Montag, 30. Juni 2014

Gern gespielt im Juni 2014

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt? (Die Liste fällt mir in diesem Monat schwer. Wenn ich einige Nominierte auftauchen lasse und andere nicht, wird vielleicht etwas hineingedeutet, das gar nicht gemeint ist. Deshalb eine Liste bewusst ohne die Nominierten.)

CAVERNA: Wenn die Sonderpunkte für einen Vorratshaufen von 18 Steinen und 33 Erz nicht zum Sieg reichen, muss man schon mal kritisch hinterfragen dürfen, ob Uwe Rosenberg das Zwergenthema tatsächlich getroffen hat. Grrr!

TZOLK’IN – STÄMME UND PROPHEZEIUNGEN: Das bisschen mehr Denkstoff kriegen der ungläubige Thomas und der dumme August gerade noch bewältigt.

DIE BURGEN VON BURGUND: Summertime is Bubutime!

STORIES: „Was würde man denn normalerweise tun, wenn einem der Schlüssel in den Gulli fällt?“ (verzweifelte Zwischenfrage, als ein Mitspieler STORIES! mit einem Kreativspiel verwechselte)

LOVE LETTER: Hab auch grad einen bekommen. Doch die Gefühle des Finanzamts für mich kann ich leider nicht erwidern.

GEISTER, GEISTER, SCHATZSUCHMEISTER: Mattel mit neuer Strategie: Sie machen jetzt gute Spiele!



Donnerstag, 26. Juni 2014

Welt der Spiele

Beißt dich mal ein Hund, bekommst du auch Angst vor anderen Hunden. Und widert dich mal ein Quizspiel an, machst du fortan einen weiten Bogen um alles, was so ähnlich sein könnte. Mit anderen Worten: TRIVIAL PURSUIT hat vieles in meinem Leben auf die falsche Bahn gebracht. (Von wegen: „Das will doch nur spielen...“)
Dass gar nicht alle Quizspiele beißen, haben mich in jüngster Zeit FAUNA und FINGER WEG gelehrt. Beiden Spielen gelingt es, so viele spielerische Elemente in den Prozess der Wissensabfrage hineinzuweben, dass mir gar nicht auffällt, was ich da eigentlich treibe: Ich empfinde Vergnügen – obwohl „Vergnügen“ in meinem Unterbewusstsein als nicht kompatibel mit „Quizspiel“ verankert ist.
Und jetzt kommt WELT DER SPIELE, und ich stelle fest: Auch hier empfinde ich Vergnügen. An besonderen spielerischen Elementen kann das allerdings nicht liegen. Solche sind hier nämlich nicht enthalten. Offenbar gibt es noch etwas anderes, das mich zum Quiz verlocken kann: hohe Gewinnchancen nämlich! – Igitt, das ist plump und zugegebenermaßen nicht die schönste Selbsterkenntnis. Aber ich muss mich ihr stellen. Zum Beispiel bei einer Partie WELT DER SPIELE...

Wie geht WELT DER SPIELE? Der reihum wechselnde Vorleser verliest eine der 220 Fragen mit je vier Antwortmöglichkeiten. Eine, zwei oder drei der Antworten können richtig sein. Im Uhrzeigersinn entscheiden sich die Spieler, ob sie der ersten Antwortmöglichkeit zustimmen. Falls ja, legen sie einen Chip auf der entsprechenden Tafel ab. Dann dasselbe Prozedere für die zweite Antwort usw.
Bei der Auswertung bekommt man für jeden richtig platzierten Chip einen Punkt – aber nur wenn man keinen seiner Chips falsch gelegt hat. In dem Fall gibt es gar keine Punkte.

Was passiert? Wer sich mit Spielen und der Spieleszene sehr gut auskennt, gewinnt. Kennen sich mehrere sehr gut mit Spielen und der Spieleszene aus, entscheiden meist die etwas abseitigeren Fragen, die es (zum Glück) auch gibt: „Im welchem Jahr lief zum ersten Mal die Gameshow WER WIRD MILLIONÄR im Fernsehen?“, „Welchen Beruf hatte der Erfinder von MALEFIZ?“, „Wo liegt der aktuelle Rekord im Lösen des Zauberwürfels?“
Negativ fällt auf, wie entscheidend die Sitzreihenfolge ist. Gibt es in der Gruppe genau einen Experten, kann sein linker Nachbar einen leichten zweiten Platz ergattern, indem er sich an dessen Antworten hängt. Gibt es zwei Experten, ist der im Vorteil, der hinter dem ersten sitzt.

