Montag, 31. Juli 2023

Gern gespielt im Juli 2023

MYCELIA: Oje, im Tal der 1000 Tautropfen komme ich schon mit 20 ins Schleudern.

TIPPERARY: Na, welche Teile werden mir diesmal angedreht?

ST. PATRICK: Das Spiel mit dem Spiel vor dem Spiel.

GREAT WESTERN TRAIL ARGENTINIEN: Der wilde, wilde Westen fängt gleich hinter Buenos Aires an.

DOMINION PLÜNDERER: Endlich! Dass DOMINION noch mehr Geldkarten braucht, war schon immer die Kernthese von REZENSIONEN FÜR MILLIONEN. Im Grunde kann ich den Laden jetzt dichtmachen.




UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM JULI:

GHOST WRITER: Der Geheimtipp voller Geheimtipps.







Dienstag, 25. Juli 2023

Noobs im Weltraum

Noob bei der Einleitung.

Wie geht NOOBS? Wir sind frisch gebackene Absolvent:innen der Raumfahrtakademie und begeben uns auf unsere erste Mission. Leider haben wir im Unterricht nicht so gut aufgepasst (oder das Bildungssystem im Jahr 2928 ist auch nicht viel besser als heute), weshalb wir leider überhaupt keine Ahnung haben, was wir tun müssen.
Positiv daran: Mit sehr wenig Regelerklärung kann es losgehen. Die Karten von Level 1 werden möglichst gleichmäßig an alle Spieler:innen verteilt. Wer die Aufgabe mit der niedrigsten Zahl bekommen hat, liest sie vor. Haben wir die Aufgabe erledigt, kommt die nächste. Und so weiter. Bis alle Aufgaben geschafft sind. Dann stoppen wir die Zeit. (Handy liegt dem Spiel nicht bei.)
Die Aufgaben zielen darauf ab, dass wir bestimmte Karten ausspielen und eventuell noch auf bestimmte Weise anordnen sollen. Ein Bild im Lösungsheft zeigt, wie die korrekte Auslage am Ende auszusehen hätte. Das gucken wir uns natürlich erst hinterher an. Mit Fehlern handeln wir uns Strafminuten ein. In einer Zeittabelle lesen wir unsere Bewertung ab.
Generell dürfen wir über unsere Karten nur reden, sie uns aber nicht zeigen und auch nicht tauschen. In NOOBS wird deshalb sehr viel kommuniziert.


Was passiert? Die Aufgaben sind so konzipiert, dass für die Lösung oft mehrere Karten gespielt werden müssen oder dass sich relevante Details auf mehrere Karten verteilen. Es wäre deshalb nicht klug, sich zurückzulehnen, weil man mit einer Aufgabe nichts zu tun zu haben glaubt. Vielleicht stellt sich bei genauerer Betrachtung der Karten heraus, dass ich genau die Information auf der Hand halte, deren Fehlen meinen Kolleg:innen schon seit einer Minute Kopfzerbrechen bereitet.
Könnte man alle Karten sehen, wären die Aufgaben nicht weiter schwierig. Aber man hat eben immer nur einen Teil der Informationen. Manchmal versteht man die Aufgaben als Einzelne:r auch gar nicht, sondern benötigt zusätzlich das Kartenwissen der anderen. Es geht also darum, sich auszutauschen, sich verständlich zu machen und andererseits auch zuzuhören. Alle müssen aufpassen. Spielt man mit Sportsgeist, kommt obendrein Zeitdruck hinzu.
Ein Level dauert zwischen fünf und 20 Minuten. Die Schwierigkeit und die Dauer steigen an. Die Aufgaben werden komplexer. Später sind auch kleine amüsante Fallen eingebaut, Voreiligkeit wird bestraft.


