Montag, 28. Februar 2022

Gern gespielt im Februar 2022

SO KLEEVER: Wenn der Rest des Spieleabends nicht so doll war: SO KLEEVER nachts um halb drei macht es wieder wett.

KHORA: Einerseits ist es nicht sehr originell und auch ziemlich tumb, wenn es in Spielen immer wieder darum geht, die stärkste / reichste / mächtigste Nation zu sein. Andererseits wird das Spielprinzip durch die Realität leider bestätigt.

TREK 12: Im Film über Reinhold Messner sah das aber alles ganz anders aus.

7 WONDERS ARCHITECTS: Falls man keine Wunder erwartet, immer wieder gut.

ULTIMATE RAILROADS: Wer die Schachtel in die Hand nimmt, um die Rückseite zu lesen, wird dort den Hinweis finden: „schwer“. Das hat man in dem Moment allerdings auch selbst gemerkt.





UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM FEBRUAR:

CODENAMES DUETT: Mumbai? Ich kenne kein Mumbai! Ich weiß nicht, wo Mumbai liegt! Niemand weiß, wo Mumbai liegt!




Montag, 21. Februar 2022

Boonlake

Wenn in BOONLAKE die tollsten Dinge gefunden werden, sogar Vasen: Warum, verdammt, fand man keine Einleitung?

Wie geht BOONLAKE? Wir entdecken und besiedeln neues Land. Dabei versuchen wir erstens, viel Figurenmaterial ins Spiel zu bringen, denn so schalten wir Boni (und Punkte) auf unseren Tableaus frei. Wir wollen zweitens viele Projektkarten ausspielen, denn die bringen Einmal- oder Dauereffekte und zählen ebenfalls Punkte. Drittens wollen wir Mega-Projekte bauen, viertens vorgegebene Aufgaben erfüllen.
Um das alles hinzukriegen, benötige ich (unter anderem) Rohstoffe, Geld und einen steten Karten- und Figurennachschub. Die meisten dieser Dinge bekomme ich als Nebeneffekt beim Entdecken und Siedeln und als Belohnung für Projektkarten.
Einkommen beziehe ich obendrein über „Hebel“. Das sind Zwischendurch-Aktionen, die ich in jeder der vier Runden einmal durchführen darf. Um anzuzeigen, dass ich die Aktion verbraucht habe, verschiebe ich das Hebel-Plättchen. Von Beginn an besitze ich noch keinen einzigen Hebel. Ich muss sie alle erst erwerben. Je später ich das mache, desto seltener werde ich den Hebel noch nutzen können. Da Hebel am Schluss aber ordentlich Punkte zählen und damit Ziel Nummer fünf sind, lassen sich die meisten Spieler:innen Hebel nicht entgehen.

Einkommen bringt auch mein Schiff. Am Ende jedes Zuges fährt es mindestens um ein Feld auf dem Fluss weiter. Das Symbol des Flussfeldes zeigt, was ich bekomme. Die Geschwindigkeit unserer Schiffe wiederum bestimmt darüber, ob wir viel oder wenig Zeit bis zur nächsten Wertung haben. Eine Runde endet, sobald ein Schiff eine Schleuse passiert.
Motor des Spiels wiederum ist ein Aktionswahl-Mechanismus, der auf der Schachtel als „neuartig“ gepriesen wird, mich allerdings sehr an PUERTO RICO erinnert: Bin ich am Zug, wähle ich eins von sieben möglichen Aktionsplättchen. Damit löse ich zunächst eine Aktion für mich und danach eine Aktion für alle Spieler:innen aus.
Beispiel „Fortschritt“: Ich darf zunächst GREAT-WESTERN-TRAIL-mäßig eine Karte mit einem Symbol abwerfen, um zwei Geld zu erhalten. Dann darf nur ich einen Hebel kaufen. Dann dürfen alle, auch ich, einen Hebel mit Extrakosten kaufen. Je länger das Aktionsplättchen nicht gewählt wurde, desto mehr Felder darf ich nun mit meinem Schiff fahren. Selbst wenn ich gar nicht zwingend schnell segeln möchte, ist eine große Reichweite vorteilhaft, um mehr Auswahl zu haben, auf welchem Fluss-Symbol ich lande.


