Montag, 30. November 2020

Gern gespielt im November 2020

HALLERTAU: Wenn ich bei mir durchs Fenster schaue: lauter parkende Autos. Wenn ich in HALLERTAU durchs Fenster schaue: lauter Siegpunkte. So wird man Spieler.


THE KEY – SABOTAGE IM LUCKY LAMA LAND: Wer Lamas was antun will, kriegt es mit mir zu tun!


MICROMACRO: In meiner näheren Wohnumgebung gab es auch schon mal Schusswechsel und Tote, deshalb dachte ich immer, in einer einigermaßen taffen Gegend zu wohnen. Crime City hat meine Sicht verändert.


CLEVER HOCH DREI: Und wieder hat mich dieses Spiel am Haken! Die CLEVER-Reihe ist einfach cleverer als ich.


PALEO: Es ist alles gesagt. Nur noch nicht zweimal. Deshalb: außerordentlich.







UND IM NOVEMBER AM LIEBSTEN GESPIELT:

SWITCH & SIGNAL: Ich kann mich wirklich nicht beklagen, als Kind zu wenig Spielsachen bekommen zu haben. Aber ein Wunsch wurde mir dann doch verwehrt: Ich bekam nie eine Modelleisenbahn! Mehrere meiner Freunde hatten eine und fachsimpelten über Spurgröße HO und eine Elektrolokomotive namens Krokodil.
Und da hätte ich natürlich auch gern mitgeredet. Aber es hieß: Du hast doch schon Lego, du hast doch schon Playmobil, du hast eine Ritterburg mit Rittern. Na gut, das stimmte auch alles. Aber ich hatte eben keine Modelleisenbahn.
Vielleicht weil ich in dieser Hinsicht einfach noch was zu kompensieren habe, spiele ich gerne SWITCH & SIGNAL. Mehrere Züge gleichzeitig verkehren zu lassen, clever die Weichen managen, dass alle aneinander vorbeisausen, aber nicht ineinander hinein, war mein Kindheitstraum. Genau das tun wir hier. Kooperativ. Und nicht nur immer im Kreis, sondern mit Zielen: Waren sollen von hier nach da.
In jedem Spielzug gibt eine Karte vom Stapel irgendwas vor. Das kann hilfreich sein oder auch bedrohlich: Neue Loks kommen ins Spiel, vorhandene fahren würfelgesteuert weiter. Wer nun am Zug ist, wirkt mit seinen Handkarten möglichst sinnvoll auf das System ein, stellt Weichen, schaltet Signale frei. Nicht immer reichen die Karten aus, um alles zu regeln. Dann muss man eben auf die Gnade des Stapels hoffen.
SWITCH & SIGNAL hat (aus Vielspieler*innensicht) zweifellos sehr viel mit Glück zu tun. Wenn die Würfel es so verlangen, kommen Züge an absurdesten Orten ins Spiel oder geben genau dann Gas, wenn das Signal noch nicht gestellt ist. Ich fürchte, das simuliert ganz gut, wie ich als Kind mit meiner Wunsch-Eisenbahn klargekommen wäre.


Dienstag, 24. November 2020

Paleo

Gleich zu Beginn eine Corona-Warnung: Ich habe PALEO zwar sehr häufig, bislang aber nie zu viert gespielt. Normalerweise würde ich mit meiner Rezension warten, um auch Erfahrungen mit vier Personen einfließen zu lassen. Angesichts derzeitiger Kontaktbeschränkungen befürchte ich jedoch, dass ich diese Erfahrungen erst in mehreren Monaten sammeln werde.
Vermutlich ist das Spiel zu viert herausfordernder. Die Anleitung jedenfalls empfiehlt, die erste Partie „unter keinen Umständen“ zu viert anzugehen. Gerade deswegen wäre ich auf eine Viererpartie neugierig, aber … siehe oben.
Doch selbst wenn sich – rein hypothetisch gesprochen – zu viert eines Tages ungeahnte Schwächen herausstellen sollten, wird dies nichts daran ändern, dass ich PALEO zu zweit und zu dritt hervorragend finde. Weil ich außerdem davon ausgehe, dass aktuell sowieso kaum jemand zu viert spielt, erteile ich mir hiermit höchstpersönlich den goldenen Freibrief, PALEO mit Mut zur Lücke zu rezensieren. (Und fühle mich geehrt, diesen tollen Freibrief erhalten zu haben. Vielen, vielen Dank!)