Was taugt es? NOOBS kreiert ein ungewöhnliches Spielerlebnis, das stark von der Überraschung lebt. Hat man alle acht Level absolviert, kann man das Spiel verschenken oder sollte zumindest eine längere Pause machen, bevor man es (möglichst in einer anderen Runde) noch einmal spielt.
Ich sehe NOOBS als verwandt mit EXIT an. Ohne große Vorrede werden wir mit einer Herausforderung konfrontiert und müssen sehen, wie wir klarkommen. NOOBS allerdings ist eher die humorvolle Partyversion von EXIT. Während ich EXIT lieber in kleiner Besetzung spiele, finde ich NOOBS zu viert oder zu fünft am stärksten. Zu dritt kann es eben doch vorkommen, dass sich die Karten für eine Aufgabe nicht gut verteilt haben und deshalb weniger Zusammenarbeit erforderlich ist.
Obwohl uns keine kniffligen Logik-Rätsel begegnen, sondern eher Konzentrationsaufgaben, scheint die erforderliche Denkart im Großen und Ganzen doch ähnlich zu EXIT zu sein. Während sich eine Gruppe von Vielspieler:innen in Rekordzeit durch die Level pflügte und sich über die großzügigen Zeitangaben wunderte, habe ich in anderen Gruppen schon mehrfach erlebt, dass die Zeiten gerissen und Aufgaben falsch gelöst wurden.
Anders als in guten EXIT-Fällen hatte ich bei NOOBS keine denkwürdigen Aha-Erlebnisse; nichts Bestimmtes, was sonderlich im Gedächtnis geblieben wäre. NOOBS ist gelungenes Entertainment, es bleibt oberflächlicher. Trotzdem bin ich auf weitere Teile gespannt, um zu sehen, wie sehr sich das Konzept wiederholt oder ob es variiert werden kann. Und vielleicht kommen die Aha-Erlebnisse ja noch.
Angekündigt ist NOOBS ÜBER BORD, das im Pirat:innenmilieu spielen wird. Apropos: Dass wir in diesem Teil im Weltraum sind, wird beim Spielen kaum deutlich. Zwar zeigen die Illustrationen Monitore, Schalthebel und Asteroiden, und die Aufgaben heißen „Radar kontrollieren“ und „Schub drosseln“, aber das war es auch schon an Thema.


**** solide

NOOBS IM WELTRAUM von Johannes Krenner und Markus Slawitscheck für drei bis fünf Spieler:innen, Kosmos.

Dienstag, 18. Juli 2023

Sattgrün

Als Allergiker habe ich keine Zimmerpflanzen. – Noch Fragen?

Wie geht SATTGRÜN? Wir legen ein Kartenraster, das wie das Muster eines Schachbretts abwechselnd aus Pflanzen- und Zimmerkarten bestehen muss. Wessen Auslage die meisten Punkte zählt, gewinnt.
Der Mechanismus, um an neue Karten zu gelangen, erinnert stark an CASCADIA: Ich bekomme immer eine Kombination aus Karte und Plättchen. Welche Karte mit welchem Plättchen verknüpft ist, ist Zufall. Aber ich habe immerhin die Wahl zwischen acht Kombinationen.
Die gewählte Karte muss ich sofort in mein Raster legen, das Plättchen nicht unbedingt. Maximal ein unbenutztes Plättchen darf ich mit in den nächsten Zug nehmen. Zwei Plättchensorten gibt es: 1. Möbel und Haustiere, die ich auf Zimmerkarten lege, um Punkte zu gewinnen. Im Bestfall stimmen Zimmer und Plättchen farblich überein, und ich sammle nur lauter verschiedene Möbelhaustiere. 2. Dünger, Blumenkelle und Gießkanne, die ich einsetze, um meine Pflanzen wachsen zu lassen.

Denn das ist die zentrale Idee von SATTGRÜN: Die Pflanzen auf den Pflanzenkarten sollen wachsen. Nur ausgewachsen zählen sie viele Punkte. Der Chinesische Feigenbaum benötigt zur Vollendung vier Wachstumsschritte (Blätter) und zählt dann drei Punkte. Der Titanenwurz benötigt acht Blätter, um zehn Punkte zu zählen.
Je ein Blatt wächst automatisch, sobald ich Pflanze und Raum so nebeneinander lege, dass der Raum das Lichtbedürfnis der Pflanze erfüllt. Der Titanenwurz will Halbschatten. Zeigt die Raumseite, die an den Titanenwurz grenzt, ein Halbschatten-Symbol, wächst die Pflanze.
Für zehn Wachstumsschritte wird es trotzdem nie reichten, selbst wenn der Titanenwurz vier passende Nachbarn hat. Deswegen gibt es Pflegeplättchen: Dünger kann ich auf eine Pflanze donnern und ihr dann drei Blätter auf einmal verpassen. Mit der Gießkanne wächst rund um einen Raum jeder Pflanze ein Blatt.

