu schütteln. Huhnis neue Freunde heißen: Ben...

... Stefan...

... Mario...

... und Christof.










Donnerstag, 18. Oktober 2012

Huhnis Abenteuer (2): SPIEL ´12, Donnerstag

Heute geht’s wirklich richtig in echt los! Huhni ist unglaublich aufgeregt. Aber kaum an der Messehalle angekommen, folgt schon der erste Schock: nur Menschen! Keine Hühner! Und vor allem: nirgends eine Hühnerleiter! – Wie soll Huhni denn jetzt bloß in die Hallen hineinkommen?
Aber dann habe ich Huhni erklärt, dass man als Nachwuchsreporter niemals die Hühnerleiter benutzt, sondern den Presseeingang. Da ist zwar immer ganz viel Gedrängel und Geknuffe, aber man muss nichts bezahlen und kriegt mit der Zange ein lustiges Loch in die Karte geknipst.
Weil wir zu zweit nur eine Pressekarte haben, muss einer von uns beiden sich in der Tasche des anderen verstecken. Huhni schlägt vor: Ich. Ich schlage vor: Huhni. Es dauert endlos, bis Huhni einsieht, dass er gar keine Tasche hat, und fast kommen wir zu spät zum ersten Termin...

... beim Heidelberger Spieleverlag! Vor dem großen Heidelbären und den vielen Monstern am Stand hat Huhni zunächst ordentlich Respekt, und auch der große dunkelhaarige Pressemensch kommt ihm nicht ganz geheuer vor. Aber ein Nachwuchsreporter darf nicht den Schwanz einziehen, und bald hat sich Huhni ganz doll mit Christoph angefreundet. Fast möchte er gar nicht wieder weg.
Ich muss Huhni tatsächlich mit einer raffinierten Körnerspur zum Stand von Hans im Glück locken, denn dort haben wir ja den nächsten Termin. Wir lernen das Spiel DIE PALÄSTE VON CARRARA kennen. Huhni findet das Spiel super, weil Huhni eigentlich alle Spiele super findet, vor allem die großen komplizierten. Aber die Regeln sind für Huhni ein bisschen zu viel, und deshalb guckt er lieber nur zu. Als ich am Ende nicht gewinne, findet Huhni das wahnsinnig witzig. Dabei hätte er es selber bestimmt auch nicht besser gekonnt. So!

Fast ohne Pause reiht sich ein Termin an den anderen. Familienspiele bei Schmidt, eine gigantische Spieleflut bei Asmodee und eine ebenso gigantische Spieleflut bei Pegasus. In WE WILL WOK YOU entdeckt Huhni einen Artgenossen und flattert ganz aufgeregt herum. Huhni will wissen, was „Wok“ bedeutet. Ich sage, es hat was mit Futter zu tun. Jetzt ist Huhni noch begeisterter.
Nachdem Huhni so viel erlebt hat, fallen ihm beim letzten Termin bei Huch während der Spiele-Erklärungen die Augen zu. Ich erläutere Huhni, wie unhöflich es ist, auf Spielmaterialien einzupennen, aber Huhni antwortet, er schläft gar nicht, sondern verarbeitet nur seinen Tag. Und dann schnarcht er.

Ach richtig, Huhni wollte ja berühmten Menschen die Hände schütteln. Inzwischen ist Huhni aber selber berühmt (bei Google schon auf Platz zwei!), und deshalb fragen nun berühmte Leute, ob sie Huhni die Hand schütteln dürfen. Hier zum Beispiel schüttelt Knut Huhnis Hand und Huhni schüttelt Knuts Hand. Die beiden sind jetzt Freunde.

Dienstag, 16. Oktober 2012

Huhnis Abenteuer (1): Es geht los!

Das ist Huhni. Wie man sieht, ist Huhni ein Plüschtier, und zwar eins der Sorte, die von der Evolution benachteiligt wurde. Huhni hat in seinem Leben schon so einiges mitgemacht und sieht deshalb etwas dreckig und zerfleddert aus.
Das größte Unglück für Huhni aber ist dieses seltsame goldene Band, das ihm oben aus dem Kopf wächst. Dieses Goldband diente den anderen Plüschtieren schon oft als Aufhänger für Witze und Gespött. Und den Menschen als Aufhänger für Huhni. Dann hängt Huhni da an irgendeinem Haken und kann nicht mehr weg. So ungerecht! Huhni muss manchmal weinen, wenn er darüber nachdenkt.

