Montag, 31. Oktober 2022

Gern gespielt im Oktober 2022

ATIWA: Ich mag Flughunde. Sie scheißen Siegpunkte.

SUPER MEGA LUCKY BOX: Bingo in besser.

KUZOOKA: Viecher unbekannt verzoogen.

FUN FACTS: Psychotest geht also auch kooperativ.

UNLOCK! GAME ADVENTURES: Spiel, das in Spielen spielt.






UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM OKTOBER:

CHALLENGERS: Spätestens jetzt braucht wirklich niemand mehr ein Fußball-Turnier in Katar.





Donnerstag, 27. Oktober 2022

Sobek – Das Duell

Ich gebe zu: Hier steht keine Einleitung. Grund ist, dass ich keine geschrieben habe. (Hach, ist Ehrlichkeit befreiend …!)

Wie geht SOBEK – DAS DUELL? Wenig überraschend so ähnlich wie SOBEK: In SOBEK (2010 von Bruno Cathala) und auch in SOBEK – DAS DUELL sammeln wir Serien gleicher Waren. Verstoße ich gegen die Sammelregeln, handle ich mir Korruptionspunkte ein, und wer die meisten davon hat, wird bestraft.
Prinzipiell sammle ich natürlich lieber lange als kurze Serien; jedoch setzen SOBEK und SOBEK – DAS DUELL einen Anreiz, trotz allem auch kurze Serien auszulegen: Man darf dann – solange der Vorrat reicht – fünf verdeckt ausliegende Aktions-Chips („Pirogen-Plättchen“) ansehen, sich einen aussuchen und einsetzen.

In SOBEK – DAS DUELL sammeln wir die Waren als Plättchen von einem Spielplan ein. Dazu bewege ich die gemeinsame Spielfigur, das Anch-Kreuz, auf das Plättchen meiner Wahl. Die Ausrichtung des Anch-Kreuzes bestimmt, ob ich senkrecht, waagerecht oder diagonal laufen muss. Überspringe ich Plättchen, steigt mein Korruptionslevel. Auf meinem Zielplättchen ist angegeben, wie ich das Anch-Kreuz nun ausrichte. Mit meinem Zug bestimme ich also auch immer über die Zugmöglichkeiten meines Gegenübers.

Was passiert? In SOBEK – DAS DUELL lohnt es sich, ein paar Züge vorauszudenken: Ziehe ich auf X, wird mein Gegenüber wohl auf Y ziehen, woraufhin ich Z1 oder Z2 erreichen könnte.
Da ich natürlich darauf achte, was mein Gegenüber sammelt, will ich Plättchen dieser Sorte durch meine Züge möglichst unerreichbar machen. Ich taktiere auch mit der Korruption: Wie viel Verderbtheit kann ich mir erlauben? Wie drücke ich meinem Gegenüber Korruptionspunkte rein? Und ich taktiere mit Timing und Tempo: Manchmal spiele ich eine Warenserie nur deshalb aus, um nicht mit der Anch-Figur ziehen zu müssen.

Trotzdem ist SOBEK – DAS DUELL kein knallhartes Taktikspiel. Viele Dinge beruhen auf Zufall. Werden Plättchen nachgelegt, fallen mir manche Waren quasi vor die Füße, andere sind im hintersten Eck oder kommen viel zu spät ins Spiel.
Zudem ist das Spielfeld durchsetzt mit „Charakterplättchen“. Das sind zehn Plättchen, die allesamt unterschiedliche Dinge bewirken und nach dem Einsammeln in einem späteren Zug als Aktion ausgespielt werden können. Die Charakterplättchen liegen verdeckt auf dem Plan. Ob ich brauchen kann, was ich nehme, erfahre ich also erst, wenn ich es getan habe.
Und welche Charakterplättchen mein Gegenüber hat, erfahre ich auch erst, wenn sie gespielt werden. Was wiederum spannend ist. Zwei gibt es, die mich zwingen, noch nicht ausgelegte Warenplättchen abzuwerfen, sofern ich mehr als sechs habe. Große Vorräte anzuhäufen, kann riskant sein.


