Samstag, 30. September 2023

Gern gespielt im September 2023

REVIVE: Aber Postapokalypse ist trotzdem soo Mittelalter.

’NE TÜTE CHIPS: Endlich am Spieltisch legalisiert.

DIE GILDE DER FAHRENDEN HÄNDLER: Warten auf die Reiseausgabe.

MY ISLAND: Dank der Aufkleber gewinnt die Insel auch zunehmend an Dreidimensionalität.

GHOST WRITER: REI








UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM SEPTEMBER:

GREAT WESTERN TRAIL NEUSEELAND: Sind Schafe gar die besseren Rinder?






Donnerstag, 28. September 2023

Spielejahrgang 2022/23:
Was vom Jahrgang übrig bleibt
Teil 4: Spiele von D bis T

DORFROMANTIK – DAS BRETTSPIEL: Wer wäre nicht gern Zeitungsjunge? Neulich – in DORFROMANTIK – bin ich es geworden; bis dahin war ich ein Niemand. Der Vorgang beweist einmal mehr: In DORFROMANTIK gewinnt jede:r. Und das ist nur eins der vielen Dinge, die dieses Spiel richtig macht. Es ist belohnend, es ist konstruktiv, es hat Wohlfühlcharakter, es macht neugierig auf das, was sich in den geheimen Schachteln verbirgt. Man kann es ehrgeizig oder gemütlich spielen, wie man es lieber mag. Das Ergebnis ist trotzdem dasselbe: Man gewinnt.


FUN FACTS: Über CHALLENGERS schrieb ich: „Es lässt die Menschen in den Vordergrund treten, man erlebt ein Miteinander als Gruppe.“ Noch mehr sogar trifft diese Aussage auf FUN FACTS zu. Und übrigens: Auch hier gewinne ich immer. Weil erstens die Punktwertung völlig egal ist. Und weil ich zweitens (außer ich spiele immer nur im engsten Familien- und Freundeskreis) Dinge über meine Mitspieler:innen erfahre, die ich vorher nicht wusste. Ich verlasse den Tisch bereichert, die Partie hat ein bisschen was in meinem Leben verändert.


NEXT STATION LONDON: Dieses Spiel ist vergleichsweise herkömmlich. Mal wieder ein Irgendwas & Write. Jede:r tüftelt für sich, konstruiert Linien auf dem eigenen Blatt, und keiner schaut hin. Aber: Der Dreh mit vier Farben zu operieren, schafft ganz neue Erfahrungen. Obwohl die Möglichkeiten anfangs sehr beschränkt wirken, steckt viel Taktik drin. – Innovativ und gewieft ist das: eine sehr gute Kombination von Eigenschaften.


QE: Versteigerungsspiele mochte ich schon immer. Während sie normalerweise durch kühle mathematische Berechnung entschieden werden, sind es bei QE eher Psychologie und irrationale Gruppenprozesse. Das umgeht auch den üblichen Nachteil von Versteigerungsspielen, dass man erst langsam lernen muss, was ein realistisches Gebot wäre. In QE gibt es kein „realistisches Gebot“. Wie viel etwas wert ist, weiß man nicht. Das ist der besondere Witz. Mit Blick auf die Realwirtschaft ist es zudem ein bisschen beunruhigend.


THAT’S NOT A HAT: Manche Spiele verursachen ein bisschen Angst und Unbehagen, und komischerweise ist das ihr Reiz. Es ist ja schon peinlich, nicht zu wissen, welche Karte vor einem liegt, obwohl es vor zehn Sekunden noch gesagt worden ist. Aber man hat’s vergessen. Autsch. Doch zum Glück geht es anderen genauso. Und weil die Aufgabenstellung, an der man hier scheitert, scheinbar banal ist, muss man über seine eigenen Unzulänglichkeiten sogar selbst lachen. Mit geringstem Aufwand kreiert THAT’S NOT A HAT sehr viel Spiel: Es unterhält, es erzeugt starke Emotionen, es fordert heraus.


