Freitag, 31. Dezember 2021

Gern gespielt im Dezember 2021

ARCHE NOVA: Zoowieso.

KHORA: Insbesondere der Würfelmechanismus wirkt authentisch antik.

PALEO – EIN NEUER ANFANG: Manche Szenarien haben wir ganz schön oft neu angefangen.

MILLE FIORI: Glück und Glas, wie leicht bricht das. (Schrieb eine Mitschülerin vor über 40 Jahren prophetisch in mein Poesiealbum, und jetzt, im hohen Alter, erfahre ich, wie sehr es stimmt.)

VOLL VERPLANT: Falls ich mich mal bei irgendwelchen Bahnbetrieben bewerbe, möchte ich, was etliche meiner Ergebniszettel angeht, um Diskretion bitten.





UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM DEZEMBER:

SCOUT: Da habe ich neulich noch behauptet, das Thema sei aufgesetzt. Aber dann hat’s bei mir geklingelt: Na logo ist das Zirkus, weil die Karten manchmal einen Salto machen! Zu Rundenbeginn sogar in Formation. Beeindruckend!


Montag, 27. Dezember 2021

28

Es wäre natürlich cool gewesen, diese Rezension am 28. zu veröffentlichen. Aber wie hätte ich das technisch lösen sollen?

Wie geht 28? Wir steuern Straßenbahnen in Lissabon, sammeln an Haltestellen bunte Fahrgäste ein, um sie in geforderten Farbkombinationen an bestimmten Sehenswürdigkeiten abzusetzen. Dann ist ein Auftrag erfüllt und zählt Punkte. Bis zu vier Aufträge liegen öffentlich aus. Man kann sie sich also gegenseitig wegschnappen.
Pro Zug hat man zwei Aktionen, die mit Handkarten bezahlt werden müssen. Will ich mit meiner Straßenbahn fahren, kostet das pro Feld eine Karte. Alle gespielten Karten müssen außerdem gleichfarbig sein. Will ich Fahrgäste einladen, muss ich pro Figur eine Karte der entsprechenden Farbe blechen. Und: Ich muss an einer Station alle Gäste aufnehmen. Anders als etwa Straßenbahnen in Hannover darf ich niemanden zurücklassen, der beispielsweise noch mit dem umständlichen Fahrkartenautomaten beschäftigt ist oder mir nicht in den Kram passt.
Am Ende des Zuges ziehe ich vier Karten nach. Weil es kein Handkartenlimit gibt, kann ich ordentlich was ansammeln. Das muss ich auch immer wieder, weshalb manche Züge einfach nur aus Kartenziehen bestehen.


Was passiert? Man macht Pläne: Am Castelo werden zwei rote, zwei gelbe und ein grüner Fahrgast erwartet. Zwei davon habe ich schon an Bord, die anderen drei kann ich auflesen, wenn ich eine kleine Schleife drehe. Also los.
Dieser Plan kann nun aufgehen, weil ich unterwegs hoffentlich noch die fehlenden Farben ziehe, um alle Passagiere auch einsteigen zu lassen. Oder der Plan kann scheitern, weil jemand, mit dem ich gar nicht gerechnet habe, die Figuren einsammelt und woanders hinfährt oder weil meine Schleife dann doch zu lange dauert und wer anders den Castelo-Auftrag schneller erledigt. Dann habe ich Passagiere an Bord, für die ich erst mal ein neues Ziel suchen muss. Möglicherweise irrt meine Bahn ein paar Züge lang durch Lissabon.

Wir sollen aber nicht nur effizient Aufträge erfüllen. Die Aufträge sollen auch noch zueinander passen. Mit meinen erledigten Auftragskarten bilde ich eine Reihe. An den Kartenseiten befinden sich Farbmarkierungen. Für alle Markierungen, die ich beim Nebeneinanderlegen passend miteinander verbinden kann, gewinne ich Extrapunkte. Mit Glück kann das lukrativer sein als der Grundwert des Auftrags.
Und, ja, ich schreibe absichtlich „mit Glück“. In 28 agiere ich rein taktisch und situativ. Weite Strecken zu fahren, dauert sehr lange. Bis ich den Zielort erreiche, ist die Spielsituation eine ganz andere. Zum Beispiel könnte der Zielort längst abgefrühstückt und somit gar kein Zielort mehr sein. Deshalb hat es wenig Erfolgsaussicht, sich irgendetwas Kompliziertes vorzunehmen, weil es mehr Punkte verspricht. 28 ist ein Wettlauf. Nach gar nicht allzu vielen und von wem auch immer erledigten Aufträgen ist die Partie nämlich auch schon vorbei.


