Donnerstag, 31. Mai 2018

Gern gespielt im Mai 2018

GANZ SCHÖN CLEVER: Ach du Schreck, nur noch neun Blätter! Dabei wollte ich doch noch einen neuen unschlagbaren Rekord aufstellen.


HELLAPAGOS: Ich verstehe jetzt, dass es Lebensumstände gibt, in denen man sich mit einer Pistole einfach besser fühlt.


MENARA: Villa nur bis zur achten Etage paletti.


THE RISE OF QUEENSDALE: Ich bin noch nicht fertig damit, denn aus den Materialresten der ersten beiden Spiele lässt sich durchaus noch ein drittes spielbares Exemplar zusammenflicken.


DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG: Der Buchstabe Q in Spieletiteln war bislang deutlich unterschätzt.


LUXOR: Mit zunehmender Partienzahl gewinnt es. Und ich auch. (Win-win sozusagen.)





Freitag, 25. Mai 2018

The Rise of Queensdale

Achtung, Spoiler: Diese Rezension enthält Spoiler.

Wie geht THE RISE OF QUEENSDALE? Es ist ein Legacy-Spiel. Wer nicht weiß, was das ist, möge bitte bei CHARTERSTONE nachlesen. In QUEENSDALE hat jeder Spieler fünf Würfel und darf sie entsprechend der erwürfelten Symbole einsetzen: entweder um Rohstoffe zu holen oder um Aktionen auszulösen.
Im Großen und Ganzen gibt es drei Wege, um an Siegpunkte zu gelangen: 1. Häuser bauen. Das kostet Rohstoffe. Häuser bringen diverse Vorteile und man nimmt sie mit in alle weiteren Partien. 2. Stimmung erhöhen. Aufstiege auf der Stimmungs-Skala bringen Siegpunkte und Rohstoffe. Welche und wie viele Rohstoffe es sind, bestimmen die „Produktionsgebäude“. Wer in Stimmung investieren möchte, sollte also solche Gebäude bauen. 3. Kräuter sammeln. Per Aktion rennt die eigene Kundschafter-Figur übers Spielbrett, um verdeckt liegende Kräuterplättchen zu erreichen und einzusammeln. Man erhält, was auf der Rückseite der Plättchen abgebildet ist. Für jede Kräutersorte, die man aufsammeln möchte, muss man allerdings erst mal (und in jeder Partie neu) die zugehörige Kräuterhütte errichten. Auch die Kräuterstrategie lässt sich durch bestimmte Häuser dauerhaft unterstützen.

Noch nichts los in Queensdale

Die erste Partie endet bei zehn Siegpunkten. Der Gewinner steigt um ein Level auf. Das bedeutet: Ab jetzt muss er 16 Punkte erreichen. Das klingt unmöglich, ist es aber nicht, da in Level 2 manche Errungenschaften mehr Punkte bringen als noch in Level 1.
So spielt man sich durch die Level, und wer das neunte siegreich beendet, ist Gesamtsieger. (Zu dritt war das bei uns nach 13, zu zweit nach 16 Partien der Fall. Zu viert dauert es mutmaßlich am längsten.)
Die Nicht-Gewinner erhalten Siegel: eine Währung, um Würfel-Aufkleber zu kaufen, die die Würfel verbessern.
Erreicht ein Spieler ein zuvor von noch niemandem erreichtes Level wird das Spiel durch neue Regeln und Gebäude erweitert. Ist dies nicht der Fall (weil beispielsweise in der zweiten Partie zwei weitere Spieler in Level 2 aufsteigen, aber niemand in Level 3), initiieren „Geschichtenkarten“ für die nächste Partie eine zusätzliche Aufgabe. Auf diese Weise gibt es nie Leerlauf. Und auch durch diese Aufgaben können sich Regeln dauerhaft verändern.


