Mittwoch, 31. Juli 2024

Gern gespielt im Juli 2024

Schluck! Im Juli habe ich erschütternd wenig aktuelle Spiele gespielt. Was unter anderem daran liegt, dass ich mir Urlaub gegönnt habe oder meine Mitspieler:innen sich Urlaub gegönnt haben oder ich in anderen äußerst wichtigen Angelegenheiten unterwegs war. Aber zum Glück – und wie wir dank WIE ICH DIE WELT SEHE wissen – frisst der Teufel in der Not Fliegenfänger.

Was ich mit dieser Analogie ausdrücken möchte? Na, irgendwas ganz Tiefsinniges natürlich. Folgende Idee: „Gern gespielt im Juli“ soll diesmal von Spielen handeln, die ich – mit einer Ausnahme – im Juli gar nicht gespielt habe.

Aber eben oft im Zeitraum davor. Ich habe durchgezählt, welche Spiele wie häufig in den vergangenen zwölf Monaten in meiner „Gern gespielt“-Rubrik aufgetaucht sind, und habe die so entstandene Strichliste wiederum abgeglichen mit meiner Wertschätzung aller Spiele des abgelaufenen Jahrgangs 2023/24. Herausgekommen ist eine Liste von Spielen, die rückblickend nicht häufig genug von mir bejubelt worden sind. Was ich hiermit feierlich nachholen möchte.

Weil das Listenkonzept somit ganz anders ist als sonst, habe ich auch gleich auf die üblichen Kalauer verzichtet. Das dauert nämlich immer ganz schön lange, sich die auszudenken, und ich hatte nicht so viel Zeit, siehe oben. Diesmal zähle ich einfach alphabetisch auf. Ist doch auch schön. Und um einen Ausgleich zu schaffen, sind es ausnahmsweise mal sieben Spiele statt sechs.


DARWIN’S JOURNEY: Dieses Spiel bislang nur einmal „gern gespielt“ zu haben, ist schon eine arg unnatürliche Selektion.

GHOST WRITER: ZWEIM

SKY TEAM: Okay, das kam schon viermal vor. Mit anderen Worten: in allen Monaten, seitdem es das auf Deutsch gibt. Oder noch anders ausgedrückt: trotzdem zu selten!

THE SAME GAME: Hier ist es ungefähr dasselbe wie bei den anderen Spielen auch.

THE VALE OF ETERNITY: Im Tal der Ahnungslosigkeit: Mir war wirklich nicht klar, dass THE VALE OF ETERNITY bislang nur zweimal auftauchte.

TIPPERARY: Zweimal ist keinmal. (Irisches Sprichwort)

TRIO: Was?! Erst einmal genannt? Na, dann sind wir jetzt wenigstens beim Duo.






Sonntag, 28. Juli 2024

The Great Split

The Great Split: Cover

Fun Fact: Tatsächlich war ich schon mal in Split, und selten fand ich eine Stadt so großartig. Aber ich glaube, mit dem Spiel hat das jetzt gar nichts zu tun.

Wie geht THE GREAT SPLIT? Es geht ums Teilen. In jedem der sechs Durchgänge teile ich nach taktischen Erwägungen meine Kartenhand in zwei Portionen. Beide gebe ich im Uhrzeigersinn weiter. Die Person links von mir wählt eins der beiden Angebote und gibt das andere an mich zurück.
Gleichzeitig bekomme ich von rechts zwei Kartenkombis, von denen ich eine nehme und eine zurückgebe. Nach dem Tauschprozess ist mein Blatt also etwa zur Hälfte wie vorher, die andere Hälfte ist neu.

The Great Split: Kartenteilung

Nun setze ich alle meine Karten ein, um Markierungssteine auf meinem Tableau voranzuschieben. Smaragd-Karten bringen Schritte auf der Smaragd-Skala, Buch-Karten Schritte auf der Buch-Skala usw. Jede Ressource punktet in Zwischen- und Endwertungen auf etwas unterschiedliche Weise. Generell ist es vorteilhaft, sich auf bestimmte Ressourcen zu konzentrieren statt alles ein bisschen zu sammeln.

Was passiert? Das Einsetzen der Karten ist (abgesehen von ein paar Wahlmöglichkeiten) reines Abarbeiten. Seinen Reiz entfaltet THE GREAT SPLIT einen Schritt vorher: beim Teilen und Auswählen. Natürlich will ich möglichst viel für mich. Und oft will ich auch bestimmte Karten. Mein Blatt so aufzuteilen, dass ich zufrieden bin mit dem, was zurückkommt, ist eine knifflige Gratwanderung.

