Hatte ich eigentlich schon erzählt, dass ich als Kind niemals eine Modelleisenbahn bekam? Ach, hatte ich schon. Tja, so platzen Wünsche. Und Einleitungen.
Wie geht SWITCH & SIGNAL? Wir lenken kooperativ Eisenbahnen. Der Spielplan zeigt ein Streckennetz; darauf fahren mal mehr, mal weniger Züge. Unser Ziel ist es, sie zu bestimmten Bahnhöfen zu dirigieren, um dort Ware an Bord zu nehmen, und diese Ware wiederum am Zielbahnhof abzuliefern.
Wer am (höhö) Zug ist, darf Handkarten ausspielen, um ins Geschehen einzugreifen: Weichen müssen gestellt werden, damit die Loks in die gewünschte Richtung abbiegen. Signale müssen auf Grün geschaltet werden, um die Durchfahrt zu ermöglichen (und pikanterweise ist die Zahl der Signale, die gleichzeitig grün sein können, stark limitiert). Und schließlich: Die Loks müssen vorankommen, wofür man einen Würfel bemüht. Lok- und Würfelfarbe entsprechen einander und stehen für verschiedene Geschwindigkeiten. Graue Züge kriechen meist langsam weiter, schwarze sausen übers Brett.
Können Loks ihre erwürfelte Zugweite nicht ausfahren oder geraten sie auf ein totes Gleis oder rammen sich gar zwei Züge frontal, summiert sich der Schaden wie auf einem Sündenkonto. Sobald der Kontostand gewisse Toleranzschwellen übersteigt, wird das Spiel um eine Runde verkürzt. Was uns Zeit und damit Aktionen raubt, um rechtzeitig das Ziel zu erreichen.
Was passiert? Die Würfel bringen schon eine gewisse Unplanbarkeit ins Geschehen. Der größere Chaosfaktor aber sind die „Fahranweisungen“, von denen man zu Zugbeginn eine zufällige aufdecken und ausführen muss. Sie bestimmen, welche Zugfarben ins Spiel kommen, Würfel bestimmen den Startort. Die Anweisungen geben außerdem vor, welche Zugfarben per Würfelwurf fahren. Manchmal besitzen wir immerhin Wahlmöglichkeiten, um das Schlimmste zu verhindern.
Dieser Mechanismus führt dazu, dass wir in SWITCH & SIGNAL nicht etwa Planer sind, sondern Krisenmanager: Welches Unheil könnte die nächste Fahranweisung heraufbeschwören? Wie bereiten wir uns darauf vor? Vielleicht schon mal vorbeugend ein Signal stellen? Oder einen Zug aus dem Bahnhof herausfahren, bevor der nächste auf ihn draufkracht?
Ganz automatisch entstehen da Diskussionen, und weil niemand Würfelwürfe oder Kartenanweisungen vorhersagen kann, gibt es kein absolutes Richtig oder Falsch, sondern allenfalls Prioritäten und Wahrscheinlichkeiten.
Viele Aktionen dienen dazu, kurzfristig Schaden abzuwenden. Fast immer brennt es irgendwo, und unser Eingreifen ist höchste (höhö) Eisenbahn. Dennoch verfolgen wir auch einen langfristigen Plan: Auch aus abgelegenen Bahnhöfen müssen alle Waren geholt werden, und wenn die Eisenbahnen nicht dort starten, wo wir es gerne hätten, müssen wir sie hinleiten. Und bis Spielende müssen sie zum Zielort. Man kann nicht alle Jobs den gut beherrschbaren, aber quälend langsamen grauen Eisenbahnen überlassen.
Was taugt es? SWITCH & SIGNAL ist wie „Modelleisenbahn – Das Brettspiel“, also eine ganz andere und sehr originelle Art von Eisenbahnspiel. Das Spiel simuliert plastisch und konkret, wie mehrere Güterzüge sich gleichzeitig innerhalb unseres Gleissystems bewegen. Und wenn sie rollen, dann rollen sie, und wir können sie nur noch in die hoffentlich richtige Richtung lenken.
Meine bisherigen Mitspieler*innen und mich fasziniert die ungewöhnliche Aufgabe sehr, auch wenn der Zufall oft heftig Regie führt. Schon bei Spielbeginn kann sich schmerzhaft Schaden auftürmen, wenn für mehrere Loks derselbe Startort ausgewürfelt wird. Man wird dann sogar doppelt bestraft, indem man die Loks nicht einmal einsetzen darf.
Ohnehin bestimmt allein das Spiel über neue Loks, und wenn der Zufall da im ersten Spieldrittel sehr knausert, ist der Zug (höhö) im Grunde abgefahren.
In Relation zur Spieldauer finde ich die Glücksanteile dennoch angemessen, zumal sie es auch sind, die SWITCH & SIGNAL so spannend und dramatisch machen, also letztlich den Spielspaß auslösen. Auf der anderen Seite bewirkt die nicht so sehr große Spieltiefe, dass irgendwann nicht mehr viel faszinierend Neues passiert und die Partien auf bewährten (höhö) Gleisen laufen. Bei mir hat sich der Gewöhnungseffekt aber erst nach einer zweistelligen Zahl von Partien eingestellt, zumal SWITCH & SIGNAL mit zwei Spielplänen und mehreren möglichen Modifikationen Anreize setzt, um Dinge zu verändern und das Spiel noch einmal etwas anders zu erleben.
Am meisten stört mich die verwirrende Bildsprache. Beispielsweise kann dasselbe Bild bedeuten, nur einen Zug zu bewegen oder aber auch alle Züge einer Farbe. Das ginge besser.
***** reizvoll
SWITCH & SIGNAL von David Thompson für zwei bis vier Spieler*innen, Kosmos.