Mittwoch, 31. Oktober 2018

Gern gespielt im Oktober 2018

GREAT WESTERN TRAIL – RAILS TO THE NORTH: Greater WESTERN TRAIL.


LIFT OFF: Da lege ich mich mal fest: Unter den Weltraum-Spielen von Hans im Glück eines der bislang besten.


FARBEN: Die persönlichen Geschichten haben sich eingebrannt. Sogar jetzt könnte ich wohl noch sämtliche Farben meiner ersten Partie korrekt zuordnen.


X-CODE: Diese Hacker haben den Super-Computer tatsächlich so manipuliert, dass sein Terminal aussieht wie die Tastatur meines uralten Handy-Knochens.


VALPARAISO: Längst nicht so länglich wie das Land, in dem es spielt.



CARPE DIEM: Aus gutem Grund weiterhin in Dauerschleife. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.





Sonntag, 28. Oktober 2018

Vor 20 Jahren (69): Freibeuter

nicht ganz FREIBEUTER

Eigentlich war ich ja Rezensent. Das große Showbusiness (siehe Folge 66 und 67) war nett, gab mir auf Dauer aber einfach nicht genug. Als Rezensent hingegen durfte ich mich ein bisschen bedeutsam fühlen. Anders als heute gab es für talentierte Jungschreiber nicht diese überbordend vielen Veröffentlichungsmöglichkeiten. Es gab die spielbox, die Fairplay, die Spielerei sowie einige (aber nicht sehr viele) Zeitschriften, die heute schon gar nicht mehr existieren und mit Ausnahme der Pöppel Revue auch in Vergessenheit geraten sind. Man tobte sich als Spiele-Fan damals auch nicht in Foren aus. Kurzum: Die Möglichkeiten, um öffentlich schlau, eloquent und gewitzt Dinge über Spiele zu fabulieren, waren arg begrenzt.

Und deshalb dachte ich, die Leute lesen, was ich da verzapfe. Musste aber bald feststellen: Sie tun es überwiegend nicht. Nur weil man mal durch glückliche Umstände drei Artikel in der Spielerei und vier in der Fairplay veröffentlicht, bedeutet das nicht, dass irgendwer am Ende des Artikels guckt: Wer hat das denn geschrieben? Oder sich gar den Namen merkt. Mit seltenen Ausnahmen. Das erste (und zunächst auch einzige) Mal, dass ein Außenstehender meinen Namen mit einem meiner Artikel in Verbindung brachte, war auf der Messe SPIEL im Jahr 1998. Also vor 20 Jahren, womit auch schon der völlig geheime Grund verraten wäre, warum ich jetzt und hier darüber schreibe.

In Fairplay 45 hatte ich Reiner Knizias DURCH DIE WÜSTE und Reiner Stockhausens FREIBEUTER rezensiert. Als Vorbereitung auf DURCH DIE WÜSTE las ich, um Bildung vorzutäuschen, extra den gleichnamigen Roman von Karl May. Beide Spiele besprach ich positiv. Bei FREIBEUTER – inzwischen leider aussortiert und deshalb nicht im Bild zu sehen – bemängelte ich die fehlende Übersichtlichkeit. Und Unfassbares geschah: Ein Mitarbeiter von Hans im Glück erzählte, nachdem ich ihm vorgestellt worden war, sie hätten das im Verlag gelesen und dazu genickt.

Das war ja phan-tas-tisch! Da wusste jemand, dass ich es geschrieben hatte. Und was ich geschrieben hatte. Und obendrein stimmte er auch noch zu! WOW! Es dauerte ein geschlagenes Jahr, bis mal wieder jemand meinen Namen mit einem meiner Artikel in Verbindung brachte. Es war der Autor eines Spiels, das ich ein bisschen verrissen hatte. Oh ja, auch er wusste ganz genau, dass ich es geschrieben hatte. Und was ich geschrieben hatte. Aber er stimmte überhaupt nicht zu … Ich muss zugeben: Danach fand ich es erst mal eine ganze Weile lang besser, keine Rückmeldungen zu bekommen.


Mittwoch, 24. Oktober 2018

Das tiefe Land

Der Zeitpunkt, um ein Spiel zu rezensieren, ist immer dann gekommen, wenn ich während der Partien keine neuen Erkenntnisse mehr gewinne. Die folgende Rezension bricht mit dieser Regel, denn noch immer vermag DAS TIEFE LAND mich mit neuen Wendungen zu überraschen. Und ich fürchte, das kann noch lange so gehen. Weil 2019 aber für eine Rezension arg spät wäre, kommt sie jetzt.


