Donnerstag, 19. Dezember 2024

Endeavor – Die Tiefsee

Endeavor - Die Tiefsee: Cover

Stille Einleitungen sind tief.

Wie geht ENDEAVOR – DIE TIEFSEE? Wir erforschen das Meer. Ein paar Zonen der oberen Ebenen sind von Beginn an bekannt. Die tieferen Ebenen sind komplett unbekannt.
Ich kann nur in den Zonen agieren, in dem sich aktuell eins meiner U-Boote befindet. Am Anfang habe ich nur ein Boot, es können bis zu drei werden.
Vier Skalen auf meinem Tableau geben meine Fähigkeiten an. In jeder der sechs Runden rekrutiere ich zuerst ein zusätzliches Crew-Mitglied, und meine Skala „Ansehen“ bestimmt, ob ich (wie bei Spielbeginn) nur ein Mitglied der Stufe 1 oder (später) auch eines der Stufen 2 bis 5 wählen darf, die stärker sind.

Endeavor - Die Tiefsee: Crew

Die meisten Crewmitglieder bringen ein Figuren-Einsetzfeld mit. In der Aktionsphase setze ich Scheiben auf diese Felder, um die zugehörigen Aktionen zu aktivieren. Wie viele Scheiben ich pro Runde neu bekomme und wie viele ich von den Crewmitgliedern zurückholen darf (um damit auch das Feld wieder freizuräumen) hängt von meinen Skalen „Motivation“ und „Organisation“ ab. Die vierte Skala schließlich („Genialität“) besagt, wie weit mein U-Boot fahren und wie tief es tauchen darf.
Es gibt nur fünf mögliche Aktionen. Eine lässt mich mein U-Boot bewegen, eine ein neues Spielplanteil entdecken, und allen Aktionen ist gemeinsam, dass sie mir Ressourcen wie etwa zusätzliche Scheiben und / oder Fortschritte auf den Skalen bringen.
Für viele Aktionen muss ich Scheiben in den Ozean einsetzen, was einerseits nachteilig ist, weil ich sie von dort nie mehr zurückbekomme, andererseits und überwiegend aber vorteilhaft, denn diese Scheiben können später noch ein Einkommen bringen und vor allem zählen sie bei der Schlusswertung oft Punkte.

Was passiert? ENDEAVOR – DIE TIEFSEE fängt recht unspektakulär an. In der ersten Runde besitze ich nur drei Scheiben; damit komme ich nicht weit. Die erste Runde ist also schnell vorbei. Zumal alle Aktionen schnell abgewickelt sind.

Endeavor - Die Tiefsee: Tableau

Bald aber besitze ich mehr Scheiben und mehr Crewmitglieder und somit mehr Einsetzfelder. Meine Möglichkeiten wachsen, es kommt zunehmend auf das Timing und auf die Reihenfolge an, in der ich meine Aktionen abwickle. Weil es Wettrennen um Schätze („Tauchplättchen“) und ein Gerangel um Mehrheiten der Ozeanscheiben gibt, reagiere ich auf die Aktionen meiner Mitspieler:innen.
Falls ich reagieren kann. Das hängt natürlich davon ab, ob meine Crewmitglieder mir die Aktionen ermöglichen, auf die es nun ankommt. Weil man das vielleicht nicht im Voraus durchblickt, kann sich herausstellen, dass man eine unpassende Crew ausgewählt oder die falschen Einsetzfelder freigeräumt hat.

Endeavor - Die Tiefsee: Spielplan

ENDEAVOR – DIE TIEFSEE ist ein Spiel ohne große Zufallsfaktoren. Obwohl das Spiel konstruktiv angelegt ist und jede:r sich eine Engine aufbaut, die irgendwie ins Laufen kommt, gibt es eben doch bedeutsame Unterschiede, wie gut und wie schnell das funktioniert. Ich habe es mehr als nur einmal erlebt, dass sich eine Schere zwischen Arm und Reich auftat und auch absehbar war, dass sie sich nicht mehr schließen würde.
Also muss ich mich korrigieren: ENDEAVOR – DIE TIEFSEE fängt nur scheinbar unspektakulär an. Tatsächlich zählt jede Entscheidung. Es gilt, die passende Crew auszuwählen, das Meer und seine Möglichkeiten im Blick zu behalten, schneller zu sein und anderen Spieler:innen Dinge wegzuschnappen und Aktionen so zu optimieren, dass es auf den Skalen effektiv vorangeht. Dort verbessere ich mich nicht mit jedem Schritt, sondern abschnittsweise beim Überschreiten bestimmter Marken. Also will ich nicht wahllos irgendwo vorwärtslaufen, sondern gezielt dort, wo ich realistischerweise noch in derselben Runde etwas freizuschalten hoffe.