Was passiert? Wir sind beschäftigt. Und wir sind gut beschäftigt. Natürlich will ich alles Erdenkliche gleichzeitig erreichen, alle Neben-Effekte voll mitnehmen, mit dem Schiff nur gute Felder ansteuern und so weiter. Gleichzeitig fehlt mir hier und da das nötige Geld oder eine Figur.
BOONLAKE ist also ein Optimierspiel. Aber keins, das einen sehr engen Rahmen oder Schwerpunkt vorgibt. Ich kann gar nicht in allen Bereichen voranpreschen. Spiele ich viele Projektkarten, fehlen mir die Züge für die Ausbreitung auf dem Brett. Und umgekehrt. Es gibt viel auszuprobieren, die Projektkarten können Strategien noch stark unterstützen.
In BOONLAKE zitiert Alexander Pfister mehrfach sich selbst und setzt einige seiner Mechanismen erneut, aber etwas anders ein. Zwei neue Mechanismen finde ich so bemerkenswert, dass ich sie explizit erwähnen möchte:
1. Nach jeder Runde wertet jede:r für sich eine der vier Aufgaben. Je später der Zeitpunkt, desto höher der Schwierigkeitsgrad. Am Ende von Runde eins müsste ich nur ein Rind besitzen, am Ende von Runde vier schon fünf. Dafür gibt es dann auch besonders viele Punkte. Oder besonders viele Minuspunkte, wenn ich es nicht schaffe. In BOONLAKE betreibe ich also Ziel-Management. Ich muss mir überlegen, welche Ziele ich eher nicht so gut hinkriege, und mir diese Aufgaben möglichst früh vom Hals schaffen.

2. Rohstoffe sind nicht dinglich vorhanden wie Münzen. Eine Lehm-Fabrik produziert mir permanent ein Lehm, das ich fortan zur Bezahlung jeder Projektkarte nutzen kann. Pro Rohstoff kann ich bis zu zwei Fabriken besitzen. Um mehr als zwei Rohstoffe einer Sorte bezahlen zu können oder auch Rohstoffe, deren Fabriken ich noch nicht gebaut habe, besitze ich zwei Kanus. Solange ein Kanu vor der Lehm-Fabrik liegt, produziere ich ein Lehm zusätzlich. Die Kanus kann ich nach meinen Erfordernissen jederzeit umparken, kostenlos jedoch nur in Richtung rechts. Will ich ein Kanu weiter nach links stellen, kostet das Geld. Das will ich natürlich vermeiden. Mein Rohstoff-Management beeinflusst deshalb die Reihenfolge, in der ich meine Projektkarten ausspiele. Ich versuche, es hinzukriegen, ohne die Kanus allzu oft nach links zu bewegen.