Was passiert? Sieben Punkte-Kategorien gehen in die Schlusswertung ein. Spielt man mit Zielkarten für Fortgeschrittene, sind es sogar zehn. Die Pflanzen machen üblicherweise den Großteil der Wertung aus. Man gewinnt aber nicht, wenn man sich ausschließlich auf Pflanzen konzentriert und Raumfarben, Möbel und alles andere komplett ignoriert.

Es lohnen sich also ein paar Gedanken darüber, welche Karten-Plättchen-Kombination die beste Wahl ist. Meistens muss man Kompromisse eingehen. Vielleicht hat das Möbelstück, das ich bekommen könnte, die richtige Farbe, aber nicht das gewünschte Symbol. Oder ich erhalte zusammen mit der gewählten Karte eine Gießkanne, was im Grunde gut ist. Nur kann ich sie gerade nicht lagern und auch nicht optimal einsetzen. Oder ich muss den Titanenwurz an einen Raum legen, der zu viel Sonne hat. Oder … oder.
Durch die zufällige Bestückung des Marktes können sich recht unterschiedliche Partieverläufe ergeben. Kommen früh viele Pflegeplättchen ins Spiel, haben die Pflanzen ihre Blätter schnell komplett, und man lässt Wachstumsmöglichkeiten notgedrungen verfallen, weil nichts mehr da ist, was noch wachsen könnte. Umgekehrt kann ein Mangel an Pflegeplättchen ein allgemeines Gieren nach Dünger hervorrufen.


Was taugt es? Einige meiner Mitspieler:innen mögen SATTGRÜN sehr. Meine Begeisterung ist eher am unteren Bereich des Meinungsspektrums angesiedelt. Ich empfinde SATTGRÜN als ziemlich unspannend, obwohl es rein handwerklich erst mal gar nichts zu bemängeln gibt: Man trifft relevante Entscheidungen, die Entscheidungen sind selten glasklar, die Spieldauer passt zur Spieltiefe, und vor allem: Das Spiel ist von Beth Sobel herausragend illustriert!
Mein Weniggefallen ist wohl ein Gemisch verschiedener Faktoren. Wie meine Mitspieler:innen ihr Muster bauen, ist in SATTGRÜN weitgehend irrelevant für mich. Jede:r bastelt still vor sich hin. (Das ist aber natürlich auch in vielen anderen Spielen so, die ich trotzdem gut finde.) Die diversen Marker – Blumentöpfe, Daumen, Blätter – erfordern recht viel Handling. Die Raumwertungen muss ich oft für meine Mitspieler:innen mit ausrechnen, was mir zeigt, wie wenig eingängig sie sind.
Insgesamt wirkt der Punktesalat eher aufgesetzt als thematisch begründet. Und durch die vielen Möglichkeiten, zu Punkten zu kommen, fühlt sich SATTGRÜN für mich eher lauwarm als heiß an. Ich kann nur begrenzt langfristige Bau- oder Sammelpläne verfolgen. Meistens muss ich es nehmen, wie es kommt. Deswegen fiebere ich meinen Zügen nicht entgegen. (Gewiss ist auch das wieder Geschmackssache. Und möglicherweise soll SATTGRÜN sogar so sein: ein gemütliches Wohlfühlspiel, das man nicht so hart an die Wand fahren kann wie etwa CALICO.)
Mein Hauptknackpunkt aber ist dieser: Was ich hier baue, interessiert mich nur wegen der Punkte. Es entsteht nichts Schönes, ich erschaffe keinen Garten, sondern ich befülle ein vorgegebenes abstraktes Raster. Obwohl es um Lichtverhältnisse geht, was durchaus mit Pflanzen zu tun hat, habe ich anders als in CASCADIA, wo ich es einleuchtend finde, dass Tiere in Landschaften gesetzt werden, nicht das Gefühl, einem Thema zu folgen. Nach ERDE ist SATTGRÜN nun schon das zweite Spiel binnen kurzer Zeit, das mir das nüchterne, poesielose Rastern von Karten als Naturthema unterjubeln will.


