Zur Vorbereitung auf diesen Text habe ich mir noch einmal Christof Tischs Rezension in der spielbox 2/2014 durchgelesen. Christof vergibt für LEWIS & CLARK neun von zehn Punkten, und ich finde in seinem Artikel lauter Aussagen, denen ich zustimmen kann.
Die Stärken von LEWIS & CLARK sehe ich ähnlich, nur gewichte ich im Gesamturteil offenbar ganz anders. Jede Partie LEWIS & CLARK hatte tolle, aber auch ätzende Anteile. Und diese ätzenden Anteile machen das Spiel für mein Gefühl unelegant und unrund.
Wie geht LEWIS & CLARK? Bei LEWIS & CLARK spielen wir die historische (finde ich gut) Lewis-und-Clark-Expedition von St. Louis zum Pazifik nach. Es geht nicht (f. i. g.) um Siegpunkte, sondern wer als Erster das Ziel erreicht, gewinnt. LEWIS & CLARK vereint Deckbau (f. i. g.) und Arbeitereinsatz (f. i. g.).
Jeder startet mit demselben, aus sechs Karten bestehenden Deck. Karten zu spielen, bringt entweder Indianer oder Ressourcen oder (meist unter Abgabe von Ressourcen) Schritte auf dem Parcours. Karten werden nie allein gespielt. Man muss sie mit Indianern verstärken (thematisch sehr treffend: ohne die Hilfe der Eingeborenen läuft nichts). Dies kann in Form von Figuren geschehen und / oder mittels anderer Karten, deren eigentliche Funktion dann ungenutzt bleibt.
Indianer können auch im Dorf auf Einsetzfeldern platziert werden. Dort bekommen sie Rohstoffe oder tauschen diese gegen Fortbewegungs- oder Transportmittel. Mit bestimmten Rohstoff-Kombinationen kauft man weitere Karten in sein Deck. Und will man seine gespielten Karten wieder auf die Hand nehmen, „errichtet man ein Lager“. Das bedeutet: Man markiert die bereits erreichte Stelle des Parcours mit seinem Lager-Abzeichen. Um zu gewinnen, muss nicht etwa die Lauffigur das Ziel erreichen, sondern das Lager.
Das ist ein wichtiger Unterschied und macht die Aufgabe schwieriger. Denn unmittelbar bevor das Lager errichtet wird, muss die Figur wieder rückwärts ziehen: sofern man noch Handkarten hält, sofern man mehr als einen Indianer besitzt, sofern man mehr als drei Ressourcen besitzt. (Die zulässigen Vermögensgrenzen lassen sich durch den Zukauf von Booten erhöhen. Boote sind deshalb begehrt.) Insgesamt können sich ganz schön viele Rückwärts-Schritte zusammenläppern. Sofern die Figur jetzt noch vor dem ursprünglichen Lager steht, wird der Lager-Anzeiger zur Figur vorwärts gezogen.
Was passiert? LEWIS & CLARK enthält 54 verschiedene Karten, von denen pro Partie nur ein kleiner Teil ins Spiel kommt. Die Karteneffekte sind teilweise tricky. Gerade im Zusammenspiel mit anderen Karten lässt sich manches entdecken. LEWIS & CLARK bleibt deshalb über mehrere Partien hinweg variabel.
Spielerisch herausfordernd sind auch Timing-Fragen. Karten bringen stärkere Effekte, wenn bei den Nachbarn bestimmte Kartensymbole ausliegen. Das bewirkt: Einerseits will man den Mitstreitern keine Vorlagen legen, andererseits sollte man das Ausspielen auch nicht zu lange hinauszögern, weil der Nachbar sein Blatt sonst im entscheidenden Moment schon wieder auf die Hand genommen hat.
Als stärker ausgeprägt empfinde ich jedoch die solitären Tüftel-Elemente. Auf dem Parcours wechseln sich Wasser- und Gebirgsfelder ab. Jeweils erfordern sie andere Fortbewegungsarten. Optimalerweise berechnet man seinen Zug so, dass beim Übergang zwischen den Landschaften keine Schritte verfallen und dass man beim Lagerbau nicht wieder auf einen Untergrund zurück muss, der längst überwunden schien.
Man will in einen Rhythmus kommen, dass man sich erst Rohstoffe holt, damit Schritte kauft und beim Aufnehmen der Karten alles wieder ausgegeben hat. Schon kleine Fehler in diesem Rhythmus (ein fehlender Indianer, eine fehlende Ressource, eine Ressource zu viel) können einen Rattenschwanz an Spielzügen erforderlich machen, um das Missgeschick wieder auszubügeln. Weil Fehler so hart bestraft werden, lässt sich LEWIS & CLARK nicht erfolgreich aus dem Bauch spielen. Jedes Detail muss vorgeplant werden. Es gibt Spielsituationen, in denen man beispielsweise acht Indianer oder 15 Holz nehmen dürfte, aber man nimmt sie nicht einfach, sondern rechnet erst anhand der geplanten drei, vier, fünf, sechs Folgezüge aus, wie viele man exakt benötigt. Und das ist das, was ich weiter oben „ätzend“ nannte. Zumal die Rechnungen obendrein Unbekannte enthalten, sodass man bei Änderungen der Faktenlage womöglich neu losrechnet.
Die geringe Fehlertoleranz von LEWIS & CLARK bewirkt auch, dass der Kartenmarkt im Laufe der Partie immer mehr einschläft. Anfangs vergrößert man sein Blatt noch. Nach zwei bis vier Zukäufen hat das Deck dann aber einen ganz brauchbaren Rhythmus, und jede Veränderung würde eine neue Unwucht hineinbringen, die wieder neu justiert werden muss.
Was taugt es? LEWIS & CLARK enthält Elemente, die mich neugierig auf weitere Partien machen. Allerdings würde ich es nur mit Leuten spielen wollen, die so spontan sind, Dinge einfach mal auszuprobieren, auch auf die Gefahr hin, dass es völlig schief geht. Jeder erfolgsorientierte Spieler am Tisch, der großen Wert auf fehlerloses Spielen legt, lässt die Schwäche von LEWIS & CLARK offenkundig werden: Es ist die Paarung aus hoher, zu Fehlern verleitender Komplexität und gleichzeitig harter Bestrafung.
LEWIS & CLARK von Cédrick Chaboussit und Vincent Dutrait für einen bis fünf Spieler, Ludonaute / Heidelberger Spieleverlag.