Mittwoch, 31. März 2021

Gern gespielt im März 2021

DIE ABENTEUER DES ROBIN HOOD: Geschichten in Schichten.

ZOMBIE TEENZ EVOLUTION: Ein ganz neuer Blick auf den Trampolinsport.

AUF DIE NÜSSE: Ich mag’s auch mal ein bisschen intellektueller. Und Nüsse mag ich auch.

CALICO: Schon komisch mit den Katzen. In der Realität lümmeln sie nur allzu gerne um mich herum, obwohl ich das gar nicht will. Kaum aber will ich das, weil das in CALICO Punkte bringt …

PANDEMIC LEGACY – SEASON 0: Wir haben gewonnen. Es ist vorbei. Hallo Universum, hast du zugehört? Wir haben GE-WON-NEN! Es ist VOR-BEI-EI!




UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM MÄRZ:

DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK: Ich hätte es sogar noch häufiger gespielt – wenn meine Mitspieler*innen begeisterter wären. Sie sind es leider nicht in demselben Maße wie ich. Und ich kann es ihnen nicht mal grob verübeln, denn: Wenn ich so überlege, was das Tolle / Neue / Überraschende an DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK sein könnte, fällt mir gar nicht viel ein. Wahrscheinlich läuft es auf eine Binsenweisheit hinaus: Die Mischung macht’s.
DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK kombiniert so einiges. Deckbau, Worker Placement, Ressourcenmanagement, Skalen-Aufstiege und Belohnungen, schöne Illustrationen und … egal, das wichtigste Stichwort ist längst genannt. Deckbau. Ich bin anscheinend vernarrt in diesen Mechanismus. Und von mir aus darf es gerne noch viel mehr Deckbau-Spiele geben.
Deckbau vereint vieles, das mir beim Spielen Spaß macht, zum Beispiel die Freude beim Zuvorkommen. Der schöne Ätsch-Faktor. Ich kaufe Karten, die meine Mitspieler*innen dann nicht mehr kaufen können. Ich habe sie und die anderen haben sie nicht. Hah!
Oder überhaupt die Abwägung, ob Karten ihren Preis wert sind. Und ob in der jeweiligen Spielsituation. Und im Zusammenspiel mit den anderen Karten des Decks.
Deckbau fühlt sich für mich grundsätzlich spielerisch an. Ich entwickle Pläne, ich passe sie an, ich experimentiere. Und nicht zuletzt macht auch die spannende Schicksalssekunde beim Nachziehen immer wieder Spaß: Wie sind die Karten gemischt? Bekomme ich das Gewünschte auf die Hand?
Deckbau in Reinkultur wurde bereits durch DOMINION perfektioniert. Deshalb stellt sich bei anderen Spielen mit Deckbau-Element die Frage, wie gelungen sie den Mechanismus einbetten. Bei DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK ... ach nein, ein andermal. Ein paar kleine Geheimnisse muss ich schließlich für die bald fällige Rezension in der Hinterhand behalten.


Dienstag, 30. März 2021

Pandemic Legacy – Season 0

Achtung, diese Rezension enthält Spoiler. Schließlich will ich auch ein bisschen erzählen, was PANDEMIC LEGACY – SEASON 0 ausmacht und warum ich es außerordentlich finde. Wen Details nicht weiter interessieren: Ich finde PANDEMIC LEGACY – SEASON 0 außerordentlich.

Wie geht PANDEMIC LEGACY – SEASON 0? Im Großen und Ganzen wie PANDEMIE. Doch SEASON 0 rollt die Vorgeschichte auf, in der es noch keine Pandemie gibt. Wir befinden uns im Kalten Krieg. Wir sind die Guten, zumindest nach offizieller Lesart, und wir wollen herausfinden, was die Sowjets im Schilde führen und – weil es gewiss nichts Angenehmes ist – ihre Pläne vereiteln. Dass wir dafür jetzt Spionfiguren statt der bekannten Seuchenwürfel bekämpfen, macht spieltechnisch erst mal keinen großen Unterschied.