Wie geht PALEO? Wir sind ein Steinzeit-Team. Jede*r agiert und entscheidet für eine Gruppe von Menschen. Am Ende des Tages müssen wir Nahrung und meist auch andere Abgaben leisten. Zusätzlich sollen wir über mehrere Tage hinweg Missionen erfüllen.
Wir gewinnen, sobald wir fünf Siegpunkte erreichen. Und verlieren, sobald wir fünf Totenkopfplättchen kassieren. Totenköpfe fallen an, wenn ein Mensch stirbt oder wir unseren Abgabepflichten nicht nachkommen. Menschen wiederum sterben, wenn sie zu viel Schaden nehmen. Und Schaden droht in der Steinzeit dummerweise überall.
Ein Tag ist beendet, wenn alle ihren Kartenstapel durchgespielt haben. Das Deck (missionsabhängig von Partie zu Partie ein anderes) wird zu Beginn unter allen aufgeteilt und jeweils gestapelt. Anhand der Grafiken auf den Kartenrückseiten entscheiden wir uns für eine unserer obersten drei Karten, die wir aufdecken. Und nun erfahren wir, was wir erleben.
Im Wald finden wir üblicherweise Holz oder Nahrung, am Fluss gibt es Jagdtiere, im Lager kann man sich vermehren oder mit Rohstoffen Werkzeuge bauen. Andere Kartenrückseiten lassen nur erahnen, was passieren könnte. Und es gibt Überraschungen. Überall. Auch im Wald stoßen wir nicht bloß auf Holz oder Nahrung.
Oft erfordern die Ereignisse bestimmte Fähigkeiten. Um erfolgreich einen Steinbock zu jagen, benötigt man drei Stärkepunkte. Und eine*r allein ist meistens nicht so stark. Deshalb erlauben viele Karten, unter Verzicht auf die eigentliche Aktion anderen zu helfen: Man addiert die Fähigkeiten und besteht ein Abenteuer gemeinsam.


Was passiert? Kommunikation und Kooperation ergeben sich in PALEO ganz organisch von selbst. Wenn ich Stein sammeln könnte, aber allein nicht genügend Geschick besitze und ein anderes Stammesmitglied mit seiner Karte auch nichts anfangen kann, wird man sich wohl zusammentun.
Neben den wechselnden Missionen beschäftigen uns wiederkehrende Gefahren. Einige erkennt man an der roten Kartenrückseite, andere kommen unerwartet. Für viele Aktionen müssen (um den Zeitverbrauch zu symbolisieren) Karten vom Stapel unbesehen abgeworfen werden. Wirft man rote Karten ab, nimmt man Schaden. Dass man sieht, welche Karten kommen, fließt in die Entscheidung ein, ob man Aktionen angeht oder nicht. Verzichtet man, sind die roten Karten allerdings immer noch da. Was irgendwann zu der Frage führt, ob man sich nicht mal einer stellen, also die Karte aufdecken sollte. Mit Glück zeigt sich nun: Ach, die vermeintliche Gefahr war gar nicht so schlimm. Man kann sie gemeinschaftlich aus dem Deck befördern. Mit weniger Glück stellt sich heraus: Argh, ein Stammesmitgl ...
Tendenziell verlaufen die Szenarien so, dass wir schwach starten und sehr ums Überleben bangen, nach und nach aber Speere, Faustkeile und andere Dinge (die wir erst noch erfinden müssen) anfertigen, immer stärker werden und Siegpunkte generieren. Wir holen auf und vielleicht reicht es dann noch zum Sieg.
Wiederholt man ein Szenario, weiß man schon mehr als beim ersten Mal, kann sich auf Gefahren besser einstellen, hat einen Plan. Die Erfolgs-Chancen steigen. Trotzdem ist wegen der vielen verdeckt abgeworfenen Karten noch nicht alles bekannt und vorhersehbar.