Was taugt es? So spielt sich 28 recht oberflächlich. Und vermutlich ist das Spiel auch genau so gemeint, denn Straßenbahnen dürfen sich hier gegenseitig wegschubsen (was ich von Straßenbahnen so bislang gar nicht kannte), und wenn man das tut, darf man mit der eigens dafür enthaltenen Klingel bimmeln. Wir sehen: Alles nur Spaß!
Im Widerspruch dazu steht dann allerdings die Anspruch verheißende Ticketwertung mit den Farbcodes. Sie suggeriert, sich langfristig etwas aufbauen zu können. Auf dem Brett habe ich das aber nie so erlebt. Im Gegenteil wirkte sich die Wertung als zusätzlicher (und unnötiger) Glücksfaktor aus. Weil es zufällig passt oder zufällig nicht passt.
Auch die Sondereigenschaften, die man für seine Straßenbahn gegen Abgabe von Karten an vorgegebenen Orten kaufen kann, haben sich nicht als reizsteigernd erwiesen. Manche davon sind so stark, dass jede:r sie haben will. Sie freizuschalten ist somit weniger eine Option, über die man nachdenkt. Sondern eher schon eine Pflichtübung, die man mit Kartenglück hoffentlich schneller erledigt als die Konkurrenz.
Ich habe den Eindruck, dass 28 sowohl spaßig-einfach als auch etwas anspruchsvoll sein soll – was am Ende beides nicht gelingt. Eine Partie unterhält durchaus, doch die vielen Informationen und die schnellen Veränderungen auf dem Brett und die mitunter großen Kartenhände sind dann gar nicht so einfach. Tiefe entsteht daraus aber auch nicht.


*** mäßig

28 von Pedro Santos Silva für zwei bis vier Spieler:innen, Mebo.

Sonntag, 19. Dezember 2021

7 Wonders Architects

Zum Geleit dieser 7-WONDERS-Lightversion passt nur eine Einleitung light. Tut mir ja leid.

Wie geht 7 WONDERS ARCHITECTS? Gar nicht so sehr wie 7 WONDERS. Höchstens ein bisschen: Wir bauen Weltwunder. Jede der fünf Baustufen erfordert die Abgabe einer bestimmten Rohstoffkarten-Kombination, beispielweise zwei verschiedene Rohstoffe oder drei gleiche. Habe ich die beisammen, baue ich – ob ich will oder nicht. Die Baustufe zählt Punkte und schaltet eventuell noch einen Bonus frei, der von meinem Wunder abhängt (sich aber meistens nicht sehr von denen der anderen Wunder unterscheidet).

Motor des Spiels sind offene Kartenstapel, die jeweils zwischen zwei Spieler:innen stehen. Zusätzlich gibt es einen verdeckten Stapel in der Mitte. Bin ich ab Zug, nehme ich die oberste Karte vom Stapel links oder rechts von mir oder auf gut Glück eine vom verdeckten Haufen.
Neben Ressourcen für den Bau gibt es noch drei weitere Kartensorten: a) blaue, die einfach Punkte zählen; b) rote, die meine Militärstärke erhöhen (wie in 7 WONDERS vergleichen wir uns da ab und zu mit unseren direkten Nachbar:innen); c) grüne.
Habe ich auf grünen Karten zwei gleiche oder drei verschiedene Wissenschaftssymbole beisammen, tausche ich die Karten gegen einen Fortschrittsmarker. Der Marker bringt entweder Punkte oder einen dauerhaften Vorteil für den Rest der Partie. Grün erinnert somit deutlich mehr an 7 WONDERS DUEL als an 7 WONDERS.
Die Partie endet, sobald das erste Weltwunder fertig ist. Erfahrungsgemäß muss dessen Erbauer:in aber nicht unbedingt gewonnen haben.


