Dienstag, 28. Februar 2023

Gern gespielt im Februar 2023

LOADING: Blättchen wechsel dich.

HENNEN: Typisch Mensch: Bei einem Spiel mit Tieren zählen wir am Ende die Eier.

TRIQUETA: Aller guten Dinge sind eben nicht mehr als drei.

CAFÉ DEL GATTO: Kaffeepause am Katzentisch.

FUN FACTS: Was sagt es über mich aus, dass meine Antworten häufig näher an der 0 als an der 100 liegen?







UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM FEBRUAR:

GREAT WESTERN TRAIL ARGENTINIEN: Ehrlich gesagt: Argentinien ist mir egal. Aber, hey: Es ist GREAT WESTERN TRAIL!





Freitag, 24. Februar 2023

Caldera Park

Oh nein! Das Murmeltier sieht seinen Schatten!

Man weiß ja: Wenn das Murmeltier am Murmeltiertag seinen Schatten sieht, wird es sechs Wochen lang keine Einleitungen geben.

Wie geht CALDERA PARK? Wie SAVANNAH PARK ist es ein Legespiel mit Tieren. Wieder sind sechs Tierarten auf den Plättchen abgebildet. Am Ende werte ich meine wertvollste Herde jeder Art. Dazu multipliziere ich die Anzahl der zueinander benachbarten gleichen Tiere (im Bestfall zwölf) mit den auf diesen Plättchen abgebildeten Wasserstellen (im Bestfall drei). Extrapunkte gibt es, wenn ich bestimmte Feldersorten (zum Beispiel alle Gebirgsfelder) komplett bebaut habe.
Wie bei SAVANNAH PARK ist die Besonderheit, dass ich nicht einfach legen darf, wo ich möchte. Sondern abwechselnd eine Person macht eine Vorgabe, die wir alle befolgen müssen. Zum Beispiel wird bestimmt, wir müssen ein Plättchen mit Adler in den Wald legen. Perfekt wäre es, wenn ich gerade keinen Adler in meinem sieben Plättchen großen Vorrat hätte. Dann dürfte ich irgendwas in den Wald legen. Bin ich selber der Bestimmer, wähle ich sehr gerne so, dass ich eine Wahl habe und die anderen nicht.
Die Vorgaben müssen sich abwechseln. Man kann nicht andauernd verfügen, dass etwas in den Wald soll. Gleichwohl könnten trotzdem mehrere Tiere nacheinander in den Wald, zum Beispiel, wenn die Vorgabe „auf ein Flussfeld“ lautet, und ich ein Flussfeld im Wald wähle.
Außer den Mitspieler:innen funken bei meinen Ordnungsbemühungen auch noch „Wetterplättchen“ dazwischen. Sechs davon kommen in schöner Regelmäßigkeit ins Spiel, irgendwo am Rand meiner Auslage. Welches Plättchen es ist, erfahre ich erst, wenn ich es lege. Wetterplättchen zerstören bestimmte andere Plättchen neben sich, zum Beispiel alle mit Adler, Elch und Wasserstelle. Weil der Verlust verheerend sein kann, versuche ich, Nachbarfelder unbebaut zu lassen, bis das Wetterplättchen bekannt ist. Aber weil ich mir das nicht immer so genau aussuchen kann, lässt sich ein Risiko nicht komplett vermeiden.


Was passiert? CALDERA PARK ist spannend. Wähle ich nicht selbst aus, hoffe ich, Tier und Ort werden so auserkoren, dass es für mich passt. Beim Bauen kann ich konservativ oder riskant agieren, indem ich entweder einfach gleiches Tier an gleiches Tier baue oder Lücken für erhoffte noch bessere Teile lasse – die dann aber auch unbedingt dort landen müssen.
Wie in SAVANNAH PARK habe ich eine bestimmte Anordnung im Kopf, wie Wasser und Tiere sich auf meinem Tableau verteilen sollen. Meine Pläne werden immer wieder durchkreuzt oder zumindest bedroht, weil ich Teile an Orte setzen muss, die mit meinem Plan so gar nicht korrespondieren.
CALDERA PARK ist nicht so denklastig wie SAVANNAH PARK, wo ich immer noch einen Schritt zusätzlich vorausplanen und Felder erst freischaufeln musste, bevor ich dort etwas ablegen konnte. Es fühlt sich dadurch etwas freundlicher an.
Erfahrene Spieler:innen werden trotzdem erfolgreicher sein, weil sie im Gegensatz zu den Neulingen schon einen Bauplan im Kopf haben. Neulinge ahnen noch nicht, was auf sie zukommt und wie sie ihre Auslage schon von Beginn an konzipieren müssen, um auf hohe Punktzahlen zu kommen.
Es ist ein enormer Vorteil, zu wissen, welche Tiere mit welchen anderen auf den Plättchen vorkommen, insbesondere auf den Plättchen mit Wasser. Bei SAVANNAH PARK konnte man das einfach sehen, weil jedes Plättchen auslag. In CALDERA PARK hingegen liegen die meisten Plättchen zunächst verdeckt.