Was taugt es? Das Entdecken ist in PALEO das zentrale, überall wiederkehrende Element: Wir wählen Karten aufgrund ihrer Rückseiten und lassen uns überraschen. Jedes der sieben Szenarien wartet mit Unerforschtem auf. Die Stapel „Ideen“ und „Träume“ bringen missionsunabhängig neue Karten ins Deck.
Vieles in PALEO erklärt sich thematisch. Einem erlegten Tier begegnen wir – logischerweise – nie wieder. Es verschwindet aus dem Deck. Für die Erfolgschancen macht es einen Unterschied, ob jemand mit guter oder schlechter Wahrnehmung in Gefahr gerät. Und warum Feuer so verdammt wichtig ist, leuchtet uns auch bald ein. PALEO merkt man das Bemühen an, alles stimmig und authentisch zu halten – ohne verkomplizierende Sonderregeln.
Je mehr Vorerfahrung wir mitbringen, desto besser können wir vorausplanen. PALEO ist durchaus ein taktisches Spiel. Vieles beruht trotzdem auf Schicksal und Glück: In welcher Reihenfolge die Karten kommen; wie schnell wir Gesuchtes finden; ob wir geforderte Materialien besitzen. Manchmal ergibt sich nach dem Aufdecken komplett von selbst, was zu tun ist. Man führt es dann einfach nur noch durch.
Aber das Besondere an PALEO ist eben, dass das Spielerlebnis über Taktik und Mechanik hinausgeht. Spielen ist hier mehr als das Abhandeln von Karten. Schon bevor wir Karten aufdecken, wägen wir ab und treffen Entscheidungen. Was wollen wir erreichen? Was könnte passieren? Wir spielen eng miteinander, nicht nebeneinander. Wir spielen gleichzeitig, nicht hintereinander. Die Aktionen selbst sind rasch abgehandelt. Wir spielen fast ununterbrochen und bleiben in der Immersion.
PALEO transportiert Geschichten, jedes Szenario hat einen anderen Erzählfaden. Dass wir nicht jede Partie gewinnen, schafft atmosphärisch dichte Gruppenerlebnisse. Der Entdecker-Charakter des Spiels hält die Neugierde auf kommende Partien und Szenarien hoch.

Die Steinzeitwelt passt perfekt zum Spielerlebnis. Erstens weil es eine reale Welt mit Menschen ist, wie auch wir Menschen sind. Das erhöht die Identifikation. Zweitens weil wir bereits gewisse Vorstellungen und Fantasien mitbringen, das Thema aber noch nicht mit ausgelutscht ist. Und drittens weil es eine Welt mit beschränkten Möglichkeiten und Entbehrungen ist. Weil es Abenteuer gibt, weil es ums Überleben geht.
Ich wollte PALEO rundum bejubeln – wären da nicht der wacklige Werkzeugaufsteller und vor allem die Anleitung. Schon der Einstieg bereitet Probleme, weil unter „Spielaufbau“ nur ein Teil der Vorbereitungen beschrieben wird. Weitere Details – auch zum Aufbau des ersten Szenarios – findet man erst auf dem Beiblatt.
Mehrfach gerieten wir während des Spielens an Karten oder in Situationen, deren Auslegung nicht ganz eindeutig erschien. Nachträgliche Recherchen ergaben zwar, dass wir offenbar jedes Mal so entschieden hatten, wie es gedacht war. Die Symbolik hat also funktioniert und den richtigen Weg gewiesen. Aber noch besser wäre es natürlich, solche Zweifelsfälle tauchten gar nicht erst auf.


****** außerordentlich

PALEO von Peter Rustemeyer für zwei bis vier Spieler*innen, Hans im Glück.