Endeavor - Die Tiefsee: Szenario

Was taugt es? ENDEAVOR – DIE TIEFSEE beruht auf MAGISTER NAVIS. Die Grundstruktur beider Spiele ist gleich. ENDEAVOR – DIE TIEFSEE hat das deutlich schönere Thema (Meeresforschung statt Kolonialismus), alle aggressiven Elemente des Originals wurden entfernt. ENDEAVOR – DIE TIEFSEE legt mehr Fokus auf Entdeckungen und auf Variabilität. Viele Meereszonen bringen kleine Mini-Regeln mit, das Spiel enthält acht unterschiedliche Szenarios mit Varianten für Aufbau und Endwertung. Alles lässt sich als Alternative auch kooperativ spielen.
Die Szenarios ändern das Spiel nicht von Grund auf, müssen sie aber auch nicht. Für den Wiederspielreiz macht es tatsächlich einen Unterschied, zu wissen: Da ist noch was, das wir noch nicht ausprobiert haben.
Redaktionell finde ich das Spiel sehr gut gemacht. Es entstehen keine Fragen, die Anleitung und die Symbolsprache sind klar, alles sieht ansprechend aus und ist trotzdem funktionell.
In Relation zur Spieltiefe kommt ENDEAVOR – DIE TIEFSEE mit relativ wenigen Regeln und Spielprinzipien aus. Es ist komplex, ohne kompliziert zu sein. Dadurch fühlt es sich sehr elegant an.
Es ist also ein rundum gelungenes Spiel, und ich habe über die Vergabe des Labels „außerordentlich“ nachgedacht, mich aber, wie man sieht, dagegen entschieden. Dafür empfinde ich beim Spielen dann doch nicht genug Spannung oder Reibung. Das Spiel fließt, alles ist schön und stimmig und klar. Aber eben auch gut berechenbar und erwartbar. Bei mir weckt das nicht die ganz besondere Emotion, auf deren Wiedererleben ich ständig hinfiebere.


***** reizvoll

ENDEAVOR – DIE TIEFSEE von Carl de Visser und Jarratt Gray für eine:n bis vier Spieler:innen, Frosted Games / Board Game Circus.

Montag, 16. Dezember 2024

Kronologic – Paris 1920

Kronologic: Cover

Mord ohne Aussicht. (Ohne Aussicht auf Einleitung.)

Wie geht KRONOLOGIC? Ein Mord ist geschehen. Wer ihn zuerst aufklärt, gewinnt.
KRONOLOGIC – PARIS 1920 spielt auf dem „Grundriss der Pariser Oper“. Die Oper hat sechs Räume. Jeder ist durch Türen mit mindestens zwei anderen Räumen verbunden. Auf diesem Grundriss bewegen sich die sechs möglichen Täter:innen. Es gibt keine Spielfiguren. Die Bewegungen geschehen in unserer Vorstellung.
Wir kennen die Standorte der sechs Verdächtigen zum Zeitpunkt 1, dem Spielstart. Für weitere fünf Zeitpunkte, die einfach nur von 2 bis 6 durchnummeriert sind, müssen wir die Laufwege der Personen rekonstruieren. Wir wissen: Niemand bleibt stehen. Jede Person bewegt sich von einem Zeitpunkt zum nächsten von ihrem Ort weg zu einem verbundenen Nachbarort.
In Szenario 1 (es gibt drei Szenarios mit je fünf Fällen) wurde eine der sechs Personen vergiftet, nämlich der Detektiv. Täter:in ist, wer zu irgendeinem Zeitpunkt mit dem Detektiv allein in einem Raum war.