Wie geht DAS TIEFE LAND? Wir züchten Schafe. Dazu bauen wir Zäune für die Weiden und Gebäude mit Unterstellmöglichkeiten und hilfreichen Effekten. Die Schafe vermehren sich sechsmal im Spiel. Je größer meine Herde wird, desto mehr bin ich damit beschäftigt, Gebiete auf meinem Spielertableau einzuzäunen, um die ganzen Tiere unterbringen zu können.
Problem: Wir wohnen an der Küste. Bricht am Ende des Spiels der Deich, spült das Wasser Schafe weg. Je weniger ich beim Deichbau mitgeholfen habe, desto höher meine Verluste. Helfe ich deswegen beim Deichbau mit, fehlen mir aber Spielzüge und Ressourcen für die Schafzucht.
Dreimal pro Spiel wird der Deich geprüft, was Strafen oder Belohnungen nach sich zieht und die Endwertung beeinflusst. Je besser der Deich diesen Prüfungen standhält, desto weniger Punkte erhalten am Ende die Bauhelfer: paradox! Theoretisch will man also entweder kräftig am Deich bauen – aber er soll trotzdem brechen. Oder man kümmert sich nur um seine Schafe – und dank anderer Spieler soll der Deich halten.


Was passiert? DAS TIEFE LAND kommt wie ein typisches Rosenberg-Spiel daher, in dem es Arbeiterfiguren, Schafe, Rohstoffe und etliche Gebäude mit diversen Spezialitäten gibt. In meinen nur 18 Spielzügen bin ich zwischen vielen positiv erscheinenden Möglichkeiten hin- und hergerissen und weiß: Wenn ich x mache, verpasse ich y. Trotzdem spielt sich DAS TIEFE LAND nicht rosenbergisch. Ich optimiere und vermehre und wachse nicht ungestört vor mich hin, sondern bin abhängig.
Wieviel Wasser kommen wird, lässt sich anhand der Kartenrückseiten ein wenig im Voraus abschätzen. Ob der Deich dem standhält, weiß man selten. Es hängt vom Wollen der Spieler ab, das Wollen wiederum vom Vorhandensein passender Ressourcen-Karten. Manchmal hilft auch das Glück mit, indem ein Gebäude in den Markt gelangt, das – sofern gebaut – die erwartete Flutwelle abschwächt.
Ich bin also abhängig vom Kollektiv und vom Zufall, aber auch abhängig vom Einzelnen: Jede Aktion Deichbau zieht nach sich, dass der aktive Spieler einen anderen zum Mithelfen einladen muss. Wer da nun häufiger oder seltener beteiligt wird und nach welchen Kriterien, kann schon mal ungerecht sein. Manche Situationen fühlen sich auch wie Zwickmühlen an: Helfe ich beim Deich, rette ich dem größten Schafbauern den Arsch und er gewinnt. Helfe ich nicht, ertrinken auch meine Tiere und der, der seine Herde rechtzeitig in Geld umgesetzt hat, profitiert.
DAS TIEFE LAND spielte sich deshalb ungewöhnlich und speziell. Man hat weniger in der Hand, als einem Optimierer lieb wäre. Und wegen der paradoxen Punktwertung ist DAS TIEFE LAND obendrein unintuitiv. In vielen Situationen ist man unsicher, was wohl ein schlauer Spielzug sein könnte. Dass ich dieses Spiel liebe und mich darin vollkommen wohlfühle, kann ich wirklich nicht behaupten.
Aber: Dass sich ein Spiel mal konträr anfühlt und neue Erlebnisse beschert, dass es verblüfft und man sich an seinen Widerspenstigkeiten reibt, ist auch ein Qualitätsmerkmal – wenn das Spiel statt willkürlich stimmig ist. Und DAS TIEFE LAND ist stimmig.