Sonntag, 24. September 2023

Spielejahrgang 2022/23:
Was vom Jahrgang übrig bleibt
Teil 3: Council of Shadows

Ich wollte gerade einleitend schreiben, dass ich ja doch auch manchmal mit dem allgemeinen Vielspieler:innen-Geschmack übereinstimme, und als Beweis die Platzierung von COUNCIL OF SHADOWS beim Deutschen Spielepreis anführen. Kurze Recherche … und ich stelle fest: Ach?! COUNCIL OF SHADOWS ist gar nicht in den Top 10? Das hätte ich nicht für möglich gehalten.

Denn COUNCIL OF SHADOWS hat eine Grundidee, die ich spektakulär finde. Wir müssen dreimal in ein anderes Level aufsteigen. Wofür wir natürlich Punkte sammeln müssen, und um die Punkte zu sammeln, benötigen wir starke Aktionen. Aber: Starke (oder besser: teure) Aktionen verschieben die Zielmarke für meinen Levelaufstieg immer weiter in die Ferne. Ich benötige immer mehr Punkte. Das ist ein herausfordernder Widerspruch und vergleichbar mit einer Investition: Zunächst hat man einen Haufen Schulden an der Backe, aber wenn die Sache ins Laufen kommt, zahlt man das locker wieder ab. Somit muss die Sache also nur noch ins Laufen kommen.

Wenn man will, kann man in diesen Mechanismus auch noch mehr hineindeuten. Für mich steckt ein bisschen Kapitalismuskritik darin. Nicht das vordergründige Maximum, der für den Augenblick größte Nutzen ist das Beste. Sondern alles, was wir tun, bürdet uns Lasten für die Zukunft auf. Während das auf der Erde vor allem die nachfolgenden Generationen büßen müssen, bin ich es in COUNCIL OF SHADOWS selbst.

Aber nicht diese Lesart, die sich vielleicht auch schon am Rande der Überinterpretation bewegt, macht COUNCIL OF SHADOWS für mich zum sehr guten Spiel. Sondern der reizvolle Hauptmechanismus an sich, der mich dazu zwingt, bekannte Spielabläufe neu zu denken. Normalerweise gilt bei Deckbau: Was ich einmal gekauft habe, kann ich immer wieder benutzen. Das kann ich in COUNCIL OF SHADOWS auch, aber mit dem großen Manko, dass jede Benutzung neue Kosten verursacht.

Für mein Gefühl könnte dieser Mechanismus sogar noch mehr Spiele tragen. Es wäre doch schade um diese starke Idee, sie nur einmalig zu verwenden. Dass es beim Deutschen Spielepreis nicht für die Top 10 gereicht hat, mag ein gewisses Gegenargument sein. Jedoch: In meinen nur um ein winziges bisschen weniger repräsentativen Mitspieler:innen-Charts reichte es für den gloriosen Platz 3!


Mittwoch, 20. September 2023

Spielejahrgang 2022/23:
Was vom Jahrgang übrig bleibt
Teil 2: Challengers!

Ich glaube, dass ich ein Spiel wie CHALLENGERS vor 15 oder 20 Jahren weniger zu schätzen gewusst hätte als heute. Weil ich damals andere Dinge in Spielen gesucht habe und weil mir andere Dinge in Spielen Spaß gemacht haben. Ein Spiel zu durchdringen, gut zu planen, genau zu rechnen und erfolgreich zu spielen, war mir früher wichtiger. Doch dieses Konzept von Spielspaß hat sich über die Jahre sehr abgenutzt. Weil bei aller Liebe zum Spiel am Ende doch die Menschen das Wichtige sind. Und wenn man immer nur eine Art von Spielen spielt, schließt das viele Menschen aus.

Ich will damit nicht sagen, dass ich früher nicht auch einfache Spiele gemocht hätte, aber sie waren für mich im großen Spielekosmos eher so etwas wie eine schöne Ergänzung. Inzwischen hat sich das gedreht. Zumal ich gerade bei den komplexen Spielen den Eindruck habe, dass die Innovationen sich in einem hochspezialisierten und damit engen System bewegen und oft darin bestehen, Produktionen auf eine etwas andere Art zu optimieren oder Figuren nach einem etwas anderen Schema einzusetzen und so weiter.