Mittwoch, 18. November 2020

Color Brain

Juhu, Bonusrezension! Also geschenkter als ohnehin schon, weil auf die geschenkten Rezensionen noch obendrauf geschenkt. Ein Super-Sonderangebot!
Und was gibt’s im Spieleladen im Super-Sonderangebot? Genau: Nicht das Neueste vom Neusten. Sondern das, was noch so da ist und immer älter wird, wenn man nichts unternimmt.
Ich habe noch so einige Spiele in petto, die genau das betrifft, und solange Corona mich hindert, in dem Umfang zu spielen, wie ich spielen wollte, bin ich direkt froh, einige Titel des vergangenen Jahrgangs noch nicht verbraten zu haben. Oder anders gesagt: Es wird weitere Bonusrezensionen geben!


Wie geht COLOR BRAIN? Wir spielen Quiz. Und antworten mit Farbkarten. Jede*r hat dieselben. Fragen lauten beispielsweise „Flaggen beim Formel-1-Rennen“ oder „Superman: Anzug und Symbol“. Zusätzlich ist angegeben, wie viele Farbkarten für die Antwort erforderlich sind. Im ersten Fall sechs, im zweiten drei.
Wir legen gleichzeitig unsere Karten und decken auf. Punkte gewinnen wir nur, wenn nicht alle die korrekte Antwort gelegt haben. Pro Partei, die falsch lag, gibt es einen Punkt. Liegen alle richtig, kommt für die nächste Frage ein Bonuspunkt in den Jackpot. Raten alle falsch, leert sich der Jackpot wieder.


Was passiert? Gutes und auch weniger Gutes. Erfrischend finde ich, dass COLOR BRAIN nicht den üblichen Wissenskanon abfragt, bei dem Erwachsene gegenüber Kindern im Vorteil sind und meist schon vorher klar ist, wer gewinnt. In COLOR BRAIN drehen sich viele Fragen um Computerspiele, Musik, Internet, Popkultur. Altersgemischte Teams ergänzen sich prima.
Weil wir nicht der Reihe nach spielen, sondern gleichzeitig, hat COLOR BRAIN keinen langweiligen Leerlauf. Auf eine Frage folgt gleich die nächste. In manchen Partien heizt man die Karten nur so durch. Und da zeigt sich der erste Nachteil des Spiels: Es enthält nur 300 Fragen. Allzu weit kommt man damit nicht.
Nachteil zwei: Die Wertung schwächelt. Dass man nur was aufs Konto bekommt, wenn irgendwer einen Fehler macht, führt dazu, dass schwächere Teams fast gar nicht punkten. Oft landen Karten, die sie richtig beantworten, im Jackpot. Und wenn der Jackpot später verteilt wird, sind sie nicht dabei.
Manchmal folgt auf eine lange Phase leichter Fragen mit aufgeblähtem Jackpot eine Frage, die durch pures Rateglück entschieden wird. Man kann das als dramaturgisches Highlight auffassen, die meisten nehmen es aber gegenteilig wahr.

Was taugt es? In Summe ist mir COLOR BRAIN lieber als ein weiteres Quiz, das auch nur wieder so ist wie andere Quizze. Dass Mitspieler*innen mit ganz verschiedenen Wissenshintergründen etwas zu den Antworten beitragen können, macht COLOR BRAIN zu einem gelungenen Teamspiel, das allerdings nicht rundum gelungen ist.


**** solide

COLOR BRAIN von Tristan Williams für zwei bis vier Spieler*innen oder Teams, Game Factory.