The Great Split: Karten

Es hilft, wenn ich abschätzen kann, auf was die Person links von mir hofft. So kann ich vielleicht zwei Pakete schnüren, von denen jeweils eines uns beiden gefällt – aber auch nicht zu sehr gefällt, schließlich will ich niemanden (außer mir) zum Sieg verhelfen. Ausrechnen kann man die optimale Teilung nicht. Zumal die Erfahrung zeigt: Nicht immer wird so gewählt, wie ich es erwarte.
Übrigens sind die Skalen endlich. Es kann durchaus vorkommen, dass man irgendwo hinten gegenprallt. Das sollte möglichst erst unmittelbar vor Spielende passieren. Denn sonst mache ich mich ausrechenbar. Wenn ich Smaragde nicht mehr verwenden kann, ist offensichtlich, dass ich Angebote mit Smaragd-Karten wohl kaum nehmen werde.


The Great Split: Tableau

Was taugt es? Obwohl das Teilen und Hin- und Herschieben von Karten ein interaktiver Vorgang ist und ich dabei beachten sollte, was meine Nachbar:innen so sammeln, fühlt sich THE GREAT SPLIT nicht sonderlich interaktiv an. Ich bin viel mit meinen eigenen Karten und meinem eigenen Tableau beschäftigt. Und mit Spieler:innen, die weiter weg sitzen, habe ich keine Berührungspunkte.
Auch das kaum erkennbare Thema (angeblich sammeln wir Kunst) bewirkt, dass sich THE GREAT SPLIT nüchtern und abstrakt spielt. Wir tauschen halt Karten und verschieben Klötzchen auf Skalen. Immerhin sind es schöne Karten und schöne Skalen. Die zurückhaltende Gestaltung von THE GREAT SPLIT im Stil des Art déco finde ich sehr ästhetisch.
Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen mit Kartenweitergabe (7 WONDERS etwa) bleiben die Karten über mehrere Durchgänge hinweg aktiv im Spiel. Nachdem ich meine Karten für Skalenschritte eingesetzt habe, nehme ich mein Blatt wieder auf und spiele mit den meisten dieser Karten weiter. Nur vergleichsweise langsam kommen neue und stärkere Karten in den Umlauf und schwächere verschwinden.

The Great Split: Startcharaktere

Diese Eigenheit von THE GREAT SPLIT bewirkt, dass manche Karten gar keine großen Wege zurücklegen und immer in derselben Ecke bei immer denselben Spieler:innen festhängen, weil sie hin- und wieder zurückgeschoben werden. Das ist mechanisch interessant, aber für den Spielreiz kaum erheblich. THE GREAT SPLIT fehlt Emotion, in meinen Runden hat es nur optisch Eindruck hinterlassen.


*** mäßig

THE GREAT SPLIT von Hjalmar Hach und Lorenzo Silva für zwei bis sieben Spieler:innen, Horrible Guild.

Mittwoch, 24. Juli 2024

Surfosaurus Max

Surfosaurus Max: Cover

Haha, den Surfosaurus Max gibt’s ja gar nicht. Also gibt’s auch keine Einleitung.

Wie geht SURFOSAURUS MAX? Wir spielen reihum Karten aus. Bei zum Beispiel vier Spieler:innen geht das zwei Runden lang so, bis am Schluss acht Karten daliegen. Nun schauen wir, welche vier dieser acht Karten gemeinsam die höchste Pokerkombination bilden. Für jede meiner Karten, die Teil dieser Kombination ist, gewinne ich Punkte.

Was passiert? Beim Ausspielen versuche ich zu erahnen, welche Gewinnkombination sich ergeben könnte, um mich erfolgreich einzuklinken. Schaffe ich das absehbar nicht, kann ich auch probieren, die Auslage in eine andere Richtung zu lenken. Selbst wenn die vier erforderlichen Karten für die Kombination „gleiche Farbe“ schon beisammen sind, könnte man das mit viermal „gleiche Zahl“ noch übertrumpfen. Und es kann sein, dass eine „einfarbige Straße“ das dann nochmals kippt.