Vielleicht tue ich den komplexen Spielen da auch Unrecht. Und die Kurzzusammenfassung müsste eigentlich lauten: Was bestimmte Spiele angeht, bin ich eben ziemlich satt, und das liegt vor allem an mir und gar nicht an den Spielen und führt jedenfalls dazu, dass ich nach anderen Spielen suche und mich über andere Arten von Innovationen freue.

CHALLENGERS hat mich von der ersten Partie an begeistert. Ich hatte das Glück, es auch gleich in großer Runde kennenzulernen, wo es am stärksten ist. CHALLENGERS vereint Dinge, die ich inzwischen an Spielen schätze: Bei CHALLENGERS passiert viel und nicht nur in den Köpfen, es geht schnell, es liefert Gesprächsstoff. Es lässt die Menschen in den Vordergrund treten, man erlebt ein Miteinander als Gruppe. Oft ist das auch in Partyspielen so, und in gewisser Weise ist CHALLENGERS ein Partyspiel, jedoch mit höherem Regelaufwand.

Das partyspielhafte Element besteht darin, dass unsere Sitzordnung am Tisch immer wieder durcheinandergewirbelt wird, dass wir uns bewegen müssen und mit jede:r Mitspieler:in eine Duellsituation erleben. Und es besteht darin, dass wir über Teile des Spiels die Kontrolle abgeben. Statt wie gewohnt gestaltende:r Lenker:in des eigenen Fortkommens zu sein, ist man in CHALLENGERS phasenweise auch nur erlebende:r Zuschauer:in. Was ich nicht weniger reizvoll finde. Sondern sehr spannend und unterhaltsam. Entgegen aller Gerüchte ist auch ganz klar eine Lernkurve da, und man hat durchaus Stellschrauben, um erfolgreicher zu werden. Aber der Erfolg ist nur nebensächlich. Die Hauptsache ist das gemeinsame ungewöhnliche Erlebnis.


Samstag, 16. September 2023

Spielejahrgang 2022/23:
Was vom Jahrgang übrig bleibt
Teil 1: Atiwa

Bei Spiel des Jahres hat es nicht für die Empfehlungsliste gereicht, beim Deutschen Spielepreis nicht für eine Platzierung in der Top 10: Offenbar vertrete ich mit meiner Wertschätzung für ATIWA keine Mehrheitsmeinung. Und meine Mitspieler:innen auch nicht.

Was ich mir teilweise sogar erklären kann. ATIWA ist mechanisch sicher nicht das innovativste Spiel des Jahrgangs, es hat im Ablauf Redundanzen, die lange Auswertungsphase zwischen den Runden fühlt sich recht buchhalterisch an. Doch die besonderen Qualitäten von ATIWA wiegen die nur soliden Anteile nach meinem Empfinden mehr als bloß auf.

Gerne wird bei Brettspielen von Kulturgut gesprochen, doch gesellschaftliche Relevanz besitzen nur die allerwenigsten. Wenn sie die Realität reflektieren, dann üblicherweise oberflächlich. Indem auf Schachtelcovern und Spielmaterial mittlerweile häufiger Tiere und Natur zu sehen sind als noch vor einigen Jahren. Oder indem Spiele in einer postapokalyptischen Welt angesiedelt werden, weil die Erde leider kaputtgegangen sei.

Wir leben in der Klimakatastrophe, aber den meisten Spielen merkt man dies nicht an. Sie sind genau wie all die Jahre vorher auch. So als sei nichts. ATIWA ist aus meiner Sicht eine positive Ausnahme. Es beschäftigt sich auf realistische Weise mit dem Thema Natur und zeigt auch die Rolle des Menschen darin.

In Personaleinsatzspielen besetzen wir Felder und kriegen beispielsweise Holz. Wo das Holz herkommt, fragt niemand. Es ist halt da. Fälle ich in ATIWA, um Holz zu gewinnen, Bäume, bleibt den Flughunden weniger Nahrung. Das Holz ist nicht einfach so da.

Die Flughunde stehen exemplarisch für komplexe Zusammenhänge in der Natur, die wir nicht begreifen oder nicht begreifen wollen. ATIWA bildet ein Ökosystem ab, zeigt Kreisläufe und Zusammenhänge. Und zeigt, dass es der Mensch ist, der das Ökosystem stört.