Samstag, 14. November 2020

Sebastian Fitzek - Killercruise

Wie geht KILLERCRUISE? In einer der Kabinen des Schiffes versteckt sich ein böser Psychopath. Ihn müssen wir finden. Gut ist: Wir wissen, er befindet sich in einem der zwölf Räume des Unterdecks. Weniger gut: Unsere Figuren starten auf dem Oberdeck. Um in tiefere Räume zu gelangen, müssen wir die Schichten des Spielplans abtragen. Befindet sich eine unserer Figuren beispielsweise in der Snackbar, müsste jemand zwei Karten mit gelbem und schwarzem Schlüssel spielen. Das Snackbar-Puzzleteil wird nun aus dem Spielplan entfernt, die darunter liegende Kabine des Mitteldecks wird sicht- und betretbar.
Die schlechten Nachrichten reißen jedoch nicht ab: Damit wir nicht ungestört graben können, patrouilliert ein Killer durch die Räume. Die Art, wie er in Bewegung gesetzt wird, erinnert an wahlweise PANDEMIE oder SAFEHOUSE: In den Stapel, von dem wir nach jedem Spielzug unsere Kartenhand auffüllen, sind auch Killerkarten eingemischt. Jede, die gezogen wird, bewegt den Schergen um ein oder zwei Felder. Erreicht er eine unserer Figuren, verpasst er ihr einen Hieb. Beim zweiten Treffer ist die Figur hinüber.
Mit Karten machen wir unseren Leuten rechtzeitig Beine, dass sie dem Killer nicht unnötig im Weg herumstehen. Damit ich eine Figur bewegen darf, muss sie auf meiner gespielten Karte abgebildet sein. Nach welchen Regeln ich sie ziehe, erinnert dann wieder an PANDEMIE.
Schwieriger ist es jedoch, die Passagiere in Sicherheit zu bringen, die als kleine Kärtchen auf dem Spielplan herumliegen. Ihnen haut der Killer bei der Erstbegegnung nicht nur eins auf die Rübe, er murkst sie gleich ab. Gibt es fünf Opfer, haben wir verloren. Um Passagiere lebendig aus dem Spiel zu befördern, gelten unterschiedliche Bedingungen. Manche Passagiere möchten, dass sich zwei unserer Figuren bei ihnen versammeln. Andere möchten in sechs Felder entfernte Räume transportiert werden. Theoretisch ist das machbar, denn jede unserer Figuren darf sich bei einer Bewegung eine Passagierkarte unter den Arm klemmen.


Was passiert? Praktisch ist es ebenfalls machbar und führt zu lebhaften Diskussionen, wer welche Karten auf der Hand hält, was sich im nächsten Zug damit anstellen ließe, ob eine Karte besser als Schlüssel oder zur Bewegung gespielt wäre und welches der vielen Vorhaben Priorität haben sollte. Während man schwerstens beschäftigt ist, all die ahnungslosen Passagiere zu retten, ist man glatt froh, wenigstens ab und zu mal auch graben zu können.
Im Unterdeck angekommen, erfährt man nun aber nicht einfach: „Hier ist er“ oder „Hier ist er nicht“. Man muss den Ort selbst ermitteln. Dies gelingt anhand von Hinweisen. In jedem Raum des Unterdecks liegt einer und besagt etwa: „Der Psychopath ist nicht auf der rechten Schiffsseite“ oder „Der Psychopath ist maximal zwei Schiffsräume von diesem entfernt“.
Obwohl die Hinweise nicht ausgelost, sondern nach der Vorgabe eines der 24 Szenarien verteilt werden, kann es sein, dass erst der zwölfte und letzte Hinweis die gesuchte Kabine eindeutig bestimmt. Diesen Zeitpunkt werden wir aber nicht erleben, denn wir verlieren auch, sobald alle Passagierkarten durchgespielt sind. Also müssen wir in solch einem Fall raten und hoffen.
Hätten wir die Hinweise in der optimalen Reihenfolge gefunden, wäre vielleicht schon nach dem dritten Tipp alles klar gewesen. Das ist einfach Pech. Was ich dem Spiel dennoch ankreide: Es gibt keine Indizien, wo wir suchen müssen, damit es vorangeht. Selbst wenn wir den Aufenthaltsort des Psychopathen auf wenige mögliche Räume eingegrenzt haben, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass wir in irgendeinem dieser Räume die Auflösung finden werden.
So sind mehrere Partien nach spannendem Beginn mit lebhaften Debatten und heiklen, gerade noch gemeisterten Situationen in ein langatmiges, mühsames Abarbeiten mit Leerlaufphasen ohne Erkenntnisgewinn gemündet. KILLERCRUISE ging öfter mal die Puste aus.