Surfosaurus Max: ein Straight Flush

Falls andere mitziehen. Ob sie das tun, hängt grundsätzlich von ihren Kartenmöglichkeiten ab. Obendrein entstehen am Tisch verschiedene Lager. Wer bereits gewichtig in der Farbkombination vertreten ist, hat sicher kein Interesse an einem Machtwechsel. Wer beim Sieg gleicher Zahlen mehr Punkte kassieren würde, steigt jedoch gerne ein.
Weil nicht alle sofort alle Kombinationsmöglichkeiten überblicken, profitiert SURFOSAURUS MAX von Kommunikation am Tisch. Von Anwerbeversuchen und Überredungskunst.
Spielt man schweigend, ist dagegen eine stärkere Tendenz da, die sich zuerst abzeichnende Kombination zu unterstützen. Und kann ich das nicht, bleibt mir nur die Hoffnung, passendere Karten nachzuziehen.
Aber auch in stilleren Runden schürt eine schöne Regelfeinheit Konflikte. Karten mit niedrigen Zahlen zählen mehr Punkte. Die Gewinnkombination bilden aber grundsätzlich die höchstmöglichen Karten. Sind also zu viele von derselben Farbe da, wird die niedrigste aus der Kombination gekickt. Wähnte ich mich bis eben als geschätzter Bündnispartner, wirft man mich mit der letzten Karte noch raus.


Surfosaurus Max: Karten

Was taugt es? Semikooperativ Poker zu spielen, ist originell und hat Pfiff. Es macht Spaß, mit der letzten gespielten Karte für eine Überraschung sorgen zu können. Andererseits macht es weniger Spaß, einem ungünstigen Blatt ausgeliefert zu sein und den anderen beim Punktescheffeln zuzuschauen. Solche Zufallsabhängigkeit ist letztendlich das Wesen von Kartenspielen.
Ich habe SURFOSAURUS MAX gerne ein paar Mal gespielt. Es hat am Tisch gefallen. Warum ich für weitere Partie dann doch andere Kartenspiele vorziehen würde, kann ich schwer an einem bestimmten Merkmal festmachen. Es ist eher das Gesamtgefühl. Die Emotionen, die ich in SURFOSAURUS MAX erlebe, sind nicht so stark, um mich immer wieder zu einer Partie zu verlocken.
Um den Versuch einer Annäherung zu machen: Ich glaube, es liegt daran, dass ich in der gesamten Partie ohnehin wenig Karten spiele (zu fünft sind es beispielsweise insgesamt zehn), und nicht jede bringt spannende Entscheidungen und Abwägungen mit sich. Häufiger ergibt sich einfach, was ich auslege. Deshalb ist die Spannungskurve selten ganz hoch.
Gut gelungen sind die Übersichten, die für verschiedene Personenzahlen auflisten, wie viele Karten vorab aussortiert und wie viele gespielt werden und wie überhaupt die Wertigkeit der Pokerkombinationen ist. Nicht gelungen ist die Farbgestaltung. Die hat schon so manche fatale Verwechslung ausgelöst, weil gelbe und die rote Karten im oberen Viertel gleich aussehen.


**** solide

SURFOSAURUS MAX von Ikhwan Kwon für zwei bis sechs Spieler:innen, Loosey Goosey.

Freitag, 19. Juli 2024

Djinn

Djinn: Cover

Dschinn Tonic, Dschinngis Khan oder Dschinn des Lebens? Die Einleitung scheitert diesmal daran, dass ich mich zwischen mehreren überragenden Wortspielen für keins entscheiden kann.

Wie geht DJINN? Wir fangen Dschinns. Um das tun zu können, benötige ich eine Flasche in der Farbe des Dschinns und einen Korken als Verschluss. Und ich muss auf meinem Weg über den Spielplan einem Dschinn begegnen (was meistens kein Problem ist, denn an jedem zweiten Feld lungern welche herum) und die erforderliche Magiestärke besitzen, um ihn zu überwältigen.
Der Spielplan zeigt ein Netz aus Orten und Wegen. An jedem Ort habe ich die Wahl zwischen zwei oder drei Richtungen, in die ich gehen kann (rückwärts darf ich nicht). In jedem Zug entscheide ich mich für einen Weg und führe anschließend die Aktionen des erreichten Ortes aus.

Djinn: Spielplan

Es gibt sechs Orts-Typen, jeder ist zweimal auf dem Spielplan vorhanden, einmal in einer stärkeren und einmal in einer schwächeren Version. Grundsätzlich erreiche ich von schwachen Orten nur starke und von starken nur schwache, so dass meine Züge abwechselnd einträglicher und weniger einträglich sind. An den starken Orten begegne ich außerdem Dschinns. Fange ich nicht mindestens einen von ihnen, kassiere ich eine Strafe.
Ohne ins Detail gehen zu wollen, bringen mir die Orte unter anderem die benötigten Flaschen oder Korken oder ich kann meine Magiestärke ausbauen. Vieles muss ich mit Geld oder Schriftrollen bezahlen, weshalb mir manche Ortsaktionen Geld oder Schriftrollen verschaffen. Manche Orte bringen mir langfristige Verbesserungen: „Ausrüstung“ verleiht mir Fähigkeiten, die andere Spieler:innen nicht haben. „Geheimgänge“ werten schwache Orte für mich auf.