*** mäßig

SATTGRÜN von Molly Johnson, Robert Melvin, Aaron Mesburne, Kevin Russ und Shawn Stankewich für eine:n bis fünf Spieler:innen, Kosmos / AEG / Flatout Games.

Freitag, 14. Juli 2023

Kingdomino Origins

Ich glaube nicht, dass es in der Steinzeit Einleitungen gab, und um kein falsches Geschichtsbild zu vermitteln, habe ich mir meine diesmal extra verkniffen.

Wie gehen KINGDOMINO und KINGDOMINO ORIGINS? KINGDOMINO und KINGDOMINO ORIGINS sind Legespiele mit Dominos. Jedes Teil zeigt auf jeder Hälfte einen Landschaftstyp (Wiese, Dschungel, Wüste etc.), teilweise auch zweimal denselben. Zwölf solcher Legeteile werde ich im Laufe der Partie erhalten.

Die sollte ich auf maximal fünf mal fünf Feldern so kombinieren, dass erstens große Flächen eines Typs entstehen. Zweitens sollten die Flächen Feuersymbole enthalten, denn die Formel für die Punktwertung jeder Fläche lautet: Anzahl Felder mal Anzahl Feuer.
Zu Beginn jeder Runde wird pro Person ein Teil gezogen und aufgedeckt. Jede:r wählt eines davon. Die Nummern auf den Legeteilen bestimmen die Reihenfolge der nächsten Runde. Wer das (vermeintlich) schlechteste Teil genommen hat oder nehmen musste, hat nächstes Mal den ersten Zugriff.

Was bringt speziell ORIGINS? Drei Module. Waren in KINGDOMINO noch sämtliche Multiplikatoren (seinerzeit Kronen statt Feuer) auf den Landschaftsplättchen aufgedruckt, ist es jetzt nur noch teilweise so. Fast die Hälfte der Feuer kommt über den neuen Landschaftstyp „Vulkan“ ins Spiel. Platziere ich einen Vulkan, erhalte ich ein mobiles Feuerplättchen, das ich abhängig von der Stärke des Vulkans mehr oder weniger weit entfernt von der Ausbruchsstelle platzieren darf. So werte ich Felder, die zunächst keinen Multiplikator hatten, nachträglich auf.

Das zweite Modul fügt Rohstoffe hinzu. Die meisten Landschaften bringen beim Legen einen Rohstoff mit. Diese Ressourcen zählen Punkte, für Sortenmehrheiten gibt es Extrapunkte. Und im dritten Modul kann ich Rohstoffe zur Bezahlung nutzen, um Höhlenmenschen anzuheuern, die ich so auf meinen Feldern platziere, dass sie möglichst viele Punkte zählen. Die „Sammlerin“ beispielsweise bringt vier Punkte pro Fisch-Ressource auf Nachbarfeldern, „Krieger“ zählen dann besonders viel, wenn ich sie zueinander benachbart anordne.


