Freitag, 30. September 2011

Gern gespielt im September 2011

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?

AGRICOLA: Dieses Spiel fällt unter die Rubrik „alte Schätzchen“: 2007 erschienen, in meiner Wahrnehmung somit ein Oldie und ganz nebenbei der Beweis dafür, dass früher alles besser war.



DOMINION - REICHE ERNTE: Da lege ich mich fest: REICHE ERNTE steht zum allerallerallerletzten Mal hier. – Warum? Na, erstens weil ich ein echt harter Typ bin, der auch mal „nein“ sagen kann. Und zweitens, haha, ab Oktober gibt’s schließlich HINTERLAND. Lechz.


RUHM FÜR ROM: „Errichtet Rom von Grund auf neu... und klaut dabei ruhig ein wenig Marmor.“ – Mensch, hätte ich den Text auf der Schachtelrückseite bloß früher mal gelesen! Mein permanent schlechtes Gewissen ist seitdem wie weggeblasen.

RAPA NUI: Rübe, Korn, Fisch und rote Perücke: echt keine Ahnung, was das mit Ratatouille zu tun haben soll.



DER HOBBIT: Das wird jetzt keiner verstehen, wahrscheinlich nicht mal die, die dabei gewesen sind, aber diese Mischung aus Glück, Zufall und Überraschung hat mir tatsächlich Spaß gemacht.



KING OF TOKYO: @Kraken! @The King! @Cyber Bunny! @Giga Zaur! @Meka Dragon! Alienoid ist sehr, sehr böse mit euch! Üüübelst böse. Fast sind wir schon miteinander... „verfeindet“!



Montag, 26. September 2011

Bring mich nicht mit (19): Adlungland

Sommerferien sind klassischerweise die Zeit für kleine Mitbringspiele. Aber mittlerweile sind ja gar keine Sommerferien mehr. Völlig folgerichtig wendet sich REZENSIONEN FÜR MILLIONEN deshalb nun solchen Spielen zu, die man besser nicht mitbringt.

Der kleine Verlag Adlung feiert mit diesem Spiel sein zwanzigjähriges Jubiläum. Jede Karte greift grafisch eines der vielen, vielen Adlung-Spiele auf – dargestellt als Attraktion eines Vergnügungsparks: TEAMWORK erscheint als Schiffschaukel, QUIRRLY als wilde Achterbahn, GERÜCHTEKÜCHE als Fressbude. Das ist nett und weckt Erinnerungen. ADLUNGLAND selbst aber wird in Vergessenheit geraten. Und nett ist es auch nicht.

Sondern ein reines Rechen- und Tüftelspiel, das zwar eine erkennbare Idee, aber keinen erkennbaren Reiz aufweist. Die Spieler ziehen neue Attraktionen auf die Hand, oder sie legen Attraktionen an den vorhandenen Freizeitpark an. Bezahlt wird dies mit anderen Handkarten. Und es zählt Punkte: manchmal einen festen Wert, manchmal in Abhängigkeit von den Nachbarattraktionen. Hierbei können sehr lukrative Ecken entstehen. Um das Besiedeln solcher Ecken nicht zu einfach zu machen, gilt eine wechselnde Richtung, in die der Freizeitpark weiterwachsen muss.

Die erkennbare Idee des Spiels: Symbole auf der gebauten und den angrenzenden Karten zeigen an, ob der Spieler eine „Risikokarte“ nehmen muss, eine Art negatives Privileg, das ihn fortan solange behindert, bis sich ein anderer dieselbe Bestrafung einhandelt. Mathematisch wirkt sich dies irgendwie aus, emotional überhaupt nicht.

ADLUNGLAND ist ein Legespiel, bei dem sehr viel gerechnet werden muss, ohne dass dadurch irgendetwas interessanter oder tiefgründiger werden würde als in Legespielen, in denen nicht so viel gerechnet werden muss.
Etwas paradox, dass Adlung sein Zwanzigjähriges mit einem Spiel wie ADLUNGLAND feiert. Denn mit lauter Spielen wie ADLUNGLAND hätte es für Adlung kein Zwanzigjähriges zu feiern gegeben.