Djinn: Dschinns

Was passiert? An der Dschinnjagd hängt ein erstaunlicher mechanischer Rattenschwanz, wenn man bedenkt, dass man eigentlich nur Flasche und Korken benötigt. Das eine kriege ich hier, das andere da, und zwischen diesen Aktions-Orten liegen noch andere, die mich aktuell vielleicht gar nicht so interessieren, aber an denen ich trotzdem erst mal anhalten und irgendwas tun muss.
In DJINN kommt es also darauf an, nicht nur meine Ressourcen, sondern auch meine Route zu optimieren. Ein dynamisches Element sind dabei die Dschinns. Oft bin ich auf ganz bestimmte Farben aus (wegen der Wertung oder weil ich nicht für jede Farbe die passende Flasche besitze), und wenn die nicht auf meiner Lieblingsroute zu bekommen sind, gerate ich ins Grübeln.
Sobald eine Dschinngruppe erst mal auf zwei Exemplare geschrumpft ist, lassen sich mit vergleichsweise geringem Magieaufwand zwei Dschinns gleichzeitig fangen. Ein derartiges Schnäppchen könnte mich ebenfalls veranlassen, von meiner eigentlich geplanten Route abzuweichen.


Djinn: Tableau

Was taugt es? In DJINN baue ich mir einen großen Apparat auf. Das Spielsystem leitet mich dahin. Erstens weil parallel diverse Währungen (Geld, Schriftrollen, Magie, Schlüssel) benötigt werden und ich meine Vorräte immer wieder aufstocken muss. Zweitens weil ich nun mal den Wegen folge, zwangsläufig alle Orts-Typen irgendwann mal besuche und so auch in allen Töpfen rühre, die es so gibt. Wenn auch unterschiedlich erfolgreich, haben in meinen Partien alle Spieler:innen ungefähr dasselbe gemacht.
Wegen der vielen Elemente enthält DJINN viele Kleinregeln. Zwar werden sie grafisch so gut wie möglich unterstützt, dennoch wirkt vieles auf mich unnötig verkomplizierend. Die vielen Elemente erfordern auch viel Material. Es dauert, bis bei Spielbeginn alles an seinem Ort ist.
Und zumindest mir ging es so, dass ich nach etwas Spielpause einige Regeln bald wieder vergaß und mir DJINN tatsächlich mehrfach neu erarbeiten musste. Das ist sicher auch der Anzahl verschiedener Spiele geschuldet, die ich im Laufe eines Jahres so spiele. Aber nicht nur. Es gibt Spiele mit klaren Leitideen, aus denen sich die weiteren Regeln logisch ergeben. DJINN gehört nicht dazu. Es wirkt auf mich mechanisch aufgebauscht.
Gestört hat mich überdies ein Regeldetail, das sicherlich mit Hintergedanken und vielleicht deshalb im Spiel ist, um die Interaktion zu erhöhen: Ziehe ich zu einem besetzen Ort, darf ich den Ort überspringen.
Gerade in Partien mit vier Personen führt das zu unangenehmen Abstaubesituationen. Es kann passieren, dass ich direkt vor dem Ort stehe, an dem ich den ersehnten blauen Dschinn einsacke. Ich habe alles vorbereitet, um ihn zu besiegen. Und dann ergibt es sich zufällig, dass irgendwer über andere Spielsteine auch genau dorthin hüpfen kann und mir meine Beute ungeplant wegschnappt.
Ähnliches habe ich auch umgekehrt erlebt: Der Zug eines Mitspielers entschied kurz vor Spielende darüber, ob ich in einer toten Ecke hängenbleibe und nichts Entscheidendes mehr bewirke. Oder ob ich mich doch noch mitten ins Geschehen teleportiere und mir zwei Dschinns auf einmal in den Schoß fallen. Es geschah übrigens Letzteres. Vielen Dank dafür!
DJINN sieht schön aus, hat ein interessantes Thema, ist hochwertig ausgestattet und in vielen Details sehr durchdacht. Doch einen Charakter oder ein Alleinstellungsmerkmal vermag ich nicht zu erkennen. Mir fehlen in dem gleichförmigen Getüftel und Gerechne auch Höhepunkte und Spannung. Außer natürlich, man findet Tüfteln und Rechnen an sich spannend.


*** mäßig

DJINN von Benjamin Schwer für eine:n bis vier Spieler:innen, Hall Games / Pegasus Spiele.

Freitag, 12. Juli 2024

Cuzco

Cuzco: Cover

Wenn man aus BORA BORA einfach so CUZCO machen kann, kann man doch sicherlich auch aus einer Einleitung etwas Faszinierendes machen. Ganz bestimmt. Ich jedoch war es nicht, der aus BORA BORA CUZCO gemacht hat. Insofern sehe ich mich auch nicht in der Verantwortung, was das Aufpimpen dieser Einleitung angeht.