Was taugt es? Ganz sicher ist WELT DER SPIELE nicht entwickelt worden, um die Welt der Quizspiele mit neuen innovativen Ideen zu bereichern. Die Quiz-Reihe, zu der es bereits mehr als zehn Ausgaben gibt (WELT DER WEINE, WELT DER BÜCHER, WELT DES FILMS etc.), sehe ich als Geschenkartikel für Spezialisten.
Das Spiel an sich fasziniert mich überhaupt nicht. Es ist kein gutes Spiel, es ist kein besonderes Spiel, es ist kein wertig produziertes oder schön gestaltetes Spiel. Aber ich bin gespannt auf jede einzelne Frage. Erstens um zu sehen, ob ich sie beantworten kann. Zweitens um zu sehen, was sich die Redaktion da ausgedacht hat.*

WELT DER SPIELE für zwei bis fünf Spieler, HUCH! & friends.

* Die Fairplay hat diese Meta-Ebene übrigens sehr amüsant weitergesponnen, um die Antworten auf die Frage „Welche Rubrik erscheint regelmäßig in der Fairplay?“ augenzwinkernd Lügen zu strafen. Siehe Heft 107.

Mittwoch, 18. Juni 2014

Tzolk’in – Stämme und Prophezeiungen

Man nenne mich ungläubiger Thomas oder von mir aus auch dummer August. Als mir TZOLK’IN 2012 auf der Messe in Essen vorgestellt wurde, war ich skeptisch: Auf den ersten Blick sah es für mich nach einem fiesen Rechen- und Grübelspiel aus. Und in der Tat können die Zugmöglichkeiten kurz vor Schluss ziemlich kompliziert werden. Alles in allem erwies sich TZOLK’IN jedoch als viel leichtgängiger als vermutet.
Dann wurde mir 2013 in Essen TZOLK’IN – STÄMME UND PROPHEZEIUNGEN gezeigt, und wieder war ich skeptisch. Auf den ersten Blick sah es für mich nach einer fiesen Rechen- und Grübelerweiterung aus...

Was bringt STÄMME UND PROPHEZEIUNGEN? Insgesamt sind es vier Module. 1. die Stämme. Jeder Spieler erhält zwei Spezial-Eigenschaften zugelost, von denen er eine auswählt. Sie gilt für das gesamte Spiel. Beispielsweise darf man pro Spielzug einen Rohstoff gegen Mais eintauschen oder es gelten günstigere Einsetzkosten für die Arbeiter. 2. die Prophezeiungen: im zweiten, dritten und vierten Viertel des Spiels kosten bestimmte Spielzüge extra. Direkt im Anschluss wird dieser Bereich zusätzlich gewertet. Beispielsweise bringen Holzplättchen vorübergehend weniger Holz, anschließend erhalten die Spieler für die Anzahl ihrer Holzplättchen Punkte. 3. neue Gebäude. 4. Material für den fünften Spieler inklusive einer Regelanpassung.

Was ändert das? Es wird wider Erwarten nicht viel rechnerischer oder grübellastiger, sondern fügt sich gut ein. Am unauffälligsten sind die Gebäude. Sie bieten einfach nur ein bisschen Abwechslung, alles in allem sind sie aber ziemlich egal. Deutlich spannender wirken sich die Prophezeiungen aus. Sie ermöglichen reichlich Extrapunkte, wenn man denn gezielt darauf spielt. Und ein schönes Experimentierfeld sind die Stämme. Sie beeinflussen den Spielstil. Habe ich zum Beispiel die Eigenschaft, eine Figur pro Runde zurückzunehmen, nachdem ich zwei andere eingesetzt habe, versuche ich, meinem Spiel einen entsprechenden Rhythmus zu geben.
Wenn mir eins an TZOLK’IN missfällt (und alles andere gefällt mir sehr), dann die Beobachtung, dass es so viele mögliche Strategiewege am Ende gar nicht gibt. Die Erweiterung ändert daran letztlich auch nichts. Aber STÄMME UND PROPHEZEIUNGEN bringt genügend Variation und Seitenwege, um auf weitere Partien gespannt zu sein. Hatte ich ohne die Erweiterung bereits über 20 Partien TZOLK’IN gespielt, sind es nun über 30. Ende nicht absehbar.
Allerdings habe ich Zweifel, ob die Eigenschaften der Stämme tatsächlich gleichwertig sind. Das zu beweisen, dürfte unendlich viele Testpartien erfordern. Es fühlt sich aber nicht gleichwertig an, und allein das ist schon ein gewisses Manko.

