Es ist die A-Mission, die wichtigste Mission, die Mission überhaupt: die globalen Temperaturen nicht immer noch weiter steigen zu lassen. Dass E-MISSION statt des A lediglich das E, also gerade mal den fünften Buchstaben des Alphabets, voranstellt, so als gäbe es von A bis D noch Besseres zu tun, irritiert – bis man das Titelwortspiel versteht: Ach so, es geht um Emission. Bei mir jedenfalls hat das länger gedauert. Aber ich bin ja auch schon über 35 und somit b-tagt.
Wie geht E-MISSION? Wir sind die Welt bzw. verschiedene Weltmächte. Unser Ziel ist es, weniger CO2 in die Luft zu blasen, als von Wäldern und Ozeanen gebunden werden kann. Das muss uns binnen sechs Runden gelingen. Die globale Temperatur darf derweil nicht zu sehr ansteigen, und alle Weltmächte müssen gesellschaftlich stabil bleiben.
Jede:r startet mit etwas anderen Voraussetzungen, China beispielsweise hat einen großen Energiebedarf, in den USA sind die Emissionen durch den Verkehr sehr hoch. Jede Weltmacht startet außerdem mit fünf etwas unterschiedlichen Projekten.
Ein Projekt ist eine Kartereihe. Bei Spielbeginn bestehen alle Projekte aus gerade mal einer Karte. Ich darf später weitere Karten anlegen: entweder obendrauf oder dahinter. Die vorderste Karte eines Projektes definiert, worum es in dem Projekt geht. Man könnte sagen, sie definiert eine Spielregel für mich. Beispielsweise: Ich darf eine Handkarte abwerfen, um meine Erzeugung sauberen Stroms um eine Einheit zu erhöhen.
Und ich könnte für die abgeworfene Karte sogar mehr als einen Marker für sauberen Strom bekommen: nämlich einen pro Stromnetz-Symbol in dem Projekt. Und das ist der Grund, um Karten auch mal hinterzuschieben: um dem Projekt hilfreiche Symbole hinzuzufügen. Alle Karten eines Projekts hinter der vordersten bringen ihre Symbole ein.
Zu Beginn der nächsten Runde bekommen alle ein paar neue Handkarten: je unstabiler die Weltmacht schon geworden ist, desto weniger. Und bei Rundenende wird auf sehr einfache Weise ausgerechnet, wie viele Emissionen wir produzieren und um wie viele Schritte die globale Durchschnittstemperatur steigt. Höhere Temperaturen haben zur Folge, dass wir mehr negative Ereigniskarten („Krisen“) ausführen und häufiger den Globale-Folgen-Würfel werfen müssen. Dessen Ergebnisse sorgen dafür, dass wir Marker auf Skalen, die „Wetterextreme“ oder „Versauerung der Meere“ heißen, vorwärts schieben müssen, und wenn sie dort bestimmte Felder namens „Kipppunkt“ erreichen, passiert irgendetwas Negatives.
Was passiert? Auch wenn wir kooperativ agieren und uns absprechen dürfen, tüftelt jede:r auch für sich. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, um Karten an andere weiterzugeben, es gibt nur wenige Projekte, an denen sich alle beteiligen dürfen. Im Großen und Ganzen muss ich zusehen, wie ich meine eigene Weltmacht auf Kurs bringe. Deswegen können einige Aktionen parallel abgewickelt werden. Jede:r knobelt mit seinen Handkarten aus, ob und in welche Projekte sie gespielt werden sollen, ob sie zur Bezahlung benutzt oder mit in die nächste Runde genommen werden.
Kartenglück und Würfelglück sind nicht unerheblich. In meinen Runden wurde E-MISSION trotzdem meistens gewonnen, teilweise so ungefährdet, dass ich schon etwas enttäuscht war, wie leicht der Klimawandel im Spiel zu stoppen ist. Und ich war überrascht, hier und da im Netz zu lesen, E-MISSION sei zu schwer. Aber wie auch immer: Die Autoren haben diverse Varianten vorgesehen, um die Schwierigkeit nach oben oder unten anzupassen. Insofern sollte jede Gruppe das für sie passende Level finden können.
Was taugt es? Rein mechanisch gesehen ist E-MISSION gar nicht so spektakulär. Mit irgendeinem 08/15-Thema hätte mich das Spiel vermutlich weit weniger gekickt. Aber das ist eine müßige Überlegung, denn E-MISSION hat nun mal das Thema, das es hat. Und es bildet sein Thema hervorragend ab. Natürlich vereinfacht, aber gleichzeitig anschaulich und konkret. Ganz offenbar haben sich die Autoren sehr darum bemüht, den Stand der Forschung abzubilden (wobei mich persönlich stört, dass die Atomenergie im Spiel als positive Alternative gilt).
E-MISSION ist ein ambitioniertes Spiel. Auf jeder Karte befindet sich ein Barcode, den ich scannen kann, um detaillierte Erklärungen und weiterführende Links zu den einzelnen Karten zu erhalten. Theoretisch. Scannt man tatsächlich, erfährt man, dass dies bei der deutschen Ausgabe alles noch in Vorbereitung sei und erst „in Kürze“ realisiert werde.
Ich finde, wenn man ein solches Angebot verspricht, sollte man es vier Monate nach Veröffentlichung des Spiels auch realisiert haben. Und auch bei den wackeligen Tableaus und der Materialaufbewahrung wäre noch Luft nach oben gewesen.
Aber das ändert nichts daran, für wie bedeutsam ich E-MISSION halte: Endlich kommt der Kampf gegen den Klimawandel im Brettspiel an. Und zwar nicht als Alibithema, um dann doch nur wieder Siegpunkte zu sammeln. Endlich geht es um echte Themen, um DAS echte Thema, um das A-Thema. Endlich wird der Beweis angetreten, dass Spiele auch zum Klimadialog beitragen können.
Zu ATIWA hatte ich geschrieben: „Wir leben in der Klimakatastrophe, aber den meisten Spielen merkt man dies nicht an. Sie sind genau wie all die Jahre vorher auch. So als sei nichts.“ Ich bin froh, dass sich dies durch E-MISSION wieder ein bisschen ändert.
****** außerordentlich
E-MISSION von Matt Leacock und Matteo Menapace für eine:n bis vier Spieler:innen, Schmidt.