Wichtigere Unterschiede zu den bisherigen zwei Legacy-Teilen sind: Zusätzlich zu den Spionen kommt nach und nach eine zweite Bedrohung ins Spiel, die sich weit schlechter bekämpfen lässt. Wären die Spione ein Virus, könnte man sagen, dies sei nun ihre Mutation.
Das Reisen ist schwieriger und auch etwas umständlicher als gewohnt (was thematische Gründe hat). Und es kommen keine zusätzlichen Charaktere ins Spiel, sondern wir erschaffen nach und nach neue Tarnidentitäten unserer Start-Charaktere. Während einer Partie kann ich zwischen meinen Identitäten wechseln und damit andere Eigenschaften annehmen. Welche Eigenschaften die Charaktere haben, bestimmen in einem gewissen Rahmen weiterhin wir, indem wir entsprechende Aufkleber in unseren Pass pappen.


Was passiert? PANDEMIC LEGACY – SEASON 0 ist ein sehr intensives Spiel. In unserer Kampagne gingen mit einer Ausnahme alle Partien knapp aus, mehrmals gab es ein Wimpernschlagfinale. Vielleicht hatten wir mit diesen Verläufen etwas Glück, auf jeden Fall war es dadurch sehr spannend.
Das Abwägen und Diskutieren der vielen Möglichkeiten, die man solo vermutlich gar nicht überblicken würde, erfordert intensive Zusammenarbeit und Abstimmung. Das gilt auch für strategische Entscheidungen zwischen den Partien, welche Aufkleber gewählt und wohin sie geklebt werden sollen.
Mehr als die bisherigen Seasons transportiert SEASON 0 Inhalte und eine Geschichte. Das erkennt man schon am Story-Heft, in dem wir situations- und erfolgsabhängig einen von rund 150 Abschnitten lesen müssen. Auch ein Stapel „Einsatzkarten“, von denen wir manche bekommen, andere nicht, treibt die Geschichte voran.
Sehr präsent sind einige Nichtspielercharaktere. Wir sind nämlich Agenten in der Ausbildung (okay, dass eine derart wichtige Mission ausgerechnet Azubis überlassen wird, ist nicht ganz schlüssig) und werden von unseren Vorgesetzten permanent getestet und hinterfragt. Auch konfrontiert uns das Spiel mit moralischen Fragen; wir müssen Partei ergreifen.
Das alles ist nicht spielentscheidend, sondern eher atmosphärisches Beiwerk, schließlich müssen die Autoren sicherstellen, dass PANDEMIC LEGACY – SEASON 0 für alle Gruppen funktioniert, dennoch habe ich in SEASON 0 die Immersion als am stärksten empfunden.


Was taugt es? Unsere spielerischen Aufgaben sind zum Teil etwas repetitiv; herausfordernd sind sie dennoch. Und wenn ich zwölf Partien PANDEMIE in Folge spielte, wäre es zweifellos wesentlich repetitiver.
Zwei neuartige Arten von Aufgaben sind im Spiel. Eine davon, die noch einen Schauplatz neben dem eigentlichen Schauplatz eröffnet und sich über mehrere Spielmonate hinzieht, wirkt in ihrer Konkretheit fast filmisch und erhöht die Spannung enorm. Sie ist für mich der mechanisch stärkste neue Bestandteil in PANDEMIC LEGACY – SEASON 0.
SEASON 0 rundet die PANDEMIC-Serie hervorragend ab. Zwar fand ich SEASON 2 wegen unserer gefühlt riesigen Gestaltungsfreiheit und dem Entdeckungscharakter noch ein bisschen toller, aber auch SEASON 0 ist nahezu makellos und die gesamte PANDEMIC-Serie ist (wie neulich schon geschrieben) ein Aushängeschild unseres Hobbys. SEASON 0 ist redaktionell hervorragend gemacht. Alle Grafiken und Texte unterstützen das Spiel sehr gut; trotz am Ende ziemlich komplexer Regeln tauchen keine nennenswerten Fragen auf. Der größte Patzer sind wohl die Rubbelfelder auf den Charakterbögen, die wir in den ersten Anläufen unkenntlich kaputtgerubbelt haben. Ich habe nicht final ergründet, ob die Beschichtungen fehlerhaft sind oder ob das Problem einfach darin besteht, dass die freigerubbelten Felder genauso grau sind wie die Rubbelschicht. Man rubbelt das Graue weg, findet Grau – und denkt, man hat nicht genug gerubbelt, und rubbelt deshalb stärker.


****** außerordentlich

PANDEMIC LEGACY – SEASON 0 von Matt Leacock und Rob Daviau für zwei bis vier Spieler*innen, Z-Man Games.