Was taugt es? Der 3D-Schiffsaufbau von KILLERCRUISE ist sehr ausgeklügelt und noch spektakulärer als das Spielplanbuch in SAFEHOUSE. Wer KILLERCRUISE auf dem Tisch liegen sieht, ist sofort fasziniert und will es spielen.
Und KILLERCRUISE löst auch vieles ein, was es verspricht: Es ist spannend, es ist bedrohlich, es ist sehr kommunikativ. Wir müssen unsere Züge gut planen und optimieren, um ans Ziel zu kommen. Dass wir auch Glück benötigen, um mit den passenden Handkarten bedrohliche Situationen zu bereinigen, gehört dazu.
Allerdings gibt es noch eine zweite Stelle, an der mich die Schicksalhaftigkeit auf Dauer stört: Nach jeder Killerbewegung werden neue Passagiere nachgelegt. Weil der Ablagestapel nie gemischt, sondern bei Bedarf einfach umgedreht und als neuer Nachziehstapel hingelegt wird, ergeben sich systembedingt Klumpungen: Zwei Killerkarten folgen direkt aufeinander. Immer mal wieder geschieht es, dass nach der ersten Killerbewegung die neue Passagierkarte dem Killer direkt vor die Füße gelegt werden muss und wir keine Chance haben, sie noch zu retten, weil die unmittelbar folgende zweite Killerbewegung das leichte Opfer gleich wegnascht.
Obwohl KILLERCRUISE durch seine faszinierende Gestaltung und interessante Aufgabenstellung zunächst sehr motiviert, stößt man dann doch auf versteckte und letztendlich ernüchternde Problemstellen.


**** solide

SEBASTIAN FITZEK – KILLERCRUISE von Marco Teubner für zwei bis vier Spieler*innen, moses.

Dienstag, 10. November 2020

Vor 20 Jahren (95): Der Garten des Sonnenkönigs

Es beginnt schon bei den Perlen: Die große blaue zählt drei Taler, die mittlere gelbe zählt einen, die kleine rote zwei. Häh? Nicht fragen. Das muss so sein, denn es stiftet zusätzliche Verwirrung. Und zusätzliche Verwirrung ist genau das, was wir in einem ohnehin schon schwer zu durchschauenden Spiel unbedingt brauchen.

So offenbar die Gedankengänge des Noris-Verlages, der sein schwer zu durchschauendes (!) Versteigerungsspiel (!) DER GARTEN DES SONNENKÖNIGS im Jahr 2000 mutig als „Familienspiel“ anpreist. Der Annahme folgend, dass sich das Werk an Kinder und Eltern richte, ist die Spielplangestaltung eher märchenhaft-barock und keinesfalls funktional, was dem – wie erwähnt – schwer zu durchschauenden Spiel den Extrakick verleiht.

Heute würden wir so ein Spiel vermutlich gleich an die Wand klatschen und das nächste auspacken. Damals, vor 20 Jahren, hatten wir nicht ganz so einfach ein nächstes Spiel zur Hand, also bewiesen wir deutlich mehr Geduld.

Und das war gut so, denn DER GARTEN DES SONNENKÖNIGS ist ein kleiner versteckter Diamant unter den Versteigerungsspielen. Oder mal lieber vorsichtiger ausgedrückt: Seinerzeit habe ich das so empfunden. Inzwischen habe ich das Spiel seit x Jahren nicht angefasst. Es ist ja auch leider nicht so, dass Gäste beim Stöbern in meinem Regal ausgerechnet diese Schachtel hervorziehen und schreien: „Wie stark sieht das denn aus? Das wollen wir spielen!“

In DER GARTEN DES SONNENKÖNIGS ersteigern wir Parzellen. Und die Gebote bestimmen nicht nur den Kaufpreis, sondern auch, welche Parzelle als nächste versteigert wird. Bei einem Höchstgebot von acht ist es die acht Felder entfernte.

In den Parzellen liegen Perlen. Deren vorderste bekomme ich als Käufer sofort. Jede weitere erst, wenn ein Projekt abgeschlossen ist, zu dem die Parzelle gehört. Beispielsweise könnte die Parzelle Teil des vier Felder umfassenden Springbrunnens sein, und sobald alle vier Springbrunnen-Felder verkauft sind, gilt der Brunnen als vollendet und die Besitzer*innen der vier Parzellen bekommen die jeweils nächste Perle. Abgeschlossene Projekte lösen außerdem eine Wertung aus: Wir bekommen den Wert all unserer Perlen ausgezahlt. Eine früh erworbene Perle macht somit viele Wertungen mit.