Was passiert? THE RISE OF QUEENSDALE fühlt sich – zumindest in den ersten zwei Dritteln – sehr gut an. Ereigniskarten, Kräuterplättchen und Würfelergebnisse bringen Überraschungen und Emotionen. Pausen entstehen nur, wenn diverse Regelsticker herauszusuchen und in die Anleitung zu kleben sind. Der Verlag hat die Sticker auf so wenige Bögen wie möglich gequetscht, was sicherlich Kosten gespart hat, beim Spielen jedoch nervt.
Ansonsten ist alles wunderbar im Fluss. Kaum eine Entscheidung dauert länger, Partien sind meist in unter einer Stunde abgewickelt, im Regelfall spielt man mehrere am Stück. THE RISE OF QUEENSDALE ist episch wie eine Fernsehserie, die immer weiter und weiter und weiter geht. Nicht jede einzelne Folge bringt gigantische Höhepunkte, aber das Schöne ist eben, dass es nicht aufhört und sich anders als übliche Spiele in aller Ruhe entwickeln und Umwege nehmen darf.
Auf das, was kommt, kann man sich trotz nebulöser Vorankündigungen nur mittelmäßig gut vorbereiten. Man muss es hinnehmen und das Beste daraus machen. Man kann sich Strategien überlegen, lebt aber in der Ungewissheit, ob kommende Ereignisse diese Strategien behindern oder gar zerstören werden.
Dass auch viel Glück im Spiel ist, zeigt dieses Erlebnis: Ein Ereignis verfügte, dass mit den Kräutersammlern Brücken aufgesucht werden sollen. Wer dort ankam, durfte sich eine Belohnung aussuchen. Ein Mitspieler stand schon auf der Brücke und wählte zwei Siegpunkte. Aufgrund seines Berufes bekam er sogar drei: drei von zehn Punkten also, ohne einen Finger zu krümmen. Natürlich wären auch alle anderen Spieler gerne zu den Brücken geeilt, doch: Es gab keine Gelegenheit mehr. Schon einen Spielzug später kam ein neues Ereignis und hob das alte auf.
Apropos Beruf: Die Charakterentwicklung (fast nicht vorhanden) und die Geschichte (so nett sie auch geschrieben ist) gehören sicher nicht zu den Stärken von QUEENSDALE. Die Geschichte wirkt auf mich zwar weniger peinlich als die in CHARTERSTONE, sie belästigt die Spieler auch nicht mit Pseudo-Entscheidungen, dennoch ist es eine typisch austauschbare Eurogame-Geschichte, die in einer typisch austauschbaren Eurogame-Mittelalter-Welt spielt. Das Spiel braucht die Geschichte nicht, sie ist nur das Gewand.
Es sind andere Qualitäten, die die Spieler in QUEENSDALE bei der Stange halten: der gute Flow, das epische Erlebnis, das Gefühl, schön langsam etwas wachsen zu sehen, der interessante Würfelmechanismus. Am allerbesten gefällt mir das (trotz DICE FORGE noch längst nicht verbrauchte) Element, seine Würfel individuell gestalten zu können. Man hat Trost-Siegel bekommen, geht in den Krämerladen und kauft sich eine schöne neue Würfelseite. Ob man sie je würfelt, steht auf einem anderen Blatt. Aber es ist toll, sie zu haben.
QUEENSDALE wirkt sehr durchdacht. Es ist dafür gesorgt, dass zurückliegende Spieler aufholen können, ohne dass es für die Führenden willkürlich wird. Es ist dafür gesorgt, dass immer etwas zu tun ist und immer ein bisschen was anderes. Es gibt Überraschungen und Gags. Und es ist sogar so viel vorbereitet, dass man in einer Kampagne nur einen Bruchteil dessen erleben wird. Irritierend viel Material wird verbraucht, manches kommt nie zum Einsatz, manche Optionen werden von den Spielern nie genutzt.
Nach meiner ersten Kampagne zu dritt hatte ich das Gefühl, einiges verpasst zu haben. Deshalb war ich sehr neugierig auf eine zweite Kampagne. Hier kamen einige Elemente mehr ins Spiel, trotzdem längst noch nicht alle. Zu meiner Beruhigung habe ich dennoch erfahren: Etwas zu verpassen, ist nicht schlimm. Alles, was muss, kommt garantiert; der Rest sind nur Kann-Optionen.


Was taugt es? Der Knackpunkt des Spiels kommt gegen Ende. Ich habe hier zwei Varianten erlebt, beide waren unbefriedigend.
Etwa in der Mitte der Partie beginnt eine böse Zeit mit Rückschritten und Einschränkungen. In meiner ersten Kampagne wurde der bis dahin führende Spieler als Folge der Geschehnisse über mehrere Partien fast komplett aus dem Spiel genommen. In meiner zweiten Kampagne ging alles friedlich vonstatten. Jetzt aber trudelte QUEENSDALE drei, vier Partien lang unspektakulär aus.
Normalerweise würde ich ein Spiel an dieser Stelle wieder und wieder testen. Denn nach zwei Erlebnissen kann ich schlichtweg nicht sagen: Ist das nur blöd gelaufen? Und vor allem: Hätte der so übel abgestrafte Spieler sich besser vorbereiten können / sollen / müssen, und dann wäre das nicht passiert?
Bei einem Legacy-Spiel stößt das Testen allerdings an Grenzen. Ich kann nur sagen: Es ist passiert. Und danach fühlte sich das Spiel nicht mehr so gut an wie vorher. Vorher aber war es gut.


***** reizvoll

THE RISE OF QUEENSDALE von Inka und Markus Brand für zwei bis vier Spieler, alea.