Montag, 22. März 2021

Crime Story - Vienna

Verbrechen! Verbrechen! Verbrechen! Schaue ich in mein Spieleregal, scheint es kaum noch ein anderes Thema zu geben. Wundert es da noch, dass Unbekannte meine diesmal wirklich ganz hervorragend gelungene Einleitung entwendet haben?

Wie geht CRIME STORY – VIENNA? Wie schon DETECTIVE oder auch POCKET DETECTIVE und so weiter. Wir ermitteln also in einem Verbrechen. Eine Einleitungsgeschichte stellt uns an ihrem Ende mehrere Optionen zur Wahl: mit X sprechen, Ort Y untersuchen, Dokument Z studieren. Wir dürfen jeder Option nachgehen und den entsprechenden Kartentext lesen, aber das kostet Zeiteinheiten.
Wie viele genau, ist uns vorab bekannt. Wenn wir meinen, der Aufwand sei den zu erwartenden Ertrag nicht wert, wählen wir eben eine andere Option. Fährten gibt es genügend, denn viele der Karten, die wir lesen, verweisen auf neue Spuren, denen wir fortan ebenfalls nachgehen dürfen.
Der Fall spielt in einer fiktiven Zeitspanne von 8:30 bis 17:00 Uhr. Um 17:00 Uhr müssen wir die Ermittlungen einstellen und Fragen beantworten.


Was passiert? Aufgrund von Erkenntnissen oder Hypothesen oder auch nur unserem Riecher klopfen wir diese und jene Fährte ab. Nicht alles geht, wir müssen eine Auswahl treffen. Manches geben wir auf, weil es doch nicht so heiß zu sein scheint, manches rückt nachträglich wieder in den Fokus.
Das Spiel steuert dabei recht viel. Fünfmal zwischendurch zu genau festgelegten Uhrzeiten bekommen wir neue Informationen. Beispielsweise ruft unser Chef an und berichtet von einem Fund in der Kriminaldatei. Dadurch ist gewährleistet, dass wir bestimmte Informationen nicht zu früh oder zu spät bekommen. Und dass wir sie überhaupt bekommen.


Was taugt es? Der zugrundeliegende Fall ist ziemlich schrill und wirkt nicht gerade wie aus dem Leben gegriffen, unterhält dank einiger Wendungen und des amüsanten Wiener Lokalkolorits aber gut.
An die Authentizität eines DETECTIVE kommt CRIME STORY – VIENNA nicht heran. Will es aber gewiss auch nicht. Es ist eine Ermittlung für zwischendurch mit einem Minimum an Regeln. CRIME STORY entwickelt das Genre in keiner Weise weiter, aber als DETECTIVE-light ist es eine runde Sache.
Was mir gegenüber dem sehr ähnlichen POCKET DETECTIVE besser gefällt, ist die Klarheit der Aufgabenstellung. Wir wissen: Um 17 Uhr müssen wir liefern. Zwar können wir keine Zusatzpünktchen durch schnelleres Lösen gewinnen, aber darauf kann ich verzichten. Am Ende präsentiert uns das Spiel die Auflösung, und um zu erfahren, ob wir zufrieden sein können, müssen wir, statt es von einer Punktetabelle abzulesen, in uns selbst hineinspüren.


**** solide

CRIME STORY – VIENNA von Peter Prinz für eine*n bis sechs Spieler*innen, Noris.

Donnerstag, 18. März 2021

Min-Amun

Ich hab nichts gegen das alte Ägypten, nur originell muss es sein.

Wie geht MIN-AMUN? Wir legen auf dem Spielplan Dominos an. Das Ansinnen wäre, dadurch Ressourcen zu erhalten, was geschieht, wenn gleiche Domino-Symbole aneinandergrenzen und / oder das Teil neben einem der auf den Spielplan gedruckten Getreidefelder abgelegt wird und / oder Symbole auf dem Spielplan überdeckt.
Mit den erhaltenen Ressourcen beliefern wir unsere Geschäfte und / oder erweitern die eigene Stadt um zusätzliche Geschäfte. Das ist immer wieder notwendig, denn ein vollständig beliefertes Geschäft nimmt nie wieder was. Zwischenlagern dürfen wir die Ressourcen nicht. Wir sammeln schlauerweise also nur das, was wir auch verarbeiten können.
Geschäfte verlangen beispielsweise: „Liefere Papyrus und du kriegst fünf Punkte, liefere Trauben und du kriegst vier Punkte.“ Oder: „Liefere drei Rinder und alle deine in der gesamten Stadt eingesetzten Rinder zählen je drei Punkte.“ Oder: „Liefere zwei Papyrus und du kriegst sieben Punkte, liefere Alabaster und du schaltest eine Gottheit frei.“
Gottheiten zählen dann so richtig viele Punkte, wenn man möglichst viele verschiedene freischalten konnte. Getreide (die einzige Ressource, die aufbewahrt werden darf) zählt viel, wenn man viel davon hat. Und Multiplikationen von Rindern oder Sonstigem bringen ebenfalls am meisten, wenn man – logo – viel multipliziert. Kurzum: Spezialisierung ist in MIN-AMUN nicht die schlechteste Idee.