Kronologic: Lochpappen

Bin ich am Zug, frage ich eine Information ab, indem ich eine Raumkarte und eine Zeitpunkt-Lochpappe übereinanderlege. So erfahre ich, wie viele Charaktere sich zu diesem Zeitpunkt in diesem Raum aufgehalten haben. Oder ich kombiniere Raumkarte und Personen-Lochpappe und erfahre, wie häufig diese Person diesen Raum aufgesucht hat.
Das Ergebnis teile ich auch den anderen Spieler:innen mit. Aber ich bekomme noch eine geheime Zusatzinformation: Beispielsweise muss ich bekannt geben, dass zum Zeitpunkt 4 zwei Personen im Tanzsaal waren. Dass eine davon die Abenteurerin war, darf ich für mich behalten.
Wer meint, die Lösung gefunden zu haben (Täter:in, Ort, Zeitpunkt), darf im Lösungsheft nachschlagen und hat nun entweder gewonnen oder scheidet aus.

Was passiert? Anfangs tappen wir völlig im Dunklen und kombinieren mehr oder weniger auf gut Glück irgendwelche Lochpappen mit irgendwelchen Karten. Nach ein paar Runden verdichten sich hier und da Informationen, Möglichkeiten scheiden aus, andere werden wahrscheinlicher.

Kronologic: Notizen

Weiß ich, dass die Baronin zum Zeitpunkt 1 auf der Großen Treppe und zum Zeitpunkt 4 im Musiksaal war, kenne ich auch ihre Aufenthaltsorte dazwischen, denn es gibt nur einen möglichen Laufweg. Weiß ich, dass der Chauffeur insgesamt dreimal auf der Bühne war, scheiden die mehrere Schritte entfernten Räume für ihn aus. An den anderen drei Zeitpunkten kann er nur direkte Nachbarorte der Bühne aufgesucht haben.
Ich mache also Notizen. Ich versuche, aus den gesamten Informationen schlau zu werden. Ich versuche, Rückschlüsse zu ziehen, um mir Abfragen zu ersparen. Und natürlich beachte ich, welche Fährten die Konkurrenz verfolgt. Auch aus dem Verhalten der anderen lassen sich Dinge ableiten.

Was taugt es? KRONOLOGIC bricht das klassische Deduktionsspiel auf seinen Kern herunter. Wir müssen nicht mit Figuren durch die Gegend laufen oder lange Kartentexte lesen: Jeder Spielzug ist schnell abgewickelt – und beteiligt alle Spieler:innen an den Informationen. Das ist ein schlauer Dreh. So wird Leerlauf vermieden. Nicht jede:r muss jede Information noch mal abfragen.
Aber so einfach KRONOLOGIC von den Regeln her auch ist: Die Fälle zu lösen, erfordert Kombinationsgabe. (Und sicherlich auch Glück, entscheidende Informationen zu bekommen.)
Ein typischer Stolperstein in meinen Runden war immer wieder die Benennung der Räume. Auf dem Spielplan sind sie nur mit Symbolen gekennzeichnet. Und nicht alle Symbole sind eindeutig. Wenn nun jemand sagt: „Ich untersuche das Große Foyer zum Zeitpunkt 4“, ist die klassische Erwiderung: „Welcher Raum ist noch mal das Große Foyer?“ (Ja, alle Symbole werden auf den Sichtschirmen erläutert. Aber die Erfahrung zeigt: Man guckt nicht auf den Sichtschirm, sondern auf den Spielplan.)

Kronologic: Lochpappen

Dass immer alle Spieler:innen an den Informationen partizipieren, führt dazu, dass auch unsere Wissensstände nicht allzu weit auseinanderliegen. Im Finale muss ich befürchten, dass andere auch unmittelbar vor der Lösung stehen. Das ist spannend, hat aber – insbesondere in Runden zu viert – in meinen Partien dazu geführt, dass lieber auf Grundlage von 80-prozentigem Wissen geraten wurde, als den Fall absolut wasserdicht aufzuklären. Klar, man kann ausscheiden und verliert dann. Aber man verliert ja auch, wenn andere schneller sind.
Manchmal hat auch jemand geraten, ohne sich dessen bewusst zu sein. Jemand dachte, die Ermittlungen seien wasserdicht. Bei der Nachbesprechung zeigte sich dann: mitnichten. Trotzdem wird oft richtig geraten. Denn anders als in irgendwelchen Detektivromanen werden wir nicht auf falsche Spuren gelenkt. Sondern wir werden auf richtige Spuren gelenkt; das Gruppenwissen tendiert mehr und mehr in eine identische Richtung.
Oder jemand rät, weil der Überblick über die Notizen verloren gegangen ist. Werden Informationen und Schlussfolgerungen auf dieselbe Weise notiert, und sind die Schlussfolgerungen falsch, kann man die Fehlerkette nachträglich nicht mehr auflösen.
Geheimnisse zu haben, macht Spaß. Ich freue mich, wenn ich etwas herausfinde, was die anderen vielleicht noch nicht wissen. Allerdings ähneln sich die Fälle und ihre Lösungswege systembedingt. In KRONOLOGIC geht es um Logik und Struktur, nicht um eine Geschichte dahinter. Deswegen bin ich inhaltlich auch nicht neugierig auf weitere Fälle. Ich weiß ja recht genau, was mich erwartet. Der Wiederspielreiz entsteht durch den Wettlaufcharakter. Ich hoffe, bei diesem Logikrätsel den einen Schritt schneller zu sein.