ADLUNGLAND von Silvano Sorrentino für zwei bis vier Spieler, Adlung.

Was war: Bring mich nicht mit (18): Arschbombe
Was kommt: Bring mich nicht mit (20): Top & Down

Donnerstag, 22. September 2011

Bring mich nicht mit (18): Arschbombe

Sommerferien sind klassischerweise die Zeit für kleine Mitbringspiele. Aber mittlerweile sind ja gar keine Sommerferien mehr. Völlig folgerichtig wendet sich REZENSIONEN FÜR MILLIONEN deshalb nun solchen Spielen zu, die man besser nicht mitbringt.

Ein herausragender Badesommer war der 2011er wahrlich nicht, aber in diesem Fall hat das Vorteile. Denn ohne Freibad keine ARSCHBOMBE. Und ohne ARSCHBOMBE nichts verpasst.

Je nach Spielerzahl legen wir 18, 20 oder 24 Karten zu einem Rahmen aus. Das ist das Becken. Hier hinein lässt jeder im Laufe des Spiels sechs Karten fallen. Das sind die Badegäste. Dafür gibt es eventuell Punkte. Das ist das Spiel. Und am Ende hat jemand gewonnen und wir packen wieder ein.

Für Hartgesottene folgt nun die ausführlichere Erklärung.
Landet eine Karte auf einer bereits im Becken liegenden Karte, nennt die Spielregel dies „nass spritzen“. Der Begriff „nass spritzen“ steht dort richtigerweise in Anführungszeichen, denn natürlich handelt es sich um einen typischen Familienspiel-Euphemismus. Springe ich im realen Freibad aus zehn Metern Höhe auf jemanden drauf, dann ist Nassspritzen meist das kleinste Problem. Hals- und Beinbruch oder Hackfleisch oder zumindest ein Satz Ohrfeigen vom Bademeister dürften schon eher die Folge sein.

Die sechs Badegast-Karten unterteilen sich in drei Kunstspringer und drei Rabauken. Der Rabauke soll so ins Becken fallen gelassen werden, dass er andere nass spritzt, pardon: „nass spritzt“. Der Kunstspringer soll andere nicht „nass spritzen“.
Man hält seine Karte auf Augenhöhe, lässt sie fallen und irgendwas passiert. Für doppelte Punkte darf man den Kunstspringer auch aus einer Höhe oberhalb des Kopfes fallen lassen und den Rabauken vom Sitzplatz aus werfen. Und am Ende hat jemand gewonnen und wir packen wieder ein.

Das Ergebnis ist banal und uninteressant. Das Thema klingt flippig, das Spiel selbst ist tot wie eine Wasserleiche. Niemand fiebert mit, niemand verlangt eine Revanche. Vielleicht würde ARSCHBOMBE mehr Stimmung verbreiten, wenn man die komplette Schachtel im Becken versenkte. Aber auch damit brächte man bestimmt den Bademeister gegen sich auf.

ARSCHBOMBE von Bernhard Lach und Uwe Rapp für zwei bis vier Spieler, Zoch.

Was war: Bring mich nicht mit (17): Sieben unter Verdacht
Was kommt: Bring mich nicht mit (19): Adlungland

Samstag, 17. September 2011

Bring mich nicht mit (17): Sieben unter Verdacht

Sommerferien sind klassischerweise die Zeit für kleine Mitbringspiele. Aber mittlerweile sind ja gar keine Sommerferien mehr. Völlig folgerichtig wendet sich REZENSIONEN FÜR MILLIONEN deshalb nun solchen Spielen zu, die man besser nicht mitbringt.

Uaaah! Ein Gruppen-Mord ist geschehen! Sieben Verdächtige, allesamt stadtbekannte Ganoven, wurden festgenommen und zur polizeilichen Gegenüberstellung aufs Revier gebracht. Zwei, drei, vier oder fünf von ihnen sind die Täter. Logische Kombinationsgabe soll sie überführen.

