Ich bin ja gar nicht so. Auf vielfachen Wunsch steht hier endlich mal wieder eine Einleitung.
Wie geht GLOOMHAVEN – DIE PRANKEN DES LÖWEN? Es ist ein Dungeon Crawler, was auf Deutsch übersetzt bedeutet, dass wir in einen düsteren Unterschlupf hineinrennen, alle Monster plätten und Schätze abräumen. Mit dem Geld gönnen wir uns hilfreiche Ausrüstung. Und wir gewinnen Erfahrungspunkte und werden stärker und gewiefter – die Monster aber leider auch.
Das Spiel basiert auf Karten. Pro Zug wähle ich zwei aus meinem Bestand. Von einer werde ich die Textanweisung der unteren Hälfte nutzen (die oft etwas mit Bewegung zu tun hat), von der anderen Karte die obere (oft Angriff). Von welcher was, muss ich aber noch nicht jetzt entscheiden, sondern erst wenn ich an der Reihe bin. Das wiederum richtet sich nach dem Initiativewert einer meiner gewählten Karten.
Auch für alle anwesenden Monsterarten wird je eine Karte aufgedeckt, um Initiative, Bewegung und Angriff zu bestimmen. GLOOMHAVEN – DIE PRANKEN DES LÖWEN kommt also ohne Spielleiter*in aus, wir dürfen alle im selben Team mitmachen. Wie sich die Monster verhalten, unterliegt aber festen Regeln.
Die Kämpfe benötigen keine Würfel. Jeder Angriff hat laut Kartenanweisung einen gewissen Erwartungswert, wie viel Schaden er anrichtet. Zusätzlich wird eine Modifikatorkarte aufgedeckt, die den Angriff verstärkt oder abschwächt oder gar komplett verpuffen lässt.
An dieser Stelle kommt Deckbau ins Spiel. Denn sowohl unsere Modifikationsdecks werden sich individuell verändern als auch unsere Aktionsdecks. Die sind natürlich schon von Beginn an unterschiedlich. Die Sprengmeisterin spielt mit anderen Karten als der Axtwerfer.
Was passiert? Von Partie zu Partie wird es immer komplizierter, weil während der ersten fünf Szenarien immer mehr Regeln und Spielelemente hinzukommen. Allerdings werden wir hervorragend an die volle Komplexität des Spiels herangeführt. DIE PRANKEN DES LÖWEN nutzt dafür eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, ergänzt durch ein Glossar zum Nachschlagen. Höchst bemerkenswert finde ich, dass Teile unserer Decks und auch der Monsterdecks ausschließlich dazu da sind, um den Einstieg zu erleichtern. Nach und nach werden diese Karten durch die „richtigen“ Karten ersetzt und fortan nicht mehr gebraucht. Ein hilfreicher Luxus.
Auch die sehr gute Heranführung ändert aber nichts daran, dass DIE PRANKEN DES LÖWEN ein komplexes Spiel mit vielen zu beachtenden Kleinigkeiten ist. Es gibt selbst nach diversen Partien noch Situationen, in denen unsicher bin, wie die Monsterzüge korrekt abgewickelt werden müssen. Oder ich vergesse irgendwelche Effekte oder Verwaltungsschritte. DIE PRANKEN DES LÖWEN ist kein Spiel, bei dem ich in einen Flow gerate. Denk- und Handlingaufwand sind recht hoch.
Auf dem Brett (na gut, es ist ein Hefter, auf dessen Doppelseiten wir spielen) passiert vergleichsweise gar nicht so viel. Die meiste Spielzeit benötigen wir für die Abwägung, welche Kartenkombination aktuell die beste sei, und für (beschränkt erlaubte) Absprachen mit der Gruppe. Es ist wie Actionkino – aber in Superzeitlupe und mit vielen Stopps.
Was taugt es? Fantasy ist nicht das Thema, das mich typischerweise anspricht. Auf Dauer finde ich es nicht so faszinierend, ein Monster nach dem anderen zu töten. Aber das ist eine Geschmacksfrage. Denn zweifellos wiederholen sich die Abläufe in anderen Spielen auch, sei es nun, dass ich wieder und wieder Seuchenwürfel wegräume oder wieder und wieder Rinder zur Verladestation treibe.
Es mag also mit etwas Vorsicht zu genießen sein, wenn ich sage: Die Szenarien in DIE PRANKEN DES LÖWEN empfinde ich als nicht sehr abwechslungsreich. Bislang war der Plan jedes Mal: Erst die vorderen Monster, dann die dahinter, dann die hintersten.
Die Geschichte, die dabei erzählt wird, ist gut erzählt. Aber letztlich leitet sie nur von Kampf zu Kampf über. Denn das ist der Inhalt des Spiels: kämpfen.
Oder besser gesagt: gut kämpfen. Der Einsatz der Karten lässt das Hirn rauchen. Ich plane nicht nur situativ. Manche Effekte sind stärker, wenn zuvor Elemente wie Eis oder Licht beschworen worden sind, was bestimmte Kartenfolgen sinnvoll macht. Ich muss außerdem meine Pläne mit denen der Mitspieler*innen koordinieren. Mehr als individuelle Einzelgänge hilft es oft, wenn wir einigermaßen beisammenbleiben. Wir sprechen uns ab, wer welches Monster übernimmt, wer wann zu rasten oder irgendwen zu heilen beabsichtigt. Dass alle zugleich zum Durchschnaufen gezwungen sind, während wir noch von Monstern umringt sind, wäre tödlich.
Genau, die Monster: Von Art zu Art verhalten sie sich unterschiedlich, was man bei der Erstbegegnung erst mal herausfinden wird. Da spekuliert man auf einen Nahkampf und wählt eine späte Initiative, um den Feind prächtig ins offene Messer laufen zu lassen – und dann stellt sich heraus: Das sind feige Lahmärsche, die sich nicht vom Fleck bewegen!
DIE PRANKEN DES LÖWEN erfordert eine intensive Beschäftigung. Es ist nicht das Spiel für eine lustige Keilerei zwischendurch. Je nachdem, wie lange eine Gruppe an ihren Zügen herumtüftelt, kann eine Partie schon mal zwei Stunden dauern. Und man sollte regelmäßig am Ball bleiben. Ich mag mir nicht ausmalen, wie lange ich nach einem Jahr Pause für den Wiedereinstieg bräuchte.
DIE PRANKEN DES LÖWEN bietet epische und anspruchsvolle Kämpfe, eine Charakterentwicklung, die neugierig macht, auf das was noch kommt, viel Fantasyatmosphäre und dazu ein bisschen Deckbau und Legacy.
Ich bin beeindruckt, wie viel Mühe darauf verwendet wurden, selbst Dungeon-Noobs wie mir den Einstieg zu erleichtern. Es liegt sogar ein doppelseitiges Blatt bei mit Anweisungen, wie ich die sehr volle Schachtel sinnvoll auspacke und die Materialien sortiere. Die meisten Spiele lassen uns mit so etwas allein.
***** reizvoll
GLOOMHAVEN – DIE PRANKEN DES LÖWEN von Isaac Childres für eine*n bis vier Spieler*innen, Feuerland.