Was taugt es? SOBEK – DAS DUELL macht Spaß, weil jeder Zug eine interessante Entscheidung beinhaltet. An allen Ecken brennt es. Ich will viele gleiche Plättchen sammeln, weil das ordentlich Punkte zählt. Ich will nicht zu viele Plättchen horten, das ist gefährlich. Ich will nicht dauernd Plättchen überspringen wegen der Korruption. Ich will aber auch möglichst keinen Müll sammeln, den ich nicht ausspielen kann (zum Auslegen brauche ich immer mindestens drei einer Sorte), denn alles, was ich bei Spielende noch auf der Hand habe, erhöht meine Korruption. Gleichzeitig stecke ich in Zugzwängen oder baue welche auf. Und recht bald droht schon das Spielende und ich muss zusehen, meine Sammlungen fertig und meine Hand leerzukriegen.
Was in der Beschreibung so locker-leicht klingt, ist in der Praxis jedoch stockender. Die Eigenschaften der Charakterplättchen sind wenig intuitiv, man liest dauernd nach. Und dann gibt es ja noch die Pirogenplättchen. Auch sie müssen nachgeschlagen werden. Und zusätzlich gibt es auch Debenplättchen, die man unter bestimmten Umständen gewinnen kann und die neben den Warensets zusätzliche Punkte zählen ...
Die Detailverliebtheit von SOBEK- DAS DUELL steht in einem Widerspruch zur Eleganz des Zugmechanismus. Für mein Empfinden hätte mehr Konzentration auf die Kernelemente das Spiel noch runder und besser machen können.


**** solide

SOBEK – DAS DUELL von Bruno Cathala und Sébastien Pauchon für zwei Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Sonntag, 23. Oktober 2022

Get on Board

Bitte einsteigen! (Also, wenn diese Einleitung nicht a) unwiderstehlich zum Lesen verführt und b) grandios thematisch ist, dann weiß ich’s auch nicht ...)

Wie geht GET ON BOARD? GET ON BOARD fühlt sich an wie ein Flip-and-Write-Spiel, allerdings ist es keins. Denn unsere Buslinie kritzeln wir nicht auf Papier, sondern konstruieren sie mit Hölzchen auf einem Spielbrett. Dabei können wir uns gegenseitig in die Quere kommen. Zwar kann mich niemand blockieren, weil ich parallel zu anderen Spieler:innen bauen darf. Allerdings handle ich mir damit Minuspunkte ein.
Weitere Minuspunkte zählt es, wenn ich mich nicht exakt an die Vorgaben der aktuellen Baukarte halte, die besagt, ob ich eins, zwei oder drei Strecken legen und wie oft ich dabei abbiegen muss. Biege ich seltener oder häufiger ab als gefordert, setzt das Strafe.

Meine Strecke will ich so legen, dass viele Personen zusteigen, was sie immer tun, wenn sie an einem von mir erreichten Kreuzungspunkt abgebildet sind. Es gibt unterschiedliche Typen, die unterschiedlich punkten: Die Zahl der Studierenden in meinem Bus multipliziere ich am Schluss mit der Zahl der von mir erreichten Universitäten. Touris und Geschäftsleute steigen unterwegs wieder aus, sobald ich an einer Sehenswürdigkeit bzw. einem Büro vorbeifahre. Je mehr auf einmal aussteigen, desto besser für mich. Also will ich erst ein paar von ihnen einsammeln und nicht zu früh an ihren Zielen ankommen.
Zusätzlich verfolge ich noch einen Geheimauftrag und will in der Stadt drei vorgegebene Punkte anfahren. Und wir konkurrieren um die schnelle Erfüllung zweier öffentlicher Aufträge, die verlangen, fünf bestimmte Personen zu transportieren oder drei Gebäude eines bestimmten Typs zu erreichen.