Was taugt es? Nach den ersten Partien hätte ich gesagt: „Zu sperrig, um reizvoll zu sein.“ Inzwischen sage ich: „Zu originell, um nur solide genannt zu werden.“ DAS TIEFE LAND ist weiterhin nicht mein Wohlfühl-Spiel. Gleichzeitig lässt es mich auch nicht los, weil es üblichen Mustern zuwiderläuft und schwer zu beherrschen ist. Ich lerne noch in jeder Partie hinzu, entdecke interessante Gebäude-Kombinationen, probiere dies, probiere das und staune über Wendungen.
Die Unwägbarkeiten passen sehr gut zum Thema. Ebbe und Flut sind trotz menschlicher Bemühungen nie komplett beherrschbar. Den Deichbau als semikooperative Aufgabe umzusetzen, passt thematisch, fügt sich sehr gut ins Spiel ein und erzeugt dank der Wertung faszinierende Dilemmata.
DAS TIEFE LAND ist schön illustriert. Es hat allerdings gedauert, bis ich die Symbolik der Gebäudeplättchen verstanden habe. Und selbst jetzt, nach etlichen Partien, schlage ich beim Auftauchen vieler Gebäude lieber noch mal in die Regel nach, um ganz sicher zu sein, dass ich das Plättchen tatsächlich richtig interpretiere.


***** reizvoll

DAS TIEFE LAND von Claudia und Ralf Partenheimer für zwei bis vier Spieler, Feuerland.

Samstag, 20. Oktober 2018

Vor 20 Jahren (68): Im Irish Pub

Seit einem halben Jahr (siehe Folge 52 und 60) schrieb ich nun für die Fairplay. Aber erst auf der Messe SPIEL 1998 lernte ich die Fairplayer persönlich kennen. Zuvor hatte ich nur ab und zu mit Herbert Heller telefoniert, postalisch (auf Diskette) meine Artikel abgeliefert, und das war’s.

Möglicherweise dachte ich da etwas zu defensiv, aber mein Gefühl war, dass ich mich der Fairplay ein bisschen aufgedrängt hatte. Ich hatte ihnen aus heiterem Himmel einen Artikel geschickt, den hatten sie zu meinem großen Erstaunen abgedruckt, und seitdem hatten sie mich an der Backe. Dumm gelaufen für die Fairplay. Man kennt das ja aus seinem eigenen Umfeld: Da ist man mal nett und unterhält sich im Treppenhaus ausnahmsweise mit dem obskuren Nachbarn. Und plötzlich wird man für einen Freund gehalten, bei jeder Gelegenheit angequatscht und soll drei Monate später beim Umzug mithelfen. Als Einziger.

Anscheinend aber doch nicht so vergleichbar. Falls die Fairplayer sich wunderten, was da für ein langhaariger Typ an ihren Stand gelatscht kam, ließen sie es sich nicht anmerken. Im Gegenteil wurde ich sehr herzlich aufgenommen. Und fast schon umarmt, als ich auf die Frage, wie ich denn ausgerechnet auf die Fairplay gekommen sei, selbstverständlich antwortete, sie sei schon immer meine Lieblingszeitschrift gewesen. Man bejubelte, dass ich bis auf die fünf ersten Hefte alle anderen 40 Ausgaben der Fairplay besaß, und die fehlenden fünf bekam ich prompt geschenkt.

Verrückte Welt. Die schienen sich wirklich zu freuen, dass ich bei ihnen mitmachte. Erst jetzt wurde mir klar, welche Komfortstufe ich erklommen hatte. Ich durfte meine Spieleeinkäufe am Fairplay-Stand lagern. Ich durfte mich am Stand mit Getränken und ungesunden Lebensmitteln versorgen. Ich musste mein Abo nicht mehr bezahlen und bekam meine Lieblings-Zeitschrift gratis frei Haus. Und ich bekam einen Fairplay-Aufkleber, den ich natürlich nie irgendwo aufgeklebt habe, weil er mir viel zu heilig erschien und ich mich nicht entscheiden konnte, was wertvoll genug sein könnte, um damit verziert zu werden.

Ach herrje, jetzt ist meine Einleitung so lang geworden, dass ich noch gar nicht zum eigentlichen Thema gekommen bin. Ich wollte erzählen, dass die Fairplay an einem der Messeabende andere Gastautoren und mich in den Irish Pub einlud. Aber im Detail vielleicht auch gar nicht so wichtig. In einer Sache bin ich mir treu geblieben: Lange Einleitungen am Thema vorbei konnte ich vor 20 Jahren schon genauso gut wie heute.


