Oh, das wird jetzt eine dieser Rezensionen, in denen ich irgendwie versuchen muss, mir das Wort „irgendwie“ zu verkneifen. Und das wird schwer, denn irgendwie finde ich NOBLEMEN nicht so richtig supertoll, aber die genaue Ursache lässt sich irgendwie recht schwer benennen. Eigentlich hat NOBLEMEN recht vieles von dem, was ein gutes Spiel normalerweise ausmacht.
Wie geht NOBLEMEN? Wir sind total adlig. Und wollen sogar noch adliger werden. Als Baron startend, können wir bis zum Herzog aufsteigen. Neue Posten werden auf den sechsmal stattfindenden Maskenbällen vergeben. Wer dort das meiste Prestige vorweist, kriegt die höchsten Titel und somit auch die meisten Punkte.
Mit Plättchen, die Park, Acker, Wald oder Wiese zeigen, baut sich jeder sein kleines Reich. Parks bringen Prestige, Äcker bringen Geld, Wald bringt neue Plättchen. Wiesen bringen gar nichts, aber nur dort dürfen Gebäude gebaut werden: Nämlich Paläste fürs Prestige, Kirchen für Aktionskarten und Burgen, um mit ihrer Raubritter-Funktion die Mitspieler zu ärgern. Dreimal im Spiel zählen die Gebäude überdies Punkte.
Wer am Zug ist, darf genau eine von sieben möglichen Aktionen ausführen und zusätzlich noch eine Karte spielen. Meistens legt man drei Plättchen an oder baut ein Gebäude. Dreimal im Spiel (einmal pro Dekade) darf man Steuern erheben und Land gewinnen. Dann bekommt man für jeden seiner Äcker Geld bzw. für jeden Wald ein Plättchen. Speziell diese Aktionen müssen gut getimt sein. Man zögert das Abkassieren gerne heraus, damit es sich richtig lohnt, sollte es jedoch nicht zu sehr herauszögern, weil man sonst in Engpässe oder Zeitnot gerät.
Punkte bei NOBLEMEN gibt es auf drei Arten: 1. Maskenbälle. 2. Gebäude. (Sie kosten Geld und erfordern einen sinnvollen Raumordnungsplan. Kirchen in der Nachbarschaft werten Burgen und Paläste auf.) 3. Spenden. (Wer Plättchen übrig hat, darf sie gegen Siegpunkte verkaufen.)
Was passiert? Maskenbälle können früher als erwartet kommen. Jeder Wechsel der Königinnen-Figur an einen anderen Hof verkürzt den Durchgang. Die Königin wechselt unter anderem, wenn jemand einen Palast baut oder wenn eine Aktionskarte es verlangt. Diese variable Dekadenlänge ist ein schöner Kniff.
Das böse Spiel-Element sind die Raubritter, die beim Bau von Burgen ins Reich eines anderen Spielers eindringen und den Betroffenen dauerhaft Prestige, Geld oder Plättchen kosten. Manche Spieler konstruieren ihr Imperium absichtlich langsam und sogar absichtlich unsinnig, um keine Einsatz-Felder für fremde Ritter entstehen zu lassen. Wer früh im Spiel zum Opfer von Rittern wird, hat einen Nachteil, da man die Plagegeister kaum wieder loswird.
Was taugt es? NOBLEMEN ist vor allem taktisch interessant: In welcher Reihenfolge führe ich Aktionen durch? Schaffe ich noch alles, was ich mir bis zum Ende der Dekade vorgenommen habe? Wem hetze ich einen meiner Ritter auf den Hals? Obwohl NOBLEMEN verschiedene Ausrichtungen ermöglicht, darf man das Prestige nicht völlig vernachlässigen. Einen Sieg ohne jedes Engagement bei den Maskenbällen habe ich nicht erlebt.
Regel und Grafik sind vorbildlich klar, das opulente Material macht was her (auch wenn ich kein Fan von Holz bin, das so leicht ist wie Pappe). Alles in NOBLEMEN harmoniert gut und passt auch thematisch wunderbar; trotzdem drängt sich NOBLEMEN nicht auf.
Eine Partie kann gut zwei Stunden dauern. Man baut auf und sammelt an, kassiert und wertet, doch für mein Empfinden fehlt es an Dramatik oder verzwickten Entscheidungen, und so ist mir nach ein paar Partien die Neugierde abhanden gekommen und der Glaube, hier noch viel zu erleben. Gefällig ist NOBLEMEN durchaus, aber mitreißend ist es irgendwie nicht.
NOBLEMEN von Dwight Sullivan für drei bis fünf Spieler, Pegasus Spiele.