Was taugt es? Die Module 1, 2 und 3 verwende ich mit erfahrenen TZOLK’IN-Spielern jetzt immer. Nur Partien zu fünft strebe ich nicht ernsthaft an, weshalb ich Modul 4 überhaupt nicht brauche. Immerhin bietet die neue Spielerfarbe Orange eine schöne Alternative, falls noch jemand außer mir Gelb haben möchte. Jetzt darf er Orange haben und kann sich freuen.

TZOLK’IN – STÄMME UND PROPHEZEIUNGEN von Daniele Tascini und Simone Luciani für zwei bis fünf Spieler, CGE / Heidelberger Spieleverlag.

Samstag, 14. Juni 2014

Vor 20 Jahren (18): Café International

Wer Jochen Corts’ Artikelreihe auf der Homepage von Spiel des Jahres verfolgt, wird wissen: CAFÉ INTERNATIONAL wurde vor 25 Jahren Spiel des Jahres. Wenn CAFÉ INTERNATIONAL nun in meiner Serie „Vor 20 Jahren“ auftaucht, könnte man dies als Beleg dafür werten, dass ich aus der Provinz stamme und sich die Neuigkeiten der Spieleszene nicht schnell genug bis zu mir herumsprachen.

Jedoch: Nichts könnte falscher sein als dieser Eindruck! Tatsächlich habe ich schon vor mehr als 25 Jahren als damaliger Besucher des örtlichen Jugendzentrums damit begonnen, eine Spielesammlung für eben jenes Jugendzentrum aufzubauen, indem ich mit dem Geld des Jugendzentrums endlich alle Spiele kaufen durfte, die ich als Besucher des Jugendzentrums schon immer mal spielen wollte. Hach, war das toll! Und CAFÉ INTERNATIONAL war als Spiel des Jahres natürlich auch im Fundus.

Denn CAFÉ INTERNATIONAL war und ist im besten Sinne ein Spiel für alle. (Den Begriff „Familienspiel“ vermeide ich an dieser Stelle absichtlich, weil er mir zu eng gefasst ist und weil ich mich weigere zu glauben, dass ausschließlich Familien so genannte „Familienspiele“ spielen. Ich jedenfalls habe gewiss um die 100 Partien CAFÉ INTERNATIONAL gespielt – und keine einzige davon mit meinen Eltern.)
CAFÉ INTERNATIONAL war leicht erklärt und gefiel nahezu jedem. Es war lange Zeit eins meiner Standardspiele, die ich in neue Runden hineintrug, deren Erfahrung und Vorlieben ich noch nicht einschätzen konnte. Manchmal frage ich mich, warum heutzutage so wenige Spiele dieser Art erscheinen. Oder erscheinen sie, nur nimmt man sie aufgrund eigener Übersättigung nicht mehr wahr?


Zurück zum Ursprungsgedanken: Vor 20 Jahren war ich also natürlich längst mit CAFÉ INTERNATIONAL vertraut. Das Spiel taucht nur deshalb fünf Jahre nach seiner Prämierung in meiner Serie auf, weil mein schönstes Spielerlebnis mit CAFÉ INTERNATIONAL jetzt 20 Jahre zurückliegt. Mit anderen Worten: Nach der ausufernden Einleitung komme ich nun endlich zu meiner kleinen Geschichte. Die Einleitung musste allerdings ausufernd sein, um irgendwie zu übertünchen, dass die kleine Geschichte diesmal wirklich sehr klein ist.

Sie spielt in Hamburg. Ich besuchte eine Freundin in ihrem Studentenwohnheim und war angehalten, Spiele mitzubringen. Was merkwürdig war, denn die besagte Freundin spielte überhaupt nicht gern. Aber auf ihrem Flur wohnten zwei amerikanische Studentinnen, die Spielen toll fanden. Ich hatte ADEL VERPFLICHET und CAFÉ INTERNATIONAL im Gepäck, und CAFÉ INTERNATIONAL wurde mir förmlich aus der Hand gerissen: Hey, guck mal, wie geil sieht das denn aus!?

