TEO … was?!
Man mag es kaum glauben: Als im Jahr 2000 CARCASSONNE erschien, konnte ich mir dessen Titel anfangs auch nicht merken. Ich Kulturbanause hatte tatsächlich noch nie von Carcassonne gehört. CAR … äh, wie war das noch mal?
Und es gibt weitere Parallelen: CARCASSONNE landete unter den Top 3 bei den Fairplay-Messescouts, TEOdingsbums ebenso. Und ich fand CARCASSONNE nie so superduper, wie es andere superduper fanden. Und TEOdingsbums …
Wie geht TEOTIHUACAN? Schaffe, schaffe, Pyramide baue. Pyramidenbauteile bringen Punkte, kosten aber Rohstoffe, also brauchen wir Stein und Holz. Kriegen wir. Mit unseren Arbeitern (in Gestalt von Würfeln). Die acht Spielplanfelder bilden einen Rundkurs. Bin ich am Zug, ziehe ich mit einem meiner Arbeiter (normalerweise) bis zu drei Felder weiter, und führe die dortige Aktion aus.
Oder ich führe sie nicht aus und nehme nur Kakao. Kakao ist nämlich knapp und ich benötige ihn, um meine Arbeiter am Ende des Durchgangs durchzufüttern. Außerdem kostet es Kakao, wenn ich meine Aktion dort ausführe, wo schon andere Arbeiter-Würfel herumlungern.
Insgesamt drei Felder sind dazu da, um Rohstoffe zu sammeln, auf zweien baue ich in irgendeiner Form an der Pyramide, auf einem Feld kaufe ich mir Technologien, die Boni oder Vorteile für das weitere Spiel bringen. (Macht sechs Felder und nicht acht. Aber die anderen beiden Felder lasse ich mal großzügig unter den Tisch fallen.)
Was passiert? Wir müssen ziemlich viel planen: 1. Kakaohaushalt. Wer nur dahin rennt, wo schon die anderen sind, geht schnell pleite. Antizyklisch zu spielen wäre besser – wenn man es hinkriegt. 2. Je mehr eigene Arbeiter am Ort sind, desto stärker die Aktion. Wer seine Mannschaft beisammenhält, kriegt oft mehr, wird aber zugleich unflexibel. 3. Alterung. Nach der Aktion werden die eingesetzten Würfel älter, ihre Augenzahl wird um eins erhöht. Das ist gut, denn Würfel mit hohen Augenzahlen bringen mehr ein als die Frischlinge. Erreicht ein Würfel die Sechs, stirbt er und wird als Eins wiedergeboren. Das ist schlecht, weil Einsen schwach sind. Andererseits ist es auch wieder gut, weil jede Wiedergeburt eine attraktive Belohnung einbringt.
In TEOTIHUACAN dreht es sich aber nicht nur um Tempel und Technologien. Es locken auch drei Skalen, um darauf emporzuklettern. Die Belohnungen werden mit jedem Schritt toller, obendrein lassen sich bemerkenswerte Schlusswertungs-Boni freischalten. Und als Seitenstrang von alledem existiert noch die Möglichkeit, Serien verschiedener Masken-Plättchen zu sammeln, die bei großer Sammelleidenschaft ebenfalls ordentlich punkten.
So gibt es einiges auszuprobieren und zu entdecken, zumal TEOTIHUACAN sehr variabel ist: Die Aktionsfelder können in einer anderen Reihenfolge angeordnet werden, von insgesamt neun Technologien sind nur sechs im Spiel, von sieben Schlusswertungs-Boni nur drei.
Das Tolle ist, dass die Regeln von TEOTIHUACAN gar nicht so schwierig sind, wie man anfangs denkt. Das weniger Tolle ist, dass TEOTIHUACAN diese Qualität nicht ausspielt. Das betrifft erstens den Spielplan (keine Felder, um die Würfel geordnet abzulegen; Plättchen, die man gut sehen können sollte, werden aus Platzmangel zu Haufen gestapelt; Wertungsregelungen in Mikroschrift), zweitens die Anleitung (schlechte Leseführung, unübersichtliches Layout), und drittens Spielhilfen (es fehlen Kurz-Übersichten für alle Spieler).
Und vor allem betrifft es die unnötige Detailverliebtheit des Spieles selbst. Alle Pyramidenteile zeigen vier Symbole. Und baut man so, dass ein Symbol ein identisches überdeckt, gibt es einen Extrapunkt. Meistens gewinnt man auf diese Weise zwei Extrapunkte. Aber vielleicht auch mal drei. Oder gar vier.
Und weil es immer wieder Leistungsspieler gibt, die es unverzeihlich finden, nur zwei Punkte zu bekommen, wenn man doch auch drei haben könnte, entstehen lange Denkstaus, bis der potenzielle Bauherr im Geiste sämtliche verfügbaren Teile in sämtlichen Ausrichtungen an sämtlichen verfügbaren Bauorten durchgespielt hat, um zu ermitteln, ob es sich überhaupt besonders lohnt, die Bauaktion auszuführen, oder ob man lieber anderswo hingeht und … hm, wenn ja, wohin?
Ähnliche Komplikationen bringen die „Verzierungsplättchen“ mit sich, die nur in bestimmter Ausrichtung auf dem Tempel angebracht werden dürfen, allerdings ohne dass dies irgendwie logisch oder der Ausrichtungspfeil gut zu erkennen wäre. Am Ende vieler Züge sind außerdem noch diverse Folgewirkungen auszuführen, von denen vor allem Anfänger immer mal wieder welche vergessen, und hinterher fällt es einem ein, und man weiß nicht mehr: Haben wir das nun gemacht oder nicht? Und das nervt und lässt mich das Spiel nicht in dem Maße genießen, wie es vielleicht möglich gewesen wäre.
Was taugt es? Nicht Kompliziertheit macht den Spielreiz aus. Deshalb besteht die Kunst bei der Entwicklung komplexer Spiele darin zu unterscheiden: Was macht hier den Reiz aus, was ist einfach nur kompliziert?
In TEOTIHUACAN erkenne ich eine Menge Reiz: Wie spare ich Kakao? Wohin setze ich meine Arbeiter? Wann ist der beste Zeitpunkt für eine Wiedergeburt? Welche Technologien wirken sich wie aus? Wie komme ich schnell auf den Skalen voran? Was ist überhaupt meine Strategie und gibt es noch andere Möglichkeiten? Obendrein ist das Spiel interaktiv, weil wir um bestimmte Errungenschaften konkurrieren oder ich vielleicht einen Arbeiter absichtlich dort parke, wo er andere Spieler stört, indem er die Kakao-Kosten in die Höhe treibt.
Das alles ist gut, wenn auch in meinen Augen nicht so neuartig oder neuartig verzahnt, dass es überragend wäre. Auf jeden Fall ist es genug Denkstoff für ein Spiel, und ich finde, mehr Drumherum braucht es nicht. Besser wäre gar kein Drumherum, sondern volle Konzentration auf das, was beim Spielen Spaß macht. Und da bin ich bei einem wichtigen Unterschied zum Jahr 2000: Mittlerweile gibt es sehr viele komplexe Spiele. Wenn ich finde, dass eins nicht perfekt seine Qualitäten auskostet und statt positiven Energien auch Frust ausschüttet, habe ich zum Glück Ausweichmöglichkeiten.
**** solide
TEOTIHUACAN von Daniele Tascini für einen bis vier Spieler, Schwerkraft.