Was taugt es? In den ersten Partien fühlte sich CALDERA PARK noch freier an als SAVANNAH PARK, was vielleicht daran lag, dass wir mit einem leeren statt einem vollen Brett starten. Je häufiger ich CALDERA PARK spielte, desto mehr kam dieser Eindruck abhanden. Ich muss zwar weniger vorausplanen als in SAVANNAH PARK, aber genau wie dort gibt es eine optimale Anordnung.
Es geht nicht um kreative oder experimentelle Plättchenplatzierungen, sondern um das möglichst störungsfreie Erledigen meines Musters. Für mein Empfinden steckt zu wenig Varianz im Spiel. Es ist immer dieselbe Optimierungsaufgabe. Die Spannung besteht darin, wie gut ich es diesmal hinkriege, und nicht darin, was ich diesmal ausprobiere.
Viele Spieler:innen, auch ich, hatten Probleme, die Tiere voneinander zu unterscheiden. Schwer erkennbar sind auch die Wasserstellen auf den Wetterplättchen. Der Gedanke des Verlags ist anscheinend, Tiere möglichst realistisch abzubilden. Klar, in der Natur sieht nicht ein Bison aus wie das andere, es gibt junge und alte Tiere und so weiter. Das sehe ich ein, und wenn es rein illustrative Abbildungen wären, ergäbe sich kein Problem. In diesem Legespiel, wo die Tiere als Symbole dienen, behindert es leider Funktionalität und Spielbarkeit.


**** solide

CALDERA PARK von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling für zwei bis vier Spieler:innen, Deep Print Games.

Montag, 20. Februar 2023

Shamans

Darf man im Jahr 2023 eigentlich noch Spiele aus dem Jahr 2021 rezensieren? Ich frage für einen Freund.

Wie geht SHAMANS? Es ist ein Stichspiel mit Verräter:innen-Element, man sagt auch „Social Deduction“ dazu. Im Spiel zu fünft beispielsweise gibt es drei Schaman:innen (die „Guten“) und zwei Schatten (die „Bösen“). Sie bilden jeweils ein Team, wissen aber nicht voneinander, denn die Rollen wurden geheim zugelost.
Wir spielen ein Stichspiel, bei dem nicht bedient werden muss. Nicht zu bedienen, ist im Interesse der Schatten, denn jedes Mal, wenn eine falsche Farbe in einen Stich gelegt wird, rückt die „Schattenfigur“ ein Feld vorwärts. Erreicht sie das Zielfeld, gewinnen die Bösen Punkte. Ansonsten die Guten. Man spielt mehrere Runden, meistens drei oder vier, bis jemand die für den Gesamtsieg erforderlichen acht Punkte beisammenhat.
Spiele ich die höchste Karte einer geforderten Farbe, gewinne ich den Stich und eröffne den nächsten. Spiele ich die kleinste passende Karte, gewinne ich einen Chip, beispielsweise ein „Portal“, mit dem ich die Schattenfigur versetzen darf. Oder einen „Mondsplitter“, der mir, wenn ich zwei davon besitze, Punkte einbringt. Oder einen „Dolch“, den ich später vielleicht einsetzen kann, um jemanden zu eliminieren.
Alle gespielten Karten werden nach Farbe sortiert und offen ausgelegt. Sobald alle einer Farbe gespielt sind, löst dies ein „Ritual“ aus, das je nach Farbe unterschiedliche Folgen hat. Gleich vier der sieben Farben bewirken, dass ich jemanden eliminieren muss, falls ich einen Dolch besitze. Eine der Farben bewirkt, dass ich meine Rollenkarte mit einer anderen Person tauschen muss.


