Mittwoch, 30. Juni 2010

Gern gespielt im Juni 2010

Was landete am häufigsten auf meinem Spieletisch? Was machte besonders viel Spaß? Und welche alten Schätzchen wurden endlich mal wieder ausgepackt?

AGRICOLA: Es ist Sommer! Das heißt, es kommen tatsächlich alte Schätzchen auf den Tisch.




LEVEL X: Es ist Sommer! Das heißt, die alten Schätzchen bringen uns ganz schön ins Schwitzen. Abkühlung verschafft ein unanstrengendes Würfelspiel.


DOMINION - DIE ALCHEMISTEN: Ich hatte gedacht, sämtliche Rückseitenkarten sämtlicher Editionen zusammenzumischen und beliebige zehn zu ziehen, würde nicht funktionieren. Aber es funktioniert - wie bedauerlich! Denn dies bedeutet: noch mehr Potenzial für noch mehr Partien...


RA - THE DICE GAME: Nachdem ich neulich an dieser Stelle schrieb, dass ich jedesmal gewinne, verliere ich jedesmal. Also gut: Ich widerrufe! Und mit dieser großen Geste habe ich - wie ich finde - verdient, ab sofort wieder regelmäßig zu gewinnen.


A LA CARTE: Während ich das Spiel erkläre, wende ich den Crêpe locker im ersten Versuch und erwerbe mir viel Respekt in der staunenden Bevölkerung. Im Spiel selbst beweise ich, dass Hunde, die bellen, nicht beißen.


EGIZIA: Nichts reimt sich auf Kn... ach nee, den hatte ich ja schon.




Samstag, 26. Juni 2010

Als ich noch kein Spieler war (4): Doppelkopf

Prolog:
Vor einigen Jahren, als ich bereits Spieler war, belegte ich beim Doppelkopfturnier in einem Jugendkulturzentrum mit großem Abstand den letzten Platz. - Was war geschehen?

Weil es ein Spaßturnier war, galten Spaß-Regeln. Beispielsweise die, dass man an jedem Tisch ein Pflichtsolo spielen musste. Fand ich ursprünglich eigentlich gar nicht so spaßig, aber dann bekam ich das Superblatt schlechthin: fünf Damen, Asse, Zehnen. Rundherum idiotensicher... sollte man meinen.

Ich spielte mein Pflichtdamensolo und freute mich schon auf den utopischen Punktesegen, insbesondere nachdem im ersten Stich auf meine Pik- von den Gegnern ebenfalls die Pik- und zweimal die Kreuzdame fielen. Besser ging es gar nicht. Alle weiteren Stiche würden jetzt zwangsläufig an mich fallen. Ich sagte „keine 90“ an und kurz darauf auch „keine 60“. Einen Stich später sagte ich „keine 30“. Und schließlich sagte ich „schwarz“.

Oh, und damit war leider alles verloren, denn die anderen hatten ja bereits einen Stich. Den hatte ich im Rausch des Triumphes großzügig schon wieder vergessen. Das unbedeutende Versäumnis zählte dreistellig Minuspunkte. Die begehrte Urkunde mit Plüschpuscheln dran war in unerreichbare Ferne gerückt.


Arno Schmidt schrieb einmal über sich, er sei ein Schriftsteller zweiten Ranges; besser zu werden hinderten ihn die biografischen Umstände. Und ganz verblüffend ähnlich ist es bei mir: Ich bin ein zweitklassiger Kartenspieler. Besser zu werden hinderten mich ebenfalls die biografischen Umstände...

Als ich sechs oder sieben Jahre alt war, traf sich meine Mutter regelmäßig mit zwei meiner Tanten zum ROMMÉ. Ich musste dann ins Bett. Was hart am Rande der Menschenrechtsverletzung war: Ausgerechnet als sich das mit Abstand spannendste Ereignis des Tages anbahnte, schloss man mich davon aus!

Ebenfalls nicht mitspielen durfte ich, wenn die Männer auf Familienfeiern SKAT droschen. Ein faszinierendes Spiel voller Emotionen. Mit rrrollenden Rrrrrs flogen Wörter wie „Trrrumpf!“, „Grrrand!“, „Contrrra!“ und „Rrre!“ durch die Stube, die Karten wurden mit Schmackes auf die Tischplatte gehauen, und rumms und bumms und hinterher gingen lautstarke Debatten los, wer wann welche Karte, und sag mal, warum haste denn nicht, und du hast doch keine Ahnung...!

