Achtung! Diese Rezension kann SPOILER enthalten! Grund dafür ist, dass ich das Spiel so rezensieren möchte, wie ich es für richtig halte. Und dazu wiederum muss ich schreiben dürfen, was mir wichtig erscheint.
Und: Achtung! Dies war keine Einleitung!
Wie geht T.I.M.E STORIES? Hand hoch, wer kennt Solo-Abenteuerbücher? Darin ist man ein Held und liest Texte wie wie: „Du entdeckst eine verschlossene Truhe. Was tust du? Wenn du nach dem Schlüssel suchen willst, lies weiter bei Abschnitt 64. Wenn du die Truhe mit Gewalt knacken willst, lies weiter bei 217. Wenn du den Raum sofort verlassen willst, lies weiter bei 89.“
So in etwa kann man sich auch T.I.M.E STORIES vorstellen. Mit folgenden Unterschieden: 1. Wir spielen kooperativ. 2. T.I.M.E STORIES ist kein Spiel im Buch, sondern ein Brettspiel mit großformatigen Grafiken, die sehr viel zum Flair beitragen. Was im Buch die verschiedenen Abschnitte leisten, übernimmt hier ein vorsortierter Kartenstapel. 3. Die Meta-Geschichte handelt davon, dass wir Zeitreisende sind. Unsere Abenteuer können also überall und zu jeder Zeit angesiedelt sein.
Das Spiel läuft so ab: Eine Landkarte zeigt sämtliche erreichbare Orte. Die Gruppe entscheidet sich für einen dieser Orte und ist nun dort. Die zugehörigen Ortskarten werden zu einem Panorama aneinander gelegt. Im ersten Raum des ersten Abenteuers sind es: Krankenschwester, Mann am Schachbrett, Frau an Staffelei, Mann auf Sofa, Klavier. Jeder Spieler stellt seine Figur zu einer dieser Karten, darf sich dann deren Rückseite ansehen und den anderen Spielern berichten, was er erfährt.
Manchmal erhält man Informationen oder findet Objekte. Manchmal muss man Fähigkeitsproben ablegen oder wird in Kämpfe verwickelt. Deshalb kann es auch sinnvoll sein, mit mehreren Spielern zur selben Karte zu gehen.
Arbeitsteilung spart allerdings Zeit, und Zeit ist der entscheidende Faktor. Ist der Zeitvorrat aufgebraucht und das Ziel noch nicht erreicht, endet die Partie. Die Gruppe startet von vorn, nun natürlich mit mehr Wissen. Manchmal dürfen auch erworbene Objekte mit in die nächste Partie genommen werden. Und im Regelfall hat man in späteren Partien zu mehr Orten einen direkten Zugang. Was wiederum Zeit spart.
Was passiert? T.I.M.E STORIES kreiert ein im Brettspielbereich neues Spielgefühl: Wir spielen eine Geschichte. Wir sind Teil dieser Geschichte und beeinflussen ihren Ausgang. Wir haben fast keine Vorinformationen. Wir lösen gemeinsam ein Rätsel.
Im Szenario NERVENHEILANSTALT, das der Grundbox beiliegt, ist das Haupträtsel eine Denkaufgabe, ohne deren Lösung die Gruppe nicht weiterkommt (Nebenbei: Nach meinem Empfinden ist die Lösung dieses Rätsels leider unthematisch.). In anderen Szenarien beschränkt sich das Rätselhafte eher darauf, dass man wichtige und unwichtige Informationen filtert und herausfindet, in welcher Reihenfolge Orte durchlaufen werden sollten.
So sehr die Ungewöhnlichkeit des Spielkonzeptes anfangs noch begeistert: Es entwickelt sich eine gewisse Routine, sogar eine gewisse Ermüdung. Zumindest bei mir. Ich hatte bald weniger Lust, immer wieder vorn zu beginnen und Stationen zu durchlaufen, die ich längst schon kannte. T.I.M.E STORIES fühlt sich in dieser Hinsicht ein bisschen so an wie eines dieser Elektronikspiele, bei denen der Erzähler immer dieselben Sprechtexte wiederholt.
Um nicht unnötig oft von vorn zu beginnen, habe ich angefangen, systematisch zu spielen, habe alle Informationen notiert und habe darauf gedrungen, an einem Ort lieber alles abzuklappern, was irgend geht, statt eine Karte ungelesen liegen zu lassen, nur weil sie der Gruppe unbedeutend erscheint. Weil T.I.M.E STORIES ganz offenbar nicht darauf ausgelegt ist, im ersten Anlauf geschafft zu werden, habe ich mir bald keine Mühe mehr gegeben, dies zu erreichen.
T.I.M.E STORIES gibt mir nicht genügend Anreize, um es wirklich so thematisch zu spielen, wie es vielleicht gedacht ist. Ich bin mir deshalb nicht sicher, ob es wirklich die beste Entscheidung war, Zeiteinheiten in T.I.M.E STORIES zur entscheidenden Ressource zu erheben, zumal die Spielregel recht undeutlich ist und Unklarheiten bleiben, ob man für eine Aktion Zeit bezahlen muss oder nicht.
Was taugt es? Ich war auf jedes Szenario in T.I.M.E STORIES gespannt und bin auch weiter gespannt auf kommende. Sich von der Atmosphäre gefangen nehmen lassen, nach Informationen fahnden, gemeinsam ein Rätsel lösen: das sind starke Reize.
Allerdings kam auch jedes Szenario an den Punkt, dass es sich in die Länge zog und ich froh war, es hinter mich zu bringen. Die Szenarien HINTER DER MASKE und DIE DRACHEN-PROPHEZEIUNG habe ich zudem nicht als so dicht und spannend erlebt wie die Vorgänger-Abenteuer NERVENHEILANSTALT und DER MARCY-FALL. Mit steigender Partien-Anzahl sind meine Zweifel am Langzeitreiz des Spielsystems größer geworden. T.I.M.E STORIES braucht Szenarien, die mehr leisten als das, was auch die Solo-Abenteuer in Buchform schon konnten.
Gewünscht hätte ich mir auch einen leichteren Einstieg. Das Spielsystem ist sehr einfach, das Regelheft stiftet trotzdem Verwirrung. Am wenigsten überzeugt mich übrigens die nicht besonders elegante Art der Würfelproben, die auf mich so wirken, als sollten sie vor allem anders sein als herkömmliche Proben.
T.I.M.E STORIES von Manuel Rozoy für zwei bis vier Spieler, Space Cowboys.