Was passiert? Nachdem eine Baukarte aufgedeckt wurde, legen wir reihum unsere Verbindungen. Weil die Karte für jede:n etwas anderes bedeutet, sind wir nicht im selben Rhythmus.
Früher oder später wird sich herausstellen, dass es nicht so läuft wie erhofft, und ich stehe vor der Frage, wie viele Minuspunkte ich akzeptabel finde und wie viele Kompromisse ich bei der Route eingehe.
Dass wir ein gemeinsames Brett bebauen, schafft bald zusätzliche Konflikte: Ich hoffe, dass mir niemand in die Quere kommt, und versuchte anderen auszuweichen oder ihnen zuvorzukommen. Dennoch spielen wir nicht direkt miteinander. Die Aktionen der anderen sind eher wie Störungen in meinem Betriebsablauf; hauptsächlich bin ich mit den vertrackten Wertungsanforderungen beschäftigt.


Was taugt es? GET ON BOARD hat auch viel mit Glück zu tun. Weil man eine Gratis-Strecke bekommt, wenn der eigene Zug auf einem Ampel-Symbol endet, erlebte ich in einer Partie, dass die Reihenfolge der letzten beiden (von insgesamt zwölf) gezogenen Baukarten über 30 Prozent meiner Gesamtpunktzahl entschied. (Ich brauchte unbedingt den Ampelschritt … und bekam ihn.)
Dass es nur zwölf Züge sind, bedeutet andererseits: GET ON BOARD ist nicht abendfüllend. Es darf also Glück enthalten. Und in dieser krassen Überdosis habe ich das auch nur einmal erlebt. Allerdings steht die Spieldauer in einem gewissen Widerspruch zu Erklärdauer, Regelmenge und Fehleranfälligkeit. Einige Spieler:innen brauchten hier mehr Hilfe, als es die Anmutung des Spiels erwarten lassen würde. Das engt die Zielgruppe für GET ON BOARD ein: Man muss eine ganze Menge Regeln verdauen können und zugleich zufallstolerant sein.
Ich spiele GET ON BOARD trotzdem gern. Es hat Charme, wahrscheinlich auch wegen seiner bunten Retro-Grafik, das Thema passt, und sofern man das Spiel nicht erklären muss, weil es alle schon kennen, passt auch die Spieldauer zur Spieltiefe.
Die Unwägbarkeit, welche Baukarte als nächstes gezogen wird, und die zahlreichen miteinander verwobenen Möglichkeiten, Punkte zu gewinnen, machen die Entscheidungen knifflig. GET ON BOARD ist herausfordernd und trotzdem weit davon entfernt, grübelig zu werden, weil man vieles sowieso nicht planen kann.


**** solide

GET ON BOARD von Saashi für zwei bis fünf Spieler:innen, iello.

Mittwoch, 19. Oktober 2022

Feed the Kraken

Vorsicht, raue Sitten! Mitspielenden kann in diesem Spiel die Zunge herausgeschnitten werden. Was übrigens nach hinten losgeht, wenn es die Person trifft, die als Einzige die Regeln kennt (ist leider trotzdem passiert). Oder gar die Person, die mir die Einleitung diktieren sollte ...

Wie geht FEED THE KRAKEN? Wir sind die Crew eines Schiffes, trotzdem sind wir kein Team. Die Loyalen wollen das Schiff tendenziell Richtung Osten segeln. Und sobald es eines der blauen Zielfelder erreicht, gewinnen sie. Die Pirat:innen wollen das Schiff auf eines der westlichen, roten Felder navigieren. Und dann gibt es noch den Kultisten, der das mittlere, gelbe Zielfeld anpeilt oder alternativ dem Kraken, dem das Schiff unterwegs begegnet, geopfert werden möchte. Die Rollen wurden geheim zugelost; nur die Pirat:innen kennen einander von Beginn an.