Was passiert? Jedes Nichtbedienen löst natürlich sofort Geraune aus. Wer die falsche Farbe legt, macht sich verdächtig und beteuert postwendend die Unschuld. Dumm, wenn sich später herausstellt, dass man hätte bedienen können. Meistens stellt es sich aber nicht heraus.
Wichtig ist das Anspiel. Für die Schatten wäre es eine gute Idee, mit einer Farbe zu eröffnen, die möglichst wenige bedienen können. Aber auch dies sollte nicht zu offensichtlich geschehen.
Und noch wichtiger sind die Rituale. Möglicherweise gelingt es mir, kurz vor Schluss meine Identität zu tauschen und in das Team zu wechseln, das sicher gewinnen wird, ohne dass ich je zu diesem Erfolg beigetragen habe. Und jemand aus diesem Team wird dazu verdonnert, ins Loser-Team zu wechseln.
Auch die Wirkung der Dolche ist gravierend. Optimalerweise hätte ich, sobald ich einen einsetzen muss, auch einen handfesten Verdacht, wer zu welchem Team gehört, und meuchle gezielt. Mit wachsender Spielerfahrung kommt dieser Bestfall aber immer seltener vor, und man meuchelt auf gut Glück. Im Zweifelsfall trifft es dann die Spieler:in mit den meisten Punkten.


Was taugt es? SHAMANS gehört zu den Spielen, die mir im Laufe der Zeit schlechter gefielen als noch am Anfang. SHAMANS suggeriert, dass es als Schatten darauf ankäme, höchst subtil nicht zu bedienen, um so der Schattenfigur die entscheidenden Schritte zu ermöglichen. Nach meiner Erfahrung ist dies aber nur ein untergeordneter Aspekt.
Viel trägt allein schon die Kartenverteilung dazu bei, ob das Ende der Laufskala erreicht wird oder nicht. Und ganz unabhängig davon beeinflussen vor allem die Rituale massiv die Punkteverteilung. Wer eliminiert wird, gewinnt am Ende der Runde keine Punkte. Deswegen rückt immer mehr in den Fokus, wie die letzten Karten einer Farbe fallen und wer die mächtigen Rituale ausführen darf.
Da kann man nun argumentieren, genau dies (und nicht die Bedienfrage) sei eben der Kern des Spiels und mache SHAMANS bis zum Finale spannend. Ich sehe es anders. Eine für meine Begriffe gelungene Spannungskurve baut sich schon in den ersten Stichen spürbar auf. Und bricht nicht so schicksalhaft kurz vor Schluss über die Gruppe herein. Obwohl ich lustige und emotionale Partien erlebt habe, wenn jemand hereingelegt wurde, hat mich SHAMANS am Ende dann doch enttäuscht.


*** mäßig

SHAMANS von Cédrick Chaboussit für drei bis fünf Spieler:innen, Corax Games.

Donnerstag, 16. Februar 2023

Council of Shadows

Lange Rezension, kurze Einleitung.

Wie geht COUNCIL OF SHADOWS? Wir erkunden und besiedeln den Weltraum, schürfen Rohstoffe, kaufen damit tolle Dinge und gewinnen Punkte, und wer die meisten … Moment!
An dieser Stelle verlässt COUNCIL OF SHADOWS gewohnte Pfade. Zwar ist es ein Wettrennen um Punkte (im Terminus des Spiels: „Energie“) – aber mit unterschiedlich und individuell langer Laufstrecke! Mein Zielmarker startet auf Feld 20, und im Regelfall wird er sich immer weiter vom Nullpunkt entfernen.
Dreimal muss ich mit meinem Punktezähler diesen Zielstein einholen. Dadurch steige ich erst in Level 1, dann 2, dann 3 auf. Und jedes Mal beginnt mein Punktezähler wieder bei Null, während der Zielmarker nicht zurückgesetzt wird, sondern sich wahrscheinlich noch weiter entfernt. Sobald jemand Level 3 erreicht, endet bald darauf das Spiel. Wer das höchste Level erreicht hat, gewinnt. Was nicht bedeuten muss, dass diese Spieler:in insgesamt die meisten Punkte geholt hat.