Ich durfte immerhin die Punkte notieren. Ein bisschen was an Regeln schnappte man da auf und hin und wieder erklärten die Erwachsenen auch was, aber letztendlich kriegte ich SKAT und DOPPELKOPF von Gleichaltrigen beigebracht. Mal so nebenbei, während wir in der großen Pause auf unserem betonierten Schulhof standen.

„Street Doko“ würde man das heute vielleicht nennen. Ein guter Spieler war da bereits, wer die Farben korrekt bediente. Wer beim DOPPELKOPF sogar noch verstand, mit wem er zusammen spielte, galt als Profi.

Mittwoch, 23. Juni 2010

Kamisado

Manche Spielregeln sind echt umständlich. Das zeigt sich daran, dass sie das Spiel komplizierter erscheinen lassen als es ist. An solchen Regeln fällt immer wieder auf, wie umständlich sie doch sind. Zum Beispiel, weil sie permanent Dinge wiederholen, die längst klar sind. Das nennt man „Redundanz“. Und es wiederholt sich dann. Redundanz kann manche Regeln ziemlich umständlich machen. Vor allem übertriebene Redundanz. Es wiederholt sich dann nämlich alles. Die Umständlichkeit lässt sich sogar noch steigern, indem zugehörige Bildbeispiele in ein Beiheft ausgelagert werden. So etwas lässt das Spiel dann so richtig kompliziert erscheinen. Und man denkt sich: Mann, das nervt, wann geht es denn endlich los hier...?

Wie geht KAMISADO? Überraschend einfach. Sehr einfach! Ja, zur dreifach gehörnten überflüssigen Redundanz, es ist wirklich total einfach!!!
Jeder startet mit acht Figuren in einer Linie auf einem acht mal acht Felder großen bunten Brett. Ziel ist es, einen Stein auf die Grundlinie des Gegners zu bringen.
Wer eröffnet, zieht einen beliebigen seiner Türme gradlinig oder diagonal vorwärts auf ein freies Feld. Die Farbe des Feldes gibt an, mit welchem seiner Türme nun der Gegner ziehen muss. Und dessen Zielfeld wiederum bestimmt, welche Figur anschließend Spieler 1 zu versetzen hat. Und immer so weiter.

Was passiert? Eine Art Strategie will sich anfangs nicht so recht erkennen lassen. Man zieht wacker voran und guckt, was passiert. Irgendwer gewinnt. Meist kurz und schmerzlos.
Ein guter Ansatz scheint zu sein, gegnerische Figuren im Bewegungsspielraum zu beschneiden und ihnen bestimmte Zielfelder zu diktieren. Optimalerweise Felder mit solchen Farben, die einem sofort den Sieg bringen. Doch während man dabei ist, die Gegnerfiguren listig einzukesseln, merkt man womöglich nicht, wie man selber ebenfalls ziemlich bewegungsunfähig wird. Und schwupp, dem Mitspieler ist dies leider nicht entgangen... Zugzwang... verloren... noch mal!

Was taugt es? Niemand muss, um Spaß an KAMISADO zu haben, erst noch ein Schach-Diplom erwerben. KAMISADO lässt sich während der Lernphase gut aus dem Bauch spielen, eine Partie dauert nur wenige Minuten. Der Reiz stellt sich von Anfang an ein und nimmt auch bei tieferer Durchdringung nicht ab. Damit spielt KAMISADO in derselben Liga wie die besten Spiele der GIPF-Reihe. Letztendlich läuft es zwar nur darauf hinaus, Züge vorauszuberechnen und dabei nichts zu übersehen. Doch der Bewegungsmechanismus ist ungeheuer faszinierend.
Durch seinen Kampagnen-Charakter bleibt KAMISADO auch über mehrere Partien in Folge abwechslungsreich: Eine auf die Gegnerlinie durchgedrungene Figur wird zum Sumo befördert und folgt ab der zweiten Partie etwas geänderten Bewegungsregeln. Auf dieselbe Weise können auch Doppel- und Dreifach-Sumos entstehen und sorgen für neuerliche Variation.

KAMISADO von Peter Burley für zwei Spieler, Huch & friends.