Okay, das sagte man damals wahrscheinlich nicht, sondern vielleicht eher „pretty“, „nice“, „great“, „wow“, „hilariously funny“ – irgendwas in der Richtung oder sogar alles zusammen. Jedes Porträt wurde einzeln gewürdigt und mit Geschrei kommentiert. Am meisten grölten die Amerikanerinnen über die Darstellung der Deutschen – bis sie dann das Amerikanerpaar sahen. Da fielen sie vor Lachen unter den Tisch.

Ich bin später zwei oder drei Mal mit der Kritik konfrontiert worden, CAFÉ INTERNATIONAL transportiere doofe Klischees. Dann erinnere ich mich an diesen Abend im Studentenwohnheim und denke: Hey, das könnte vielleicht sogar gewollt sein.

Dienstag, 10. Juni 2014

Expedition: Northwest Passage

Nachdem die nautischen Wochen auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN unter anderem für ein Expeditionsspiel unterbrochen worden waren (an dieser Stelle herzlichen Dank für die sehr interessante und konstruktive Diskussion!), gleite ich nun zurück ins alte Fahrwasser und widme mich wieder ein Spiel mit Schiffen. Und siehe da: ein Expeditionsspiel ist es außerdem!

Wie geht EXPEDITION: NORTHWEST PASSAGE? Wir befinden uns auf den Spuren der legendären Expedition von Sir John Franklin und suchen sowohl nach deren Überresten als auch nach der Nordwest-Passage.
Mit Plättchen, die Wasser und Eis zeigen, bauen wir eine Seelandschaft. Unsere Schiffe bewegen sich über die Plättchen, natürlich nur auf Wasser. Wer will, darf einen Schlitten aussetzen. Der Schlitten fährt über das Eis. Auf einigen Plättchen liegen Chips verschiedener Sorten. Sie abzusammeln, bringt am Schluss Punkte für Mehrheiten sowie für komplette Sets aller Sorten. Weitere Punkte gewinnt, wer beim Plättchenlegen Eisflächen vollendet. Abhängig von der Reihenfolge des Eintreffens zählt es außerdem Punkte, den Spielplan komplett zu überqueren und das Feld „Northwest Passage“ zu erreichen sowie vor Ablauf der zehn Durchgänge wieder zum Startpunkt zurückzukehren. Wer die Rückreise nicht schafft, kassiert Abzüge.
Jede Aktion (Plättchen kaufen oder anlegen, Fahrzeug bewegen, Chip aufnehmen) zahlt man mit Personal. Jedem Spieler stehen pro Durchgang sieben Crewmitglieder zur Verfügung. Aktionen benötigen bis zu drei dieser Figuren. Wer seine Leute komplett eingesetzt hat, passt und steigt aus dem Durchgang aus.
Während der Partie umkreist die „Sonnenscheibe“ den Spielplan. Sie zeigt an, welche Gebiete unabhängig von der Plättchengrafik völlig zugefroren sind. Anfangs des Spiels ist dies nur ein kleiner Teil, später fast die gesamte Fläche, gegen Ende wieder fast nichts. Das bedeutet: Mit dem Schiff kommt man irgendwann nicht mehr weiter oder ist zumindest extrem eingeschränkt. In aller Regel muss man Personal auf den Schlitten umladen, weiterfahren, und vor der großen Eisschmelze wieder zum Schiff zurück.