Wieso rennt mein Zielstein und wie mache ich Punkte? Wir starten mit denselben sechs Karten. Mit jeweils drei davon programmiere ich meinen Zug und führe dann erst Karte A, dann Karte B und schließlich Karte C aus. Die meisten Karten „verbrauchen Energie“ oder anders ausgedrückt: Sie lassen meinen Zielmarker voranpreschen. Je stärker die Aktion, desto weiter. Ich kann (und sollte) Rohstoffe investieren, um mir nach und nach Aktionskarten mit einem besseren Verbrauch-Leistungs-Verhältnis zu kaufen. COUNCIL OF SHADOWS enthält also Deckbau.
Mit meinen Aktionen entdecke ich neue Sonnensysteme, gründe Dependancen auf verschiedenen Planten innerhalb meiner Reichweite und / oder schürfe vor Ort Rohstoffe. Ein entscheidendes Stichwort dabei ist „Reichweite“: Weiter entfernte Galaxien sind erheblich einträglicher. Allerdings sind sie eben auch … nun ja, weiter entfernt. Und bei Spielbeginn komme ich da noch gar nicht hin. Jeder meiner Kartenplätze A, B und C bezieht sich zunächst nur auf den ersten, ganz dicht gelegenen Sektor. Soll eine Karte auch in größerer Entfernung entdecken / siedeln / schürfen können, muss ich den Kartenplatz (mit Rohstoffen) ausbauen.
Am Ende meines Zuges darf ich jede Galaxie, in der ich mich befinde, werten. Besitze ich dort die meisten Siedlungen, gewinne ich viele Punkte. Besitze ich nicht die meisten Siedlungen, zählt es weniger. Doch in beiden Fällen kostet mich die Wertung eine meiner Siedlungen. Damit erleichtere ich es anderen, hier ebenfalls zu Punkten zu kommen. Und ich muss Aktionen aufwenden, um meine verlorene Präsenz wiederherzustellen. Gerade bei Spielbeginn ist das ein erheblicher Tempoverlust. Andererseits: Mit so wenigen Punkten wie bei Spielbeginn wird sich mein Zielstein nie wieder einholen lassen.


Was passiert? Der stetige Wettlauf mit dem eigenen Zielstein verstrickt mich von Beginn an in spannende Widersprüche: Ich will starke Aktionen machen – aber damit bürde ich mir Schulden für die Zukunft auf. Ich kann sparsam agieren – wachse dann aber nur sehr langsam.
Auch wenn ich meinen mehrteiligen Zug im Geheimen austüftle, ist COUNCIL OF SHADOWS kein solitäres Gemümmel: Wir kaufen uns gegenseitig Aktionskarten weg, blockieren Siedlungsplätze und ganze Galaxien, lauern auf Gelegenheiten für leichte Mehrheiten.
Sehr reizvoll sind die Dynamikänderungen, die sich durch Levelaufstiege ergeben. Langfristig fahre ich gut damit, erst mal Besitz anzuhäufen und meine Präsenz auf dem Brett auszubauen. Gegen Ende kann ich das dann in riesige Punktesprünge ummünzen. Aber: Wer in ein neues Level aufsteigt, darf eine von sechs „Dark Tech“-Karten auswählen, die entweder einen sehr starken Sofort- oder einen sehr starken Dauereffekt bringen und damit ein handfestes Argument liefern, vielleicht doch schneller Punkte zu sammeln.
Die Tech-Karten können die Partie drehen und die Konkurrenz dazu zwingen, ihre Spielweisen zu ändern, um gegenzusteuern. Wer COUNCIL OF SHADOWS gut kennt, wird sein Deck und seine Strategie auf eine oder mehrere dieser Tech-Karten ausrichten – wobei es dann trotzdem Glück ist, sie zu bekommen. Nur sechs von acht möglichen sind im Spiel, und bevor man Level 1 erreicht hat, weiß man nicht, welche.
COUNCIL OF SHADOWS bleibt über viele Partien reizvoll, und alle, die meinen, nun alles gesehen zu haben, können anschließend noch zwei enthaltene Module draufsatteln.