Trotzdem ist ATIWA kein Lernspiel mit erhobenem Zeigefinger. Es ist ein Spiel, das man spielt, um Spaß zu haben und hoffentlich besser zu taktieren als die anderen. Und ATIWA verurteilt nicht, sondern stiftet Hoffnung. Denn unser Ziel ist es, das Ökosystem zu erhalten und den Menschen darin auch. Zumindest in ATIWA kann dies gelingen.


Dienstag, 12. September 2023

Spielejahrgang 2022/23:
Was meine Spielerunden gerne spielen

Seit April 2022 finden nach der Corona-Pause meine öffentlichen Spielerunden wieder statt (soweit die Runden die Pause überlebt haben, was in einem von drei Fällen leider nicht geklappt hat). Der vergangene Spieljahrgang ist somit der erste seit mehreren Jahren, der komplett und ohne Unterbrechung nicht nur in meinen privaten, sondern eben auch in den öffentlichen Runden gespielt werden konnte. Das hat sich natürlich positiv auf die Menge der Rückmeldungen ausgewirkt. Sie liegt immerhin wieder knapp über dem Stand von 2019/20, allerdings noch weit entfernt von 2018/19.

Als das Spielen im Frühjahr 2022 wieder anlaufen konnte, mussten Namensliste geführt werden, man brauchte einen Impfnachweis oder negativen tagesaktuellen Test, teilweise wurde auch mit Maske gespielt. Ich war positiv überrascht, wie viele Menschen trotz der Beschränkungen kamen.

Nicht mal eineinhalb Jahre später ist diese Realität ganz weit weg. Dennoch sind es seitdem nicht wesentlich mehr Spieler:innen geworden, wir verharren etwa auf demselben Stand wie vor einem Jahr. Besucher:innenzahlen von 50 bis 80 Personen an einem Abend, wie sie 2018 und 2019 oft vorkamen, habe ich nach der Pandemiepause noch nicht wieder erlebt.

Konnte ich mir früher den Luxus erlauben, nur Spiele in diese Auswertung aufzunehmen, die von mindestens 40 Personen gespielt und bewertet worden waren, muss ich die Schwelle nun bei 20 ansetzen. Sonst blieben zu wenig Spiele übrig. Offenbar sind meine Mitspieler:innen auch kritischer geworden, denn nur sieben Spiele haben es im Wertungsdurchschnitt über die Schwelle von 7,0 geschafft.

Zur Erklärung, wie die Noten entstanden sind: In meinen öffentlichen Runden bitte ich alle Teilnehmer:innen, die gespielten aktuellen Spiele mit Punkten (von 1 bis 10) zu bewerten. Viele tun das, manche ignorieren das, und manche spielen sowieso gar nichts Aktuelles, weil sie tatsächlich eigenmächtig entscheiden, was sie spielen wollen, und auf ihrem Egotrip an meine sehr wichtige Auswertung keinen Gedanken verschwenden.

Im Regelfall müssen sich die Teilnehmer:innen die Spielregeln selbst erarbeiten, was dazu führt, dass kleine und leichte Spiele bevorzugt werden. Großgruppenspiele sind gefragter als Spiele für wenige Personen. Spielt jemand ein Spiel mehrfach und bewertet es neu, überschreibt die neue Note die alte. Oft bleibt es aber beim Erst- oder Zweiteindruck, weil die Fluktuation auf solchen Abenden hoch ist und weil ich auch immer wieder andere Spiele mitbringe.

Das Ranking entspricht in diesem Jahr mehr meinen eigenen Bewertungen als zuletzt bei der Auswertung 2019/20. Vielleicht ist das einfach Zufall. Oder beeinflusse ich meine Mitspieler:innen irgendwie, ohne es zu bemerken? Ein Faktor ist sicherlich, welche Spiele ich überhaupt mitbringe und welche nicht. Aber ansonsten? Ich weiß sowohl von etlichen Partien COUNCIL OF SHADOWS als auch ATIWA, bei denen ich nicht mitgespielt und auch nicht erklärt habe. So dass ich auch nicht wüsste, wie ich beeinflusst haben könnte. Wahrscheinlich ist die Erklärung für die mit mir übereinstimmenden hohen Bewertungen ganz simpel: In Hannover hat man einen guten Geschmack!