Wie geht CUZCO? CUZCO ist die Neufassung von BORA BORA und somit ein Würfel-Einsetzspiel. Pro Runde werfe ich drei Würfel und setze sie ein, um Aktionen auszulösen. Auf ein Aktionsfeld passen mehrere Würfel auch unterschiedlicher Spieler:innen, allerdings muss jede dort eingesetzte Augenzahl niedriger als alle vorherigen sein. Niedrige Würfelzahlen machen mich also flexibler. Höhere Würfelzahlen bringen stärkere Aktionen.

Cuzco: Spielplan

Ein merkliches Thema, das über „irgendwas mit Inkas“ hinausgeht, hat CUZCO nicht, genauso wie BORA BORA kein Thema hatte, das über „irgendwas mit Atoll“ hinausging. Wir wollen im Laufe der Partie mit unserer Figur über den Spielplan laufen, um in den erreichten Orten Federn einzusammeln. Die wiederum benötige ich in bestimmter Kombination, um eine schöne Ladung Punkte einzustreichen. Und: Mit jedem Ort, den meine Figur erreicht, schalte ich einen Platz auf meinem Tableau frei. Diese Plätze brauche ich für rote und blaue Personen-Plättchen, die mir zusätzlich zu meinen drei Würfelaktionen bis zu zwei Bonusaktionen (eine rote und eine blaue) einbringen.
Alle möglichen Teilerfolge werden mit Punkten honoriert. Am Ende des Spiels zählt es Extrapunkte, bestimmte Bereiche komplettiert zu haben, zum Beispiel das Maximum von zwölf Federn zu besitzen. Und regelmäßig am Ende jeder Runde punkte ich, wenn ich eine meiner drei Aufgaben erfülle (wofür ich bestimmte Personen-Plättchen besitzen muss oder bestimmte Karten, oder ich muss bestimmte Orte bereist haben etc.).
Erfülle ich keine Aufgabe, muss ich eine abschmeißen. In jedem Fall bekomme ich eine neue. Und hier ist die Spielreihenfolge sehr wichtig, denn wer zuerst dran ist, wählt zuerst und bevorzugt natürlich solche Aufgaben, die leichter zu erfüllen sind. Die Spielreihenfolge ergibt sich nicht zufällig, sondern wir konkurrieren darum.


Cuzco: Würfel

Was passiert? Auch wenn CUZCO keine wirkliche thematische Klammer hat, ist mechanisch alles dicht miteinander verwoben und logisch aufgebaut. Sehr gelungen ist die Spieler:innen-Fokussierung: Ich will einerseits am Ende jeder Runde eine Aufgabe erledigen. Denn lasse ich auch nur einmal eine aus, geht mir der Schlussbonus für komplette Aufgabenerfüllung durch die Lappen. Und genau diese Schlussboni sind es, die mir auch langfristig und spielübergreifend einen Plan geben: Ich will bestimmte Bereiche komplettieren. Das werde ich nicht in allen sechs Kategorien schaffen. Aber möglichst viele sollen es schon sein.
Gleichzeitig sind die Handlungsmöglichkeiten von Anfang bis Ende sehr knapp kalkuliert. Nur drei Würfelaktionen pro Runde sind fast schon eine Zumutung, insbesondere wenn man nicht immer die Wunschaktionen abbekommt. Oft erreiche ich meine Ziele nur haarscharf oder muss dafür Kompromisse eingehen oder Götterkarten verplempern. Doch genau diese Haarscharf-Entscheidungen machen CUZCO sehr spannend.

Was taugt es? CUZCO ist ein Punktesalat-Spiel. Die Kernidee ist die Würfelmechanik. Um diese Mechanik herum sind verschiedene Schauplätze, die jeweils eigenen Regeln folgen, eng mit einander verwoben. Wir werden in Wettläufe verstrickt, wir konkurrieren um Schritte auf Skalen, wir schnappen uns Boni auf dem Spielplan weg – originellerweise nicht, indem den Bonus abgreift, wer zuerst kommt. Sondern umgekehrt: Wer einen Ort zuletzt bereist, bekommt am Ende Punkte dafür.