Was taugt es? Um beide jetzt so lang erklärten Mechanismen ist es schade. Denn sie spielen in BOONLAKE nur eine Nebenrolle und sind für mein Gefühl etwas verschenkt. Das Spiel ist voller Mechanismen, die auch gekonnt ineinandergreifen; an der handwerklichen Seite gibt es nichts auszusetzen. Nur entsteht beim Spielen trotzdem kein spezielles BOONLAKE-Gefühl. Und damit auch kein überzeugtes „Noch mal!“-Gefühl.
Wie vielen anderen Eurogames fehlt auch BOONLAKE eine tolle Geschichte, die uns ins Spiel hineinzieht. Trotzdem hat BOONLAKE einen thematischen roten Faden: Wir entdecken Land, wir besiedeln es, aus Gehöften werden Siedlungen. Darunter kann ich mir etwas vorstellen; detaillierter muss es für mich gar nicht sein – auch wenn in BOONLAKE schon einiges merkwürdig ist, wenn man es mal hinterfragt: Warum bauen wir Projektkarten, die „Druckerei“ oder „Kunstgalerie“ heißen, während wir auf dem Spielplan noch damit beschäftigt sind, überhaupt das erste Dorf zu errichten? Warum kreuzen vor den Fabriken Kanus? Warum sind Vasen ein Zahlungsmittel? Warum gibt es in einem Land, das wir gerade erst besiedeln, schon Schleusen?
Das sind Unstimmigkeiten, die darauf hindeuten, dass hier mehr Mechanismus als Thema im Spiel ist. Und dass für einige der Mechanismen wohl keine thematisch überzeugende Einkleidung gefunden wurde. Es wirkt so, als habe man irgendwas draufgesetzt, das mehr oder weniger zur Themenwelt gehört.
Und da bin ich beim eigentlichen Knackpunkt: Ich glaube, BOONLAKE erzeugt deshalb kein BOONLAKE-Gefühl, weil zu viel Mechanismus im Spiel ist. Und zu viel verschiedener Mechanismus. Zu viel nebeneinander, zu wenig Fokus. Es fehlt der mechanische Leitgedanke: das, wofür BOONLAKE mechanisch steht. BOONLAKE ist überwürzt: ein Gemisch aus ganz vielen Zutaten, die sich nicht komplett entfalten und am Ende wenig Geschmack erzeugen.


**** solide

BOONLAKE von Alexander Pfister für zwei bis vier Spieler:innen, dlp games.

Donnerstag, 17. Februar 2022

High Score

HIGH SCORE macht mit Würfeln das, was STICHTAG mit Karten macht. Das könnte ich nun genauer ausführen, beispielsweise in Form einer Vergleichsrezension. Da ich STICHTAG allerdings in der spielbox bespreche, lasse ich meine Anfangsthese einfach unerklärt stehen. REZENSIONEN FÜR MILLIONEN macht mit Leser:innen das, was Mobilfunkunternehmen mit Kund:innen machen.

Wie geht HIGH SCORE? Wir würfeln mit sieben Zahlenwürfeln. In jeder der sieben Runden nach unterschiedlichen Regeln. Welche genau, bestimmen sieben ausgeloste von insgesamt 21 „Challengekarten“.
Mal darf rausgelegt werden, mal muss rausgelegt werden, mal muss man den Wurf als Gesamtpaket akzeptieren oder würfelt alles noch mal und hat bis zu drei weitere Versuche. Mal zählen am Ende alle Würfelseiten Punkte, mal nur Paare, mal nur ungerade Werte, während die positiven minus zählen. Und so weiter. Wer die Runde gewinnt, bekommt drei Punkte. Die anderen bekommen weniger oder nichts.


Was passiert? Die Vorgaben erfordern taktische Anpassungen und unterschiedliches Risiko-Management. Zumal die jeweils sechste Würfelseite keine Sechs zeigt, sondern einen Wirbel, der ebenfalls wechselnden Regeln folgt. Zählt der Wirbel beispielsweise krass negativ, wäre es ein Wagnis, den letzten Wurf mit allzu vielen Würfeln zu bestreiten. Werden alle Würfel mit Wirbel eingefroren und zählen dann nichts, wäre es keine gute Idee, immer viele Würfel zu würfeln.
Mal ist es besser, schnell zur Sache und zum Endergebnis zu kommen. Mal lohnt es sich, die Würfelei lange auszudehnen. Am meisten lohnt es sich natürlich, einfach gut zu würfeln, schließlich ist es ein Würfelspiel.