Und was ist dabei nun so schwer durchschaubar? Man hat keine Idee, was man sinnvollerweise bieten soll. Für einige läuft es trotzdem unerklärlich super, andere sitzen bald auf dem Trockenen. Anders als in anderen Versteigerungsspielen geht es nicht nur darum, ein passendes Gebot abzuschätzen, sondern es obendrein so zu bemessen, dass Projekte vorankommen, an denen ich beteiligt bin.

Oft widerspricht eins dem anderen. Schnell findet man sich in fiesen Zwängen gefangen: Das Gebot steht eigentlich schon unvernünftig hoch, aber es so zu belassen, wäre noch verheerender, weil danach etwas unter den Hammer käme, das der Konkurrenz zwei Projekte auf einmal vollendete.

DER GARTEN DES SONNENKÖNIGS ist subtil, gemein und knallhart. Die Anleitung überschüttet Kinder und Eltern mit zwei Seiten Ausführungen zu Taktik und Strategie. Ich habe DER GARTEN DES SONNENKÖNIGS zwar nie mit Familien gespielt, aber hatte trotzdem verwirrte und überforderte Mitspieler*innen, die selbst im Finale, wenn das Spiel leider ziemlich ausrechenbar wird, noch Gebote abgaben, die sich nie und nimmer rechnen konnten. Und anschließend urteilten, DER GARTEN DES SONNENKÖNIGS sei unkalkulierbar.

Übertrieben. Statt unkalkulierbar würde ich sagen: crazy, mad, abgefahren. Ein ziemlich verschrobenes Ding, bei dem mir nie klar war, warum Noris meinte, dass es ins Programm passen könnte (übrigens wurde es dann auch schnell und heftig verramscht). Ein ziemlich verschrobenes Ding, von dem ich aber bis heute meine, dass es sehr gut in meine Sammlung passt.

Freitag, 6. November 2020

The Castles of Tuscany

Wie geht THE CASTLES OF TUSCANY? DIE BURGEN VON BURGUND kompakter und minus die Würfel: Wieder bauen wir mit Sechseckplättchen unsere Landschaften voll. Wieder gibt es verschiedenfarbige Untergründe. Wieder muss farblich passend gebaut werden. Wieder müssen wir die Plättchen erst nehmen und einlagern. Und danach dürfen wir sie bauen.
Das Nehmen ist jetzt aber viel einfacher: Man nimmt einfach und hat dabei die Wahl zwischen acht ausliegenden Teilen. Fürs Bauen bezahlen wir Karten, zwei Stück in der passenden Farbe. Notfalls ersetzt ein beliebiges Farbpaar jede gewünschte andere Karte. Und weil man offensichtlich Karten braucht, ist Karten vom Stapel nachzuziehen die dritte und letzte Zugmöglichkeit.
Wie bei DIE BURGEN VON BURGUND geht es darum, möglichst schnell Gebiete und Farben zu komplettieren, außerdem löst jedes gebaute Teil einen Soforteffekt aus. Beispielsweise bekomme ich einen Plättchenjoker oder einen Kartenjoker, oder eine zufällig gezogene Glückskarte sagt mir, was ich bekomme.
Dreimal im Spiel (nachdem jemand sein siebtes bzw. vierzehntes bzw. einundzwanzigstes Teil genommen hat) und oft früher, als einigen lieb ist, werden alle bis dahin gesammelten Punkte aufs Konto übertragen. Was man vor der ersten Wertung ansammeln konnte, zählt somit dreifach, weil es dreimal übertragen wird. Punkte aus dem Mittelspiel zählen doppelt, die im Endspiel einfach.