Cuzco: Tableau

Die ständigen Aufgaben empfinde ich neben dem trickreichen Würfelmechanismus als die reizvollste Idee in CUZCO. Anstatt nur am Schluss Punkte aufzuaddieren, erhalte ich so schon häppchenweise Belohnungen und bin orientiert, wie gut ich dastehe und wo es hakt. Und ich werde in einen ständigen Kampf um die Reihenfolge verstrickt, um machbare Aufgaben abzubekommen.
Der Würfelmechanismus macht CUZCO interaktiv und konfrontativ. Kleine Zahlen finde ich zwar eher doof, aber immerhin kann ich mit einer eingesetzten Eins andere von einer Aktion ausschließen. Oder zumindest besteht diese Drohung. Wahrscheinlich habe ich Wichtigeres zu tun, als plump destruktiv zu spielen. Aber können sich meine Mitspieler:innen darauf verlassen? Die Würfel in einer vorteilhaften Reihenfolge einzusetzen, erfordert gutes Timing.
Zum Glück ist auch Glück im Spiel. Dafür sorgen schon die Würfel. Und auch was jeweils an Plättchen und Aufgaben im Angebot ist, kann mir fein in die Hände spielen oder auch nicht.
Gegenüber BORA BORA empfinde ich die Endwertung als etwas gerechter und die Götterkarten als etwas ausgeklügelter. Statt fünf Sorten gibt es nun 15. Die richtigen Karten zu erwischen und zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen, ist jetzt noch entscheidender.

Cuzco: Material

Aber braucht man CUZCO, wenn man BORA BORA hat? In meinem Fall: nein. Ich bleibe trotz der Verfeinerungen bei BORA BORA. Das liegt daran, dass ich es – offenbar gegen den Trend unserer Zeit – als Nachteil von Spielen empfinde, wenn sie jede Menge Platz verschlingen. Ich brauche keine Unterleg-Tableaus aus dicker Pappe, um darauf den Plättchennachschub aufzustapeln (zumal der dafür vorgesehene Raum seltsam knapp bemessen ist). Ich staple so etwas seit Jahrzehnten sehr erfolgreich auf meiner Tischplatte.
BORA BORA passt problemlos auf meinen Spieltisch, und man kann sogar noch Getränke hinstellen. Und ich habe BORA BORA – im Gegensatz zu manch anderem alea-Spiel – nie als zu gedrängt empfunden. CUZCO benötigt ungefähr die doppelte Fläche. Ich sehe ein, dass dieser Monumentalismus das Konzept der gesamten „City Collection“-Reihe ist und seine Fans hat; meine Bedürfnisse erfüllt das nicht. Nebenbei: Ich finde auch die Materialaufbewahrung in der Box unnötig platzraubend, unübersichtlich und frickelig. Hans im Glück hat da – ebenfalls plastikfrei – ein praktikableres System gefunden.
Auch thematisch hat CUZCO im Vergleich zu BORA BORA nicht gewonnen. Die Materialien heißen jetzt „Khipu-Plättchen“, „Chasqui-Läufer“ oder „Inti-Medaillons“, und der Spielablauf hilft mir nicht, mir darunter etwas vorzustellen. So sind es einfach nur besonders komplizierte Wörter.


***** reizvoll

CUZCO von Stefan Feld für zwei bis vier Spieler:innen, Queen Games.

Sonntag, 7. Juli 2024

Vor 20 Jahren (139): Dino Booom

Dino Booom

Beim Spielen lachen zu können, ist das Schönste am Spielen. Deswegen war WIE ICH DIE WELT SEHE so ein Volltreffer bei uns. Und deswegen erinnere ich mich auch noch bestens an ein weiteres Spiel aus derselben Zeit, bei dem wir Tränen gelacht haben, weil es einfach zu gut war. Allerdings lachten wir über das Spiel. Schadenfreudig.

Das ging schon vor der Partie los. Beim unschuldigen Ausprobieren der Mechanik. DINO BOOOM (von Dominique Ehrhard und Pierre-Nicolas Lapointe bei Goldsieber) enthielt Plastikstäbe mit Saugnäpfen. Die sollte man auf Pappplättchen rammen; die wiederum sollten an den Saugnäpfen haften bleiben.

Das allerdings funktionierte bestenfalls zwei Sekunden lang. Denn DINO BOOOM kam schon in unbrauchbarem Zustand an. Das habe ich mir natürlich nicht 20 Jahre lang gemerkt; ich entnehme es meiner damaligen Rezension in der Fairplay. Die Plastikstäbe sahen aus, als seien sie das Billigste vom Billigsten. Und ich würde wetten: Sie waren das Billigste vom Billigsten. Die Saugnäpfe waren von Beginn an deformiert und ließen sich auch nicht richten.

Tatsächlich 20 Jahre lang gemerkt habe ich mir aber den Lachflash, der einen meiner Mitspieler überkam, als er seinen Saugstab, nur so zur Probe, auf ein Plättchen poppte. Und zack: Das dünne Stäbchen knickte ab und war hinüber. Tja, fortan konnten nur noch fünf Personen mitspielen, und ich verrate: Bei diesem einen Unfall blieb es nicht.

