Warnung: IM WANDEL DER ZEITEN dauert Stunden. - Drei? Vier? Fünf? Vielleicht sogar sechs? Je nach Spielrunde. Selbst bei Schnellspielern sind Wartezeiten unvermeidlich; Tüftler im Optimierungswahn können die Atmosphäre am Tisch ganz schnell langsam vergiften.
Als zusätzlichen Härtetest enthält der Mechanismus destruktive Komponenten, deren bisweilen krasse Folgen nicht nur sensible Gemüter frustrieren. Vielleicht wäre es also besser, etwas anderes zu spielen...
Der Haken daran: Nein, es ist leider nicht besser, etwas anderes zu spielen. IM WANDEL DER ZEITEN macht zu viel Spaß, um es sich entgehen zu lassen.
Wie geht IM WANDEL DER ZEITEN? Das Spiel unternimmt den originellen Versuch, die menschliche Zivilisationsgeschichte von der Antike bis in die Moderne zu erzählen, ohne dabei auf die obligatorische Landkarte zurückzugreifen. Jeder spielt auf seinem eigenen Tableau. Karten symbolisieren technologische Errungenschaften, Anführer oder Bauten. Gelbe Pöppel sind Arbeiter, blaue sind Rohstoffe.
In den Kartenvorräten der Bank ist nicht alles für alle da. Jeder Spieler wird zwangsläufig irgendwo Schwächen haben: zu wenig Arbeiter, zu wenig Rohstoffe, zu wenig Fortschritt, zu wenig Militärstärke. Da die Karten überdies in zufälliger Reihenfolge ins Spiel kommen, kann es passieren, dass der Lieblings-Anführer erst spät auftaucht oder dass einem die erhofften Technologien vor der Nase weggeschnappt werden. Dies zwingt zu einer flexiblen Spielweise.
Was passiert? Es wird ganz viel optimiert. Jedem stehen nur wenige Aktionen pro Zug zur Verfügung, wodurch man gefühlt immer viel weniger tun kann als gewünscht. Zudem fehlt es dauernd an Material, und wenn man mal versucht, etwas anzuhäufen, kommt es noch schlimmer: Je mehr gelbe und blaue Pöppel in Benutzung sind, desto größer die Verluste durch Hunger und Korruption. - Wer Freude daran hat, etwas zu managen, was sich nie hundertprozentig in den Griff bekommen lässt, ist hier genau richtig.
Was taugt es? Gerade das Epische an IM WANDEL DER ZEITEN fasziniert so sehr. Man startet klein und bescheiden und arbeitet sich schrittweise nach oben. Damit sich dieses Gefühl einstellen kann, darf IM WANDEL DER ZEITEN gar nicht allzu viel schneller gehen.
Von einer Partie zu viert rate ich allerdings ab. Das Spiel wird in dieser Besetzung nicht besser, doch statt einem oder zwei muss ich nun gleich drei Leuten beim Hin- und Herschieben ihrer Klötzchen zuschauen.
Auch spiele ich nicht so gern die kriegerische Vollversion. Hier wird einiges an Material und Zeit verpulvert, um am Ende doch nur ein Gleichgewicht des Schreckens herzustellen. Verweigert sich jemand dem Aufrüstungswahnsinn, bekommt er eins auf den Deckel und verliert nun nachträglich Material und Zeit, um den Rückschlag wieder aufzuholen.
Andererseits wird ein Teil der Karten im Weltfrieden uninteressanter oder komplett wertlos. Ewiges Leben oder Sofortrente für mich und meine Mitspieler vorausgesetzt, könnte ich ein paar Partien mehr spielen und würde dann ohne Rücksicht auf Zeitersparnis immer Spiel „mit scharf“ wählen.
IM WANDEL DER ZEITEN ist sehr gut ausgetüftelt. Im Grundablauf gibt es keine komplizierten Sonderregeln. Alles Weitere geht dann aus den Karten hervor. Über viele Partien hinweg gibt es Neues zu entdecken und auszuprobieren. Bauten und Technologien, die anfangs schwach erscheinen, offenbaren bei fortgeschrittener Spielweise plötzlich ihre Stärke.
IM WANDEL DER ZEITEN von Vlaada Chvátil für zwei bis vier Spieler, Pegasus.
54 % der Leser dieser Rezension lasen auch: Galaxy Trucker
48 % lasen: Race for the Galaxy
1 % lasen: Panda, Gorilla & Co.