Was taugt es? HIGH SCORE ist clever gemacht: Keine der 21 Regelversionen ist so stark, dass es gerechtfertigt wäre, ein ganzes Spiel auf dieser einen Version aufzubauen. In Summe aber ergeben die Mini-Spiele eben doch ein spannendes und abwechslungsreiches Turnier.
Na gut, spannend bis zum Finale ist es nicht für alle. Manche sind schnell abgeschlagen. Aber das ist in beispielsweise BLUFF oder QWIXX nicht anders. Würfelspiel eben. Und wenigstens kann man als Pechvogel in HIGH SCORE noch bis zum Schluss auf das Erfolgserlebnis hoffen, wenigstens einmal eine Runde zu gewinnen.
In der Medizin sagt man: Wer heilt, hat recht. Übertragen auf Spiele könnte man sagen: Was unterhält, hat recht. Und HIGH SCORE unterhält. Es ist ein Absackerspiel, das man gerne rausholt und das für 20 oder 30 Minuten Freud und Leid und Mitfiebern initiiert. Es ist gut verbrachte Zeit.
Allerdings ist HIGH SCORE eben doch nur eine Sammlung herkömmlicher Würfelaufgaben. Es hat wenig eigenen Charakter, nichts, das hervorsticht. Es ist kein Spiel, das bleiben wird.


**** solide

HIGH SCORE von Reiner Knizia für zwei bis fünf Spieler:innen, Kosmos.

Sonntag, 13. Februar 2022

Die verlorenen Ruinen von Arnak – Die Expeditionsleiter

Erweiterungen sind ein schwieriges Terrain. Zielgruppe sind natürlich die Fans eines Spiels, also diejenigen, die das Spiel so mögen, wie es ist.
Tja, und mögen sie es auch, wenn es ein bisschen anders ist? Oder wollen sie einfach mehr desselben? Oder glauben sie, eigentlich nicht mehr desselben zu wollen, mäkeln dann aber doch herum, wenn sich das Spiel verändert? Hm, in die letztgenannte Kategorie könnte ich fallen ...

Was bringt DIE EXPEDITIONSLEITER? Vieles: zusätzliche Gegenstände und Artefakte, zusätzliche Ortsplättchen, Wächter, Gehilfen, Totems und außerdem ein Artefakt und einen Gehilfen, um die alten Versionen davon auszutauschen, die nicht mehr gut balanciert erschienen. Dieser Teil ist mehr desselben.
Hinzu kommen zwei neue Forschungsskalen als Alternative zu den auf dem Spielplan aufgedruckten. Sie sind anspruchsvoller und verändern also etwas die Spielbalance … außer wir nehmen auch noch das Herzstück der Erweiterung dazu, die Expeditionsleiter:innen.
Sie verleihen uns individuelle Fähigkeiten, die etwas stärker sind als das, womit wir bislang an den Start gegangen sind. Bedeutet wiederum: Mit diesen Fähigkeiten und den alten Forschungsskalen würde das Forschen leichter werden, weshalb man am besten die Charaktere und die neuen Skalen zugleich einsetzt.

Sechs Charaktere stehen zur Wahl, und sie sind angenehm unterschiedlich geraten. Die Baronin beispielsweise nimmt viel Geld ein und kann pro Runde einen gekauften Gegenstand sofort auf die Hand nehmen. Sie wird sich also auf Gegenstände fokussieren. Die Falknerin besitzt eine Adlerfigur, die auf einer kurzen Skala vorwärts fliegt und sich dabei quasi „auflädt“. Je weiter der Adler geflogen ist, desto stärker ist der Effekt, wenn die Falknerin den Adler wieder auf seinen Startpunkt zurücksetzt.
Damit das alles in Gang kommen kann, besitzen wir nun andere Startdecks: zu den zwei unvermeidlichen Furchtkarten kommen vier weitere Karten, die speziell auf den Charakter zugeschnitten sind. Sie sind alle unterschiedlich und auch deutlich komplexer als die Starthand des Basisspiels.