Im Sinne der Prävention wäre man geneigt zu sagen: „Scheißegal, alle einbuchten!“ Die Erfahrung lehrt nun mal: Beim nächsten Mordfall – und in diesem Spiel wird gemordet wie verrückt – tauchen ohne Ausnahme exakt dieselben Spitzbuben schon wieder auf.

Aber die lästigen Vorschriften! Na klar: Vor der Verhaftung soll ich erst Ermittlungen anstellen. Also ermittle ich. Die Abbildung auf einer verdeckt gezogenen Karte zeigt die Täter. Nur der Spielleiter der aktuellen Runde weiß Bescheid. Alle anderen (die Ermittler) ziehen drei Karten, wählen eine davon aus, und der Spieleiter sagt ihnen nun, wie viele der abgebildeten Personen mit den Tätern übereinstimmen. So geht es ein paar Runden, bis die Gruppe den Fall löst. Anschließend ist der nächste Spieler der Geheimnisträger, außer es setzt sich doch noch der Vorschlag durch, alle sieben auf einen Streich zu verhaften.

Die Idee, dass nicht einmal die Zahl der Täter feststeht, klingt anfangs reizvoll. Es erwächst aber kein besonderer Spielspaß daraus. Schematisch arbeitet man Hinweiskarte für Hinweiskarte bis zur wasserdichten Lösung ab. Läuft es gut, kommt man mit einem Hinweis weniger aus. Läuft es schlecht, braucht man einen mehr.

Zielgruppe sind somit in erster Linie Jugendliche, denen der Berufswunsch „Polizist“ ausgetrieben werden soll. SIEBEN UNTER VERDACHT liefert einen Vorgeschmack auf die Eintönigkeit und Perspektivlosigkeit der Verbrechensbekämpfung.

SIEBEN UNTER VERDACHT von Reiner Knizia für einen bis fünf Spieler, Gmeiner.

Was war: Bring mich nicht mit (16): UFO Attack
Was kommt: Bring mich nicht mit (18): Arschbombe

Donnerstag, 15. September 2011

Sid Meier´s Civilization - Das Brettspiel

SID MEIER’S CIVILIZATION – DAS BRETTSPIEL. Journalisten, die auf der Basis von Zeilenhonorar schreiben, wissen solch lange Titel zu schätzen. SID MEIER’S CIVILIZATION – DAS BRETTSPIEL... klingel, klingel (hier das Geräusch einer alten Registrierkasse dazudenken). SID MEIER’S CIVILIZATION – DAS BRETTSPIEL... klingel, klingel. SID MEIER’S CIVILIZATION – DAS B... Blöd nur, dass ich Doofmann hier für umme schreibe. Ich denke, ich nenne das Spiel einfach kurz: CIVILIZATION.

Wie geht CIVILIZATION? Jeder Spieler startet mit einer Stadt, einem Pionier und einer Armee. Die beweglichen Einheiten schickt man los, um den Rest der Welt zu entdecken, Eingeborene aus dem Weg zu räumen und ein schönes Plätzchen für eine Zweit- oder gar Drittsiedlung auszukundschaften. Sind die Eingeborenen eliminiert, fühlen sich die Armeen unterbeschäftigt und finden einen neuen natürlichen Feind in Gestalt der Armeen anderer Spieler.
Zusätzliche Städte sind begehrt, denn jede Stadt hat pro Runde eine Aktion, und jede Stadt erhöht das Einkommen an Handelspunkten. Handelspunkte benötigt man für Technologien. Diese erlauben zum Beispiel, bestimmte Gebäude zu bauen, mit Armeen schneller zu laufen oder stärker zu kämpfen oder auch kompliziertere Dinge.
Viele und hochwertige Technologien zu besitzen, ist eine von vier Möglichkeiten, das Spiel zu beenden und zu gewinnen. Eine andere läuft über Kulturpunkte. Mit denen kauft man sich auf einer Kultur-Skala vorwärts bis zum „Du hast gewonnen“-Feld. Wie bekommt man Kultur? Statt zu bauen oder eine Einheit aufzustellen, können Städte ihre Aktion dafür nutzen, alle Kulturpunkte aus dem Umland zu ernten. Das klappt besonders gut, wenn man Gebäude und Weltwunder besitzt, die genau solche Punkte ausschütten. Da diese Gebäude weniger Handelspunkte einbringen, wird man den Technologie-Sektor etwas vernachlässigen müssen.
Eine Mischstrategie ist das Sammeln von Münzmarkern. Wer 15 hat, gewinnt. Verdienen lassen sie sich als Belohnungen oder im Tausch gegen diverse andere Ressourcen. Und schließlich gibt es noch den Militärsieg: Wer eine gegnerische Hauptstadt platt macht, gewinnt ebenfalls.