**** solide

KRONOLOGIC – PARIS 1920 von Fabien Gridel und Yoann Levet für eine:n bis vier Spieler:innen, Pegasus Spiele.

Mittwoch, 11. Dezember 2024

Black Forest

Black Forest: Cover

Wie sagt man? Die Einleitung vor lauter Bäumen nicht sehen?

Wie geht BLACK FOREST? Wir bauen mit Rohstoffen Gebäude und erhalten Punkte dafür. Und meistens auch Sofort- oder Dauereffekte. Punkte bekommen wir zusätzlich auch für andere Dinge, für Tiere etwa oder für Vorräte.
Auch wenn Uwe Rosenberg nicht der alleinige Autor von BLACK FOREST ist (Tido Lorenz ist der andere): Vielen typischen Rosenberg-Elementen begegnen wir hier wieder: einer großen Auslage von rund 40 verschiedenen Gebäuden; Gutshof-Tableaus, auf denen sich die Gebäude den Platz mit Wäldern, Äckern, Teichen und Weiden teilen müssen; Erweiterungs-Tableaus für den bald zu eng werdenden Hof. Und am auffälligsten: den Ressourcenrädern aus DIE GLASSTRASSE.

Black Forest: Rad

Eins der beiden Räder zeigt meinen Bestand an Sand, Wasser, Holz und Kohle. Sobald ich von jedem dieser Rohstoffe mindestens einen besitze, dreht sich das Rad weiter. Von jedem Rohstoff wird nun einer weniger angezeigt, dafür jedoch zusätzlich ein Glas. Mit anderen Worten: Ich habe aus den vier Bestandteilen Glas produziert. Diese Produktion geschieht – sofern die Voraussetzungen erfüllt sind – automatisch, ob es mir gerade passt oder nicht.
Neues Material erhalte ich durch meine Züge auf dem Spielplan. Der zeigt fünf Dörfer mit jeweils drei bis vier Feldern. Zu jedem Feld sind zwei Aktionsplättchen („Handwerker“) benachbart. Bin ich am Zug, muss ich meine Figur auf ein freies Feld versetzen, dann darf ich beide benachbarten Aktionsplättchen ausführen: Ich zahle eine Kohle und erhalte vier Ziegel. Ich rode ein Waldstück und erhalte vier Holz. Ich erhalte pro eigenen Teich ein Wasser. Ich lege einen Acker an. Ich erhalte eine Kuh ... Drei der 17 Aktionsplättchen erlauben mir, ein Gebäude zu bauen.

Was passiert? BLACK FOREST ist erst mal sehr überwältigend. Man muss sich auf dem eigenen Gutshof-Tableau und mit den Ressourcenrädern zurechtfinden. Zweitens muss man die Optionen und die Positionen der 17 Aktionsplättchen auf dem Spielplan abchecken. Und drittens liegen von Beginn an sehr viele Bauvorhaben mit Texten und Symbolen aus (wenn auch gruppiert nach einem sinnvollen Ordnungssystem). Man kann nur hoffen, in einer Gruppe zu sein, die einfach losspielt und schaut, was sich so ergibt.