Dienstag, 22. Mai 2018

Vor 20 Jahren (62): Siedler – Städte und Ritter

Gleich mal vorweg: Ich war’s nicht!

Klar, ich kann und will gar nicht abstreiten, dass ich mit von der Partie war, also rein rechtlich durchaus als Beteiligter gelten kann. Aber die Sache war nicht meine Idee – obwohl die Idee mit Spielen zu tun hatte und mit sehr, sehr lange Spielen, also grundsätzlich eine dieser Ideen war, auf die ich üblicherweise auch gerne komme.

Der Vorschlag kam beim gemeinsamen Abendbrot und er lautete: „Hey, lasst uns doch die ganze Nacht durchspielen und direkt danach zur Arbeit fahren.“ Als Hardcorespieler zuckte ich natürlich mit keiner Wimper. Denn … äh … ich musste am nächsten Morgen nicht zur Arbeit, nur die beiden anderen. Und ehrlich gesagt: Sonst hätte ich auch gekniffen. Tief in meinem Inneren bin ich nämlich gar nicht der Hardcorespieler, als der ich mich so gerne darstelle. Außer spielen muss ich gelegentlich auch mal schlafen.

Diese Geschichte von zwei Hardcore-Spielerinnen und einem, der nur so tat, als ob, spielt im Mai vor 20 Jahren. Und in der alten Heimat. Der hatte man zwar den Rücken gekehrt, ließ sich aber wenigstens zu den wichtigsten Feiertagen (Weihnachten und Straßenfest) mal blicken. Zu Weihnachten traf man dann sehr alte Bekannte, auf dem Straßenfest die weniger alten. Und möglicherweise verabredete man sich für den Sonntag nach dem Fest zum Spielen.

Es begann im Garten eines unserer Elternhäuser ganz harmlos mit ein paar Runden LIGRETTO. Es war warm, die Sonne schien, und eine Analyse des Fotos von damals ergibt, dass ich vermutlich nicht gewonnen habe. Ganz der Anfänger, hatte ich mich an den Kopf des Tisches gesetzt, und den anderen damit die Möglichkeit eröffnet, Kartenstapel „im Eifer des Gefechts“ so auszulegen, dass ich schlecht rankam. Und jede Wette: So wurden sie gelegt. So hundsgemein das ist: Der Hund hat meiner Erinnerung nach trotzdem nicht mitgespielt und ist nur zufällig im Bild.


Der Nachmittag wechselte zu Abend. Wir wechselten ins Haus und zu DIE SIEDLER VON CATAN – STÄDTE UND RITTER. Ich besaß diese Erweiterung nicht und habe sie auch nie gekauft. Was aber nicht heißen soll, dass ich sie nicht mochte. Nur begann schon damals diese Not, dass immer weniger Spielzeit übrigblieb, um Spiele früherer Jahrgänge zu pflegen. Und so ging auch bei SIEDLER der Trend dahin, es ohne viel Brimborium nur noch in der Basisversion zu spielen.

So weit, so gut. Was statt eines Höhepunktes meine Geschichte im Ausklang ein bisschen zerfleddert: Ich kann nicht mehr sagen, wie viele Partien wir spielten und wie sie ausgegangen sind. Ich erinnere mich an keine speziellen Begebenheiten. Ich weiß auch nicht mehr genau, bis wie viel Uhr wir durchhielten und was es hinterher zum Frühstück gab. Sämtliche Details sind futsch. Geblieben ist nur die Scham: Verdammt, da waren zwei, die beim Spielen noch krasser drauf waren als ich! Eigentlich sollte ich das echt nicht erzählen, aber ich kann es nicht mehr länger mit mir herumtragen. Ich möchte Beichte ablegen.


Donnerstag, 17. Mai 2018

Ganz schön clever

Wie geht GANZ SCHÖN CLEVER? GANZ SCHÖN CLEVER ist eine weitere Spielart des durch QWIXX sehr populär gewordenen Prinzips, alle Mitspieler an den Würfelwürfen des aktiven Spielers teilhaben zu lassen. Originell ist die Art, wie die Würfel den Mitspielern zugeteilt werden: Der Würfler würfelt zunächst mit sechs farbigen Zahlenwürfeln und nutzt exakt einen davon. Alle mit kleinerer Augenzahl gehen sofort in den Pool für die Mitspieler. Dasselbe nach dem zweiten und nach dem dritten Wurf. Sollten dann noch Würfel übrig sein, gehen sie ebenfalls an die Mitspieler.
Die Mitspieler wählen also aus den drei vom aktiven Spieler verschmähten Würfeln mit üblicherweise niedrigen Augenzahlen. Hohe Augenzahlen sind in GANZ SCHÖN CLEVER meist besser, da leichter einzusetzen.
Für jede der Farben (Weiß ist die Jokerfarbe) haben die Spieler auf ihrem Block einen Bereich, um dort Kreuze zu setzen oder Zahlen einzutragen. Alle Bereiche sind miteinander verknüpft. In Gelb kann ich mir Fortschritte für Blau, Orange und Grün erspielen, in Grün für Blau und Violett. Jeder Bereich folgt zudem anderen Regeln und jeder Bereich bringt Punkte. Meistens steigen sie bei überdurchschnittlichem Engagement stark an, was für Extremstrategien spräche. Allerdings kann man sich auch „Füchse“ freischalten. Und weil jeder Fuchs am Schluss so viele Punkte zählt wie der schlechteste Bereich, legt das nun wieder Ausgewogenheit nahe.