Was passiert? Am Anfang sieht man sich viel zu vielen Informationen gegenüber, aber gerade die Startphase einer Partie ist auch sehr spannend: Die Hauptstadt und später die Zweitstadt sollen aus dem Quark kommen, es fehlt an allen Ecken und Enden. Mit welchem Gebäude anfangen? Mit welchen Technologien? Eine gewisse Leitlinie ist vorgegeben, da jede Zivilisation diverse Sonderfähigkeiten besitzt. Die Umsetzung bietet trotzdem genügend Freiheiten.
Die Fülle an Details macht CIVILIZATION unübersichtlich. Jede Technologie bringt mehrere Fähigkeiten auf einmal und ständig vergisst man was. „Ach, ich durfte ja...“ „Ach, ich hätte ja...“ „Darf ich noch nachträglich...?“ Und immer wieder muss man rund um seine Städte die genaue Zahl der verschiedenen Symbole auszählen. Waren es nun 16 oder 17 Handelspunkte? Reichen die Produktionspunkte, um eine Schmiede zu bauen, und wenn nein, habe ich Handelspunkte übrig, die ich 3:1 in Produktionspunkte tausche? Oder nehme ich die zwei Punkte vom Pionier dazu? Dazu müsste ich aber erst mal auszählen, wie viel Produktion meine andere Stadt hat. Vielleicht braucht die den Pionier viel dringender? – Nun gut, in einem komplexen Spiel wie diesem finde ich solche Anstrengungen akzeptabel. Aber Spielspaß verursachen sie nicht.

Was taugt es? CIVILIZATION ist ein Spiel, bei dem eine Partie längst nicht genügt, um alles mal gesehen zu haben. Es könnte beispielsweise sein, dass niemand auf Kultur spielt und dieser Bereich (mitsamt der Kultur-Ereigniskarten) komplett außen vor bleibt. Oder anfangs traut sich niemand an bestimmte Technologien heran. (Jeder Spieler hat dieselben 36 zur Auswahl.) Den noch ungenutzten Rest des Spiels zu entdecken und die verschiedenen Zivilisations-Fähigkeiten auszuloten, ist ein Anreiz, um CIVILIZATION häufiger auf den Tisch zu bringen.
Allerdings ist das Spiel für mich kein Überflieger: Nach der spannenden Anfangsphase flacht die Dramaturgie ab. Die Städte produzieren jetzt viel Einkommen, die Marschrichtung steht fest. Wer auf den Kultursieg abzielt, wird nun Kulturpunkte, Kulturpunkte, Kulturpunkte produzieren. Wer auf Technologiesieg spielt, vermehrt seine Handelspunkte und entwickelt wie am Fließband Technologien. Was anfangs so voller Möglichkeiten schien, mündet in ein Abarbeitungs-Finale.
Um andere Spieler zu stoppen, gibt es das Militär. Droht einer zu gewinnen, marschiert man hin und versucht, ihm eine Stadt oder zumindest Handelspunkte wegzunehmen. Aufbauspiele mit solchen „Hau den Primus“-Tendenzen sind nicht nach meinem Geschmack. Fans des Genres dürfen gerne Fans bleiben und werden einwenden: Wer militärisch zu schwach ist, hat eben schlecht gespielt. Thematisch gesehen stimmt das vollkommen. Klar können wir vorsichtiger spielen, erst mal aufrüsten und Sicherungen einbauen, bevor es auf den Spielsieg losgeht. Für meine Begriffe (Achtung: Autor bevorzugt Euro Games!) fühlt sich das dann aber einfach nur zäher und langatmiger an, nicht aber tiefer.