1. FEED THE KRAKEN
Mitspieler:innen: 7,6 / 10
Udo: ***** reizvoll


2. ATIWA
Mitspieler:innen: 7,4 / 10
Udo: ****** außerordentlich


3. COUNCIL OF SHADOWS
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: ****** außerordentlich


4. THAT’S NOT A HAT
Mitspieler:innen: 7,3 / 10
Udo: ***** reizvoll


5. PLANET UNKNOWN
Mitspieler:innen: 7,2 / 10
Udo: ***** reizvoll


6. SECRET IDENTITY
Mitspieler:innen: 7,1 / 10
Udo: **** solide


7. NEBEL ÜBER CARCASSONNE
Mitspieler:innen: 7,0 / 10
Udo: **** solide




Drei weitere Spiele haben eine Bewertung von über 7,0 erreicht, aber die 20 nötigen Stimmen knapp verfehlt: FEDERATION, IKI und TERRA NOVA. Und fünf Spiele hatten zwar genügend Bewertungen, blieben mit 6,9 aber knapp unter der Qualifikations-Schwelle hängen: AKROPOLIS, FUN FACTS, MANTIS, NEXT STATION LONDON und STADT LAND VOLLPFOSTEN – DAS BRETTSPIEL.


Freitag, 8. September 2023

Vor 20 Jahren (129): King Arthur

Trara! Als das österreichische „Spiel des Spiele“ wurde im Jahr 2003 Reiner Knizias KING ARTHUR gewählt, womit auch im dritten Jahr dieses Preises ein anderes Spiel ausgezeichnet wurde als das „Spiel des Jahres“ in Deutschland. Die Abweichung fiel auf, schon 2001, als erstaunlicherweise nicht CARCASSONNE gewann. Aber nie hätte ich geglaubt, dass es auch in den folgenden 20 Jahren und bis heute keine einzige Übereinstimmung geben würde.

KING ARTHUR konnte ich als Preisträger recht gut nachvollziehen. Das Spiel hatte meine Sympathie. Mit Elektronik, leitender Farbe auf dem Spielplan und professionellen Sprachstimmen versuchte Ravensburger hier etwas ganz Neues und steckte auch einiges an Entwicklungskosten in sein Experiment. Man wollte, so hieß es, das Genre Brettspiel weiterentwickeln. Und neue Impulse schienen bitter nötig, denn anders als in jüngster Zeit konnte die Branche damals nicht immer wieder Umsatzgewinne bejubeln.

Ich meine, mich zu erinnern, dass in der Szene große Neugierde auf KING ARTHUR herrschte. Das Produkt war innovativ. Es war von Reiner Knizia. Es hatte einen Preis gewonnen, noch bevor es in Deutschland erhältlich war. Und es war auch vom Volumen her mal eine echte Ansage: 55 mal 38 Zentimeter maß die Schachtel. Kleiner ging es nicht, denn der Spielplan ließ sich wegen der Technik darin nicht falten.


Und dann … waren sehr viele Rezensent:innen enttäuscht. Dass sich KING ARTHUR in der Fairplay bei Noten zwischen 2- und 4 einpendelte, war vergleichsweise milde. Sämtliche Mitarbeiter:innen von hall9000 beispielsweise vergaben drei oder weniger von sechs Würfelpunkten. Dabei war diese Seite normalerweise nicht für Verrisse bekannt. Neben vielleicht falschen Erwartungen hatte KING ARTHUR das Problem, sich zu wiederholen. Und manche Spieler:innen nahmen den Tag über anscheinend nicht genug Flüssigkeit auf, ihre Körper leiteten nicht gut, das Spiel hakte.

Heute weiß man, wie es ausgegangen ist: Mit DIE INSEL (auch von Reiner Knizia) erschien 2005 noch ein Nachfolger mit derselben Technik. Danach kam für die Spielpläne mit Leitfarbe das Aus. Die Elektronikreihe wurde in technisch abgespeckter Form weitergeführt, und jetzt gelangen zwei richtig große Würfe und Mega-Bestseller: erst WER WAR’S? (erneut von Reiner Knizia und meiner Meinung nach das beste Kinderspiel überhaupt), dann SCHNAPPT HUBI! (Steffen Bogen). Beide wurden Kinderspiel des Jahres. In Deutschland.