Was passiert? Die Entscheidung, wie früh und an welchem Ort man sein Schiff einfrieren lässt, ist reizvoll und fällt je nach Situation und Plättchenauslage unterschiedlich aus.
Die Plättchen einerseits korrekt und andererseits vorteilhaft anzulegen, lässt manche Spieler lange tüfteln. Schon mehrfach haben wir während der Partie entdeckt, dass irgendwer irgendwas falsch gelegt hat, was sich dann nicht mehr korrigieren ließ.
Segeln mehrere Schiffe im Pulk, kann es zu unbefriedigenden Situationen kommen, indem einer ein Plättchen legt und der andere nur auf diese Vorlage wartet, draufsegelt und als Erster Zugriff auf den Chip hat. Wer das vermeiden will, segelt lieber abseits oder macht einen Doppelzug, was allerdings eine Figur extra kostet. Erheben es Spieler zu ihrem strategischen Prinzip, bei anderen abzustauben, kann EXPEDITION: NORTHWEST PASSAGE zäh werden.
Mit gemischten Gefühlen sehe ich auch folgende thematische Unstimmigkeit: Um zu gewinnen, muss man sich nicht mal darum bemühen, die Northwest Passage zu erreichen. Als Dritter oder Vierter dort anzukommen, lohnt den Aufwand sowieso nicht mehr. Die Aktionen zu verwenden, um in irgendeinem Eck ein paar mehr Chips aufzusammeln, ist genauso lukrativ.
Die entscheidende Schwäche des Spiels ist für mich aber eine andere: EXPEDITION: NORTHWEST PASSAGE entwickelt über mehrere Partien hinweg keine Neugierde auf mehr. Die Aktionen fühlen sich kleinschrittig an, die Spannungskurve bleibt flach. Außer der Frage, ob und wo man sein Schiff einfrieren lässt, passiert nichts, was ich als neuartig empfinde und was mich länger an das Spiel fesselt. EXPEDITION: NORTHWEST PASSAGE hält die Entscheidungsspielräume klein; viele Züge sind durch die Situation vorgegeben. Es gibt keine Überraschungen; das im Thema steckende Abenteuer reduziert sich auf die Verwaltung von Aktionspunkten. Sogar das Wetter ist im Voraus bekannt und in jeder Partie identisch.

Was taugt es? Den thematisch stimmigen Sonnenmechanismus finde ich sehr beeindruckend, die atmosphärische Grafik ist schön, die Symbolik ist ebenfalls gelungen. Meine Antwort auf die letztlich entscheidende Frage „Habe ist Lust auf eine Partie NORTHWEST PASSAGE?“ lautet dennoch: „Och nö, muss nicht sein.“

EXPEDITION: NORTHWEST PASSAGE von Yves Tourigny für zwei bis vier Spieler, Matagot.

Montag, 2. Juni 2014

Lewis & Clark

Zur Vorbereitung auf diesen Text habe ich mir noch einmal Christof Tischs Rezension in der spielbox 2/2014 durchgelesen. Christof vergibt für LEWIS & CLARK neun von zehn Punkten, und ich finde in seinem Artikel lauter Aussagen, denen ich zustimmen kann.
Die Stärken von LEWIS & CLARK sehe ich ähnlich, nur gewichte ich im Gesamturteil offenbar ganz anders. Jede Partie LEWIS & CLARK hatte tolle, aber auch ätzende Anteile. Und diese ätzenden Anteile machen das Spiel für mein Gefühl unelegant und unrund.

Wie geht LEWIS & CLARK? Bei LEWIS & CLARK spielen wir die historische (finde ich gut) Lewis-und-Clark-Expedition von St. Louis zum Pazifik nach. Es geht nicht (f. i. g.) um Siegpunkte, sondern wer als Erster das Ziel erreicht, gewinnt. LEWIS & CLARK vereint Deckbau (f. i. g.) und Arbeitereinsatz (f. i. g.).
Jeder startet mit demselben, aus sechs Karten bestehenden Deck. Karten zu spielen, bringt entweder Indianer oder Ressourcen oder (meist unter Abgabe von Ressourcen) Schritte auf dem Parcours. Karten werden nie allein gespielt. Man muss sie mit Indianern verstärken (thematisch sehr treffend: ohne die Hilfe der Eingeborenen läuft nichts). Dies kann in Form von Figuren geschehen und / oder mittels anderer Karten, deren eigentliche Funktion dann ungenutzt bleibt.
Indianer können auch im Dorf auf Einsetzfeldern platziert werden. Dort bekommen sie Rohstoffe oder tauschen diese gegen Fortbewegungs- oder Transportmittel. Mit bestimmten Rohstoff-Kombinationen kauft man weitere Karten in sein Deck. Und will man seine gespielten Karten wieder auf die Hand nehmen, „errichtet man ein Lager“. Das bedeutet: Man markiert die bereits erreichte Stelle des Parcours mit seinem Lager-Abzeichen. Um zu gewinnen, muss nicht etwa die Lauffigur das Ziel erreichen, sondern das Lager.
Das ist ein wichtiger Unterschied und macht die Aufgabe schwieriger. Denn unmittelbar bevor das Lager errichtet wird, muss die Figur wieder rückwärts ziehen: sofern man noch Handkarten hält, sofern man mehr als einen Indianer besitzt, sofern man mehr als drei Ressourcen besitzt. (Die zulässigen Vermögensgrenzen lassen sich durch den Zukauf von Booten erhöhen. Boote sind deshalb begehrt.) Insgesamt können sich ganz schön viele Rückwärts-Schritte zusammenläppern. Sofern die Figur jetzt noch vor dem ursprünglichen Lager steht, wird der Lager-Anzeiger zur Figur vorwärts gezogen.