Was passiert? Jede*r kommt neunmal an die Reihe, MIN-AMUN geht also flott. Meine Möglichkeiten in neun Zügen sind gut überschaubar. Ohnehin muss ich auf das reagieren, was mir im Zug davor hinterlassen wird. Läuft es schlecht, kann ich mit meinen Dominos nur eine oder zwei Ressourcen ergattern, läuft es gut, dann auch mal drei oder vier. Wer schöne Vorlagen kriegt, profitiert. Man wurschtelt sich eben so durch und macht das Beste aus dem, was man machen kann.
Was nicht heißen soll, MIN-AMUN wäre geistlos. Meine Plättchen bekomme ich nicht zufällig, sondern wähle nach jedem Zug ein neues für meinen Vorrat aus. Und auch neue Stadtviertel mit Geschäften kaufe ich aus einem Vorrat und muss mir überlegen, welche Geschäfte sich gut ergänzen und wie viele ich überhaupt beliefern kann. Es ist aber auch immer ein bisschen Planung ins Blaue. Was ich mit meinem zuvor ausgewählten Material konkret erreichen kann, erfahre ich erst am Beginn meines nächsten Zuges.


Was taugt es? Man ist in MIN-AMUN angenehm beschäftigt. Aber das Spiel hat nichts, das es herausragen lässt. Es ist nicht besonders spannend, nicht besonders verzwickt, nicht besonders tricky. Man legt, man kassiert, man wertet aus. Weitere Partien verlaufen ähnlich.
Wären Material und Grafik schöner oder hätte MIN-AMUN eine interessante thematische Einkleidung, könnte das vielleicht noch etwas rausreißen. So aber ist es zwar okay, aber auch nicht gut genug, um länger im Gedächtnis zu bleiben.


*** mäßig

MIN-AMUN von Cyrille Leroy für zwei bis vier Spieler*innen, Kobold / Catch Up Games.

Sonntag, 14. März 2021

Paris – Die Stadt der Lichter

Lieber das Cover an der Wand als das Spiel auf dem Tisch.

Wie geht PARIS – DIE STADT DER LICHTER? Wir legen Plättchen. Und darauf noch mal Plättchen. Die erste Plättchenlage stellt Straßenpflaster dar. Auf Pflaster meiner und neutraler Farbe darf ich später Gebäudeblöcke bauen: die zweite Plättchenschicht.
Damit die Blöcke viele Punkte zählen, sollten sie benachbart zu möglichst vielen Laternen errichtet werden. Ein großer zusammenhängender Gebäudekomplex ist auch sehr gut. Weitere Punkte gibt es für ein paar Details.
In Phase eins des Spiels legen wir abwechselnd unsere Plättchen oder reservieren uns einen Häuserblock. In Phase zwei bauen wir abwechselnd die reservierten Blöcke oder führen eine von acht Sonderaktionen aus, wodurch wir sie gleichzeitig unserem Gegenüber wegschnappen.


Was passiert? PARIS – DIE STADT DER LICHTER ist ein denkintensives und destruktives Spiel. Lege ich das Pflaster in der gewünschten Anordnung, kriege ich vielleicht nicht das passende Gebäude. Nehme ich zuerst das Gebäude, verhindert mein Gegenüber womöglich die benötigte Pflasteranordnung.
Über solche Fragen und Abhängigkeiten kann ich mir lange und tiefe Gedanken machen, zumal sehr vieles, was man sich so denkt, nicht im nächsten oder übernächsten Zug ausgeführt werden kann, sondern erst irgendwann in Spielphase zwei.
PARIS türmt jede Menge Komplexität und Eventualitäten auf. Gleichzeitig lassen sich Pläne leicht zerstören. Es genügt manchmal schon, dass mein Gegenüber in Phase zwei ein einziges Gebäude ungünstig platziert, um mein ausgeklügeltes Häuser-Arrangement komplett hinfällig werden zu lassen.
Wer Phase zwei beginnen darf, hat deshalb einen großen Vorteil. Und die besten Chancen, Phase zwei zu beginnen, besitzt, wer schon in Phase eins begonnen hatte. Um Chancengleichheit herzustellen, muss man zwei Partien PARIS mit wechselnden Startspieler*innen spielen.