Dienstag, 16. Oktober 2018

Carpe Diem

„Carpe Diem“ ist quasi mein Lebensmotto. Jeden Abend ziehe ich Bilanz: Habe ich den Tag genutzt? Habe ich heute genug Siegpunkte eingefahren?

Wie geht CARPE DIEM? Wir bauen Rom. Du dein Rom, ich mein Rom. Aber mein Rom soll mehr Punkte zählen als deins. Während der Partie gewinne ich Punkte, indem ich „Wertungskarten“ erfülle. Die besagen beispielsweise: Für ein gelbes plus ein braunes Haus bekomme ich 7, bei Abgabe von Huhn und Fisch erhalte ich 3 Punkte.
Viermal im Spiel muss ich zwei solcher Wertungskarten wählen. Erfülle ich sie nicht, zählt das Minuspunkte. Verschärfend kommt hinzu: Ich muss zwei Karten wählen, die in der Auslage benachbart liegen. Und kein Spieler darf diese Kombination zuvor gewählt haben. In welcher Reihenfolge gewählt wird, entscheidet der Stand auf der „Banderolenleiste“.
Ein Spielzug geht so: Mit meiner Figur ziehe ich auf dem Spielplan in eine von zwei möglichen Richtungen. Am erreichten Ort nehme ich ein Plättchen auf. Das zeigt ein oder zwei Gebäudeteile. Und ich lege es passend und angrenzend an mein werdendes Rom.
Nach 28 oder ein paar mehr Plättchen ist Ende. Jetzt zählt es auch noch Punkte, sich an die (zufälligen und variablen) Vorgaben des eigenen Spielertableaus gehalten (grünes Gebäude soll auf Linie X, Villa auf Linie Y liegen) und große Villen vollendet zu haben.


Was passiert? Die Qualität vieler Spiele von Stefan Feld zeigt sich darin, dass die Spieler von Anfang an und jederzeit eine klare Orientierung besitzen, was wohl ein guter Plan sein könnte. Was bei CARPE DIEM schon damit beginnt, dass es ein Legespiel ist und damit allgemeinen Legespiel-Logiken folgt: Grünes gehört an Grünes, Gelbes an Gelbes, Halbes soll zu Ganzem werden. Weil in Legespielen schon die Mechanik an sich intuitiv ist, vermisse ich kein Spielthema, um mir Dinge zu erklären, die ich mir sonst nicht erklären könnte.
Und auch darüber hinaus leuchtet vieles unmittelbar ein: Logischerweise könnte es gut sein, so zu bauen, dass man Wertungskarten erfüllt. Logischerweise nicht unbedingt solche, die einem vor der Nase weggeschnappt werden könnten. Oder man sprintet sicherheitshalber auf der Reihenfolge-Skala voran. Und natürlich achtet man auf die Vorgaben seines Tableaus. Und vielleicht hat man noch „Brunnenkarten“ mit Sonderwertungen bekommen, und auf deren Erfüllung achtet man natürlich auch … Und zack: Schnell will man mehr unter einen Hut bekommen, als in den wenigen Zügen möglich ist.
Eine weitere Qualität vieler Spiele von Stefan Feld besteht darin, kurz- und langfristige Anforderungen so miteinander zu verknüpfen, dass mehrere Optionen gut erscheinen (und auch mehrere Optionen gut sind). Jeder Spielzug erfordert eine Situationsanalyse, Abwägung und Kompromiss. Mit meiner Figur will ich so ziehen, dass ich nicht nur sofort, sondern möglichst auch nächstes Mal ein gutes Teil bekomme. Ich will mir beim Bauen viele Möglichkeiten eröffnen, aber ich muss Projekte auch rasch abschließen, denn jedes fertiggestellte Haus bringt einen Sofortnutzen (Brunnenkarten, Reihenfolge-Skala, Ressourcen, Extraplättchen). Ich muss ganz dringend beachten, welche Wertungen die Mitspieler machen werden und welche mir bleiben, auf welche Teile es ein Wettrennen geben könnte und welche mir wohl kampflos zufallen.
CARPE DIEM ist nicht kompliziert – aber knifflig. Im Rhythmus von sieben neuen Bauteilen muss ich zwei Wertungskarten erfüllen können. Das erzeugt hohe Spannung von Beginn an und während der gesamten Partie. Die Spielzüge selbst sind rasch durchgeführt. CARPE DIEM fühlt sich schnell an.