SID MEIER’S CIVILIZATION – DAS BRETTSPIEL von Kevin Wilson für zwei bis vier Spieler, Heidelberger.

Montag, 12. September 2011

Eine Million Interviews (4): Sarah Kestering

Sarah Kestering

Die Interviewte: Sarah Kestering (34), Spielekritikerin aus Aachen. Der Name ihrer Internetseite spielenswert.de zeigt, was ihr besonders am Herzen liegt: gute Spiele!

Der Interviewer: Udo Bartsch (43), Spielekritiker aus Hannover. Der Name seiner Internetseite rezensionen-fuer-millionen.de zeigt, was ihm besonders am Herzen liegt: gutes Geld!


Frau Kestering, in den bisherigen Interviews meiner bahnbrechenden Erfolgsserie „Eine Million Interviews“ ging es um Duschhauben, ich wurde von einem unmusikalischen Hund angejault und büßte meine beste Hose ein. Alles ganz schön unbefriedigend. Ich hoffe, mit Ihnen kann ich endlich mal einen gehobenen philosophischen Diskurs führen.

Herr Bartsch, da sind Sie bei der Richtigen gelandet. Auf ein hohes geistig-intellektuelles Niveau lege ich gesteigerten Wert... Immerhin besitze ich mehrere Bücher, unter anderem Weltklassiker wie das Telefonbuch, „Backen macht Freude“ und „Hanni und Nanni gründen einen Klub“.
Um die horrenden Unterhaltskosten für spielenswert zu finanzieren, musste ich allerdings auch Abstriche machen und habe den Duden verkauft. Ist dem einen oder anderem Leser wohl schon aufgefallen...
Gerne bin ich bereit, über Grundsatzfragen des Lebens zu diskutieren, zum Beispiel über die Frage, ob Schildkröten ohne Panzer nur nackt oder eher obdachlos sind.

Ähm, ja. Gewiss ein interessantes Thema. Ich dachte allerdings eher an ein Reflexionsgespräch über Gerechtigkeit. Führen Sie sich doch mal bitte diese Fakten vor Augen: 1. Sie sind jünger als ich. 2. Sie sehen sympathischer aus. 3. Ihre Internetseite hat mehr Leser als meine! Ich weine jede Nacht deswegen. Wie können Sie das mit Ihrem Gewissen vereinbaren?

Ach, kein Problem. Ich lasse Ihnen einfach durch meinen Sekretär Dirk eine Familienpackung Taschentücher zukommen, dann sind wir quitt.
Es ist wohl einfach die Komposition von Stil, Eleganz, Anspruch und High-End-Technik, die spielenswert von diesen Kritiken für Tausend – oder wie hieß Ihre Seite denn jetzt noch? – so sehr abhebt. Falls Sie eine Stelle als Praktikant bei spielenswert suchen...

Als Prakt...?! (muss husten)

Vielleicht, Herr Bartsch, ist das Internet in Ihrem Alter auch nicht mehr so das richtige Medium? Mal so als Tipp aus einem Senioren-PC-Buch: Der PC lässt sich auch herunterfahren, ohne den Stecker zu ziehen.

Senio...?! (hustet heftiger)

Mein Leben hat sich durch spielenswert grundlegend geändert. Ich lasse mir schon mal den Herrn Knizia zum Kartenmischen einfliegen. Außerdem ist es einfach unglaublich, wie viele Heiratsanträge ich seit spielenswert schon erhalten habe!

Nicht, dass es mich wirklich interessiert, aber wie viele waren es denn?