Black Forest: Spielplan

Aber selbst Spieler:innen, die schnell spielen wollen, geraten immer wieder ins Stocken. Etwa ist das angepeilte Ortsfeld besetzt. Oder jemand hat zwei Aktionsplättchen miteinander vertauscht. Oder jemand hat genau das Gebäude gebaut, auf das man hingearbeitet hat. Oder den angepeilten Auftrag weggeschnappt. Oder droht es im nächsten Zug zu tun und man kann nicht mehr kontern. In solchen Situationen überlegt man ganz von vorn. Und weil es in BLACK FOREST viel zu optimieren gibt und immer mal wieder was verfällt oder nicht den besten Nutzen bringt, wenn man nicht gründlich genug plant, ist ein befriedigender Alternativzug selten schnell gefunden.
Eine Quelle für viele Planungsfehler, die dann ebenfalls den gedachten Zug verhindern und zum Neuüberlegen zwingen, ist das Ressourcenrad. Da produziert das Rad mal wieder Glas, was man grundsätzlich ja toll findet, aber prompt hat man nur noch eins von zwei Holz, die man für das Gebäude ebenfalls bezahlen müsste. Es kann mehrere Partien dauern, bis man das Rad in den Griff kriegt. Bis dahin heißt es: „Oh, äh … geht gar nicht. Sorry, ich fange mit meinem Zug noch mal neu an.“
Die Herausforderung ist von den Autoren so gewollt. BLACK FOREST ist ein anspruchsvolles Spiel. Und Planungsfehler sind nun mal keine unglücklichen Zufälle, sondern es sind Fehler. Man brockt es sich selbst ein. Im Extremfall sogar durch Annahme eines Rohstoff-Geschenks, das man hätte ablehnen dürfen – aber wer lehnt schon Geschenke ab? Tja, und der neue Rohstoff führt nun dazu, dass sich das Rad weiterdreht. Und dass das nachteilig war, kapiert man einen oder zwei Züge später.
BLACK FOREST empfinde ich an dieser Stelle als streng und restriktiv. Gut dagegen gefällt mir, welche Freiheiten die Gebäude eröffnen. Da kann man sich schöne Kombinationen aufbauen. Niemand muss die Strategie der anderen nachspielen, es sind genügend verschiedene Wege angelegt. Zumal in jeder Partie immer andere Gebäude mitspielen.


Black Forest: Gutshof

Was taugt es? BLACK FOREST ist ein Strategiespiel. Aus dem Gebäudeangebot kann ich mehrere Marschrouten für die Partie ableiten. Der Weg zum Ziel ist dann allerdings sehr taktisch, da ich viel zu optimieren habe und öfter umplanen muss; und weil ich zudem gut haushalten muss, denn Bewegungen von Dorf zu Dorf kosten Proviant, und ist der verbraucht, muss ich einen Zug aussetzen und betteln.
Das Spiel ist redaktionell sehr gut gemacht. Mir gefällt auch die gesamte Anmutung; BLACK FOREST sieht toll aus. Mir gefällt, wie ich mein Gut entwickle und konstruktiv etwas aufbaue. Und mir gefällt, wie thematisch alles auf sehr einleuchtende Weise zusammenhängt.
Allerdings finde ich diese Vorzüge auch in anderen Spielen, die leichter von der Hand gehen. Das Alleinstellungsmerkmal von BLACK FOREST ist das Ressourcenrad. Und zum zweiten Mal nach DIE GLASSTRASSE (das mechanisch und vom Spielgefühl her ein deutlich anderes Spiel ist) hadere ich mit der Art, wie dieses Rad ins Spiel integriert ist. Der Zusatzreiz, den das Rad offenbar bringen soll, erschließt sich mir nicht.
Wegen der tollen Ausstattung und Optik und weil ich auch neugierig wäre, welche Möglichkeiten sich noch in BLACK FOREST verbergen, wäre mein Interesse an weiteren Partien durchaus vorhanden. Allerdings möchte ich nicht mehr zu viert spielen und selbst zu dritt lieber nur mit Bauchspieler:innen. Und sogar dann wäre die Frage, warum wir nicht einfach eins der vielen ähnlich gelagerten Spiele mit besserem Flow spielen.


**** solide

BLACK FOREST von Uwe Rosenberg und Tido Lorenz für eine:n bis vier Spieler:innen, Feuerland.

Freitag, 6. Dezember 2024

Vor 20 Jahren (144): Akaba

Akaba Cover

Vor 20 Jahren stellte ich hin und wieder auch Kinderspiele in meinen diversen Printmedien vor. Weshalb ich hin und wieder auch Kinderspiele spielte. Mit Kindern logischerweise. Mangels eigener war das aber gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Ich musste die Kinder von Freunden rekrutieren, während ich so tat, als würde ich jene Freunde besuchen.