Was passiert? GANZ SCHÖN CLEVER ist ein Kennerspiel. Es gibt recht viele Regeln, an die ich meine Mitspieler gelegentlich auch wieder erinnern muss. Am Anfang hat man kaum eine Vorstellung, was man da eigentlich tut und worauf das Ganze hinauslaufen soll. Der Reiz offenbart sich nicht unbedingt schon in der ersten Partie.
Auch können die Wartezeiten lang werden, besonders zu viert, besonders gegen Ende. Denn zu diesem Zeitpunkt haben sich die Spieler mehrere Möglichkeiten freigeschaltet, um Würfe wiederholen zu dürfen. Im Finale werden die Würfel besonders gründlich durchgecheckt, alles abgewogen, Würfe wiederholt, und anschließend das Ganze noch mal und noch mal. Im Rahmen eines Kennerspiels finde ich die Wartezeiten vertretbar. Für das Spielerlebnis ist es allerdings besser, die Lernpartie nur solo oder zu zweit zu spielen.
Die Überlegungen, welchen Würfel ich nutzen sollte, fühlen sich neuartig an und sind nicht trivial. Welcher Würfel an sich mir am besten in den Kram passen würde, ermittle ich meistens noch recht leicht. Aber da sind ja obendrein die Umstände: Will ich im ersten Wurf unbedingt den Gelben und muss dafür drei andere in den Pool schieben, schränkten sich die Möglichkeiten für die Würfe zwei und drei beträchtlich ein. Und möglicherweise wäre ausgerechnet der violette Würfel futsch, den ich besonders gerne weiter dabeigehabt und bei passender Augenzahl noch später eingesetzt hätte.
Es geht also nicht nur darum, was ein Würfel mir direkt bringt. Sondern auch um das Opfer, das ich bringen muss, um ihn zu nehmen, oder das Risiko, das ich dabei eingehe. Und falls ich kann, achte ich natürlich auch darauf, dass ich meinen Mitspielern nichts allzu Gutes überlasse.
Es macht viel Spaß, GANZ SCHÖN CLEVER zu erforschen, die Wechselwirkungen der Farben zu erfahren und sich Strategien zurechtzulegen. Das System ist komplex genug, dass man es nicht sofort durchschaut und ein paar Feinheiten kluger Ankreuztechniken erst nach und nach erfährt. Gleichzeitig folgt es einfachen Prinzipien. Die Lernkurve ist deshalb hoch. Dies zusammen mit dem Zufall der Würfelzahlen sorgt für viele knifflige Abwägungen und viel Spannung.

Was taugt es? Gut, dass der beiliegende Aufschreib-Block recht viele Blätter enthält. So kann ich immer noch ein paar Partien spielen. Zu meiner eigenen Überraschung bin ich beständig scharf darauf, obwohl ich schon seit etlichen Partien keinen großen Strategiewechsel mehr vollzogen habe. Der Ehrgeiz, vielleicht noch ein paar Pünktchen herauszukitzeln, bleibt trotzdem konstant hoch. GANZ SCHÖN CLEVER vermittelt sehr clever das Gefühl, vieles in der eigenen Hand zu haben und mit ein klein bisschen Glück nächstes Mal noch etwas besser abzuschneiden.


****** außerordentich

GANZ SCHÖN CLEVER von Wolfgang Warsch, für einen bis vier Spieler, Schmidt.

Montag, 14. Mai 2018

Vor 20 Jahren (61): Auswahlliste 1998

Leider nicht ganz die Original-Auswahlliste, weil ich CAESAR & CLEOPATRA dummerweise immer noch verliehen habe.

Heute ist der Tag, an dem die Jury Spiel des Jahres ihre Empfehlungs- und Nominierungslisten 2018 bekannt gibt. Deswegen liest wahrscheinlich sowieso niemand hier. Die Jury-Entscheidungen 2018 sind zweifellos spannender als die Jury-Entscheidungen 1998. Ich habe Verständnis.

Aber wenn meine Retro-Kolumne dran ist, ist sie eben dran. Und das ist heute. Hart gegen meine Leser und mich selbst, kann ich auf tagesaktuelle Ereignisse keine Rücksicht nehmen.