Was taugt es? Zu zweit spielt sich CARPE DIEM am gnädigsten, weil nur die Hälfte der ausliegenden Bauteile genommen wird und sich somit jeder das Beste herauspicken kann. Zu viert ist es härter, weil man unweigerlich auch Schrott nehmen muss. Bis zu der Partie, als ich mit zwei Brunnenkarten je zwölf Punkte einfahren konnte (statt normalerweise etwa vier), hätte ich gesagt, der Glücksanteil sei niedrig. Seitdem weiß ich: Hm, ja, man kann schon auch Glück haben. (Aber solange es mich betrifft, ist es okay.)
Superstark finde ich, dass es 60 verschiedene Wertungskarten gibt, von denen maximal zwölf ins Spiel kommen, und die wiederum in unterschiedlicher Kombination und Anordnung. (Nebenbei: Glückssache ist es übrigens auch, ob die Wertungskarten gut mit den Anforderungen des eigenen Tableaus harmonieren.) Die Ziele sind jedes Mal andere. Es gibt nicht den einen richtigen Weg, der in jeder Partie einfach wieder neu beschritten werden kann.
Das sehr verzahnte, sehr dichte, sehr spannende und dennoch vergleichsweise leichtgängige Kennerspiel CARPE DIEM ist für mich der bisherige Höhepunkt der noch jungen Spielesaison. Es kann sogar sein, dass es am Ende des Jahrgangs zu den wenigen Spielen gehört, die „übrig bleiben“, die ich also behalten möchte. Dennoch kann ich mich zu einem „außerordentlich“ nicht durchringen.
Dazu ist grafisch und redaktionell zu viel schiefgegangen. Dass die Funktionalität der Schönheit geopfert wurde, kann ich beim Betrachten des Covers ausschließen. Dennoch ist die Funktionalität das große Problem. Einige Farbtöne fallen zu ähnlich aus und vor allem entsprechen die Gebäudeformen auf den Spielertableaus unglaublicherweise nicht denen auf den Plättchen. In jeder Erstpartie hat das zu Nachfragen, Irritationen und Spielfehlern geführt. Gewiss: Nach zwei Partien hat man drauf, wie die Grafik zu verstehen ist. Aber gute Spielegrafik zeichnet sich nun mal dadurch aus, dass sie auf Anhieb unmissverständlich ist.
Obendrein kann sich beim variablen Zusammenbau der Tableaus eine Situation ergeben (zwei Teiche liegen sich direkt gegenüber), die nicht gewollt und somit auch nicht von den Regeln abgedeckt ist. CARPE DIEM könnte ein Spitzenspiel sein, präsentiert sich aber unter Wert.


***** reizvoll

CARPE DIEM von Stefan Feld für zwei bis vier Spieler, alea.

Montag, 15. Oktober 2018

Spielend für Toleranz: 1. Update

Super! Nach nur einer halben Woche haben über 60 Websites das „Spielend für Toleranz“-Logo bei sich eingebunden, mehrheitlich mit persönlichen Statements. Eine (wahrscheinlich nicht mal vollständige) Linkliste habe ich unter meinem Ursprungsartikel zusammengestellt. Viele weitere positive Statements gab es in den sozialen Medien.

Wir wurden mehrfach gefragt, ob man das Logo nutzen darf, zum Beispiel für Plakate oder Buttons. Die Antwort lautet: JA. Das Logo ist gemeinfrei. Bitte nutzt es gerne im Sinne von „Spielend für Toleranz“. Auf Anfrage stellen wir (Martin Klein, spielerleben.de, Harald Schrapers, brett-spiel.de und ich) das Logo auch als pdf, eps oder png zur Verfügung, auch mit weißer statt grauer Schrift.

Über shirtee.com werden momentan (initiiert durch meetandplay-essen.de) T-Shirts und Tragebeutel mit dem „Spielend für Toleranz“-Logo angeboten. Aktuell gibt es nur Shirts in hellen Farben mit grauer Schrift. In ein oder zwei Tagen werden auch dunkle Stoffe mit weißer Schrift hinzukommen. Bitte beachtet bei einer Bestellung, dass das Logo nicht auf allen Shirtfarben gleichermaßen gut sichtbar ist.