Auch ein Plüschtier hat nun mal Gefühle und Träume. Huhni zum Beispiel möchte Nachwuchsreporter werden. Deshalb darf er nun zum ersten Mal in seinem Leben mit nach Essen. So viele Tage war Huhni noch nie von zu Hause weg! Er ist schon ganz aufgeregt und stolz und erzählt den anderen Plüschtieren den lieben langen Tag davon, was für eine tolle Reise das wird. Normalerweise steht Huhni ja immer im Schatten von Pingi und sogar Wursti, aber diesmal ist er der große Star!

Die wichtigste Lektion des Journalisten-Daseins habe ich Huhni bereits vor unserer Abfahrt erklärt: Die Presse-Karte muss man immer gut sichtbar bei sich tragen, am besten in einer Hemdtasche, so dass der grüne Karton auffällig unauffällig oben herauslugt.

So sehen alle anderen Messebesucher, dass man wichtig und etwas Besonderes ist. Und sie springen aus dem Weg, wenn man durch die Gänge schlendert. Und sie räumen ihre Plätze, wenn man hüstelnd zu verstehen gibt, dass man einen der begehrten Sitze am Spieletisch beansprucht. Auf solche Vorzugsbehandlung freut sich Huhni besonders. Er hat auch schon stundenlang das Hüsteln geübt.

Vor allem wird es für Huhni natürlich darum gehen, ganz viel zu lernen, den wichtigsten Menschen der Branche die Hand zu schütteln und erste Kontakte zu knüpfen. Aber Huhni will sich auch nützlich machen und hat mir ganz fest versprochen, beim Tragen der vielen Spiele mitzuhelfen. Das ist ein Angebot, auf das ich gerne zurückkomme, denn manche dieser Kisten sind wirklich übelst schwer. Da ist man als armer Journalist dankbar für jeden, der freiwillig mit anpackt.
Hau ruck, Huhni!

Ab Donnerstag geht es weiter mit Huhnis Abenteuern, täglich abends (oder wohl eher nachts) von der Messe in Essen.

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Santiago de Cuba

Die Messe in Essen naht! Als kluger Journalist bringt man sich rechtzeitig vorher bei Verlagen und Autoren in gute Erinnerung. Damit sie einen loben, umarmen und mit netten Aufmerksamkeiten überhäufen. REZENSIONEN FÜR MILLIONEN weiß genau, wie es geht. Deshalb folgt nach MOGEL MOTTE (mäßig) und INDIGO (mäßig) nun SANTIAGO DE CUBA (richtig geraten: ebenfalls mäßig).

Wie geht SANTIAGO DE CUBA? Im Hafen wartet ein Schiff auf Waren. Wer sie anliefert, bekommt Punkte dafür. Umso mehr, je länger das Schiff schon ankert. Ist das Schiff voll, legt es ab, und das nächste von insgesamt sieben legt an den Kai.
Wir brauchen also Waren, und wir bekommen sie bei einer Stadtrundfahrt.
Wer am Zug ist, schiebt die gemeinsame Spielfigur (in Form eines Autos) auf dem zehn Felder langen Rundparcours weiter. Bewegungen um mehr als ein Feld kosten Geld. Der Haltepunkt des Autos bestimmt die anschließende Aktion: Beim Tabakhändler bekommt man zwei Tabak, beim Musiker drei Geld, und im Hafen dürfen die Spieler reihum das Schiff beliefern. Mit Ausnahme des Hafens erlaubt jeder Ort dem Spieler noch eine zweite Aktion. Bis zu drei stehen jeweils zur Auswahl. Beispielsweise tauscht man Tabak in Zigarren oder erhält einen Siegpunkt etc.
Der Spielaufbau von SANTIAGO DE CUBA ist absolut variabel. Nicht nur die Reihenfolge der Orte wird in jeder Partie komplett neu ausgelost, sondern auch die Zuordnung, zu welchen Orten welche drei Zweitaktionen gehören.

Was passiert? Theoretisch kann jede Ware bis zu vier Siegpunkte bringen. Praktisch wären aber schon drei eine tolle Ausbeute, und meistens kriegt man ohnehin nur zwei oder gar einen. Mit destruktiven Aktionen lässt sich die Nachfrage des Schiffes senken, man darf zu Dumpingpreisen schon vor Erreichen des Hafens anliefern oder statt der geforderten Waren den Ersatzstoff Holz an Bord bringen.
Meiner Erfahrung nach besitzt SANTIAGO DE CUBA keine langfristige Planungsebene. Bunkere ich von einer Warensorte besonders viel, werden meine Mitspieler alles tun, um den Preis dieser Ware niedrig zu halten, die Nachfrage zu reduzieren oder mir beim Verladen zuvorzukommen. In SANTIAGO DE CUBA wird von der Hand in den Mund gelebt. Lieber wenig sofort als vielleicht später mehr. Denn die Chance auf dieses Spätermehr ist gering.