Zunächst zufällig ist irgendwer Kapitän und bestimmt Leutnant und Navigator. In einer geheimen Abstimmung dürfen nun alle Crewmitglieder, indem sie Pistolenmarker einsetzen, gegen diese Postenvergabe rebellieren. Bei Erfolg übernimmt ein anderer Kapitän das Amt und verteilt die Rollen neu. Irgendwann setzt sich – spätestens mangels Pistolen – ein Vorschlag durch. Der Kapitän zieht nun zwei Richtungskarten, die das Schiff (vereinfacht gesagt) nach Westen, Osten oder geradeaus fahren lassen, wählt eine aus, schmeißt die andere verdeckt ab. Dasselbe tut der Leutnant. Die zwei so ausgewählten Karten gehen (gemischt) an den Navigator, der eine davon abwirft. Und die übrig gebliebene Karte bestimmt nun den Kurs.
Dieser Ablauf wiederholt sich, bis ein Team die Siegbedingung erreicht. Allerdings ist es noch um einiges verwickelter. Beispielsweise bewirkt jede gewählte Richtungskarte neben dem Segeln einen weiteren Effekt, etwa, dass der Kapitän betrunken ist und sein Amt abgeben muss oder dass der Kultist eins der Crewmitglieder geheim auf seine Seite zieht. Auch manche der erreichten Seefelder haben einen Effekt. Deren wichtigster: Auf dem Krakenfeld bestimmt der Kapitän ein Crewmitglied, das geopfert wird.


Was passiert? Ich habe Partien erlebt, in denen recht wenig verdächtigt, aufgehetzt, gelogen oder überhaupt geredet wurde – und das genaue Gegenteil. Man könnte nun sagen, da sei die Gruppe selbst schuld, wenn sie diese Möglichkeit nicht nutzt; allerdings habe ich den Verdacht, dass zum Teil auch FEED THE KRAKEN schuld ist. Denn für ein Social-Deduction-Spiel enthält es ziemlich viele Kleinregelungen, die vom Palavern und Deduzieren abhalten.
Die guten Partien, vor allem in geübten Runden, sind so gut, dass es trotz der vielen Regeln kaum rumpelt. Das Spielgeschehen ist in der Welt der Seefahrt sehr passend angesiedelt. Die Thematik erklärt und konkretisiert Abläufe und lässt eine nachvollziehbare Handlung erleben. Im Verbund mit der Ausstattung wird das Piratenthema bestens transportiert.
Und so passiert das, was in Social-Deduction-Spielen passieren soll: Man belauert einander, man bangt, nicht enttarnt zu werden, man legt falsche Fährten, man täuscht oder lässt sich täuschen. Das ist spannend bis zum allerletzten Zug.
Selbst wenn ein Schiff schon weit in eine Richtung gesegelt ist, kann sich dies wieder ausgleichen, weil die zum Segeln verwendete Karten nicht wieder eingemischt werden. Die Wahrscheinlichkeiten verschieben sich zugunsten der bislang nicht so erfolgreichen Fraktion.
So manches Social-Deduction-Spiel hat das Problem, dass manche Beteiligte unbeteiligt bleiben. Zum Beispiel kann man bei DIE WERWÖLFE VON DÜSTERWALD gleich zu Beginn ausscheiden, oder bei TEMPEL DES SCHRECKENS veranstalten zwei, drei Personen ein Karten-Ping-Pong. Ich nehme an, in FEED THE KRAKEN sollte Passivität vermieden werden, und deswegen bekommt hier jede:r noch eine mehr oder weniger hilfreiche Sonderfähigkeit, deswegen wird dauernd abgestimmt, deswegen werden Amtsinhaber:innen schnell amtsmüde und dürfen in der Folgerunde nicht wieder einen Job übernehmen. Aber all das bringt eben auch viele Kleinregeln ins Spiel. Die sich zu den diversen Klein- und Ausnahmeregeln addieren, die sich ohnehin noch an anderer Stelle befinden. Selbst das vereinfachte Einstiegsspiel beinhaltet noch arg viele Details, die das Spiel hemmen, wenn man nicht gerade ein:n Moderator:in am Tisch hat.