Gar keiner. Unglaublich, nicht wahr? Dafür hat spielenswert schon 32 Facebook-Fans. Na gut, einer bin ich, einer mein Bruder, einer die Freundin meines Bruders...

Hm, wenn sonst keiner will und wenn Ihr Mann nichts dagegen hat, könnten wir ja vielleicht heiraten? Wie würden Sie es denn mit der Gütertrennung halten? Treten Sie mir die Hälfte Ihrer Leser ab?

Herr Bartsch! Ich bin entsetzt. Ganz ehrlich und tief in meinen traditionell, christlich-konservativen Grundwerten getroffen! Dieser Vorschlag ist mindestens so anstößig wie die Bäderkarte aus 7 WONDERS.
Ihre Millionen mögen ihre Reize haben, aber sind Sie sich eigentlich der Spätfolgen dieser spontanen Gefühlsregungen bewusst? Nicht auszudenken, was eine Scheidung zur Folge hätte, wenn Sie erst mal jahrelang Ihre schmutzigen Socken vorm Spieleregal liegen gelassen haben. Ich stelle mir das so vor: „DOMINION kommt zu mir!“ – „Nein, du kriegst EMIRA und die Kinder, DOMINION bleibt bei mir!“
Und was sagt Claudia dazu?

Puh, Sie machen’s aber kompliziert. Ich wollte doch nur Ihre Leser! Mit meinen ist nämlich kein Staat zu machen. Seit Ewigkeiten deute ich ganz zart mein Bedürfnis nach einer Million an, und denken Sie, irgendeiner hätte auch mal nur einen Tausender rüberwachsen lassen? Manchmal fragt man sich schon, warum man das überhaupt noch macht, diesen (schluchzt auf) knüppelharten Knochenjob eines Spielekritikers.
Was ist denn eigentlich Ihr Beweggrund?

Sehen Sie, Herr Bartsch, das ist doch wie bei einer Ehe. Da stellt man vorher keine Kosten-Nutzen-Analysen auf und berechnet auch keinen Break-Even-Point. Nein, es ist der Bauch, der sagt...

Huuuunger!

... das ist deine höhere Daseinsbestimmung. Außerdem kriegste ein schickes weißes Kleid. So lustwandelte ich eines Tages durch die Gegend und fand ein goldenes Buch. Darin stand geschrieben: „Sarah – Du musst unbedingt Spielekritiken schreiben oder die Welt wird in ewige Finsternis versinken.“ Es war der Reiz, es mal selber zu probieren, Spielekritiken zu schreiben, die aber keine reine Regelnacherzählung mit dem aussagekräftigem Fazit sind: „Ein Spiel, das bei Familien sicherlich gut ankommt, es kommt bestimmt noch häufig auf den Tisch“ Kotz!

Frau Kestering, jetzt ist es passiert! Ich habe eine ernsthafte Frage gestellt, und Sie haben ernsthaft darauf geantwortet. Das Interview ist total entgleist! Wir müssen sofort abbrechen, aber eine Frage zum „Graf Ludo“ brennt mir noch unter den Nägeln. Die wollte ich eigentlich Herrn Menzel stellen. Jetzt frage ich Sie: Was ist für Sie das Wichtigste am „Graf Ludo“: Das Preisgeld? Die Ehre? Oder dass „UDO“ im Namen vorkommt?

„Graf Ludo“? Ist das nicht der Film, wo Peter Alexander eine Frau spielt? Oder der Mann von Frauke Ludowig? Es mag ja durchaus sein, dass dies ein nach Ihnen benannter Preis ist, aber solange meine TELESTRATIONS-Bilder nicht nominiert werden, ignoriere ich den.
Vergessen Sie doch mal den Tausender, Ihre Millionen; besinnen Sie sich doch mal auf die wahren Werte, schließlich ist bald Weihnachten. Es gibt da ein altes Sprichwort, ich glaube, es ist von mir: „Spiel gut, alles gut.“

Das könnte ein schönes Schlusswort sein. Ich fürchte nur, Sie möchten trotzdem noch etwas sagen?