Montag, 4. September 2023

Turing Machine

Der Computer prüft, ob die Einleitung gut, schlecht oder nicht vorhanden ist. (Ich tippe auf schlecht.)

Wie geht TURING MACHINE? Wir suchen einen dreistelligen Code mit Ziffern von eins bis fünf. Wer die wenigsten Spielrunden benötigt, um diesen Code zu finden, gewinnt. Wer als Lösung einen falschen Code probiert, scheidet aus.
Statt auf eine App setzt TURING MACHINE auf viele Karten, darunter auch Lochkarten. Eine Aufgabenstellung entnimmt man der Anleitung (dort sind zwanzig Vorschläge) oder dem Internet (dort sind viel, viel mehr). Bevor es dann losgehen kann, müssen diverse Karten herausgesucht und kreisförmig angeordnet werden. Hinterher muss man das alles wieder wohlgeordnet wegpacken. TURING MACHINE erfordert Akkuratesse.
Auch im Geist. Die Aufgaben lassen sich durch Testen und ansonsten durch Logik lösen.

Beispielsweise kann eine Testung prüfen, ob die erste (blaue) Ziffer des Codes kleiner drei, gleich drei oder größer drei ist. Probiere ich das mit dem Code 3 – 4 – 1 aus (wozu ich die Lochkarten mit den entsprechenden Zahlen und eine bestimmte Ergebniskarte übereinander schieben muss) und erhalte im Sichtfenster ein grünes Häkchen, weiß ich: Der Code beginnt mit einer Drei. Wäre ein rotes X sichtbar gewesen, wüsste ich nur: Er beginnt nicht mit einer Drei. Ob kleiner oder größer, muss ich dann noch herausfinden.


Was passiert? Es hat ein bisschen was mit Glück zu tun, ob man schnell auf die richtige Fährte kommt. Vor allem aber hat es mit logischem Denken zu tun. Man muss nicht alles durchprobieren, manches lässt sich durch reines Nachdenken ausschließen, insbesondere wenn man weiß, dass jeder der angebotenen Tests für die Lösung nötig ist. Schon aus der Versuchsanordnung lässt sich etwas ableiten. Jedenfalls gelingt dies denjenigen Spieler:innen, die die entsprechende Denke mitbringen. Andere bleiben auf der Ebene des Herumprobierens.

In TURING MACHINE tüftelt jede:r für sich. Wir spielen quasi parallel dasselbe Solospiel, und am Ende vergleichen wir, wer die wenigsten Züge benötigt hat. Den Wettbewerb empfinde ich nicht als zentral. Der von mir empfundene Spielreiz speist sich mehr aus der komplexen geistigen Beschäftigung und (hoffentlich) dem belohnenden Gefühl am Schluss, den Code gefunden zu haben – selbst wenn andere schneller waren. Dennoch tut der Wettbewerbs-Charakter dem Spiel gut, denn er zwingt mich zu diszipliniertem Spiel: nicht so viel herumprobieren, mehr nachdenken.

Was taugt es? TURING MACHINE ist außergewöhnlich und sehr speziell. So speziell, dass einige meiner Mitspieler:innen laut gelacht haben, als ich ihnen die Regeln der beiden Ausbaustufen präsentierte. Wenn man die zum ersten Mal hört, denkt man, eine Lösung sei unter diesen Umständen gar nicht mehr möglich. Ist sie dann aber doch und sogar in weniger Schritten als angenommen.
Für andere Mitspieler:innen war die erste Partie schon die letzte. Nicht jede:r hat einen Zugang zu dieser Art Spiel und nicht jede:r hat Lust darauf. Alles in allem finde ich in meinem gesamten Mitspieler:innenumfeld nur sehr wenige Personen, die das Interesse hätten, TURING MACHINE oft zu spielen. Die Zielgruppe des Spiels scheint mir sehr klein zu sein. Für mein Empfinden fehlt der Kopfarbeit in TURING MACHINE das Spielerische. Ich empfinde Respekt und Faszination, aber keinen so großen Spielreiz.


**** solide

TURING MACHINE von Fabien Grindel und Yoann Levet für eine:n bis vier Spieler:innen, Huch / Scorpion Masqué.