Was taugt es? COUNCIL OF SHADOWS ist von seinen Abläufen her kein überkomplexes Spiel. Alles folgt klaren Prinzipien, es gibt kaum Kleinregeln. Das ist gut, denn so liegt die Konzentration nicht auf Paragrafen- und Optimierungsdetails, sondern auf dem Mechanismus, der das Spiel ausmacht. Diese Gradlinigkeit unterscheidet COUNCIL OF SHADOWS von HELIOS, in dem Martin Kallenborn – damals noch gemeinsam mit Matthias Prinz – auch schon einen faszinierenden neuen Mechanismus eingeführt hatte, der jedoch vom großen Drumherum etwas überlagert wurde.
Obwohl also nicht überkomplex, passieren trotzdem Planungsfehler. Vor allem, weil jemand übersieht, auf welche Sektoren sich die Aktionskarten auf den Plätzen A, B und C beziehen. Und so will man eine Aktion irgendwo ausführen, wo es gar nicht erlaubt ist – was vielleicht auch eine etwas unnötige Klippe in diesem Spiel darstellt. Und noch eine zweite Klippe gibt es: die nicht ganz intuitive Symbolik. Sie führt in Erstpartien zu ganz vielen Nachfragen.
Die Komponenten von COUNCIL OF SHADOWS (Deck erweitern, Fähigkeiten ausbilden, Zug programmieren, Mehrheiten bilden) sind als solche unspektakulär. Außerordentlich wird das Spiel für mich durch die übergeordnete Idee, dass mein Punktezähler einem anderen Zähler hinterherläuft, dessen Geschwindigkeit ich steuern kann. Dieser Dreh bewirkt, bekannte Abläufe im Spiel neu denken und bewerten zu müssen. Ich finde den Mechanismus derart stark, dass ich glaube, er könne in Zukunft noch weitere Spiele tragen und zu einem Markenzeichen von Martin Kallenborn und Jochen Scherer werden.


****** außerordentlich

COUNCIL OF SHADOWS von Martin Kallenborn und Jochen Scherer für eine:n bis vier Spieler:innen, alea.

Sonntag, 12. Februar 2023

Vor 20 Jahren (122): Die fiesen 10

2002, also vor 21 Jahren, hatte ich erstmals die Spielwarenmesse in Nürnberg besucht und hinterher beschlossen, nicht wieder hinzufahren. 2003 war ich deshalb natürlich wieder mit dabei. Man muss auch mal konsequent sein!

Gemeinsam mit Herbert Heller und Frank Kersten klapperte ich die Verlage ab; die anderen Fairplayer kamen an späteren Tagen oder blieben zu Hause. Aber zwei genügten schon, um bei manchen Verlagen die Gespräche in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken: Immer wieder ging es um die Jury „Spiel des Jahres“. Ich weiß im Rückblick nicht mehr, ob es Herbert und Frank waren, die das Thema bei jeder Gelegenheit aufbrachten. Eher war es wohl so, dass allein das Auftauchen der als jurykritisch bekannten Redaktion ein Signal war, um sich endlich mal ein bisschen Frust von der Seele zu reden.

Ich machte dann große Ohren. Allerdings klang mir manches, was ich da hörte, ein bisschen nach Verschwörungstheorie. Beispielsweise war da ein Verlag, dessen Spiel aus dem Vorjahr ein krachender Flop gewesen war. Angeblich habe man 200 Rezensionsexemplare herausgegeben und etwa genauso viele Spiele dann auch verkauft. Und wer war schuld? Man ahnt es.

Es war nämlich so, dass der 2001 im Unfrieden bei Spiel des Jahres ausgeschiedene Michael Knopf redaktionell an dem Spiel mitgewirkt und die Anleitung verfasst hatte. Und in dieser Personalie wurde nun die Ursache gesehen, warum das Spiel bei Spiel des Jahres ohne Empfehlung geblieben war. Angeblich hätte man von Mitgliedern der Kritiker:innenjury sogar die deutliche Rückmeldung bekommen: „Am Spiel lag’s nicht!“

Ah ja. Ich weiß natürlich nicht, wer da damals was kommuniziert hatte. Und als Beobachter der Szene war ich auch gerne bereit, Jurykritik ernst zu nehmen. Allerdings hinterfrage ich auch meine Quellen. Und komisch fand ich, dass die für mich am meisten naheliegende Idee nicht in Betracht kam: Das Spiel war einfach nicht gut genug. Es war schlichtweg nur Mittelmaß. In meinen Runden jedenfalls hatte es niemandem sonderlich gefallen. Und wenn bei angeblich 200 Rezensionsmustern 200 Verkäufe herausspringen, wäre das etwas, was ich als Verlag mal in Ruhe analysieren würde. Aber das hatten sie ja anscheinend getan. Nur eben mit anderem Ergebnis.