Was passiert? LEWIS & CLARK enthält 54 verschiedene Karten, von denen pro Partie nur ein kleiner Teil ins Spiel kommt. Die Karteneffekte sind teilweise tricky. Gerade im Zusammenspiel mit anderen Karten lässt sich manches entdecken. LEWIS & CLARK bleibt deshalb über mehrere Partien hinweg variabel.
Spielerisch herausfordernd sind auch Timing-Fragen. Karten bringen stärkere Effekte, wenn bei den Nachbarn bestimmte Kartensymbole ausliegen. Das bewirkt: Einerseits will man den Mitstreitern keine Vorlagen legen, andererseits sollte man das Ausspielen auch nicht zu lange hinauszögern, weil der Nachbar sein Blatt sonst im entscheidenden Moment schon wieder auf die Hand genommen hat.
Als stärker ausgeprägt empfinde ich jedoch die solitären Tüftel-Elemente. Auf dem Parcours wechseln sich Wasser- und Gebirgsfelder ab. Jeweils erfordern sie andere Fortbewegungsarten. Optimalerweise berechnet man seinen Zug so, dass beim Übergang zwischen den Landschaften keine Schritte verfallen und dass man beim Lagerbau nicht wieder auf einen Untergrund zurück muss, der längst überwunden schien.
Man will in einen Rhythmus kommen, dass man sich erst Rohstoffe holt, damit Schritte kauft und beim Aufnehmen der Karten alles wieder ausgegeben hat. Schon kleine Fehler in diesem Rhythmus (ein fehlender Indianer, eine fehlende Ressource, eine Ressource zu viel) können einen Rattenschwanz an Spielzügen erforderlich machen, um das Missgeschick wieder auszubügeln. Weil Fehler so hart bestraft werden, lässt sich LEWIS & CLARK nicht erfolgreich aus dem Bauch spielen. Jedes Detail muss vorgeplant werden. Es gibt Spielsituationen, in denen man beispielsweise acht Indianer oder 15 Holz nehmen dürfte, aber man nimmt sie nicht einfach, sondern rechnet erst anhand der geplanten drei, vier, fünf, sechs Folgezüge aus, wie viele man exakt benötigt. Und das ist das, was ich weiter oben „ätzend“ nannte. Zumal die Rechnungen obendrein Unbekannte enthalten, sodass man bei Änderungen der Faktenlage womöglich neu losrechnet.
Die geringe Fehlertoleranz von LEWIS & CLARK bewirkt auch, dass der Kartenmarkt im Laufe der Partie immer mehr einschläft. Anfangs vergrößert man sein Blatt noch. Nach zwei bis vier Zukäufen hat das Deck dann aber einen ganz brauchbaren Rhythmus, und jede Veränderung würde eine neue Unwucht hineinbringen, die wieder neu justiert werden muss.

Was taugt es? LEWIS & CLARK enthält Elemente, die mich neugierig auf weitere Partien machen. Allerdings würde ich es nur mit Leuten spielen wollen, die so spontan sind, Dinge einfach mal auszuprobieren, auch auf die Gefahr hin, dass es völlig schief geht. Jeder erfolgsorientierte Spieler am Tisch, der großen Wert auf fehlerloses Spielen legt, lässt die Schwäche von LEWIS & CLARK offenkundig werden: Es ist die Paarung aus hoher, zu Fehlern verleitender Komplexität und gleichzeitig harter Bestrafung.

LEWIS & CLARK von Cédrick Chaboussit und Vincent Dutrait für einen bis fünf Spieler, Ludonaute / Heidelberger Spieleverlag.