Was taugt es? PARIS – DIE STADT DER LICHTER finde ich herausragend schön gestaltet, wenn auch nicht in allen Belangen praktisch. Die großformatigen Postkarten, die die Sonderaktionen symbolisieren, benötigen entweder viel Platz auf dem Tisch oder sind nicht für beide Spieler*innen gut zu sehen. Für ihren Zweck sind sie überdimensioniert und ihre Symbolik ist nicht in allen Fällen eingängig.
Vor allem aber hinterlässt PARIS – DIE STADT DER LICHTER bei mir kein gutes Spielgefühl. PARIS enthält viele Faktoren, die ich mitbedenken könnte. Und wohl auch sollte. Aber wenn ich in einem Spiel weit vorausrechnen soll, möchte ich auch die Erfahrung machen, dass sich das überwiegend lohnt. In PARIS sind meine Pläne am Ende zu sehr von meinem Gegenüber abhängig. Kommt etwas dazwischen, kann ich das meiste wieder vergessen und muss gedanklich von vorn beginnen. Viele Überlegungen sind unnütz.

Ja, gewiss, PARIS – DIE STADT DER LICHTER ist taktisch, strategisch und sehr interaktiv. Aber solche Attribute allein machen ein Spiel nicht gut.


*** mäßig

PARIS – DIE STADT DER LICHTER von José Antonio Abascal für zwei Spieler*innen, Kosmos.

Mittwoch, 10. März 2021

Vor 20 Jahren (99): Der große Gallier

Vor einiger Zeit, als ich feststellte, dass Top-Listen absolut hip sind und mein Blog gar leider nicht, kam mir die originelle Idee, ebenfalls Top-Listen zu veröffentlichen. Das Vorhaben kam jedoch nie über den vagen Planungsstatus hinaus. Schon das Erstellen einer Top-Liste, welche Top-Listen der Welt wohl noch fehlen, gestaltete sich so ermüdend, dass mir die Motivation auf eine Umsetzung rasch wieder abhandenkam.

Eine der Top-Listen, die mir damals vorschwebte: „Zehn Spiele, über die sich Betrachter*innen meines Spieleregals am meisten wundern.“ Gemeint waren nicht etwa Granaten wie UNO oder MONOPOLY. Die sind in meinem Haushalt nicht zu finden und können deshalb auch niemanden irritieren. Gemeint waren vielmehr Spiele, die selbst Sachkundige grübeln lassen: Statement oder Versehen?

In einem qualifizierten Regal erwartet man DIE SIEDLER VON CATAN, CARCASONNE und vor allem DOMINION mit sämtlichen Erweiterungen. Wer cool sein will, kann auch noch GLOOMHAVEN und BRASS: BIRMINGHAM dazustellen. Doch wer hat schon DER GARTEN DES SONNENKÖNIGS? Ich. Oder DER GROSSE GALLIER? Auch ich.

Dieses Spiel von Wolfgang Kramer und Udo Nawratil aus dem Jahr 2001 ist ziemlich von der Bildfläche verschwunden, was vielleicht an der Grafik liegt oder auch daran, dass es bei Clementoni erschienen ist, das ebenfalls ziemlich von der Bildfläche verschwand. Oder liegt es am Spiel selbst? In DER GROSSE GALLIER wird permanent gelogen und betrogen. 2001 galt das möglicherweise noch als unanständig.

Ich will gar nicht behaupten, jeder Mechanismus des Spiels sei supertoll. Aber den Bluffmechanismus habe ich damals sehr gemocht, und er hat mich veranlasst, das Spiel all die Jahre zu behalten, bis ein Spiel kommt, das den Mechanismus noch mal aufgreift … jedoch: Es kam keins.