Dienstag, 15. Juni 2010

Assyria

Es dauerte eine ganze Weile, bis ASSYRIA nach der Essener Messe 2009 erstmals auf meinen Spieltisch kam. Davor wiederholte sich immer dieselbe Prozedur: Ich bereitete die Regeln vor, aus irgendwelchen Gründen wurden andere Spiele gespielt, ich vergaß die Regeln wieder. Also bereitete ich die Regeln erneut vor, aus irgendwelchen Gründen wurden andere Spiele gespielt, prompt vergaß ich wieder alles. Und so weiter.
Exakt so sehen Warnhinweise auf Demenz im kritischen Stadium aus. Ebenso sehen aber auch Warnhinweise auf verkopfte Mechanismen ohne Spielgeschichte aus. – Und die Diagnose...?
REZENSIONEN FÜR MILLIONEN ist ein liberales Blog. Der Leser darf sich also seinen eigenen Reim auf das Geschehen machen. In diesem Artikel wird jedoch die zweitgenannte Interpretation weiterverfolgt, die mit den... äh, wie hieß das noch mal, den... ähm, dings...

Wie geht ASSYRIA? Häh... ASSYRIA?! Das Wort habe ich noch nie...
Ach, nein, jetzt weiß ich´s wieder: ASSYRIA verzahnt unheimlich viele Mechanismen.
Im Zeitraffer: Nach einer bestimmten Prozedur wählen die Spieler Karten, die unterschiedliche Sorten und Mengen Nahrung zeigen.
Die Nahrung benötigen wir, um unsere Siedlungen zu unterhalten. Mit Siedlungen wiederum expandieren wir und erhalten je nach Standort Siegpunkte oder Kamele. Und Kamele schließlich lassen sich auf verschiedene Weise einsetzen, um Nahrung zu kaufen oder kurz- oder langfristig weitere Siegpunkte zu bekommen.

Was passiert? Geht man die Partie endlich an, spielt sich ASSYRIA flüssiger als zu befürchten war. ASSYRIA ist weder besonders schwierig noch langatmig und steckt voller kleiner taktischer Entscheidungen. Genügend Wiederspielreiz für eins, zwei weitere Partien ist vorhanden. Dennoch ist eines absolut nicht erkennbar: eine Art Alleinstellungsmerkmal.

Was taugt es? ASSYRIA ist handwerklich eine runde Sache und als Mechanismen-Mix durchaus interessant. Bloß angesichts der Konkurrenz im Genre der Spielerspiele sind diese Eigenschaften inzwischen gerade mal besserer Standard. Um hier aus der Masse noch herauszuragen, fehlt entweder eine stimmige Spielgeschichte oder eine überwältigende Optik oder ein neuartiger Ablauf oder der besondere Funke Inspiration. ASSYRIA aber wirkt nicht inspiriert. ASSYRIA wirkt wie noch mehr vom Üblichen.

ASSYRIA von Emanuele Ornella für zwei bis vier Spieler, Ystari Games.

Freitag, 11. Juni 2010

Als ich noch kein Spieler war (3): Malefiz

In meinem Elternhaus gab es (zunächst!) nur sehr wenige Spiele. Meine Eltern spielten so gut wie gar nicht, und deshalb reichten eine Standard-Spielesammlung und ein MENSCH ÄRGERE DICH NICHT völlig aus. Doch nur eine Straße weiter wohnten Verwandte von mir, bei denen das Spielen nicht als reine Kindersache angesehen wurde. Hier machte jeder mit, und für mich als kleiner Knirps war das ein ganz besonderes Erlebnis.

Das Familienspiel schlechthin war MALEFIZ. Meine Tante musste meist ein bisschen überredet werden, weil sie eigentlich dies oder jenes zu tun hatte, doch sobald sie mitspielte, merkte man, dass sie es gerne tat. Und MALEFIZ war wirklich ein herrliches Ärgerspiel mit viel Geschrei und Debatten, wer denn nun wen herauswerfen sollte, das Hindernis wo hinstellen und wo auf keinen Fall.

Meist entstanden lange Barrikadenschlangen, Runde um Runde ging es nur noch voran, wenn jemand eine Eins würfelte. Manchmal arbeiteten auch zwei kollegial zusammen - bis einer eine Barrikade zwischen sich und seinen Partner schob oder oberfies den anderen von hinten meuchelte. In solchen Fällen geriet MALEFIZ an den Rande des Spielabbruchs.