Was passiert? 7 WONDERS ARCHITECTS ist ein sehr flottes Spiel; nicht mal zu siebt zieht es sich in die Länge. Das liegt daran, dass es wenig zu verwalten und auch wenig zu entscheiden gibt: Karte links, Karte rechts oder keine von beiden?
Glück hilft. Zieht Babylon rechts neben mir von unserem gemeinsamen Stapel und legt einen Rohstoff-Joker frei, nehme ich den sicherlich. Genauso wie es sicherlich besser ist, für einen Fortschrittsmarker nur zwei grüne Karten zu verbrauchen statt drei. Oder beim Griff in den verdeckten Stapel etwas Passendes zu erwischen.
Also zum Beispiel nicht eine Militärkarte, wenn meine Nachbarschaft schon uneinholbar hochgerüstet ist. Gewiss: Wenn ich blind ziehe, setze ich mich nun mal einem Risiko aus. Aber gar nicht so selten werde ich schlichtweg dazu genötigt. Auf manchen Stapeln liegen irgendwann Karten, die beide Parteien nicht haben wollen. Sie zu nehmen, wäre erstens ein verlorener Zug. Und zweitens: Ich liefere damit eine Vorlage. Wenn etwas Gutes erscheint, wird es mir vermutlich weggenommen.


Was taugt es? Solche Frustmomente sollte man in einem derart kurzen Spiel verdauen können. Worauf ich aber hinauswill: Die Entscheidung zwischen drei Kartenstapeln ist ohnehin schon nicht so groß. Wiederholt gibt es dabei noch Spielsituationen, die mir diese Entscheidung abnehmen.
Erfahrene Spieler:innen gewinnen trotzdem häufiger, denn sie finden die Stellschrauben, um Einfluss zu nehmen. Nicht jede Situation ist trivial. Es geht auch um Timing, was sich wann noch lohnt. Es gilt im Blick zu behalten, wann der nächste Militärkonflikt ansteht – und dies zu beschleunigen, falls es Punkte verspricht. Es gilt, den Wert der Fortschrittsmarker richtig einschätzen.
Herausragend an 7 WONDERS ARCHITECTS sind die Einfachheit und die Tatsache, dass es sogar zu siebt super funktioniert. Auch die Ausstattung des Spiels ist bemerkenswert. Zu Beginn bekommt jede:r eine Plastikschatulle, in der sich das gesamte Material samt einer Kurzanleitung für die spezifischen Weltwunderregeln befindet. Jetzt muss nur noch die Gemeinschaftsschatulle ausgepackt werden, und es kann losgehen. Alles ist durchdacht und sieht auch noch gut aus.
Das Spiel an sich aber ist nicht herausragend und spielt sich wie ein kleiner Absacker, der nur im Gewande eines großen Spiels daherkommt.


**** solide

7 WONDERS ARCHITECTS von Antoine Bauza für zwei bis sieben Spieler:innen, Repos Production.

Mittwoch, 15. Dezember 2021

Cryptid

Ein Kryptozoologe ist immer auch ein Optimist. Wenn von einem fremden Wesen weder Bilder noch Augenzeugenberichte existieren: Was könnte das bedeuten? Das Wesen existiert nicht? Unsinn, natürlich existiert es! Das Wesen ist blutrünstig und zerfleischt alles, was ihm nahekommt? Nein, Wesen tun so etwas nicht! Oder es ist einfach nur entsetzlich schüchtern und wartet auf den Richtigen? Ganz klar, das muss es sein!

Wie geht CRYPTID? Wir suchen ein Wesen. Oder genauer: seinen Aufenthaltsort, ein ganz bestimmtes Feld auf dem 108 Felder großen und immer anders angeordneten Spielplan. Wer dieses Feld zuerst benennen kann, gewinnt.
Zu Beginn hat jede:r einen anderen eingrenzenden Tipp bekommen. Dass der gesuchte Ort zum Beispiel im Sumpf liegt oder maximal ein Feld entfernt. Oder dass er nicht mehr als drei Felder von einem blauen Objekt entfernt ist. Die Informationen sämtlicher Spieler:innen zusammengenommen lassen exakt ein Feld als Möglichkeit übrig. Also gilt es herauszufinden, was die anderen wissen.

Der häufigste Spielzug besteht darin, Erkundigungen einzuziehen. Ich tippe auf ein Feld und frage beispielsweise Spielerin Grün, ob nach ihren Informationen das Wesen dort sein könnte. Als Antwort wird das Feld mit einer grünen Holzscheibe (= ja) oder einem grünen Würfel (= nein) markiert. Jede:r am Tisch zieht Schlüsse daraus.
Zur alternativen Zugmöglichkeit greife ich, wenn ich glaube, das Rätsel gelöst zu haben, oder wenn ich befürchte, die Konkurrenz sei kurz davor, sodass ich schnell noch einen Glücksschuss wage: Ich tippe auf ein Feld und behaupte, dies sei der gesuchte Ort. Ich lege hier zuerst eine Scheibe in meiner Farbe, und reihum müssen die anderen Spieler:innen bekennen: Legen alle ebenfalls Scheiben, habe ich das Wesen gefunden. Legt irgendwer einen Würfel, geht das Spiel weiter.