Was passiert? Wird mit den Charakteren gespielt, dauert DIE RUINEN VON ARNAK deutlich länger als bisher, schon in der Anfangsphase. Die Startkarten boten bislang nur die Wahl zwischen Reise oder Münze / Kompass, und weil Reise oft gar nicht möglich war, ließ sich das gut überblicken und schnell abhandeln. Mehr Komplexität kam erst nach und nach über Gegenstände und Artefakte ins Deck.
Die Startkarten der Erweiterung bieten oft auch jenseits der Reisefunktion Wahlmöglichkeiten, teilweise steht Text drauf, teilweise sind Effekte von Bedingungen abhängig. Die Decks sind von Beginn an komplexer. In Summe mit all den anderen Elementen, die tendenziell auch etwas aufwendiger sind als zuvor, schiebt die Erweiterung ARNAK vom oberen Kennerspiel zum Expertenspiel.


Was taugt es? Dass die Erweiterung ARNAK anspruchsvoller macht, muss man nicht schlimm finden, im Gegenteil. Es wird phantastisch viel Hirnfutter geliefert. Die Forschungsskalen erfordern eine gewisse Anpassung, und vor allem die Charaktere wollen erlernt werden, da sie teilweise eine ziemlich geänderte Spielweise nach sich ziehen.
Allerdings habe ich für die Erweiterung deutlich weniger Einsatzmöglichkeiten als für das Basisspiel. Zu ARNAK schrieb ich in meiner Rezension, es sei schnörkellos und lasse sich „auch mehrfach direkt hintereinander spielen, ohne dass der Kopf raucht“. Diese Fluffigkeit verliert ARNAK mit der Erweiterung. Einige Mitspieler:innen, die das Grundspiel toll fanden, haben sich bei der Erweiterung ausgeklinkt. Es dauerte ihnen zu lange, es war zu mühsam. Und es war Blindflug, denn man kann sich nicht mehr an dem orientieren, was die anderen Spieler:innen so machen; man könnte es ohnehin nicht nachahmen.
So bin ich zwiegespalten. Ja, die Erweiterung ist toll, weil sie viel Neues und auch Bereicherndes bietet. Und tja, sie raubt ARNAK leider eine wesentliche Qualität. Powergamer-Runden, deren anfängliche Begeisterung für ARNAK nachließ, weil sie sich ein bisschen unterfordert und gelangweilt gefühlt haben, profitieren hier am meisten.


***** reizvoll

DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK – DIE EXPEDITIONSLEITER von Mín und Elwen für eine:n bis vier Spieler:innen, Czech Games Edition.

Mittwoch, 9. Februar 2022

Vor 20 Jahren (110): Alles im Eimer

In meinen Spielerunden bin ich oft der Erinnerer: „Du musst noch eine Karte ziehen.“ „Du kriegst noch drei Geld.“ „Du musst noch deinen Bonus nehmen.“ Und während ich aufpasse, dass alle alles schön richtig machen, vergesse ich durchaus mal selbst, mir Geld zu nehmen oder meine Sonderfunktion mitzubedenken. Und niemand erinnert mich.

Das schreibe ich aber nicht als Vorwurf. Es ist nun mal so, weil ich fast immer der Erklärer bin und das Spiel bereits kenne, während die anderen sich neu einfinden müssen. Umgekehrt geht es mir ja genauso: Bekomme ich ein Spiel beigebracht, unterlaufen mir Fehler. Ich nehme ein falsches Einkommen oder mache unerlaubte Züge und muss daran erinnert werden, wie es richtig geht.

Und obwohl das alles der normale Lauf der Dinge ist, empfand ich es als gerechte Wohltat, als vor 20 Jahren ein Spiel erschien, bei dem ich mal niemanden an irgendwas erinnern musste. Denn Stefan Dorra hatte es in ALLES IM EIMER einfach so geregelt: Wer das Nachziehen vergisst, kriegt nachträglich nichts mehr. Ätsch!