Übrigens habe ich mir ebenfalls 20 Jahre lang gemerkt, dass ich meine Rezension seinerzeit mit dem Fragesatz eingeleitet hatte: „Warum müssen Spiele idiotensicher sein?“ Und hier ist der Beweis; ich zitiere mich mal selbst: „Warum müssen Spiele idiotensicher sein? Na, ganz klar: Weil ab und zu Idioten mitspielen. In meiner Mittwochs-Runde zum Beispiel. Dort hatten übereifrige Halbstarke schon nach wenigen Minuten die langen Plastikstiele ihrer Saugnapf-Speere zerknickt. Na toll, Jungs!“

„Jungs“, haha. Wir spielen heute immer noch in fast derselben Konstellation. Allerdings sind wir alle seitdem … äh, bis zu zehn Jahre älter geworden. Weiter im Text: „Schicksalsschläge dieser Art hindern den aufrechten Kritiker natürlich nicht an seinen fundierten Testreihen. Wohl reduziert der Materialverschleiß von Partie zu Partie die Zahl der möglichen Teilnehmer, aber da sich gleichzeitig auch die Zahl der Freiwilligen lichtet, entsteht letztlich kein Nachteil.

Wie ungefähr alle Goldsieber-Spiele funktioniert DINO BOOOM ein bisschen anders, als man uns auf der Messe glauben machen wollte. „Ist doch wurscht“, scheinen sich die Verantwortlichen zu denken und haben sogar noch recht damit. (…) Vermutlich sollen die Saugnäpfe DINO BOOOM von ähnlichen Spielen abheben. Und zugegebenermaßen bringt das Material tatsächlich den besonderen Pfiff: Wir hatten eindeutig am meisten Spaß, wenn wieder etwas kaputtging.“

Mehr ist nicht zu sagen. Ich schlage eine Schweigeminute für die einst glänzende, aber damals schon sichtbar im Niedergang begriffenen Marke Goldsieber vor.


Donnerstag, 4. Juli 2024

Ritual

Ritual: Cover

Einleitungen sind, wenn man mich fragt, ein ziemlich ausgedientes Ritual.

Wie geht RITUAL? Wir spielen kooperativ und dürfen dabei nicht reden. Unabhängig von der Zahl der Mitspieler:innen müssen drei Personen eine geheime persönliche Aufgabe erfüllen, anschließend muss die Gruppe eine Gemeinschaftsaufgabe (oder mehrere) erledigen. Sollte die Zeit dann noch nicht abgelaufen sein, haben wir gewonnen.
Jede:r startet mit zugelosten vier farbigen Steinen. Die persönlichen Aufgaben bestehen darin, entweder fünf oder sechs ganz bestimmte Steine zu besitzen. Weil wir als Gruppe insgesamt nie mehr Steine haben werden als zu Beginn, bedeutet dies: Einige von uns müssen welche hergeben, damit andere ihre Aufgaben schaffen. Und: Nicht alle gleichzeitig können ihre Aufgabe erledigen, wir sollten es der Reihe nach tun.
Bin ich am Zug, führe ich eine der folgenden Aktionen aus: Ich verschenke einen meiner Steine (außer ich habe nur noch zwei; weniger als zwei darf ich nie besitzen). Oder ich nehme einen Stein der Person links von mir. Oder ich lege einen Stein auf mein Austauschfeld. Oder ich nehme den Stein von meinem Austauschfeld herunter. Oder ich tausche den Stein vom Austauschfeld einer Mitspieler:in mit einem Stein des Vorrats. Dies ist die einzige Möglichkeit, wie die Gruppe an andere Farben herankommt als die ursprünglich zugelosten.

Ritual: Situation

Habe ich meine Aufgabe erledigt, gebe ich das bekannt. Auch das ist eine Aktion. Bin ich gar als Erster fertig, darf ich mir schon mal die Gruppenaufgabe ansehen. Für alle anderen bleibt die Karte geheim. Sie könnte zum Beispiel besagen: Nur eine:r von uns darf blaue Steine besitzen, und es müssen mindestens drei sein. Ist die Aufgabe an der Reihe, muss ich dafür sorgen, dass die anderen aus meinen Handlungen schlau werden und bei der Erfüllung mithelfen.

