Wenn man der Meinung ist, dass ein gutes Spiel interaktiv sein muss, keine starken Glückselemente enthalten darf und kein Spieler chancenlos zurückfallen sollte, dann ist DEUS kein gutes Spiel.
Im Widerspruch dazu steht, dass mir DEUS viel Spaß macht. Also ist es vielleicht doch ein gutes Spiel? (Oder mir machen schlechte Spiele Spaß.)
Wie geht DEUS? Wir bauen Gebäude, von denen es in den Spielerfarben fünf Typen gibt. Um ein Gebäude zu bauen, benötigt man 1. eine dem Typ entsprechende Karte, 2. einen passenden Gebäudespielstein sowie zur Bezahlung 3. die auf der Karten angegebenen Baustoffe und eventuell Geld. Gebaut wird entweder in Gebiete, die man bereits besitzt, oder angrenzend auf freie Felder. Armeen sind quasi mobile Gebäude und können über den Spielplan marschieren und schnell neues Land erschließen.
Die Baukarte wird in die eigene Auslage gelegt. Ihr Effekt wird nun ausgelöst sowie zusätzlich die Effekte sämtlicher Karten desselben Typs, die bereits in der Auslage liegen. Baue ich beispielsweise mein viertes Schiff, kommen die Effekte der ersten drei Schiffe erneut zur Geltung. Der Effekt des erstgebauten Schiffes wird somit zum vierten Mal ausgelöst. Überwiegend bringen die Gebäude Einkommen: Karten, Baustoffe, Geld, Spielsteine oder Punkte.
Der sechste Gebäudetyp sind die Tempel. Sie bringen Punkte bei Spielende, beispielsweise vier Punkte pro besetztes Ackerland oder zwei Punkte für jedes eigene Gebiet mit mindestens zwei Bauwerken.
Neue Karten erhält man üblicherweise, indem man andere abwirft. Die Hand wird zunächst wieder auf fünf aufgefüllt. Anschließend erhält man einen Gebäudestein des Typs der obersten abgeworfenen Karte sowie (abhängig von der Menge der abgeworfenen Karten) Einkommen, also entweder Baustoffe, Geld, Spielsteine, Punkte oder noch mehr Karten. – Eine sehr elegante Regelung, die das Abzuwerfen von Karten vom traurigen Notbehelf zur taktischen Option aufwertet.
Was passiert? Final will ich gewinnen, also will ich Punkte. Unterwegs brauche ich Rohstoffe und Geld und vielleicht auch mehr Karten wegen der besseren Auswahl. Optimalerweise ist die erste gebaute Karte eines Typs eine besonders lukrative, denn sie wird im Lauf der Partie potenziell mehrfach ausgelöst. Attraktiv hört sich zum Beispiel an: Erhalte einen Punkt für jede Schiffskarte in deiner Auslage. Oder: Gewinne vier Geld für jedes Barbarendorf, neben dem eine deiner Armeen steht.
Solche Karten spiele ich natürlich erst, nachdem ich zuvor Schiffe gebaut bzw. Armeen neben Barbarendörfern platziert habe. Tja, und dann fehlt für ein weiteres Schiff vielleicht genau ein Rohstoff, und um ihn zu bekommen, muss ich doch noch mal abwerfen und ziehe plötzlich eine Karte nach, die ebenfalls reizvoll erscheint und zu Gedankenspielen veranlasst, den gesamten Plan wieder umzuwerfen...
Dieser Teil des Spiels ist solitär. Jeder bastelt an seiner perfekten Maschine. Welcher Spieler welche Fähigkeiten erworben hat, überblickt man bald nicht mehr. Dass andere mit am Tisch sitzen, fällt erst dann auf, wenn sie mit ihren Gebäuden den Weg versperren oder genau das Gebiet okkupieren, das man selber kolonisieren wollte. Wer langsam in Gang kommt, kann überdies abgeschnitten werden, und muss entweder mit der Raumbeschränkung leben oder drei Punkte für einen zweiten Startort opfern. Beides nicht schön.
Und so sozialverträglich das Abwerfen von Karten auch abgefedert ist: Die optimalen Karten sofort zu ziehen, ist immer noch die beste Option. Insbesondere gilt dies für die Tempelkarten. Je fortgeschrittener die Partie ist, desto weniger kann man noch dafür tun, dass ein gebauter Tempel viele Punkte zählt, und umso mehr ist man darauf angewiesen, einfach einen passenden zu ergattern.
Was taugt es? Der Versuch, Karten perfekt aufeinander abzustimmen, die Freude am Ausprobieren und Entdecken neuer Kombinationen, das Hoffen auf Glück beim Nachziehen sowie das spannende Ausbreitungs-Wettrennen auf dem Spielplan sind Elemente, die auf mich einen großen Reiz ausüben. Ich glaube zwar nicht, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis aller Karten perfekt stimmt. Und zweifellos gibt es interaktivere Spiele. DEUS punktet aber durch schlanke und stimmige Strukturen. Alles greift sinnvoll ineinander, kein Element ist zu viel. Hinzu kommt der reizvolle Konflikt, sich entweder zu spezialisieren oder (das ist die Voraussetzung, um mehr als einen Tempel bauen zu dürfen) eine Mischstrategie mit sämtlichen Gebäudetypen zu spielen.
Kein Pearl Game hat es mir bisher so sehr angetan wie dieses.
DEUS von Sébastien Dujardin für zwei bis vier Spieler, Pearl Games.