1998 war das erste Jahr, in dem ich sämtliche Spiele der Auswahlliste (so hieß sie damals noch) schon vor der Veröffentlichung der Liste gespielt hatte. Ich konnte mir also auf die Schulter klopfen und mir selber bestätigend zunicken, wie gut ich mich auskannte. Mehr war nicht drin, denn leider gab es noch nicht die tollen Austauschmöglichkeiten im Internet wie heute. Meine Teilnahme am öffentlichen Diskurs beschränkte sich notgedrungen darauf, den Kommentar von Frank Kersten in der Fairplay 44 zu lesen und an einigen Stellen zu nicken, an anderen nicht.

Falls grad nicht jeder präsent hat, was damals von der Jury ausgewählt worden war:
DIE MACHER
EUPHRAT & TIGRIS
TYCOON
ELFENLAND
BASARI
DURCH DIE WÜSTE
CANYON
CAESAR & CLEOPATRA
TONGA BONGA
MINISTER
GIPF
DAVID & GOLIATH

Und weil ich damals nicht konnte, hier nun nachträglich mein öffentlicher Tipp für das Spiel des Jahres 1998: Es wird natürlich ELFENLAND.
Warum? Darum. Ich hab’s einfach im Gefühl.

Ob ich 1998 einen Favoriten hatte: Ich weiß es nicht mehr. Ich glaube, 1998 war ich in der Frage, welches Spiel gewinnen sollte, eher leidenschaftslos. Außer ELFENLAND spielte ich auch gerne und häufig DIE MACHER; EUPHRAT & TIGRIS, DURCH DIE WÜSTE, CAESAR & CLEOPATRA und GAMBLER. Dass DIE MACHER und EUPHRAT & TIGRIS nicht gewinnen würden, war mir klar. Dass GAMBLER nicht gewinnen würde, war mir nach Listenveröffentlichung ebenfalls klar. Oder ich hatte zumindest ein sehr deutliches Gefühl. (Siehe oben.)

Was hat sich in den 20 Jahren seitdem verändert? Einiges. Aber eins nicht: Auch 2018 habe ich schon alle Spiele der Empfehlungsliste gespielt. (Haha.) Anders als 1998 muss ich mittlerweile jedoch sehr intensiv darüber nachdenken, welches Spiel den Preis erhalten sollte. Und mit öffentlichen Tipps halte ich mich lieber zurück. Nur so viel: ELFENLAND wird es diesmal nicht. Sagt mir mein Gefühl.


Mittwoch, 9. Mai 2018

Safehouse

SAFEHOUSE ist keine Literaturverspielung – was mich aber nicht gehindert hat, anlässlich SAFEHOUSE im Editorial der aktuellen SPIEL DOCH! zu erklären, was Literaturverspielung ist, und zu zeigen, wie es geht. [Dies war eine Werbeeinleitung.]

Wie geht SAFEHOUSE? Wir laufen weg und werden verfolgt. Weil wir im Team spielen, ist „Wir“ nur eine einzige Figur (die hellblaue). Unser Verfolger ist – natürlich – schwarz. Holt er uns ein, haben wir verloren.
Vorwärts geht es, indem wir Aufträge erledigen. Beispielsweise könnte einer besagen, dass wir zwei pinkfarbene und zwei blaue Karten spielen müssen. Zur Belohnung darf unsere Figur dann drei Felder weit ziehen. Allerdings müssen wir die Farbkarten so spielen, dass die Zahlenwerte innerhalb der Folge nicht absteigen. Und wir dürfen beim Kommunizieren über unsere Blätter THE-GAME-mäßig keine konkreten Zahlenwerte nennen.

Der Verfolger rückt vor, wenn wir bestimmte Felder betreten, wenn wir (alle zwei Minuten) die Sanduhr umdrehen müssen und vor allem wenn jemand eine der Verfolgerkarten vom Stapel zieht. Die funktionieren wie Epidemien in PANDEMIE. Man muss sie sofort ausführen: Der Verfolger rückt ein bis drei Felder vor oder so viele, wie Aufträge ausliegen, oder sogar Aufträge-viele plus eins.
Wer am Zug ist, kann Aufträge spielen, an Aufträge anlegen und Karten abwerfen. Am Ende zieht man bis zum Handkartenlimit nach.
Das Spiel spielt originellerweise nicht auf einem handelsüblichen Spielplan, sondern in einem Buch mit dicken Pappseiten. Sind wir am Ende einer Laufskala angekommen, wird umgeblättert. Die hellblaue Figur kommt aufs Startfeld des nächsten Kapitels. Der Bösewicht wird entsprechend seines aktuellen Abstandes hinter uns platziert. Außer der Abstand ist schon recht groß. Dann kommt der Bösewicht auf sein – ich nenne es mal – Mindest-Startfeld und hat durch das Umblättern aufgeholt. Im letzten Kapitel klappt zwischen den Buchseiten ein Pop-up-Gebäude auf, was ein schöner Effekt ist, aber leider nur Show, denn einigen Spielern wird nun die Sicht auf die Figuren versperrt.