Ja.
Ich möchte noch jemanden grüßen. Tante Änne, die Dreifaltigkeits-Schützenbruderschaft Nütheim-Schleckheim, den Döner Grill in Alamogordo, Gaby von Gabys Nagelstudio in Gilching, Dirk – love forever, die Sportfluggruppe Leck, den Fischertechnik Fanclub Deutschland, meinen Bruder, die Freundin von meinem Bruder, die Mutter von der Freundin von meinem Bruder, den Hund von der Mutter von der Freundin von meinem Bruder…

Oh, Scheiße.
Frau Kestering, hallo, ich bin auch noch da, ich danke für das Gespräch.

Dienstag, 6. September 2011

Merkator

Während eines Krieges Geschäfte zu machen, lehne ich kategorisch ab. Man hat ja Prinzipien.
Der Dreißigjährige Krieg allerdings dauert geschlagene 30 Jahre. 30 lange, lange Jahre! – Und 30 entsetzlich lange Jahre ganz ohne Geschäfte...? Das geht nicht. Man trägt ja Verantwortung.

Wie geht MERKATOR? Ich habe Aufträge. Beispielsweise den, ein Gewürz und eine Pflaume in Danzig abzuliefern. Gelingt dies, erhalte ich einen weiteren Auftrag der nächsthöheren Stufe. Die Zahl meiner Aufträge vermehrt sich also. Mehr als fünf darf ich aber nicht haben. Die überschüssigen oder sogar mehr tausche ich gegen Geld. Für Geld kaufe ich entweder Handelsvergünstigungen oder Karten, die bei Spielende unter bestimmten Bedingungen Siegpunkte zählen. Weitere Siegpunkte bringen die vorhandenen Aufträge entsprechend ihrer Stufe.
Der Ablauf ist verblüffend einfach: Bin ich am Zug, darf ich reisen, wohin ich will (sofern ich die nötigen Zeitmarken abgeben kann). Am Zielort bekomme ich alle ausliegenden Waren und erfülle Aufträge. In Nachbarorten wird Ware nachgefüllt. Und ob ich will oder nicht: Alle Mitspieler dürfen mitreisen, um ebenfalls Aufträge zu erfüllen. Dafür zahlen sie mir Zeitmarken.

Was fühlt es sich an? Taktisch und trocken. Fast alle Informationen liegen offen: die Warenbestände und Aufträge der anderen Spieler, sogar die Stapel, von denen ich neue Aufträge nachziehen würde. Ich kann berechnen, wie effektiv und sinnvoll mein Spielzug sein wird. Keinen Einfluss habe ich allerdings darauf, ob aktuell für mich passende oder unpassende Aufträge zu erhalten sind, wie viele Waren in den Städten liegen und ob mich das regelmäßig vorkommende Ereignis „Warenverlust“ betrifft.
Verstärkt noch durch die nüchterne Gestaltung bietet MERKATOR wenig, womit man warm werden könnte. Es gibt zwar durchaus strategische Entscheidungen zu treffen, insbesondere bei der Frage, wie viele seiner Aufträge man zu Geld macht und worin man das Geld investiert. Der große Unterschied zu anderen Rosenberg-Spielen aber ist: Bei AGRICOLA und LE HAVRE schmiede ich Pläne. Ich fiebere mit, bis ich wieder an die Reihe komme. Bei MERKATOR hingegen warte ich, dass ich an die Reihe komme. Meine Entscheidungen fühlen sich mehr wie Augenblicksentscheidungen an, determiniert durch die äußeren Umstände. MERKATOR besitzt interessante Mechanismen und Taktik und Optimierung, aber eine dynamische Spannungskurve ergibt sich daraus nicht.

Was taugt es? Von den komplexen Rosenberg-Spielen hat dieses für mich den geringsten Spielreiz.

MERKATOR von Uwe Rosenberg für einen bis vier Spieler, Lookout Games.