Was taugt es? Aufgrund der überwiegend tollen und lustigen Partien wäre ich bei der nächsten wieder dabei. Neben dem generellen Kitzel geheimer Identitäten und Komplotte tragen gerade das stimmige Setting und das Flair der Ausstattung zu einem besonderen Erlebnis bei.
Andererseits muss ich einräumen: FEED THE KRAKEN folgt der Struktur anderer Spiele dieses Genres; mechanisch sehe ich wenig Neues. Es gibt überdies einfachere Spiele, die schneller auf den Punkt kommen und trotzdem ähnliche Emotionen kreieren.
Dichter und spannender fand ich meine Partien in kleinerer Runde (bis etwa acht Personen). In noch größeren Gruppen passiert es nach meiner Beobachtung dann doch häufiger, dass manche sich nicht so richtig einbringen können. Es gibt dann auch ganz praktische Schwierigkeiten: wenn etwa alle elf Personen unfallfrei ihre Hand zur Tischmitte ausstrecken und die Augen schließen müssen, damit der Kultist geheim Pistolenmarker erst vom Vorrat nehmen und dann verteilen kann, ohne sich durch Geräusche oder ungewollte Berührungen zu verraten.
Als Besitzer der Volksausgabe von FEED THE KRAKEN stört mich obendrein, dass die Anleitung das Spiel anhand des Materials der Luxusausgabe erklärt und ich mir herleiten muss, was für meine Version gilt.


***** reizvoll

FEED THE KRAKEN von Maikel Cheney, Tobias Immich, Hans Höh für fünf bis elf Spieler:innen, Funtails.

Samstag, 15. Oktober 2022

Vor 20 Jahren (118): Fische Fluppen Frikadellen

Nach Meinung der Fairplay-Scouts war das heißeste Spiel der Essener Messe im Jahr 2002 FISCHE FLUPPEN FRIKADELLEN von Friedemann Friese. Es war eines von fünf Spielen, das von mehr als 100 Personen benotet worden war. Obendrein räumte es mit einer Durchschnittsnote von 1,67 fast die beste Bewertung ab. (Noch besser war HIVE mit 1,60, bei aber gerade mal zehn Noten.)

FISCHE FLUPPEN FRIKADELLEN überraschte in mehrerlei Hinsicht: Es war das erste große 2F-Spiel mit professionellem Produktionsstandard, also einwandfreiem Material, festem Spielplan, stabiler Schachtel und obendrein erfrischender Maura-Grafik. Und es wagte etwas völlig Neues: Man konnte mit bis zu 15 Personen spielen … wenn man – Kleinigkeit am Rande – drei Exemplare des Spiels kaufte. Und zwar drei verschiedene (Version A, B und C), damit man 15 verschiedene Pöppel hatte und nicht dreimal denselben Satz. Tatsächlich habe ich Leute mit allen drei Spielen unterm Arm vom 2F-Stand weggehen sehen.

Zu diesem Erfolg hätte ich eine Theorie, die vermutlich niemand wissen will, aber dies ist mein Blog, deshalb darf ich es trotzdem schreiben. Und möglicherweise ist die Theorie auch falsch, aber dies ist das Internet, deshalb tun Fakten nichts zur Sache. Und eigentlich ist es auch gar keine Theorie, sondern eher eine allgemeine Beobachtung, aber jetzt ist es zu spät …

Also: Beobachtet habe ich das Phänomen vor allem in der Populärmusik. Immer mal wieder geraten zuvor kaum bekannte Bands schlagartig in den Fokus der Öffentlichkeit, weil sie ein von allen Seiten hochgelobtes Album veröffentlichen; oft ist es ihr Erstling. Aber: Ein riesen Verkaufserfolg wird erst das Album danach. Warum auch immer: Weil das erste Album nur einen Independent-Vertrieb hatte. Weil die gestiegene Aufmerksamkeit jetzt besonders viele Leute neugierig macht. Weil das Nachfolge-Album schon etwas kommerzieller ist. Weil nun mehr Medien berichten ...

Ich glaube, Friedemann Friese ist etwas Ähnliches passiert. Das eigentlich viel bessere Spiel war FUNKENSCHLAG. Aber es war in kleiner Auflage erschienen. Viele hatten davon gehört, es aber gar nicht selbst gespielt. FUNKENSCHLAGS Früchte erntete ein Jahr später FISCHE FLUPPEN FRIKADELLEN. (Erst als FUNKENSCHLAG in zweiter Auflage und professionell produziert herauskam, erntete endlich auch FUNKENSCHLAG die Früchte.)