Freitag, 12. Oktober 2018

Spielejahrgang 2017/18:
Was vom Jahrgang übrig bleibt (3: Anspruchsvolles)

Ob ich ein Spiel am Ende des Jahrgangs behalte, hängt nicht allein vom Wiederspielreiz ab, sondern auch von den Wiederspielmöglichkeiten. Und was das angeht, haben kleine Spiele einfach einen Vorteil. Falls ich die Regeln nicht mehr ganz genau weiß, kann ich sie mir viel schneller wieder erarbeiten. Einer Gruppe, die das Spiel nicht kennt, kann ich das Spiel viel leichter erklären. Und nicht zuletzt gibt es für einfache Spiele auch viel mehr Adressaten und somit Möglichkeiten, um die Spiele einzusetzen.

Sofern man nicht genügend Zeit hat, um die Spiele oft zu spielen, verwandelt sich der Vorteil anspruchsvoller Spiele sogar in einen Nachteil. Komplexe Spiele wollen vertieft werden, am besten in immer derselben Besetzung. Aber will ich wirklich Stunden investieren, um nach langer Zeit mal wieder DIE MACHER / NATIONS / DIE FÜRSTEN VON FLORENZ zu spielen, und dann stümpern wir alle bloß herum, kratzen an der Oberfläche und haben das Gefühl, das eigentliche Spiel nicht erfahren zu haben? Die Antwort lautet in den meisten Fällen: Och nö.

Trotzdem bleiben in diesem Jahr drei anspruchsvolle Spiele übrig. Begründung: Sie sind einfach zu gut, um nicht übrig zu bleiben.


PANDEMIC LEGACY – SEASON 2: Na gut, ehrlich gesagt: Dieses Spiel bleibt gar nicht übrig. Jedenfalls nicht physisch. Klar, ich werde es noch eine Weile im Regal stehenlassen. Vielleicht hole ich auch noch mal das Spielbrett heraus, um mir unsere geniale Weltenrettung wieder in Erinnerung zu rufen. Aber ein Spiel, das nicht erneut gespielt werden kann, kriegt im mörderischen Wettbewerb um einen Regalplatz keinen Ehrenbonus. Trotzdem gehört PANDEMIC LEGACY – SEASON 2 natürlich zu den Höhepunkten der Saison, muss also hier genannt werden und bleibt, wenn nicht wirklich übrig, dann doch immerhin in allerbester Erinnerung.



GAIA PROJECT: Dass GAIA PROJECT hier auftaucht, hat sehr viel mit den Völkern zu tun. Spieltiefe allein ist angesichts des Standards, den Spiele inzwischen erreicht haben, schon gar nichts so Besonderes mehr. Das Zauberwort heißt – zumindest für mich – „Variabilität“. Wenn das Spiel immer wieder anders ist und überrascht, wenn es immer Neues zu entdecken gibt, dann fesselt es dauerhaft. Und ich glaube, es ist nicht mal entscheidend, dass man all diese Möglichkeiten wirklich ausprobiert. Allein das Wissen, dass man es könnte, macht das Spiel attraktiver.



HEAVEN & ALE: Schlichtweg das beste Spiel zum Thema Bierbrauen, in dem es nicht ums Bierbrauen geht. Und ansonsten? Ein Spiel, an dem man sich reibt. Weil es knallhart ist und der Intuition widerspricht. Das merkt man vor allem in der ersten Partie, in der durchaus mal alles schieflaufen kann. Ab Spiel zwei stand ich schon voll unter Strom. Zwänge, Dilemmata und der verzweifelte Versuch, Dinge unter einen Hut zu bringen, die so unkompliziert aussehen, dann aber doch so höllisch verzwickt sind.


Mittwoch, 10. Oktober 2018

Spielend für Toleranz


Als ich aufwuchs, schienen Demokratie und Menschenrechte – zumindest in Deutschland – eine selbstverständliche Errungenschaft zu sein; etwas Verlässliches, das immer da sein würde.
Durch Ereignisse der jüngsten Zeit sehe ich das nun anders: Demokratie und Menschenrechte sind – auch in Deutschland – doch nicht selbstverständlich immer da. Für Demokratie und Menschenrechte muss man eintreten.