Was passiert? Wenn Gruppen SAFEHOUSE verlieren, liegt dies (außer an Pech) üblicherweise an einem dieser Faktoren:
1. Es werden zu viele Karten abgeworfen. Diesen Fehler begehen vor allem weniger geübte Spieler. Sie denken, sie müssten jederzeit passende Werte besitzen, und übersehen, dass durch das häufige Nachziehen auch schneller Karten auftauchen, die den Bösewicht bewegen.
2. Die Gruppe kommuniziert zu wenig. Egal ob Anfänger oder Fortgeschrittene: Immer wieder gibt es Spieler, die auch in Koop-Spielen nicht kooperieren. Ohne Rücksprache legen sie irgendwelche Aufträge aus. Und völlig überraschend zeigt sich dann, dass niemand die Karten besitzt, um diese Aufträge zu erfüllen. Je mehr Aufträge unerledigt rumliegen, desto schneller läuft der Bösewicht.
3. Es wurde umgeblättert. Ja, natürlich, man muss umblättern. Und man will umblättern. Sonst entkommt man nicht. Und so schnell wie möglich durch die Seiten zu hetzten, scheint auch thematisch völlig richtig zu sein. Taktisch ist es dennoch nicht immer richtig, weil ein Riesenvorsprung mitunter auf fünf oder sechs Felder eingedampft wird.
Klar, das stellt auch bei großem Vorsprung die Spannung wieder her. Jedes Umblättern kostet etwas Zeit, ein paar Verwaltungsarbeiten sind erforderlich, und wenn man nun in dieser Situation die Sanduhr drehen muss und rasch eine oder zwei Verfolgerkarten zieht, kann das aus heiterem Himmel das Ende bedeuten.
Kluge Gruppen lassen deshalb kurz vor dem letzten Schritt auf der Skala absichtlich die Sanduhr durchrieseln und werfen ein paar Karten ab, um die nächste Verfolgerkarte noch gefahrlos im aktuellen Kapitel abzuarbeiten. Um die Chancen zu optimieren, wird man in SAFEHOUSE zu antithematischen Spielhandlungen gezwungen.


Was taugt es? SAFEHOUSE kommt in meinen Spielrunden teilweise überragend gut an, vor allem bei Menschen, die weder THE GAME noch PANDEMIE kennen und das Gefühl haben, etwas völlig Neuartiges zu spielen. SAFEHOUSE initiiert lebhafte Diskussionen; die Mischung der beiden Spielkonzepte ist stimmig, sehr spannend und sogar für geübte Spieler herausfordernd. Wer durch den Namen Fitzek angelockt wird, gerät zwar an einen überraschend schwierigen, aber sehr würdigen Vertreter dessen, was Spiele können.
Allerdings finde ich, dass SAFEHOUSE die Spieler etwas an der Nase herumführt und künstlich Komplexität erzeugt, indem es allen Fluchtgewohnheiten zum Trotz gelegentliches Trödeln honoriert.
Auch vom Material bin ich nicht komplett überzeugt: Die Seite mit dem Safehouse klappt (auch in der zweiten Auflage) von alleine wieder zu. Und die Chips, die ab der zweiten Schwierigkeitsstufe zum Einsatz kommen, zeigen, dass der Grafiker nicht genügend gebrieft wurde, worauf es in Spielen ankommt: Klarheit und Funktionalität. Die Chips sollen während der Flucht nach bestimmten Regeln angeordnet werden. Sehr viel Zeit und Nerven gehen allerdings schon dabei drauf, die kleinen Bildchen überhaupt voneinander zu unterscheiden.


**** solide

SEBASTIAN FITZEK. SAFEHOUSE von Marco Teubner für zwei bis vier Spieler, moses.

Sonntag, 6. Mai 2018

10 Jahre Rezensionen für Millionen

Am 6. Mai 2008 ging auf REZENSIONEN FÜR MILLIONEN die erste Rezension online. Mit anderen Worten: Diese Seite gibt es nun seit zehn Jahren. In dieser Zeit hat sich einiges verändert: Unser Hobby boomt. Diverse Blogs sind entstanden, diverse Youtube-Kanäle; alle mit dem wunderbaren Zweck, über Brettspiele zu fachsimpeln.