Was taugt es? SANTIAGO DE CUBA ist ein sehr taktisches Spiel. Ein erfahrener Kubaner kann besser einschätzen, welche kleinen Punktevorteile sich bereits mitzunehmen lohnen, wann es nötig ist, aggressiv vorzugehen, wann das Spiel beschleunigt oder gebremst werden sollte und wann es sich auszahlt, mit dem Auto einen weiten Satz zu machen.
Einen Mangel an Einfluss würde ich SANTIAGO DE CUBA also nicht vorwerfen. Mir behagt jedoch das Spielgefühl nicht. Alles bleibt klein-klein. Und trotz Variabilität des Aufbaus verlaufen die Partien ähnlich. Nichts wächst, nichts entsteht, keine Geschichte spielt sich ab. SANTIAGO DE CUBA ist eine Kopfangelegenheit. Und weil oft der Bauch entscheidet, welches Spiel wieder auf den Tisch kommen soll, bleibt SANTIAGO DE CUBA bald außen vor.

SANTIAGO DE CUBA von Michael Rieneck für zwei bis vier Spieler, eggertspiele.

Samstag, 6. Oktober 2012

Spiele-Jahrgang 2011/12:
Was vom Jahrgang übrig bleibt

Nicht alle meine Mitspieler hatten Lust, sich an meiner Umfrage zu ihren Lieblingsspielen 2011/12 zu beteiligen. Bei manchen scheiterte es daran, dass sie kein Foto von sich veröffentlicht sehen wollten. Oder zumindest nicht auf einer verruchten Seite wie REZENSIONEN FÜR MILLIONEN.
Ein Mitspieler antwortete mir: „Stell doch erst mal ein Bild von dir auf deine Seite, bevor du eins von mir forderst.“ – Tja, und da fiel mir kein schlagkräftiges Gegenargument ein, und deshalb gibt es hier jetzt ein Bild von mir. Bevor also Beschwerden kommen, warum sich eine Million unschuldige Leser unvorbereitet mein Konterfei angucken müssen: Meine Idee war es nicht!
Die Sache hat aber auch Vorteile. Ich hoffe, dass ich in der Fußgängerzone jetzt schneller erkannt werde, wenn ich mit kläglichem Gesichtsausdruck neben den bettelnden Punks stehe. Und vor allem hoffe ich, dass die Menschen ihr sauer Erspartes nicht mehr diesen Schnorrern geben, sondern jemandem, der das Geld wirklich dringend braucht, weil er sich schon lange, lange ganz doll eine Million wünscht. Danke!

Mein eigentliches Thema aber ist der Spielejahrgang 2011/12. Sofern ich mich nicht verzählt habe, waren es 23 Spiele, denen ich in der spielbox mindestens 7 Punkte oder hier im Blog mindestens das Label „reizvoll“ verpasst habe. Ohne Erweiterungen. Wir lernen daraus: 1. Ich fand den Jahrgang erneut sehr ergiebig. 2. Ich bin kein bisschen der oberkritische Typ, als den mich die reißerischen Boulevard-Medien immer wieder darstellen wollen.
Aber mal unter uns: Längst nicht alle 23 Spiele werden auch im nächsten Jahr noch auf meinem Spieletisch landen. Dazu ist die Zeit zu kurz. Und der Tisch zu klein, haha. Auf jeden Fall entscheidet nicht allein die Frage: Finde ich das Spiel gut? Sondern auch: Habe ich Mitspieler dafür? Ich könnte mir vorstellen, dass nach brutalstmöglicher Aussiebung folgende acht Spiele Zukunftsbedeutung haben werden.