Ich glaube, die Mehrheit der Bevölkerung ist weiterhin für Demokratie und Menschenrechte. Aber sie zeigt es zu selten. Die Mehrheit schweigt und schaut zu …

... wenn Menschen wegen ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihres Aussehens angegriffen werden.
... wenn Nazis durch Städte marschieren.
... wenn Nazi-Begrifflichkeiten in öffentliche Debatten hineingetragen werden.
... wenn Journalisten bei ihrer Arbeit behindert oder bedroht werden.
... wenn Presse „Lügenpresse“ genannt wird und erfundene Nachrichten sich schneller und hartnäckiger verbreiten als Tatsachen.
... wenn in Zeitungen, im Fernsehen und in der politischen Diskussion übermäßig von Problemen bei der Aufnahme von Flüchtlingen die Rede ist und viel zu wenig von anderen Problemen, die die Mehrheit der Bevölkerung weit mehr betreffen.
... wenn an allen erdenklichen Missständen immer nur die Flüchtlinge schuld sein sollen.
... wenn das Asylrecht in Frage gestellt wird.
... wenn Seenotrettung in Frage gestellt wird.
... wenn Seenotrettung sogar kriminalisiert wird.
... wenn Menschlichkeit kriminalisiert wird.

Das alles lässt sich nicht ändern, indem man ein Emblem „Spielend für Toleranz“ in seinem Blog anbringt. Aber das Emblem ist immerhin ein sichtbares Zeichen, um nicht weiter nur zu schweigen und zuzuschauen. Sondern um zu signalisieren: Ich bin für Demokratie und Menschenrechte. Ich bin für Toleranz. Ich bin gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und gegen Nazis.

Was das mit Spielen zu tun hat? Jede Menge. Spielen steht für ein respektvolles Miteinander, für Gleichheit, Fairness und Dialog. Spielen verbindet statt auszugrenzen. Spielen steht für genau die menschlichen Werte, die aktuell bedroht sind.

Zahlreiche andere Webseiten und Blogs* zeigen ab heute ebenfalls das Zeichen „Spielend für Toleranz“. Ich hoffe, es werden noch mehr. Ich hoffe, die gesamte Spiele-Community tritt für Toleranz und gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ein.
Wer möchte, darf das gemeinfreie Emblem gerne verwenden, beispielsweise um es auf seiner Website einzubinden. Die Beweggründe, warum man das tut, sollte jeder für sich aus seiner persönlichen Sicht formulieren. Es gibt keine „offizielle" Seite und keine „offizielle" Richtlinie zu dieser Initiative. Die Initiatoren sind Martin Klein (spielerleben.de), Harald Schrapers (brett-spiel.de) und ich. Auch wir haben unterschiedliche persönliche Statements dazu abgegeben.


* Mit dabei sind (ohne Gewähr auf Vollständigkeit und Aktualität; Liste wird von Zeit zu Zeit ergänzt):

Montag, 8. Oktober 2018

Spielejahrgang 2017/18:
Was vom Jahrgang übrig bleibt (2: Mittelgewichte)

Man behält nur, was man loslassen kann, heißt es so schön. Aber ehrlich gesagt: Ich möchte gar nicht so viele Spiele behalten, wie ich loslassen kann. Genau deshalb lasse ich sie ja los. Die Chance, dass ich sie noch mal spiele, ist gering. Denn jedes Jahr kommen Hunderte neue Spiele dazu, die dringender für mich sind. Und falls es mal einen klitzekleinen Engpass geben sollte, stehen da auch noch Hunderte alte Spiele bereit.

Es bleibt also ziemlich wenig vom Jahrgang übrig, aber ein bisschen was doch. Und oft ist es gut, wenn solche Spiele eine Erweiterung bekommen. Eine Erweiterung macht Spiele vermeintlich wieder neu genug, um neben den wirklich neuen Spielen weiterhin gespielt zu werden. Natürlich weiß ich, das ist Selbstbetrug. Aber so läuft die Sache. Bei GANZ SCHÖN CLEVER könnte ich mir bestens alternative Blöcke vorstellen, bei QUACKSALBER VON QUEDLINBURG neue Zutaten, Aufgaben, Varianten. Und bei …


AZUL:… nichts! Das aber spricht nicht gegen, sondern für AZUL. Das Spiel ist, wie es ist, komplett rund und klassisch elegant. Eine einfache Spielidee mit Tiefgang mündet in eine herausragende Gestaltung mit schönem Material. AZUL könnte ein Dauerbrenner werden und da brenne ich doch gerne mit.