Braucht es da noch REZENSIONEN FÜR MILLIONEN? Hm. Mir liegen keine Zahlen vor, aber ich habe den Eindruck, dass Video-Kanäle und auch Podcasts derzeit mehr Echo hervorrufen als das geschriebene Wort. Die Zukunftsfrage beantwortet sich für mich dennoch ganz leicht: Solange es mir Spaß macht, werde ich weiterschreiben.

Dass es mir weiterhin viel Spaß macht, liegt an den vielen Spielen, die mir Spaß machen. Den soliden, den reizvollen, den außerordentlichen, den genialen. Wir leben in einer Spiele-Ära, die zum Glück nicht stehenbleibt und viel Erfrischendes und Originelles hervorbringt. Mein Dank dafür gilt allen Beteiligten, die so viel Herzblut hineinstecken: Autoren, Grafiker, Redakteure, Verleger ...

Seit zehn Jahren ist in meiner Blog-Beschreibung zu lesen, dass ich fast alles kenne und fast alles habe. Das stimmt aber immer weniger. Eigentlich müsste der Text seit Jahren erneuert werden, nur bin ich kein Freund schneller und überstürzter Veränderungen. Außerdem liest sich die Präambel so wunderbar arrogant, deshalb kann ich mich schwer von diesem Relikt trennen.

Fakt ist aber: Man kann heute gar nicht mehr alles kennen. Meine Grenzen ziehe ich an zwei Stellen: Ich warte ab, bis Spiele auf Deutsch erscheinen. Und ich warte ab, bis sie im Handel erscheinen. Exklusive Kickstarter-Spezialitäten reizen mich gar nicht. Mir ist bewusst, dass ich damit genau solche Spiele ausklammere, die von anderen als der heiße Scheiß schlechthin gehandelt werden. Möglicherweise ist diese Grenzziehung eine Frage des Alters. Man wird geduldig. Man kann abwarten ohne die Sorge, irgendetwas Unwiederbringliches zu verpassen. Und man mag es bequem. Ich jedenfalls möchte Spiele lieber in meiner Sprache und nach redaktioneller Bearbeitung spielen.

Auch sonst wird hier nichts überstürzt verändert. Wie einige wissen dürften, arbeite ich seit 2015 nicht nur für die spielbox, sondern auch für die unerhört gute SPIEL DOCH! Seitdem gilt noch mehr: REZENSIONEN FÜR MILLIONEN ist ein Hobbyprojekt. Es kann Phasen geben, in denen hier notgedrungen gar nichts passiert. Ende 2015 / Anfang 2016 war so eine. Und es könnte sich jederzeit wiederholen.

Ich werde auch weiterhin darauf achten, meinen Printartikeln möglichst wenig Konkurrenz zu machen. Was in der spielbox steht, wird hier nicht stehen. In meinem Blog beschränke ich mich zudem auf einen knappen, zierlosen Besprechungs-Stil. Und ich veröffentliche fast ausschließlich Rezensionen. Recherchierte Berichte, Porträts und so weiter möchte ich nicht kostenlos ins Netz stellen. Jedoch sicherlich weitere Geschichtchen, was vor 20 Jahren passiert ist – vielleicht ebenfalls eine Folge des Alters: Man wird rückwärtsgewandt und mitteilsam. Aber auch das macht Spaß.

Mittwoch, 2. Mai 2018

Santa Maria

Roland Kaiser gelangte mit „Santa Maria“ in die Charts, Christoph Kolumbus nach Amerika. Auf eine dieser beiden Begebenheiten nimmt SANTA MARIA Bezug. Rein spielerisch würde man kaum erraten, auf welche.

Wie geht SANTA MARIA? Wir optimieren mal wieder. Jeder Spieler besitzt ein sechs mal sechs Felder großes Gebiet mit zunächst viel Leerfläche und wenig Land. In die Zeilen und Spalten dieses Rasters lässt man entsprechend ihrer Augenzahlen Würfel hineinlaufen, Fünfen also beispielsweise in Zeile oder Spalte 5. Alle Felder, die der Würfel dabei überquert oder erreicht, werden aktiviert. Auf dem letzten aktivierten Feld bleibt der Würfel liegen und versperrt dieses für den Rest des Durchgangs.
Je mehr Plättchen ich erwerbe, um mein Raster mit Landfeldern zu füllen, desto mehr Aktivierungen bringen mir die Würfel. Weil wir uns aber aus einem gemeinsamen Würfelpool bedienen, könnten die für mich besten Würfel vergriffen sein, wenn ich zu viele andere Aktionen vorschalte. Zwar darf ich unpassende Augenzahlen auf passende drehen, aber das kostet Geld, und Geld ist wie alle Ressourcen knapp. Zudem darf man mit Geld gezielt einzelne Felder des eigenen Rasters aktivieren, weshalb man für diesen Zweck seine Münzen gerne beisammen hält.
Aktivierungen bringen vor allem Rohstoffe. Oder sie bringen Schritte auf zwei Skalen. Oder sie erlauben den Schiffskauf. Schiffe kosten Rohstoffe. Je mehr Schiffe ich besitze, desto mehr Ressourcen und Spielfortschritte bekomme ich, wenn ich passe und damit aus einem der drei Durchgänge aussteige.