In DER GROSSE GALLIER tragen wir verschiedene Wettbewerbe aus. Man nimmt teil, indem man verdeckt Karten legt und ihren Wert ansagt. Diesen kann man sich übrigens komplett ausdenken, sollte aber trotzdem eine zumindest theoretisch erreichbare Zahl dahinfabulieren. Denn üblicherweise ein*e Teilnehmer*in wird überprüft. Und jede Ansage, die zum Himmel stinkt, wäre eine klare Bewerbung dafür.

Anhand der Kartenrückseiten ist erkennbar, welche Karte für welchen Wettbewerb zählt. Und wenn nun Bullenziehen (blaue Karten) stattfindet und jemand auch Gelb und Rot auslegt, scheinen Zweifel an dessen Ehrlichkeit angebracht. Lustigerweise kann die Ansage trotzdem stimmen. Manche Karten sind unabhängig von ihrer Farbrückseite Joker.

Das aber Lustigste und zugleich Frechste an DER GROSSE GALLIER ist: Wer mit seiner Lüge durchkommt, profitiert nicht nur durch eine unrechtmäßig gute Platzierung im Wettbewerb. Sondern noch mehr: Alle nicht enttarnten Falschansagen werden durch einen Bonus ausdrücklich extra honoriert. Das erhöht den Anreiz zu schwindeln ganz enorm. Mit einer Mogelei durchzukommen, fühlt sich doppelt triumphal an: ein Ätsch-Faktor sondergleichen. Oh, man ahnt ja nicht, welch fürchterliche Charaktereigenschaften in DER GROSSE GALLIER zu Tage treten! Die dreckige Lache einer ganz bestimmten Mitspielerin klingelt mir jedenfalls noch heute im Ohr.


Samstag, 6. März 2021

Gloomhaven – Die Pranken des Löwen

Ich bin ja gar nicht so. Auf vielfachen Wunsch steht hier endlich mal wieder eine Einleitung.

Wie geht GLOOMHAVEN – DIE PRANKEN DES LÖWEN? Es ist ein Dungeon Crawler, was auf Deutsch übersetzt bedeutet, dass wir in einen düsteren Unterschlupf hineinrennen, alle Monster plätten und Schätze abräumen. Mit dem Geld gönnen wir uns hilfreiche Ausrüstung. Und wir gewinnen Erfahrungspunkte und werden stärker und gewiefter – die Monster aber leider auch.
Das Spiel basiert auf Karten. Pro Zug wähle ich zwei aus meinem Bestand. Von einer werde ich die Textanweisung der unteren Hälfte nutzen (die oft etwas mit Bewegung zu tun hat), von der anderen Karte die obere (oft Angriff). Von welcher was, muss ich aber noch nicht jetzt entscheiden, sondern erst wenn ich an der Reihe bin. Das wiederum richtet sich nach dem Initiativewert einer meiner gewählten Karten.
Auch für alle anwesenden Monsterarten wird je eine Karte aufgedeckt, um Initiative, Bewegung und Angriff zu bestimmen. GLOOMHAVEN – DIE PRANKEN DES LÖWEN kommt also ohne Spielleiter*in aus, wir dürfen alle im selben Team mitmachen. Wie sich die Monster verhalten, unterliegt aber festen Regeln.
Die Kämpfe benötigen keine Würfel. Jeder Angriff hat laut Kartenanweisung einen gewissen Erwartungswert, wie viel Schaden er anrichtet. Zusätzlich wird eine Modifikatorkarte aufgedeckt, die den Angriff verstärkt oder abschwächt oder gar komplett verpuffen lässt.
An dieser Stelle kommt Deckbau ins Spiel. Denn sowohl unsere Modifikationsdecks werden sich individuell verändern als auch unsere Aktionsdecks. Die sind natürlich schon von Beginn an unterschiedlich. Die Sprengmeisterin spielt mit anderen Karten als der Axtwerfer.