Was taugt es? KINGDOMINO wird mit ORIGINS anspruchsvoller. Es gibt jetzt wesentlich mehr zu durchdenken als im Grundspiel: mehr Punktequellen, mehr Kriterien, nach denen man Teile wählt und anlegt.
Dass man Feuer anders als Kronen teilweise gezielt platzieren kann, ist noch gut überschaubar, verkompliziert das Spiel nur unwesentlich und erlaubt neue Taktiken. Bis hierhin finde ich KINGDOMINO ORIGINS gelungen, auch wenn ich mir für diese kleine Variation nicht gleich ein neues Spiel anschaffen würde.
Die Rohstoffe in Modul zwei bringen fast keinen für mich erkennbaren zusätzlichen Spielreiz. Das Modul scheint eher dazu da zu sein, um einen sanfteren Übergang zum dritten Modul herzustellen. Denn spielt man schlussendlich mit sämtlichen Zusatz-Regeln, wird KINGDOMINO ORIGINS sehr planerisch und grübelig und hat im Spielgefühl nicht mehr viel mit KINGDOMINO gemein.
Am interessantesten ist KINGDOMINO ORIGINS für Menschen, die gar kein KINGDOMINO besitzen. Der Mehrwert von ORIGINS besteht darin, dass man die gewünschte Schwierigkeit von Partie zu Partie anders wählen kann. Was natürlich nur dann Sinn macht, wenn man speziell auch die anspruchsvolleren Varianten spielen möchte. Ich möchte das nicht. Gerade Einfachheit und Klarheit sehe ich als die größten Stärken des Grundspiels an. Und genau sie gehen Modul für Modul immer weiter flöten. Mir genügt weiterhin KINGDOMINO.


**** solide

KINGDOMINO ORIGINS von Bruno Cathala für zwei bis vier Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Montag, 10. Juli 2023

Mantis

Zunehmend gibt es Spiele, die uns mit Tierabbildungen die Schönheit der Natur ins Bewusstsein rufen. Und MANTIS gibt es auch.

Wie geht MANTIS? Fangschreckenkrebse – wer will sie nicht? Zehn dieser niedlichen Kreaturen muss ich besitzen, dann gewinne ich. „Besitzen“ meint in diesem Fall: Ich muss die Karten gesichert haben. Was offen vor mir liegt, ist noch nicht sicher, sondern nur die Vorstufe davon.
Bin ich am Zug, entscheide ich, was mit der obersten Karte des verdeckten Stapels geschehen soll: Spiele ich sie zu mir und habe schon Krebse dieser Farbe vor mir liegen, dann sichere ich all diese Karten (und drehe sie um). Habe keinen weiteren Krebs dieser Art, muss der Neuankömmling vorerst offen vor mir liegenbleiben.
Spiele ich die Karte zu dir und du hast weitere dieser Farbe, dann nehme ich dir diese Krebse ab und lege sie zu mir. Hast du die Farbe nicht, ist meine Karte ein schönes Geschenk für dich. Gern geschehen. (Grummel.)
Wohin ich spiele, muss ich entscheiden, bevor ich die Karte aufdecke und ihre Farbe sehe. Was geschieht, ist also Zufall. Allerdings gibt es Wahrscheinlichkeiten: Jede Karte zeigt auf ihrer Rückseite drei Farben. Und wie durch Magie wird sich herausstellen, dass der Krebs auf der Vorderseite garantiert eine dieser Farben hat. Nur welche?


Was passiert? MANTIS ist ein Zock- und Ärgerspiel. Zeigt die oberste Karte die Möglichkeiten rot, gelb oder grün, und irgendwer hat eine schöne Sammlung roter Krebse vor sich liegen, verlockt es mich schon sehr, die Karte dorthin zu spielen. Allerdings: Gelbe und grüne Krebse kann ich dort nicht einfangen. Versuche ich also doch lieber, mein jämmerliches gelbes Tierchen zu sichern? Punkte sind Punkte. Zumal: Wenn ich die vielen roten Karten habe, mache ich mich zum Angriffsziel. Alles, was ungesichert herumliegt, kann mir wieder weggenommen werden.
Und so deckt man auf und es kommt … manchmal das, was man hofft. (Juhu!) Oft genug das, was gerade gar nicht passt. (Grrr!) Bei MANTIS wird viel geflucht, viel gestöhnt, viel gejubelt und gelacht. Aufatmen, Triumph, Schadenfreude: Alles ist dabei.
MANTIS ist höchst interaktiv und kommunikativ. Denn natürlich gibt man gerne gute Tipps, was die anderen tun oder lassen sollen: XY liegt in Führung, dort musst du hinspielen! Und auf keinen Fall zu mir. Denn ich bin nur ein armes Würstchen.