Dungeon Fighter
Spiele für sechs und mehr Spieler sind in meinen Spieletreffs sehr beliebt. Zumal dann meistens auch jemand dabei ist, der das Spiel schon kennt und erklären kann. DUNGEON FIGHTER besitzt für Neulinge obendrein den Faktor: „Heh, was die da machen, sieht ja total bescheuert aus – das will ich auch!“ Deshalb mein Appell ans Universum: Wenn Spiele nicht nur für Freaks und nicht nur zur weihnachtlichen Familienbespaßung sein sollen (und dieser Meinung bin ich unbedingt), dann brauchen wir mehr von solcher Art! (Rezension: spielbox 5/2012)

King of Tokyo
Zum Beispiel auch dieses hier. KING OF TOKYO ist wie der Bruder von DUNGEON FIGHTER. Ähnlich durchgeknallt, ähnlich hoher Aufforderungs-Charakter. Nur etwas fieser, taktischer, konfrontativer. Eben noch bekämpften wir das Böse, jetzt sind wir selber das Böse. Egal. Hauptsache was mit Monstern, Blut und Asche. (Rezension: spielbox 5/2011)

Pictomania
Eigentlich müsste PICTOMANIA für mich erledigt sein. Ich habe es mittlerweile so oft gespielt, dass ich schon mehrfach denselben Begriff malen musste und inzwischen nicht mehr überlege, wie ich das am besten mache. Auch habe ich mir in den unzähligen Partien natürlich besonders coole Darstellungsideen bei den anderen Spielern abgeguckt. Trotzdem spiele ich PICTOMANIA weiterhin sehr gern, denn jede, wirklich jede Partie ist unterhaltsam. Jedenfalls solange meine Mitspieler mich noch mit Neuem überraschen oder meine vielfach bewährten Zeichnung aus unerfindlichen Gründen nicht verstehen. Und das, so glaube ich, passiert noch länger.

Kalimambo
Das vierte Spiel aus derselben Schublade, die in diesem Jahr wahrhaft prächtig gefüllt wurde. Nicht jeden amüsiert Scheiß am Schuh, das ist mir klar. Nicht jeder erliegt KALIMAMBO. Dazu eine Anekdote: „Findest du, dass es beim Bäcker Schweineschnitzel gibt?“ fragte mich neulich jemand. Ach nein, verwechselt. Tatsächlich lautete die Frage: „Findest du, dass man bei KALIMAMBO Einfluss hat?“

Kingdom Builder
Besitzt man beim großen Strategieknaller KALIMAMBO immerhin bis zu zwölf Karten zur Auswahl, ist es bei KINGDOM BUILDER eine einzige. Gut so. Denn genau deshalb wird KINGDOM BUILDER nicht kaputtgegrübelt. Die eine Karte plus die vorhandenen Plättchen ermöglichen weit mehr, als Anfänger ahnen. Die wachsende Spieltiefe bei wachsender Spielerfahrung macht KINGDOM BUILDER zum Dauerbrenner.

Vegas
... und die abnehmende Wahlfreiheit bei abnehmender Würfelzahl macht VEGAS so dramatisch. Der Mechanismus dieses taktischen, aber vor allem höchst emotionalen Würfelspiels ist so dermaßen klar und auf den Punkt, dass man sich wundert, warum 5000 Jahre in der Geschichte des Würfelspiels vergehen mussten, bevor jemand endlich VEGAS erfunden hat. (Rezension: spielbox 3/2012)

Ora et Labora
Freakspiele hatten es diesmal ziemlich schwer, sich bei mir durchzusetzen. Vielleicht war der Jahrgang in diesem Segment nicht ganz so exzellent bestückt. Oder umgekehrt mein Regal bereits zu exzellent. Dieses Spiel muss aber unbedingt noch mit rein. ORA ET LABORA verbessert das ohnehin schon tolle LE HAVRE: Die Warenketten wirken thematischer, das Drehrad vereinfacht den Anhäufungsmechanismus, das Spiel enthält nun eine landschaftsplanerische Komponente. Außerdem macht es Spaß, anderen Klosterbrüdern einen Drink zu spendieren. (Rezension: spielbox 1/2012)

Eclipse
Sogar außerordentlich viel des umkämpften Platzes im Regal benötigt (und bekommt) das üppig ausgestattete ECLIPSE. Ich bin nicht unbedingt der Weltraum-Fan, doch das sehr atmosphärische ECLIPSE bringt mich dazu, diese Spielwelt zu genießen. In verhältnismäßig kompakter Form und überschaubarer Spieldauer vereint ECLIPSE logisch, stimmig und abwechslungsreich die Aspekte Entdecken, Entwickeln und Kämpfen.

Kurz noch ein Wort zu den kleinen Spielen: Die machen hier durchaus mit (im Vorjahr waren immerhin drei auf meiner Liste) und von den diesjährigen würde ich WÜRFEL BOHNANZA und WANZEN TANZEN hervorheben. Aber bei der versprochenen „brutalstmöglichen Aussiebung“ fallen sie eben doch raus.