GANZ SCHÖN CLEVER: Ich muss zugeben, es hat ein wenig gedauert, bis ich mich vollständig mit GANZ SCHÖN CLEVER anfreunden konnte. Im Ersteindruck wirkte das doch arg gewollt: schon wieder ein Spiel, bei dem man Kreuze macht und die Gegner an den Würfelergebnissen partizipieren. Dazu als Spielfeld eine uncharmante Exceltabelle. Und so viele Regeln für ein kleines Würfelspiel. Aber dann ... Okay, ich denke, die optimale Strategie ist inzwischen klar. Spaß macht es aber immer noch. Der Reiz liegt in der Überraschung, was die Würfel bringen werden. Und dann ist da ja noch die Sache mit den alternativen Blöcken.


DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG: Derselbe Autor, dasselbe Rezept. Auch hier liegt der Reiz in der Überraschung: Was kommt aus dem Sack? Was scheint darin festgewachsen? Und auch hier gibt es so viel auszuprobieren. DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG kann so ungerecht sein, so unverdient, so anti-wahrscheinlich. Und vermutlich ist das sogar genau der Grund, warum man es immer wieder spielt.
Rezension: spielbox 4-2018

Donnerstag, 4. Oktober 2018

Spielejahrgang 2017/18:
Was vom Jahrgang übrig bleibt (Teil 1: Einfaches)

Im Hause Bartsch bleibt von einem Spielejahrgang nicht sehr viel übrig. Und Millionen Blogleser rätseln: Vielleicht ist das Haus Bartsch einfach zu klein? Oder der Bewohner zu griesgrämig? Oder er liebt die Ausdruckskraft leerer Regale?

Mag alles sein. Vor allem aber hat er nicht 6785 Jahre lang Zeit!

Häufig lese ich in Rezensionen das wertvolle Fazit: „Kommt garantiert noch häufiger auf unseren Spieletisch.“ Und dann frage ich mich: WTF?! Hat der Tag anderer Menschen mehr Stunden als meiner? Hat das Jahr anderer Menschen mehr Tage als meins? Oder – siehe oben – bin ich einfach nur ein Griesgram, der das Spielen im Grunde seines Herzens verabscheut, die Sache aber dummerweise irgendwann zu seinem Beruf erklärt hat?

Für mich bleiben rund zehn Spiele pro Jahr übrig. Nicht mehr, sorry! Die anderen Spiele mögen nett gewesen sein, teilweise auch wirklich gut. Aber ich bin mir trotzdem ziemlich sicher, dass ich sie aller Voraussicht nach nie wieder spielen werde. Weil es schlichtweg nicht geht. Und somit bleiben sie leider auch nicht übrig.

Das ist traurig. Reden wir lieber über die schönen Dinge. Über das, was übrig bleibt. Drei leichte Spiele gehören dazu:


THE MIND: Wow, wie schlug dieses Spiel bei mir ein! Ein Maximum an Interaktion bei einem Minimum an Regeln. Ein ganz neues Spielgefühl. An dieser Einschätzung hat sich nichts geändert. Das einzige kleine Haar in der Suppe ist meine Beobachtung, dass der Reiz innerhalb einer Gruppe nachlässt, sobald das höchste Level erklommen wurde. Irgendwann hat man THE MIND ausgespielt … oder sucht sich eine neue Gruppe.
Rezension: spielbox 2-2018


A FAKE ARTIST GOES TO NEW YORK: Spiele, die übrig bleiben, kicken bisweilen Spiele aus dem Regal, die in früheren Jahren übrig geblieben waren. Konkret hat A FAKE ARTIST das gute AGENT UNDERCOVER ersetzlich gemacht. Denn: Der Fun-Faktor ist derselbe, der Thrill ist ebenfalls derselbe. Aber die Zugänglichkeit ist höher. Jeder, aber auch wirklich jeder kann mit Freude A FAKE ARTIST spielen. Ich habe nur positive Erfahrungen gesammelt.
Rezension: SPIEL DOCH! 2-2018


CODENAMES DUETT: Und dies ist das von mir meistgespielte Spiel des gesamten Jahrgangs! In Gruppen kam CODENAMES DUETT nicht so überragend an wie CODENAMES, was auch erklärt, warum es nicht in den Mitspieler-Charts auftaucht. Zu zweit allerdings und insbesondere wegen der Missionen würde es sogar CODENAMES aus dem Regal kicken … wäre CODENAMES nicht CODENAMES und für mehr Spieler die noch bessere Wahl.
Rezension: spielbox 7-2017