Ein Spielzug besteht in ALLES IM EIMER hauptsächlich darin, eine oder mehrere Karten zu spielen und anschließend eine nachzuziehen. Mehr nicht. Da selbständig ans Nachziehen zu denken, halte ich in Erwachsenenrunden für absolut zumutbar.

In einer meiner Spielerunden, die damals regelmäßig ALLES IM EIMER spielte, brachten trotzdem nicht alle die nötige Konzentration auf. Insbesondere eine Mitspielerin vergaß das Nachziehen dauernd. Und wenn sie mal dran dachte, freute sich so ausgiebig über ihre Glanzleistung, dass – von ihrer eigenen Verzückung noch völlig überwältigt – sie im Folgezug erneut darüber hinwegkam. Und so verlor sie natürlich, weil sie bald keine Karten mehr hatte, mit denen sie die Zahlenwerte anderer Spieler:innen hätte überbieten können. Wessen Eimerpyramide zuerst zerstört werden würde, stand eigentlich schon bei Spielbeginn fest.

ALLES IM EIMER war eins von zwei Spielen (das andere war ZOKI), das ich von der Spielwarenmesse 2002 mit nach Hause brachte. Kosmos probierte es damals mit Spielen in länglichen Packungen in der Größe einer halben SIEDLER-Box: BALI, EDEN, ZAUBERCOCKTAIL und GNADENLOS hatten 2001 den Anfang gemacht, 2002 folgten ALLES IM EIMER und TYROS. Und dann war schon Schluss.

Wahrscheinlich lag das aber weniger an den Schachteln als an dem, was drin war. Obwohl einige der Spiele durchaus etwas hatten, war nur ALLES IM EIMER richtig gut. Und selbst ALLES IM EIMER ist heute nicht mehr bei Kosmos im Programm, obwohl es immerhin noch in zwei anderen Ausgaben erschien, zuletzt 2016 mit Plastikeimern. Das ist auch die Version, die ich letztlich behalten habe.

Doch inzwischen befürchte ich, das Original wegzugeben, war ein Fehler. Ja, es war peinlich naiv illustriert. Und ja, das Schachtelformat war ein Fremdkörper im Regal. Aber es war nun mal das Spiel, bei dem ich erlebt hatte, wie meine Mitspielerin dauernd das Ziehen vergaß und sich über ihre eigene Unzulänglichkeit köstlich amüsierte. So missraten es aussah und so durchgespielt die Karten waren: Alle guten Erinnerungen hingen an diesem Original.


Samstag, 5. Februar 2022

Mille Fiori

Tausend Blumen sagen mehr als eine Einleitung.

Wie geht MILLE FIORI? Wir draften Karten, um sie dann auszuspielen und transparente Plättchen abzulegen. Der Spielplan hat sechs verschiedene Ablege-Bereiche, in denen die Plättchen nach unterschiedlichen Regeln punkten. Die Karten zeigen, in welchen Bereich ich ein Plättchen legen muss, oft ist auch ein bestimmtes Feldsymbol vorgegeben, das ich zu überdecken habe.
Generell ist es erstrebenswert, in einem Bereich alle vorkommenden Symbole abzudecken. Dafür gibt es hohe Punkteboni. Je schneller man ist, desto höher. Ebenso erstrebenswert sind Extrazüge, die sich – nach unterschiedlichen Regeln – in allen Bereichen verdienen lassen. Wer einen Extrazug gewinnt, wählt eine Karte aus der Auslage und spielt sie zusätzlich.
Wie kommen Karten in die Auslage? Nachdem vier Karten gespielt worden sind, wird die fünfte in die Auslage gelegt. Dann beginnt eine neue Runde mit neuen Handkarten.