Insgeheim hatte ich natürlich nur die spielerische Verwertbarkeit des Treffens im Sinn. Aber ich brauchte gar kein allzu schlechtes Gewissen zu haben. Denn die Kinder fanden das toll. Und die Eltern fanden das auch toll. Und dann noch ich. Es stimmt schon, wenn man sagt: Beim Spielen gewinnen alle.

Einer unserer absoluten Favoriten damals war AKABA von Guido Hoffmann, ein Spiel mit Blasebalg. Den setzte man unter der eigenen Flugfigur an und pustete sie Stück für Stück weiter, um am Markt verschiedene Stände anzufliegen und dort Besorgungen zu machen. Man musste sich ganz schön geschickt anstellen mit dem Pusteding, denn die fliegenden Teppiche waren sehr leicht. Schnell flog man zu weit oder legte eine Bruchlandung hin.

Ich war dann reichlich überrascht, AKABA nicht wenigstens auf der sehr, sehr, sehr langen 2005er Empfehlungsliste „Kinderspiel des Jahres“ zu finden. Eigentlich hatte ich sogar mit einer Nominierung gerechnet.

Die mögliche Erklärung, so würde ich aus heutiger Sicht vermuten, steht schon in meinem Text. Hier noch mal: „Man musste sich ganz schön geschickt anstellen mit dem Pusteding, denn die fliegenden Teppiche waren sehr leicht. Schnell flog man zu weit oder legte eine Bruchlandung hin.“

Zweifellos verschiebt es die Ansprüche und Wahrnehmungen, wenn man – wie ich – in einer gemischten Runde mit Kindern und Erwachsenen spielt. Zudem mit Kindern, die für ihr Alter schon sehr geübt waren. In AKABA ging es auch nicht bloß um Geschicklichkeit. Das Spiel hatte zudem eine erhebliche Hektikkomponente und obendrein ein Memory-Element.

Im Nachhinein wundere ich mich also gar nicht mehr so sehr, dass AKABA von der Kinderspiel-Jury nicht empfohlen wurde. Und ich schreibe bewusst nicht „dass es übersehen wurde“ oder „dass es ignoriert wurde“. Ich bin mir sehr sicher, ein Spiel von dieser Originalität und mit diesem Aufforderungscharakter wurde weder übersehen noch ignoriert. Sondern lediglich nicht gewählt.

Dass ich auf der richtigen Fährte sein könnte, zeigt mir der Titelträger 2006. Das war DER SCHWARZE PIRAT. Ebenfalls ein Spiel von Guido Hoffmann, ebenfalls mit Blasebalg. Aber einfacher. Und für Kinder noch längst nicht leicht. Noch immer musste man sich mit dem Pusteding geschickt anstellen. Und gar nicht mal alle Kinder kriegten das gut hin.

Trotzdem war es zu spät, um mich in dieses Spiel zu verlieben. All die grandiosen Erlebnisse hatte ich mit AKABA gehabt, DER SCHWARZE PIRAT war da wie ein zweiter Aufguss. Und obwohl ich heute gar nicht mehr mit Kindern spiele, besitze ich AKABA noch immer. Wegen damals.


Dienstag, 3. Dezember 2024

Faraway

Faraway Cover

Ende.

Wie geht FARAWAY? Wir legen nacheinander acht Karten ab. Der Prozess ist immer gleich: Drei Karten haben wir auf der Hand, eine legen wir. Wer die niedrigste Zahl gelegt hat, wählt zuerst eine neue Karte aus einem kleinen Vorrat. Dann die anderen. So haben wir wieder drei Karten, legen wieder eine und so fort.
Am Ende des Spiels soll die Auslage viele Punkte zählen. Abgerechnet wird aber in einer vorgegebenen Reihenfolge, nämlich von hinten nach vorn: Wir verdecken die ersten sieben Karten wieder und werten zunächst die achte.

Faraway Karten

Die ersten sieben Karten sind – obwohl sie bereits feststehen – für die Wertung der achten noch nicht existent. Das ist aus zweierlei Gründen ein Problem: 1. Viele Karten haben Bedingungen, um überhaupt gewertet zu werden, beispielsweise sollen dafür in meiner Auslage zwei Symbole „Chimäre“ und ein Symbol „Distel“ vorhanden sein. Und je weniger Karten offenliegen, desto weniger Symbole liegen offen. 2. Die meisten Karten zählen einen variablen Punktwert, zum Beispiel drei Punkte für jede gelbe oder grüne Karte. Und solange sieben Karten zugedeckt sind, habe ich sicherlich nicht ganz so viele sichtbare gelbe oder grüne.