Was passiert? Von Partie zu Partie wird es immer komplizierter, weil während der ersten fünf Szenarien immer mehr Regeln und Spielelemente hinzukommen. Allerdings werden wir hervorragend an die volle Komplexität des Spiels herangeführt. DIE PRANKEN DES LÖWEN nutzt dafür eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, ergänzt durch ein Glossar zum Nachschlagen. Höchst bemerkenswert finde ich, dass Teile unserer Decks und auch der Monsterdecks ausschließlich dazu da sind, um den Einstieg zu erleichtern. Nach und nach werden diese Karten durch die „richtigen“ Karten ersetzt und fortan nicht mehr gebraucht. Ein hilfreicher Luxus.
Auch die sehr gute Heranführung ändert aber nichts daran, dass DIE PRANKEN DES LÖWEN ein komplexes Spiel mit vielen zu beachtenden Kleinigkeiten ist. Es gibt selbst nach diversen Partien noch Situationen, in denen unsicher bin, wie die Monsterzüge korrekt abgewickelt werden müssen. Oder ich vergesse irgendwelche Effekte oder Verwaltungsschritte. DIE PRANKEN DES LÖWEN ist kein Spiel, bei dem ich in einen Flow gerate. Denk- und Handlingaufwand sind recht hoch.
Auf dem Brett (na gut, es ist ein Hefter, auf dessen Doppelseiten wir spielen) passiert vergleichsweise gar nicht so viel. Die meiste Spielzeit benötigen wir für die Abwägung, welche Kartenkombination aktuell die beste sei, und für (beschränkt erlaubte) Absprachen mit der Gruppe. Es ist wie Actionkino – aber in Superzeitlupe und mit vielen Stopps.


Was taugt es? Fantasy ist nicht das Thema, das mich typischerweise anspricht. Auf Dauer finde ich es nicht so faszinierend, ein Monster nach dem anderen zu töten. Aber das ist eine Geschmacksfrage. Denn zweifellos wiederholen sich die Abläufe in anderen Spielen auch, sei es nun, dass ich wieder und wieder Seuchenwürfel wegräume oder wieder und wieder Rinder zur Verladestation treibe.
Es mag also mit etwas Vorsicht zu genießen sein, wenn ich sage: Die Szenarien in DIE PRANKEN DES LÖWEN empfinde ich als nicht sehr abwechslungsreich. Bislang war der Plan jedes Mal: Erst die vorderen Monster, dann die dahinter, dann die hintersten.
Die Geschichte, die dabei erzählt wird, ist gut erzählt. Aber letztlich leitet sie nur von Kampf zu Kampf über. Denn das ist der Inhalt des Spiels: kämpfen.
Oder besser gesagt: gut kämpfen. Der Einsatz der Karten lässt das Hirn rauchen. Ich plane nicht nur situativ. Manche Effekte sind stärker, wenn zuvor Elemente wie Eis oder Licht beschworen worden sind, was bestimmte Kartenfolgen sinnvoll macht. Ich muss außerdem meine Pläne mit denen der Mitspieler*innen koordinieren. Mehr als individuelle Einzelgänge hilft es oft, wenn wir einigermaßen beisammenbleiben. Wir sprechen uns ab, wer welches Monster übernimmt, wer wann zu rasten oder irgendwen zu heilen beabsichtigt. Dass alle zugleich zum Durchschnaufen gezwungen sind, während wir noch von Monstern umringt sind, wäre tödlich.

Genau, die Monster: Von Art zu Art verhalten sie sich unterschiedlich, was man bei der Erstbegegnung erst mal herausfinden wird. Da spekuliert man auf einen Nahkampf und wählt eine späte Initiative, um den Feind prächtig ins offene Messer laufen zu lassen – und dann stellt sich heraus: Das sind feige Lahmärsche, die sich nicht vom Fleck bewegen!
DIE PRANKEN DES LÖWEN erfordert eine intensive Beschäftigung. Es ist nicht das Spiel für eine lustige Keilerei zwischendurch. Je nachdem, wie lange eine Gruppe an ihren Zügen herumtüftelt, kann eine Partie schon mal zwei Stunden dauern. Und man sollte regelmäßig am Ball bleiben. Ich mag mir nicht ausmalen, wie lange ich nach einem Jahr Pause für den Wiedereinstieg bräuchte.
DIE PRANKEN DES LÖWEN bietet epische und anspruchsvolle Kämpfe, eine Charakterentwicklung, die neugierig macht, auf das was noch kommt, viel Fantasyatmosphäre und dazu ein bisschen Deckbau und Legacy.
Ich bin beeindruckt, wie viel Mühe darauf verwendet wurden, selbst Dungeon-Noobs wie mir den Einstieg zu erleichtern. Es liegt sogar ein doppelseitiges Blatt bei mit Anweisungen, wie ich die sehr volle Schachtel sinnvoll auspacke und die Materialien sortiere. Die meisten Spiele lassen uns mit so etwas allein.


***** reizvoll

GLOOMHAVEN – DIE PRANKEN DES LÖWEN von Isaac Childres für eine*n bis vier Spieler*innen, Feuerland.