Mittwoch, 8. Februar 2023

Splendor Duel

Menschheit fragt: Warum Zwei-Personen-Varianten?
REZENSIONEN FÜR MILLIONEN antwortet: Weil viele Menschen zu zweit spielen und das Originalspiel zu zweit gar nicht (CATAN) oder nicht so gut (7 WONDERS) spielbar ist.

Wie geht SPLENDOR DUEL? Wie bei SPLENDOR sammeln wir Chipkombinationen, um damit Karten – billige, mittlere und teure – aus einem Markt zu kaufen. Jede Karte in meinem Besitz bringt einen Chip-Rabatt für den Kauf kommender Karten. Eine Strategie besteht deshalb darin, viele billige Karten zu raffen, um über viele Rabatte an die teuren Karten heranzukommen, die Punkte zählen. Wer 20 Punkte hat, gewinnt.
Die andere Strategie ist, gezielt bestimmte Karten zu kaufen und mit nicht ganz so vielen, aber genau den richtigen Karten eine der anderen beiden Siegbedingungen zu erfüllen: zehn Punkte in einer Farbe oder Karten mit zehn Kronensymbolen haben.
Während wir bei SPLENDOR die Chips einfach aus der Bank nehmen, solange der Vorrat reicht und das Besitzlimit nicht überschritten ist, liegen die Chips nun in einem Raster. Will ich welche nehmen (wie gehabt bis zu drei Stück), müssen sie direkt benachbart in einer senkrechten, waagerechten oder diagonalen Reihe liegen.
Außerdem gibt es als zusätzliche Farbe nun auch rosa Chips („Perlen“), die man oft für die etwas besseren Karten benötigt. Einige der Karten lösen jetzt Effekte aus, etwa einen Doppelzug oder einen Chipdiebstahl beim Gegenüber. Und es gibt Privileg-Spielsteine, die man für kleine Bonusaktionen einsetzen darf. Man bekommt Privilegien immer als Ausgleich; zum Beispiel, wenn das Gegenüber den Spielplan wieder auffüllt.


Was passiert? SPLENDOR DUEL ist genau wie SPLENDOR ein Wettlauf. Ich beginne mit nichts und muss mir zunächst immer wieder Chips nehmen. Mit der Zeit gewinnt meine Maschinerie unweigerlich an Tempo. Die Herausforderung besteht darin, sowohl Markt als auch Mitspieler:in im Blick zu behalten: Welche Karten bringen mich zielgerichtet weiter? Welche Karten und welche Chips sollte ich meinem Gegenüber vorenthalten? Der Blockade-Aspekt ist in SPLENDOR DUEL etwas ausgeprägter.
SPLENDOR DUEL ist wie SPLENDOR dennoch ein konstruktives Spiel. Man wächst und wächst; es geht immer voran. Oft beträgt der Unterschied nur ein oder zwei Züge, die irgendjemand schneller ist und deshalb gewinnt. Während SPLENDOR dieses Spielgefühl mit eleganten, geradezu klassisch-einfachen Mechanismen erzeugt und in seiner Tiefe deshalb hin und wieder unterschätzt wird, benötigt SPLENDOR DUEL mehr Regeln.


Was taugt es? Weil SPLENDOR so einfach ist, wie ein Engine Builder irgend sein kann, war klar, dass es für SPELNDOR DUEL nur in die andere Richtung gehen kann: mehr Details, mehr Schnörkel. Immerhin: Trotz größerer Regelmenge ist auch SPLENDOR DUEL nicht sonderlich komplex. Und obwohl das Spielgefühl im Wesentlichen dasselbe ist, bringen die Siegbedingungen eine größere Variation, als sie das Grundspiel hatte.
SPLENDOR DUEL ist ein ordentliches Spiel und zudem etwas konfrontativer als das Original. Aber es beantwortet für mich nicht die Frage nach dem Warum. Denn SPLENDOR funktioniert zu zweit einwandfrei. Und auch dort spielt man nicht nebeneinanderher. Welchen Vorteil soll da eine Zweier-Variante bieten? Außer: Den Liebhaber:innen von Schnörkeln bietet das Spiel nun mehr Schnörkel.


**** solide

SPLENDOR DUEL von Marc André und Bruno Cathala für zwei Spieler:innen, Space Cowboys.