Was passiert? Pro Durchgang stehen mir mindestens vier, im späteren Spielverlauf üblicherweise sechs Würfel zur Verfügung. Aus diesen Würfeln will ich das Maximum herauspressen. Die Würfelzahlen stehen schon zu Beginn des Durchganges fest. Die Planung kann beginnen.
Ist nur eine Eins im Pool und keine Zwei und könnte ich diese Eins gut gebrauchen, sollte ich mir überlegen, sie sofort zu nehmen. Sonst bleibt mir nur eine suboptimale Drei, die ich mit zwei Geld zur Eins umrüsten müsste. Liegen hingegen vier Einsen da, besteht noch kein Handlungsbedarf. Da offenbar mindestens eine Eins an mich gehen wird, kann ich erst mal Spalte eins ausbauen.
Also: In SANTA MARIA muss man durchaus beachten, was die Mitspieler gerade tun oder tun könnten. Außer um Würfel konkurrieren wir auch um die knappen Landschaftsplättchen und um Schiffe; zudem liefern wir uns auf einer der beiden Skalen ein Wettrennen um ziemlich viele Punkte.
Mehr noch aber tüftele ich für mich allein. In welcher Reihenfolge setze ich die Würfel ein, damit sie viel bringen, sich aber gegenseitig nicht behindern und ich obendrein möglichst wenig an den Zahlen herumdrehen muss? Will ich mir bevorzugt Holz / Getreide holen, um Landschaftsplättchen zu erwerben? Oder gehe ich auf viele Schiffe? Wir schnell schalte ich mir zusätzliche Eigenschaften frei (und welche?) und hole mir meine Zusatzwürfel?
Nebenbei: Da es ein Würfelspiel ist, gibt es natürlich auch einen Glücksfaktor. Die Zahlen können besser oder schlechter für mich fallen.


Was taugt es? Die anzustellenden Überlegungen in  SANTA MARIA sind spannend und interessant. Das Spiel fühlt sich dicht an, etliches ist miteinander verwoben. SANTA MARIA hat verschiedene Stellschrauben, um variabel zu bleiben. Und es gibt mehr als nur eine erfolgreiche Vorgehensweise. Die Spielregeln sind schnell erlernt; wir befinden uns hier noch auf Kenner-, nicht auf Expertenniveau.
Eine Spielgeschichte erzählt SANTA MARIA nicht. Es ist einfach nur mal wieder was mit Rohstoffen und Skalen; typisch Eurogame also, zumal am Ende auch mal wieder Punkte für dieses und jenes ausgeschüttet werden.
Die Art und Weise, wie Würfel Felder aktivieren (nämlich reihenweise), ist trotzdem ein frischer und herausfordernder Dreh, der über mehrere Partien hinaus fasziniert und Spaß macht. Mein Daumen ginge deutlicher nach oben, störten mich nicht zwei Dinge: Erstens halte ich SANTA MARIA in Teilbereichen für überladen.
Für meine Begriffe genügte es für ein gutes Spielgefühl völlig, die Plättchen so anordnen zu müssen, dass sie optimale Rohstofferträge und Spielfortschritte erwirtschaften. In SANTA MARIA aber können Aufgaben ins Spiel kommen, die bestimmte Landschafts-Konstellationen in den Reihen und Spalten honorieren; nur so der abstrakten Konstellation wegen. Für das Spiel bringt das wenig, verlängert aber massiv die Grübelzeiten.
Obendrein sind diese Aufgaben grafisch schlecht unterstützt. Was man da auf welche Weise kombinieren soll, ist nicht so leicht zu erkennen. Womit ich beim zweiten Punkt bin: SANTA MARIA ist grafisch nicht auf der Höhe der Zeit. Die Illustrationen finde ich störend hässlich, und sie sind nicht einmal funktional: Die Landschaftsplättchen greifen die Symbolik der Aufgabenkarten nicht auf, Rohstoff- und Aktionssymbole gehen in den Landschaften unter, Anschlüsse auf den Plättchen deuten Verbindungen an, obwohl dort ganz im Gegenteil Wege unterbrochen werden.
Wir leben in einer glücklichen Zeit vieler guter herausfordernder Eurogames. Um da noch über dem Durchschnitt zu sein, muss alles stimmen, nicht nur vieles. In SANTA MARIA stimmt vieles.


**** solide

SANTA MARIA von Kristian A. Østby und Eilif Svensson für einen bis vier Spieler, Pegasus Spiele.