FISCHE FLUPPEN FRIKADELLEN ist ein wuseliges Pick-up-and-Deliver-Spiel. Wir rennen von Verkaufsstand zu Verkaufsstand, um Fische, Fluppen, Frikadellen, Fusel und Fenchel zu erwerben und schließlich gegen Fetische einzutauschen. Jeder Handel hat Folgewirkungen: Andere Stände produzieren Ware, Preise verändern sich, Stände tauschen ihr Angebot aus oder verlegen ihren Standort. Mir erschien das damals zu aufgemotzt, redundant und langatmig. Jedenfalls an nur einem Tisch.

Die seltenen Partien an mehreren Tischen dagegen waren erinnerungswürdig. Man konnte während seines Zuges den Tisch wechseln; man musste es irgendwann sogar, denn jeder der drei für den Sieg erforderlichen Fetische war nur auf einem anderen Spielbrett zu bekommen. Was einen dort aber genau erwartete, sah man erst, wenn man vor Ort war: Vielleicht reiste man mit Fenchel an, am alten Tisch noch ein Vermögen wert, doch die Fenchel-Preise am neuen Tisch waren im Keller. Oder es lief genau umgekehrt. Man kam mit ollen Frikadellen und wurde im neuen Umfeld schlagartig reich damit.
Die tüftelige Mechanik war immer noch dieselbe. Aber das Spiel gewann nun Event-Charakter und wurde sehr unterhaltsam, weil man wiederholt an andere Spielpartner:innen geriet und das natürlich nicht unkommentiert ließ. Man bewegte sich auch physisch. Und konnte nebenbei blöden Grübler:innen ausweichen. Ein Tisch, an dem zu lange nachgedacht wurde, war nachteilig für alle. Man schaffte weniger Züge als die anderen Tische und erwirtschaftete weniger Gewinn. Also bloß weg von dort! Ich erinnere mich, dass einer mal ganz allein an einem Tisch saß, nebenan drängelten sich gleich sechs oder sieben. Er hätte ziehen, ziehen, ziehen können und einen riesigen Vorteil gehabt. Aber er kam nicht dazu. Aufgrund der absurden Situation, in der er sich befand, kriegte er sich vor Lachen nicht mehr ein.


Dienstag, 11. Oktober 2022

Framework

Weil ich so direkt nach Essen etwas in Zeitverzug bin, setze ich den Doppeljoker: Ich rezensiere ein Spiel, über das ich nicht viel zu sagen habe. Und kombiniere es mit einer Einleitung, in der ich noch weniger zu sagen habe.

Wie geht FRAMEWORK? So ähnlich wie NOVA LUNA (von Uwe Rosenberg und Corné van Moorsel): Wir bekommen Plättchen und legen sie an unsere Auslage, um insgesamt 22 Aufgaben zu erledigen. Jede erledigte Aufgabe markiere ich mit einem meiner 22 Setzsteine. Sobald ich keine Steine mehr besitze, habe ich genügend Aufgaben erfüllt (oder ein paar Steine unter den Tisch kullern lassen) und demzufolge gewonnen. Yeah!
Die Plättchen bringen sowohl die Aufgaben mit als auch deren Lösung. Zum Beispiel [siehe unten rechts im zweiten Foto] kann ein Plättchen fordern, dass fünf silberne Farbrahmen angrenzen (Aufgabe 1). Oder gar sieben (Aufgabe 2). Das Plättchen selbst hat einen braunen Rahmen, was für diese beiden Aufgaben nicht hilft. Aber – wenn ich sinnvoll anlege – vielleicht für die Aufgaben anderer Plättchen.
Die wichtigste Regel und zugleich der Clou ist identisch mit NOVA LUNA: Es zählen nicht nur direkt benachbarte Rahmen, sondern eine Gruppe gleichfarbig gerahmter Plättchen zählt gemeinschaftlich. Hängen fünf Silberrahmen zusammen und nur einer grenzt an das Aufgabenplättchen, ist dessen Aufgabe 1 erfüllt.
Die wesentlichen Unterschiede zu NOVA LUNA sind: Plättchen können unterschiedliche viele Rahmen und so auch unterschiedlich viele Rahmenfarben haben, während in NOVA LUNA jedes Plättchen exakt eine Farbe hatte. Dafür ist der Auswahlmechanismus nun erheblich einfacher: Bei vier Spieler:innen werden fünf zufällige Teile aufgedeckt. Spieler:in 1 wählt das erste, Spieler:in 2 das zweite und so weiter, bis Spieler:in 1 am Ende auch noch das fünfte nimmt. NOVA LUNA dagegen hatte ein an PATCHWORK angelegtes Auswahlsystem. Die Plättchen kosteten unterschiedliche viele Schritte auf einer Zeitskala.