Faraway Wertung

Nach Wertung der achten Karte decken wir zusätzlich die siebte Karte auf, werten auch sie, dann die sechste … und so weiter bis zur ersten.

Was passiert? Da die hohen Karten üblicherweise fette Wertungen mit schwierigen Bedingungen verknüpfen, während niedrige Karten Symbole mitbringen, jedoch gar keine oder mickrige Wertungen, wäre es ziemlich logisch, die Karten in absteigender Reihenfolge zu legen, um im Finale erst die Symbole und dann die Wertungen aufzudecken. Bei nur drei Handkarten habe ich jedoch nicht immer die tollste Auswahl und vor allem …
Ich werde belohnt, wenn ich aufsteigend lege! Immer wenn meine aktuell gelegte Karte höher ist als meine Karte davor, erhalte ich eine Bonuskarte („Heiligtum“). Diese Kartensorte wird bei der Wertung niemals zugedeckt und zählt immer mit. Bonuskarten liefern Symbole, Bonuskarten können farbig sein und punkten dann bei Farbwertungen, Bonuskarten können selbst kleine Wertungen auslösen. Bonuskarten ziehe ich einfach vom Stapel. Je mehr Symbole „Hinweis“ in meiner Auslage sind, desto mehr Bonuskarten bekomme ich pro Ziehvorgang zur Auswahl.
Die Logik von FARAWAY ist ohnehin verkehrt herum, die Bonuskarten stellen die Sache nochmals auf den Kopf. Weil Bonuskarten sehr wertvoll sind, versuche ich, möglichst oft aufsteigend zu legen. Damit wächst das Risiko, dass Karten ihre Wertungsbedingungen nicht erfüllen. Was ich aber wiederum durch die Bonuskarten auszugleichen hoffe.
FARAWAY ist ein Zockspiel. Jede Karte, die ich nur deshalb lege, damit sie andere Karten unterstützt, ist eine Karte, die nicht wertet. Ich will aber viele Karten, die werten. Wenn ich noch zwei Symbole „Stein“ benötige, lege ich meistens trotzdem etwas anderes und hoffe darauf, die beiden Steine über Bonuskarten hereinzubekommen. Das kann klappen – oder auch nicht. Entsprechend krass können Spiele durch die Decke oder in die Hose gehen.


Faraway Heiligtümer

Was taugt es? Vielen Mitspieler:innen gefällt FARAWAY. Mir auch. Ich sehe es als schnell runtergespieltes Zwischendurchspiel, dessen Reiz darin besteht, aus wenigen Karten eine kleine Maschine aufzubauen, die einerseits Punkte abwirft und andererseits auch alle dafür nötigen Voraussetzungen mitbringt. Die Schicksalshaftigkeit ist aus meiner Sicht kein Problem, zumal FARAWAY in einer geübten Runde nur 20 Minuten dauert.
Wer die Zielgruppe für FARAWAY sein könnte, kann ich jedoch nicht so klar definieren. Spieldauer und Zufallsanteil sprächen eher für ein Spiel für alle. Die Originalität von FARAWAY baut allerdings Hürden auf. Ich habe Mitspieler:innen beobachtet, denen selbst nach einer vollen Partie inklusive Wertung noch kein Licht aufgegangen war, was in FARAWAY sinnvollerweise zu tun wäre was daran auch nur annähernd Spaß machen könnte.
Zweifellos nutzt sich die Originalität auch ab. Hat man sich eingefunden und die Fallen und auch die Chancen kennengelernt, spielt man schematischer. Man hat erfahren, was geht und was nicht geht, und macht natürlich das, was geht. Und hofft, dass es wieder funktioniert.
Im Rahmen eines derart kurzen Spiels empfinde ich dieses gewohnheitsmäßige Runterdreschen aber nicht als Manko. Denn trotz allem bringt jede Partie Ungewissheit und deshalb immer wieder Spannung: Welche Karten bekomme ich? Kriege ich die nötigen Symbole zusammen? Schaffe ich einen guten Score, womöglich einen neuen Highscore?


***** reizvoll

FARAWAY von Johannes Goupy und Corentin Lebrat für zwei bis sechs Spieler:innen, Kosmos.