Ein traditioneller Zug meiner Tante war, einen Hindernis-Stein direkt ins Ziel zu stellen. Manchmal stapelte sie dort sogar mehrere auf. Mein Cousin versuchte jedes Mal zu erklären, wie sinnlos dies sei, da man das Ziel sowieso mit exakter Würfelzahl erreichen müsse. Aber sie war nicht davon abzubringen.

Bekanntermaßen wird man als Kind von Erwachsenen dauernd hereingelegt; deshalb fürchte ich, das Ganze war ein perfider Trick, um das Spielende mittels Materialentzug zu beschleunigen. Denn Beschleunigung hatte MALEFIZ durchaus nötig. Wenn abends meine Mutter kam, um mich abzuholen, saßen wir oft noch mitten in einer Partie. Und dann konnte ich auf keinen Fall weg: Ach, bitte, bitte, bitte...!

Damals habe ich natürlich nicht über den Rand des MALEFIZ-Brettes hinausgedacht. Heute erkenne ich, dass man bettelnden Kindern nicht allzu oft nachgeben sollte. Die orientierungslosen Geschöpfe kommen sonst schnell vom rechten Pfad ab und wollen plötzlich ihr ganzes Leben lang nichts anderes mehr tun, als wieder und wieder MALEFIZ zu spielen. (Und ähnliches Zeug.) - Glaubt mir!

Mein Cousin und ich wären damals übrigens nie auf die Idee gekommen, Gelb oder Grün zu nehmen. Warum, zeigt das Brett:


Montag, 7. Juni 2010

Revolution!

Revolutionen stehen und fallen mit der Kontrolle über die strategisch wichtigsten Orte. In meiner Wohnung wären dies: Spieleregal, Kühlschrank, Toilette. Im Brettspiel geht es um Festung, Hafen oder Kathedrale. Wer hier die Mehrheit hält, räumt bei der Schlusswertung viele Punkte ab.

Wie geht REVOLUTION? REVOLUTION! ist ein Versteigerungsspiel mit ausschließlich verdeckten Geboten. Die stärkste Bietmarke ist eine Faust (Gewalt), die zweitstärkste ein Briefumschlag (Erpressung), die drittstärkste Geld. Jede Runde neu verteilt man seine Gebote auf bis zu sechs von zwölf Persönlichkeiten. Der Meistbietende erhält neue Bietmarken oder Punkte oder Einlass in eines der Gebäude oder mehreres davon. Bei Gleichstand bekommt niemand etwas.

Was passiert? Man bietet und guckt, was passiert. Und wieder. Und wieder. Und wieder. Trotz Abwechslungsarmut entwickelt sich eine gewisse Dramaturgie. Einerseits indem man herauszufinden versucht, wie die Mitspieler so ticken. Andererseits weil die Bietmarken gewisse Zyklen durchlaufen: Mit Briefen lassen sich gut Fäuste gewinnen, mit Fäusten Briefe. - Wann konzentriert man sich auf den Erwerb starker Bietmarken? Wann ist der Moment, alles zu verballern?

Was taugt es? Die meisten meiner Mitspieler mögen REVOLUTION! weniger als ich. „Zu willkürlich“ sagen sie. „Glücksabhängig.“ „Ungerecht“. Ich sage: Nicht jedes Spiel muss ein Strategiehammer sein, und REVOLUTION! täuscht immerhin keine falschen Tatsachen vor. Wer weiß, dass das gesamte Spiel aus verdeckten Geboten besteht, ist genügend vorgewarnt.
Manchmal geht die Schere zwischen Arm und Reich so schnell und so brutal auseinander, dass die Armen kaum noch weiterspielen mögen. In engen Partien wiederum kann während der finalen Runde eine einzige destruktive Apothekerinnen- oder Spion-Aktion alles entscheiden. Ganz zu schweigen davon, dass es sich bis zur finalen Runde oft etwas hinzieht.
Reichlich Gründe also, um REVOLUTION nicht zu mögen. Dennoch verspüre ich Spielreiz. Mit dem Wissen, welche Bietmarken die Konkurrenz besitzt, lässt sich taktieren. Über die Pläne der Konkurrenz lässt sich spekulieren. Und der Rest ist tatsächlich glücksabhängig und ungerecht. Na und? Ich würde REVOLUTION niemandem aufdrängen - so toll finde ich es nun auch wieder nicht -, aber mitspielen würde ich schon.

REVOLUTION von Philip duBarry für drei bis vier Spieler, Pegasus.