Was passiert? Jede:r puzzelt für sich; wir liefern uns ein relativ interaktionsloses Wettrennen. Die Anwesenheit anderer Spieler:innen macht sich nur dadurch bemerkbar, dass immer mal wieder Teile weggeschnappt werden, die das Schicksal eigentlich für mich in die Auslage gelegt hatte. In NOVA LUNA waren wir mehr miteinander verwoben, weil es auch darum ging, sich auf der Zeitskala gezielt vor, zwischen oder hinter den anderen zu positionieren.
Doch zu meiner Überraschung vermisse ich diesen Auswahlmechanismus gar nicht. Das Puzzle an sich ist verzwickt genug; es braucht gar keinen weiteren anspruchsvollen Mechanismus neben sich.
In Summe ist FRAMEWORK das einfachere und gradlinigere Spiel als NOVA LUNA. FRAMEWORK ist zudem etwas zufallsabhängiger, weil man anders als in NOVA LUNA nicht schon weiß, welche Teile in näherer Zukunft ins Spiel kommen. Aber auch diese kleine Planungskomponente vermisse ist nicht.

Was taugt es? In der spielbox schrieb ich vor zwei Jahren, NOVA LUNA beweise Uwe Rosenbergs Können, das Wesentliche und Reizvolle aus einer Idee herauszuschälen, um das, was Spaß macht – das Tüfteln, das Puzzeln, das Konstruieren –, zu betonen und das, was primär Mühe macht, zu entfernen. Genau dasselbe würde ich nun FRAMEWORK bescheinigen. Pikant ist lediglich, dass das Spiel, welches ich vor zwei Jahren als wundervoll reduziert lobpreiste, nun dasjenige ist, von dem noch etwas abgeschält wurde.
Der Reiz jedoch ist tatsächlich erhalten geblieben. Ganz wenige Regeln, ganz viel Dilemma: Fast jedes Plättchen bedeutet Abwägung. Ich muss Plättchen mit genügend Aufgaben haben. Aber Farbrahmen brauche ich auch. Ich will mir Aufgaben nicht selbst verbauen. Aber nicht jede Aufgabe kann ich schaffen. Und besser gebe ich manches rechtzeitig auf, als mich in Aussichtslosem zu verbeißen. Mein Plan darf nicht zu langfristig angelegt sein und zu kurzfristig auch nicht. Im optimalen Fall habe ich mein Pulver genau mit dem Erledigen der 22. Aufgabe verschossen.
Innovativ ist FRAMEWORK nicht. Einmal mehr dekliniert Uwe Rosenberg seine eigenen Ideen durch. NOVA LUNA und FRAMEWORK zusammen benötigt wohl kaum jemand. Allerdings überlege ich, NOVA LUNA durch FRAMEWORK zu ersetzen, weil es von zwei ähnlichen Spielen das zugänglichere ist und damit in meinem Spieleralltag bessere Chancen hat, wiedergespielt zu werden.


***** reizvoll

FRAMEWORK von Uwe Rosenberg für zwei bis vier Spieler:innen, Edition Spielwiese.

Dienstag, 4. Oktober 2022

The Hunger

Hier stand eine Einleitung. Dann kam das Sonnenlicht.