Was passiert? THE CASTLES OF TUSCANY ist ein Wettrennen. Bauen bringt Spielvorteile. Also will ich schnell und viel bauen. Ich will Farben als Erster abschließen, ich will frühe Punkte.
Bestimmte Farben sind wegen ihrer Boni beliebter als andere. Dunkelgrüne Kastelle erlauben, gleich noch ein Teil kostenlos und direkt vom Markt einzubauen. Graue Steinbrüche genehmigen einen Extrazug, rote Städte bringen eins von fünf verschiedenen Bonusplättchen.
Diese Plättchen sind im Vergleich zu DIE BURGEN VON BURGUND das wesentlich neue Element. Welche man in welcher Reihenfolge nimmt, ist eine entscheidende Frage. Beispielsweise könnte mein Bonus darin bestehen, dass ich bei Steinbrüchen noch einen Extrazug mehr bekomme. Oder ich könnte einen zusätzlichen Ablageplatz für Plättchen erschaffen, um mir so auch mal ein Teil für die Zukunft bereitzulegen, ohne es sofort bauen zu müssen.

Übrigens starten wir auch schon mit einem Bonusplättchen, und in meinen Runden ist eindeutig dasjenige am beliebtesten, das erlaubt, eine Karte mehr zu ziehen, wenn man denn Karten zieht. Ich habe viele Partien gebraucht, bis ich mal ohne dieses Plättchen gewinnen konnte. Inzwischen ist das mir sogar mehrfach gelungen, trotzdem halte auch ich diesen Bonus für den erfolgversprechendsten.
Warum? Im Regelfall ist die fünf Karten umfassende Starthand wenig aussagekräftig. Wer nur Einzelkarten hat, wird sowieso erst mal nachziehen müssen. Und wenn man wiederholt drei statt zwei Karten bekommt, ist die Chance, dass sich bald irgendwas ergibt, deutlich höher. Viele andere Bonusplättchen schütten erst aus, wenn ich ein Teil einer bestimmten Farbe baue. Diese Ausschüttung kann zwar sehr stark sein. Aber wann und wie schnell ich die erforderlichen Teile bauen werde, ist ungewiss.


Was taugt es? Ich habe eine ganze Weile mit THE CASTLES OF TUSCANY gehadert. Wenn man zu Spielbeginn die Wahl zwischen fünf Plättchen hat, sollte es wirklich eine Wahl sein. Und wenn alle am Tisch den Eindruck haben, ein ganz bestimmtes Plättchen sei das beste, verschenkt das Spiel Potenzial, auch wenn für jede*n ein solches Plättchen da ist.
Tatsächlich ist es der allgegenwärtige Glücksfaktor, der mich schlussendlich versöhnt. Wer unpassend nachzieht, wird trotz Kartenzieh-Plättchen nicht gewinnen. Und ähnlich desaströs wirkt es sich aus, wenn im Markt nicht die Plättchen auftauchen wollen, die man benötigt.
Manchmal kann es also frustrierend sein. Doch überwiegend fühlt sich THE CASTLES OF TUSCANY konstruktiv an. Wir bauen, wir wachsen, wir kassieren ständig Belohnungen. Wir machen uns nichts gegenseitig kaputt, sind durch die Wettlauf-Elemente trotzdem eng miteinander in Konkurrenz. Um Farben als Erster abschließen zu können und Wertungen nicht zu verschlafen, muss ich sehr darauf achten, was die Mitspieler*innen so treiben.
Trotz der Zufallselemente bietet das Spiel auch genügend Raum, um planvoll zu agieren. Dass jedes gebaute Teil eine Belohnung bringt, deren Art wiederum von der Farbe abhängt, empfinde ich als größte Stärke des Spiels. Es bietet hier auch genügend Varianz, ohne dass es ausufert. Welche Farbe welchen Effekt bewirkt, hat man dank der Darstellung auf den Tableaus schnell drauf.
Letztlich gilt dasselbe wie bei AEON’S END: Ein Spiel, das ich so häufig spiele, an dem ich mich derart reibe und so viel damit herumexperimentiere, ist offensichtlich wohl doch „reizvoll“, auch wenn mir einiges missfällt. Neben dem fragwürdigen Kartenzieh-Plättchen betrifft dies auch die Optik. Vielen Spieler*innen bereitet die Zuordnung der grauen und beigen Karten zu den entsprechenden Plättchen Probleme.


***** reizvoll

THE CASTLES OF TUSCANY von Stefan Feld für zwei bis vier Spieler*innen, alea.