Was passiert? CRYPTID ist ein denkintensives Spiel. Es gibt 24 verschiedene Hinweise, und ich bin das gesamte Spiel über beschäftigt, diese Liste mit den bisherigen Erkenntnissen abzugleichen. Und das für alle Farben. Manche Spieler:innen brauchen die Hinweis-Listen nach einigen Partien nicht mehr. Ich brauche sie immer. Es gelingt mir nicht, CRYPTID aus dem Bauch zu spielen.
In der Profiversion, wo alle Hinweise auch noch in ihrer Negation vorkommen können, ist es mit Leichtigkeit völlig vorbei. Jetzt muss man höllisch aufpassen, um nicht versehentlich falsche Antworten zu geben. Ich habe keine Spielrunde erlebt, bei der die Profiversion im ersten Anlauf fehlerlos geklappt hätte.


Was taugt es? Ich stehe CRYPTID zwiegespalten gegenüber: Die Spielidee finde ich sehr originell. Ich bewundere, wie es gelingt, mit so wenigen Regeln eine derart komplexe Rätselaufgabe zu stellen. Und mir gefällt, wie alle gemeinsam eingebunden sind, indem jede:r ein Puzzleteil der Lösung besitzt.
Dennoch ist CRYPTID nicht das Spiel, das mich immer wieder an den Tisch lockt. Das versprochene Thema findet nicht statt. CRYPTID ist trockene, systematische Analyse. Auch wenn jedes Mal ein anderes Feld gesucht wird: Die Denkroutinen, die ich dazu durchlaufe, wiederholen sich. Ich bin somit nicht neugierig auf weitere Rätsel, sondern höchstens darauf, ob ich der Schnellste bin.
Optimal für CRYPTID ist eine Gruppe, die gemeinsam mit dem Spiel wächst. Mit Erfahrung arbeitet man wesentlich effizienter; Anfänger:innen haben das Nachsehen. Ist CRYPTID für alle neu, gehen mitunter sogar die Nein-Würfel aus, und es wäre schön, die Anleitung hätte für diesen Fall ein paar beruhigende oder überhaupt irgendwelche Worte parat.
Auch andere Kleinigkeiten sind nicht optimal gelöst. Die Markierungssteine, die ich weiter oben als „Objekte“ bezeichnet habe, heißen in den geheimen Hinweistexten „Strukturen“. Und es gibt die Struktur „Hinkelstein“ und die Struktur „verlassene Hütte“. Damit kann niemand etwas anfangen.
Trotz fehlendem Glücksfaktor herrscht auch nicht zwangsläufig Chancengleichheit: Wer überproportional häufig von den anderen befragt wird, ist klar im Nachteil, denn er gibt mehr Wissen preis und erfährt gleichzeitig weniger. CRYPTID schafft dafür keinen Ausgleich. Man kann es aber als Handicap für Erfahrene interpretieren, dass man sie gehäuft fragt.


**** solide

CRYPTID von Hal Duncan und Ruth Veevers für drei bis fünf Spieler:innen, Skellig Games.

Samstag, 11. Dezember 2021

Arche Nova

An Wochenenden keine Einleitung.

Wie geht ARCHE NOVA? Wir betreiben Zoos. Die sollen möglichst attraktiv sein (das erhöht das laufende Einkommen) und Artenschutzpunkte sammeln (das schaltet Vorteile frei). Unsere Marker für beide Kategorien laufen sich auf einer Skala entgegen, und sobald der einer den anderen erreicht, endet die Partie. Wer am weitesten an seinem eigenen Marker vorbeigelaufen ist, gewinnt.
Schlüssel zum Erfolg sind erwartungsgemäß Tiere. Jedes Tier kostet Geld und benötigt ein Gehege bestimmter Größe, das möglicherweise auch noch neben Wasser oder Felsen gelegen sein soll. Unsere Zoos bestehen aus verschieden angeordneten Sechseckfeldern. Die zeigen außer Geländearten auch Boni, die man beim Überbauen bekommt. Als Gehege dienen bis zu fünf Sechseckfelder große Pappteile. Sie entsprechend der Legeregeln zu puzzeln, dass sowohl Tieranforderungen erfüllt als auch Boni rasch abgegriffen werden, klappt oft nicht perfekt. Man geht Kompromisse ein.