Wie geht THE HUNGER? Wir sind Vampire und machen Jagd auf Menschen und ihr Blut. Wer nach 15 Runden nicht den Weg zurück ins Schloss geschafft hat, verbrennt zu Asche und hat verloren. Unter den Überlebenden gewinnt, wer die wertvollste Beute eingesammelt hat.
THE HUNGER ist außer Laufspiel ein Deckbau- oder eher ein Deckvermüllungsspiel. Mein Startdeck besteht aus sechs Vampirkarten. Mit den jeweils drei obersten Karten meines Stapels bestreite ich den nächsten Zug. Vampirkarten bringen mir vor allem Bewegungspunkte und noch so manche Sonderfähigkeit.
Im Laufe des Spiels werde ich ab und zu weitere Vampirkarten und auch Gefährtenkarten erwerben, die mein Deck verbessern, vor allem aber (weil sie Punkte zählen) Menschenkarten. Die jedoch liefern im Regelfall keine Bewegungspunkte und bringen möglicherweise sogar noch Negativeigenschaften mit. Je länger das Spiel dauert, desto geringer die Reichweite meiner Figur. Das Risiko, nicht mehr das Schloss zu erreichen, korreliert mit meiner Gier.

Dennoch gibt es Gründe, um sich vom Schloss zu entfernen: Menschen bringen Extrapunkte, sofern man sie nicht in unmittelbarer Schlossnähe vernascht. Und weiter hinten auf dem Spielplan liegen attraktive Belohnungen, die man auch gerne einsackt. Zum Beispiel Grabplatten: Endet mein Zug auf einer Grabstätte, darf ich mir alle dort verdeckt liegenden Grabplatten ansehen und eine behalten. Sie definiert eine weitere Bedingung, unter der ich am Schluss Punkte erhalte, zum Beispiel einen Punkt pro Mensch aus der Gruppe der Adligen oder einen Punkt pro Mensch, der drei Punkte zählt.


Was passiert? Alle rennen los und sammeln Karten, Grabplatten und andere Dinge, Spieler A möglicherweise vorsichtiger, Spielerin B risikoreicher. Teilweise folgt man einem Konzept und versucht, Karten so zu sammeln, dass sie zu den gewählten Grabplatten oder den für alle Spieler:innen geltenden und in jeder Partie anderen Zielen passen. Teilweise muss man schlicht nehmen, was sich so bietet. 15 Spielzüge lassen wenig Raum, um allzu wählerisch zu sein, und welche Beute vom dicken Kartenstapel in den Markt gelangt, ist ohnehin unsteuerbar.
Dass man auf den letzten Metern komplett scheitern kann oder es gerade noch in Sicherheit schafft, macht THE HUNGER spannend. Dass die allerletzte Kartenhand über Sieg und Niederlage entscheiden kann, bringt allerdings auch Frust ins Spiel. Manchmal gewinnt eine Person, die nichts groß anders gemacht zu haben scheint als die anderen – außer im letzten Zug die glücklicheren drei Karten nachzuziehen.


Was taugt es? Mit seinem Hopp-oder-top-Finale erinnert THE HUNGER an KLONG!, mit der Vielzahl verschiedener Karten und Punktebedingungen wiederholt Richard Garfield seine Konzepte aus CARNIVAL OF MONSTERS und BUNNY KINGDOM.
THE HUNGER kommt allerdings an keines dieser Spiele heran. Es ist ein Laufspiel, bei dem viele Felder Detailregeln folgen, kombiniert mit einem Deckbauspiel, bei dem viele Karten Detailregeln folgen, wodurch sich insgesamt überreichlich viele Detailregeln anhäufen – was zum hohen Zock- und Glücksanteil des Spiels nicht recht passt.
Die Menge an Informationen und Texten bremst THE HUNGER immer wieder aus. Der Draftmechanismus in CARNIVAL OF MONSTERS und BUNNY KINGDOM passte bei dieser Detailfülle besser, weil die Spieler:innen gleichzeitig mit der Überinformation konfrontiert wurden und weniger Wartezeit entstand. Darüber hinaus arbeitet THE HUNGER mit wenig anschaulichen Begriffen. Die Terminologie des Spiels hat in jeder neuen Spielerunde für Verwirrung gesorgt.


*** mäßig

THE HUNGER von Richard Garfield für zwei bis sechs Spieler:innen, Pegasus Spiele.