Was passiert? Wir kommunizieren nicht verbal, wir kommunizieren durch unsere Spielzüge. Nehme ich meinem linken Nachbarn einen grünen Stein weg, bedeutet das wohl, ich brauche Grün. Lege ich einen Stein auf mein Austauschfeld, signalisiere ich: Tauscht ihn bitte aus! Und gebe ich einen gelben Stein meiner rechten Nachbarin, heißt das vielleicht: Gelb brauche ich nicht. Oder: Ich glaube, sie braucht Gelb. Oder: Ich habe leider gar keine Peilung, ich mache nur irgendwas, um nicht den Laden aufzuhalten.

Ritual: Aufgaben

Beim ersten Mal verliert man recht häufig. Ob man auch in weiteren Anläufen verliert und wie oft, hängt maßgeblich von den Beteiligten ab. Die persönlichen Aufgaben folgen Mustern (fünf von einer Farbe / je drei von zwei Farben / je zwei von drei Farben). Wenn man das verinnerlicht und aufpasst, was die anderen tun, wird man es – normalerweise – irgendwann hinkriegen.
Allerdings ist da der Zeitdruck, der einige Leute stresst oder gar überfordert, und da ist das Kommunikationsverbot, das viel Konzentration und Mitdenken erfordert – für manche Gruppen eine tödliche Mischung. Ich habe hin und wieder Mitspieler:innen von einer Seite kennengelernt, die ich nicht unbedingt hätte kennenlernen wollen.
Zum Beispiel gibt es den Typus „Ich zuerst“. A nimmt von B einen blauen Stein, und alle wüssten nun: Gebt blaue Steine an A. Aber noch bevor A damit eine Aufgabe erledigen kann, nimmt C einen blauen Stein von A. Weil: C braucht ihn ja auch! Oder den Typus „Alle doof außer ich“. D ist megabeleidigt, weil A, B und C, wenn sie sich noch erinnerten, was D fünf Züge zuvor gemacht hat, doch längst wissen müssten, welche Farbe D noch fehlt.
Ich habe auch Frust erlebt. Denn es kommt immer mal vor, dass irgendwer mit nur noch zwei Steinen dasitzt und über Runden nichts Sinnvolles beitragen und schon gar nicht die eigene Aufgabe erfüllen kann. Auch wenn wir instinktiv gerne aktiver wären: Das Spielprinzip verlangt, dass einige sich mit der Rolle des Helferleins abfinden.
Unschön ist auch, als Neuling in eine eingespielte Gruppe hineinzukommen. Selbst wenn gar keine Vorwürfe ausgesprochen werden: Die eigene Planlosigkeit löst erst mal schlechte Gefühle aus.


Ritual: Material

Was taugt es? RITUAL ist ein sehr spezielles Spiel. Es ist nicht für alle Runden geeignet, und es spielt sich auch nicht fehlerfrei. Ungezählt, wie häufig ich unerlaubte Spielzüge korrigieren musste: Nein, Klauen nur links! Nein, nicht den eigenen Stein mit der Bank tauschen! Nein, nicht in einem Zug den Stein von Austauschfeld wegnehmen und gleich den nächsten hinlegen!
Aber sobald man sich hineingearbeitet und aufeinander eingegroovt hat, kann sich RITUAL für die Gruppe sehr belohnend anfühlen. Weil man den Schwierigkeiten getrotzt hat. Weil man eine gemeinsame Sprache gefunden hat. Weil man einander verstanden hat.
Dieser Moment des gemeinsamen Durchbruchs ist für mich der schönste Moment des Spiels. Ist man gut eingespielt, lässt sich RITUAL mit anderen Gemeinschaftsaufgaben und noch mehr Zeitdruck vielfach variieren. Den schönsten Moment hat man dann aber schon hinter sich. Um weiter erfolgreich zu sein, verfestigt sich die gemeinsame Sprache. Spielzüge werden zu Codes. Man interpretiert nicht mehr, sondern arbeitet ab.
RITUAL zu spielen, ist sehr interessant. Es ist ein Erlebnis. Das Label „solide“ passt begrifflich mal wieder nicht gut, RITUAL ist zu außergewöhnlich dafür. „Solide“ soll in diesem Fall bedeuten: Ich würde mitspielen, bin aber nicht direkt heiß darauf. RITUAL ist für mich kein Wohlfühl-Spiel. Ich möchte nicht noch mal mit einer Gruppe durch all die Schwierigkeiten gehen und auch nicht mit einer geübten Gruppe solange weiterspielen, bis wir restlos alle Aufgaben durchhaben.
Die Anleitung empfinde ich übrigens als schlecht strukturiert. Und dass dem Spiel eine esoterische Sprache aufgepfropft wird („Elementarsteine“, „Inspirationsmarker“, „mystische Ebene“ etc.), macht es nicht leichter.


**** solide

RITUAL von Tomás Tarragón für zwei bis sechs Spieler:innen, Strohmann Games.