Was taugt es? MANTIS ist das Partyspiel unter den Absackern und hat auf jeden Fall seine Qualitäten, zumal man es altersübergreifend und barrierefrei in so ziemlich jeder Gruppe spielen kann und höchstwahrscheinlich keinen Flop erlebt. Hier sind wirklich alle gleich. Kinder können gegen Eltern gewinnen. Und wer fies oder vermeintlich taktisch spielt, fällt oft genug selbst herein.
Ich würde MANTIS jederzeit mitspielen, wenn es vorgeschlagen wird. Allerdings bin ich auch nicht hingerissen. Der Reiz ist immer derselbe: Karte aufdecken und hoffen, dass sie die gewünschte Farbe zeigt. Ärgern, wenn nicht. Im Grunde ist das banal, und es hängt von der Runde ab, wie sehr sie das zelebriert.
Warum nach meinem Verständnis viele MANTIS so lieben: Es spielt mit „mein“ und „dein“. Zwar ergibt man sich Karte für Karte dem Schicksal; es ist wie ein Münzwurf. Aber der emotionale Bezug zu diesem Münzwurf besteht eben darin, dass mir etwas weggenommen wird oder ich etwas ergaunere. Dadurch erhält der Zufall gröBere Bedeutung, viele in der Runde nehmen den Zufall deshalb persönlich. Ich, wie gesagt, bin da etwas abgestumpfter.


**** solide

MANTIS von Ken Gruhl und Jeremy Posner für zwei bis sechs Spieler:innen, Exploding Kittens.

Donnerstag, 6. Juli 2023

Vor 20 Jahren (127): Alhambra

Ja, ich weiß, das Spiel heißt heute DER PALAST VON ALHAMBRA. Aber damals noch nicht. Und um damals geht es.

Als mir ALHAMBRA 2003 in Nürnberg gezeigt wurde, war ich nicht allzu euphorisch. Und das, obwohl ich normalerweise bei der Vorstellung neuer Spiele allen greifbaren Verlagsmitarbeitern spontan um den Hals zu fallen pflege und jubelnd eine Runde um den Stand hüpfe. Nur diesmal nicht.

Warum? Ich glaube, gegenüber neu bearbeiteten Spielen hatte ich grundsätzlich Vorbehalte. Wie eine Art Misstrauen, als würde man mich übers Ohr hauen und mir dasselbe Produkt mehrfach verkaufen wollen. Dieses Misstrauen musste sich dann nicht immer als berechtigt erweisen. Die veränderte Version von LÖWENHERZ beispielsweise hatte mich trotz Skepsis am Ende überzeugt, und bei DR. JEKYLL & MR. HYDE war ich regelrecht froh, dass das ehemalige TWILIGHT nun in einer Version vorlag, die man guten Gewissens auch in Tageszeitungen besprechen konnte.

Heute sehe ich das lockerer. Van Gogh hat zig Bilder mit Sonnenblumen gemalt, Andy Warhol hat 32 Suppendosen und 50 Marilyns aneinandergereiht. Na und? Ich schreibe seit Jahren auch immer dasselbe. Warum also sollten Spieleautor:innen das nicht genauso dürfen?

Außerdem war ALHAMBRA ja wirklich besser als seine Vorläufer STIMMT SO! und AL CAPONE. Das Legespiel-Element kommt bereichernd hinzu und macht den bis dahin eher rohen Sammelmechanismus erst rund. Es verleiht dem Spiel eine weitere Ebene und damit Tiefe. In der Rückschau würde ich sogar sagen: STIMMT SO! und AL CAPONE waren noch nicht ganz komplett und wurden erst durch ALHAMBRA vollendet. Aber das soll diese beiden Spiele nicht abqualifizieren. Sicherlich wirkten sie bei ihrer Veröffentlichung fertig, und sicherlich sollten sie zunächst auch gar nicht mehr sein als schnell gespielte Sammelspiele mit Mehrheitswertungen.