Was passiert? Jedes Plättchen punktet. In jedem Bereich anders. Mal geht es darum, eine große Fläche mit eigenen Plättchen zu pflastern, anderswo werden die Plättchen pyramidenförmig aufgestapelt, wieder anderswo bilden sie eine Schlange und man will genau dann legen, wenn eine lukrative Punktezahl abgedeckt werden kann. Auf jedem Fall gibt es nach jedem Zug mindestens einen Punkt. Die Punktezähler sind ständig in Bewegung.
Das Ziel sollte natürlich sein, viele Punkte zu machen. Im Flächenbereich bedeutet das, möglichst viele Plättchen zu legen, denn jedes bringt mindestens so viele Punkte, wie die Fläche groß ist. Anderswo zahlt es sich aus, sein Plättchen an die ideale Stelle zu legen, beispielsweise als Spitze der Pyramide, was aber erst geht, wenn die zweite Pyramidenebene vollständig gelegt ist. Man muss also im richtigen Moment an die Reihe kommen und die passende Karte besitzen.
Wer die Runde beginnt, hat den Vorteil, seine Karte exakt planen zu können. Niemand wird in die Quere kommen oder ein Feld wegschnappen. Weiter hinten in der Sitzreihenfolge wird dann häufiger gestöhnt, dass man sich irgendetwas überlegt hatte, was nun nicht mehr klappt. Nicht alle beginnen in MILLE FIORI gleich häufig. Angesichts des Glücksfaktors, den das Spiel ohnehin hat, finde ich diese kleine Unausgewogenheit hinnehmbar.
Draften ist ein inzwischen bewährter Mechanismus, um gute oder schlechte oder sonstwie extreme Starthände auszugleichen und die Spieler:innen über ihr Blatt mitbestimmen zu lassen. Wir haben Entscheidungen zu treffen, schon bevor das Ausspielen beginnt. Wir erleben Zerrissenheit, weil wir uns zwischen mehreren schönen Karten kaum entscheiden können. Wir bangen, dass die erhofften Karten auftauchen. Und wir können das Draften taktisch nutzen, um der Konkurrenz Karten vorzuenthalten.
Das ist auch bei MILLE FIORI so. Aber was ist hier das Neue? Für mein Empfinden ist es die starke Zockkomponente. Beispielsweise im Schlangenbildungsbereich kann ich nicht genau wissen, ob mein Plättchen auf dem Feld mit der Eins oder der Zehn landen wird. Aber ich kann auf die Zehn spekulieren und mir deshalb eine entsprechende Karte sichern. Es kann aber auch passieren, dass mir genau dieses Feld vor der Nase weggeschnappt wird. Ähnliches gilt auch für andere Bereiche.


Was taugt es? Das Zocken ist sowohl bei der Kartenwahl als auch beim Ausspielen spannend. Eine Partie nimmt ein gutes Tempo auf, die Entscheidungsdichte ist somit hoch. Etwas störend ist nur das Handling. Andauernd müssen für irgendwen irgendwelche Punkte abgetragen werden.
Zu einer Partie MILLE FIORI sage ich nicht nein. Das Spiel macht Spaß und ist gut ausgewogen. Welcher Bereich viele Punkte bringt, steht nicht fest, sondern hängt vom Spielverhalten ab.
Mir fehlt jedoch eine klare Unterscheidbarkeit zu anderen Spielen, ein Charakter. Die Abfolge „draften – ausspielen – ausführen“ ist mittlerweile bewährt. Das Thema ist aufgesetzt, die unterschiedlichen Einsetzbereiche folgen rein abstrakten Regeln und stehen beziehungslos nebeneinander. Der einzig erkennbare Bezug zum Thema Millefioriglas sind die transparenten Steine, die auf dem Spielplan ein buntes mosaikartiges Muster ergeben.
Das Material ist gut, die Grafik klar. Die Anleitung allerdings enthielt Fehler, die dazu führten, dass die Karten nicht aufgingen und eine Runde weniger gespielt wurde. Online wurde mittlerweile eine neue Version bereitgestellt.


**** solide

MILLE FIORI von Reiner Knizia für zwei bis vier Spieler:innen, Schmidt.