So richtig kann ich mich in meinen damaligen Zorn über Neubearbeitungen also nicht mehr hineinfühlen. Habe ich in meinem jugendlichen Ungestüm tatsächlich den Anspruch gehabt, man müsse beim Entwickeln von Spielen alles Gewesene vergessen und den Würfel immer wieder neu erfinden? Falls ja: Das sehe ich überhaupt nicht mehr so. Ist doch super, wenn Autor:innen an ihren Mechanismen weiterarbeiten. Oder auch an Mechanismen, die in Spielen anderer Autor:innen eingeführt wurden. Gutes lässt sich mit der Zeit zu sehr Gutem verbessern. Der Weg zur Perfektion braucht Zwischenstadien.


Sonntag, 2. Juli 2023

Lautsalat

Wer’s wissen will: Langes, vergebliches Grübeln über eine gelungene Einleitung ist ziemlich geräuschlos. Ab und zu hört man, wie sich jemand am Kopf kratzt, oder das Klappern der Tastatur, um im Netz noch mal die besten Witze von Fips Asmussen zu recherchieren, ob da nicht etwas dabei wäre.

Wie geht LAUTSALAT? Wir spielen kooperativ und mit wechselnden Rollen. Bin ich „der Lauscher“, muss ich meine Augen schließen oder eine alberne undurchsichtige Pappbrille aufsetzen. Alle anderen machen (ihnen zugeloste) Geräusche wie „Erkältung“ oder „Basketball“. Nun darf ich meine Augen wieder öffnen und mir auch wieder alle zur Wahl stehenden Begriffe ansehen, und ich muss raten, was da intoniert wurde.
Solange ich richtig rate, bringt uns das Punkte. Rate ich falsch, endet die Runde sofort, und der Fehlermarker rückt vor. Wir gewinnen, wenn der Punktemarker das Ziel erreicht. Wir verlieren, wenn der Fehlermarker schneller ist.


Was passiert? Um die Geräusche zu machen, ist nicht viel Zeit. Die Sanduhr läuft etwa zwölf Sekunden – das war’s. Und so machen alle ihre Geräusche mehr oder weniger gleichzeitig, was einen lustigen Soundbrei ergibt, das Erraten (gewolltermaßen) aber noch schwieriger macht.
Bin ich Geräuschemacher und habe nicht gerade einen der leichten Begriffe gezogen, muss ich kreativ sein. Gegenstände im Raum dürfen mitbenutzt werden. Vielleicht lässt sich damit was anfangen? Manche Aufgaben sind allerdings hart am Rande der Unmöglichkeit, insbesondere wenn sehr ähnliche Begriffe ausliegen.
Bin ich der Lauscher, fällt es mir vor allem schwer, mich nach diesem Töne-Schwall an alle Geräusche zu erinnern, um sie im Kopf zu rekapitulieren und mit den ausliegenden Begriffen zu vergleichen. Ich bin schon froh, wenn ich zwei Geräusche richtig errate, das dritte oder gar vierte habe ich meistens schnell wieder vergessen. Anderen scheint es ähnlich zu gehen. Ab vier Spieler:innen ist LAUTSALAT jedenfalls nicht so leicht zu gewinnen.


Was taugt es? Ich habe keine einzige Partie LAUTSALAT erlebt, in der nicht gelacht worden wäre. LAUTSALAT ist unterhaltsam, es macht Spaß. Ich beobachte aber auch, dass das Spiel weder von mir noch in meinen öffentlichen Runden immer wieder hervorgeholt wird. LAUTSALAT zeigt sein Potenzial schnell. Das ist gut. Aber es schöpft sein Potenzial auch schnell aus.
Ich glaube, der Unterschied zu Partyspielen, die man immer wieder spielen möchte, ist: LAUTSALAT hat nicht diesen Weißt-du-noch-Effekt. In beispielsweise SO KLEEVER oder TOP TEN, erlebt man hin und wieder legendäre Erklärungen, die im Gedächtnis bleiben. Und man hofft, dass irgendwer beim nächsten Mal so etwas wieder kreiert. Bei LAUTSALAT beruht der Gag mehr auf der absurden Gesamtsituation, auf der Kakofonie, die aber im Großen und Ganzen in der nächsten Runde und in der nächsten Partie dieselbe ist.


**** solide

LAUTSALAT von Hjalmar Hach und Lorenzo Silva für drei bis sieben Spieler:innen, Schmidt.