ARCHE NOVA ist kartengetrieben. Um Tierkarten spielen zu können, muss ich sie entweder auf meiner Hand haben oder sie müssen in meinem Zugriffsbereich der allgemeinen Auslage liegen. Mein Erfolg ist also davon abhängig, welche der 212 verschiedenen Zookarten überhaupt ins Spiel kommen, zu welchem Zeitpunkt und ob ich sie ergattern kann. Wenn es gut läuft, erwische ich Karten, die sich dank ihrer Symbole gut unterstützen. Manchmal läuft es aber nicht gut, und man hadert.
Der Grundmechanismus des Ganzen ist einfach: Es gibt fünf Aktionen, repräsentiert durch Aktionskarten, die unterhalb meines Zooplans auf Plätzen mit Wertigkeiten von eins bis fünf liegen. Bin ich am Zug, nutze ich eine dieser Karten. Liegt sie beispielsweise an Position vier, hat meine Aktion die Stärke vier. Nach Ausführung rutscht die Karte dann wieder zurück auf den schwächsten Platz, die anderen rücken auf.


Was passiert? Dieses Aktions-Management macht Spaß. Für den maximalen Ertrag möchte ich die meisten Aktionen vor ihrer Ausführung erst mal bis Stufe fünf aufsteigen lassen, aber das klappt eben nicht immer. Denn manche Aktionen möchte ich häufiger ausführen als nur in jedem fünften Zug, manche vor anderen, die bereits höher positioniert sind. Manche kann ich vielleicht gerade nicht sinnvoll ausführen, beispielsweise weil mir Karten oder Geld fehlen, und dann liegen sie länger rum und blockieren die wertvolle Position fünf.
Das ist aber nur eine von vielen Ebenen, auf der ich beschäftigt bin, und die anderen Mechanismen sind nicht weniger herausfordernd: Teile puzzeln, Kosten und Abläufe optimieren, Synergien herstellen, Boni und Karteneffekte möglichst gut ausnutzen.

Bei ARCHE NOVA kommt zwar jede:r voran, aber um dies schnellstmöglich und ohne Reibungsverlust hinzukriegen, sind oft Kleinigkeiten wichtig ... weshalb es sich auszahlt, alle Kleinigkeiten stets mitzubedenken. Und so kommt es zu Optimierspiel-typischen Situationen wie: Ich will X machen, das als Belohnung die Bonusaktion Y mitbringt, welche ich jedoch nicht optimal ausschöpfen kann, außer ich würde vorher noch Zwischenschritt Z einfügen, dessen Voraussetzung aber Z1 ist, wozu ich noch … usw.
In ARCHE NOVA tüftelt jede:r vor sich hin und würdigt die Zoos der anderen kaum eines Blickes. Dennoch machen die Mitspieler:innen einen Unterschied. Während die Solo-Variante von ARCHE NOVA reines Optimieren ist, kommt es bei menschlicher Konkurrenz auch sehr auf das Timing an. Wir schnappen uns Karten und Errungenschaften weg, aber vor allem: Unsere Handlungen bestimmen, wann die nächste Verwaltungs- und Einkommens-Zwischenphase beginnt. Manche hätten dies gerne früher (weil schon pleite), andere später (weil noch Pläne).


Was taugt es? ARCHE NOVA fordert heraus, ich spiele es gerne. Ich mag es, wie ich hier auf verschiedene Weise gefordert bin und das Beste aus den Gegebenheiten herausholen muss. Den Zufallsfaktor passender oder weniger passender Karten empfinde ich als stimmig; in kartengetriebenen Spielen ist das nun mal so. Die große Kartenvielfalt bewirkt, dass manche Aspekte des Spiels gar nicht in jeder Partie eine Rolle spielen. So entdeckt man auch später noch Neues.
Mir gefällt, wie ARCHE NOVA Zoo begreift: Wir erschaffen tierfreundliche Zoos, die dem Artenschutz dienen, keine Gefängnisse für Tiere. Das Thema bleibt dennoch im Hintergrund, es entsteht keine Vorstellung von Zoo, aber zumindest hilft das Thema, die Abläufe zu verstehen. Was ich zu tun habe, ergibt sich von selbst: Gehege schaffen, Tiere reintun. Zusätzliche Orientierung bieten mir die zu Spielbeginn ausgelosten Aufgaben („Artenschutzprojekte“).
Zu einer Partie ARCHE NOVA muss man mich ganz sicher nicht überreden. Angesichts der Begeisterung, die das Spiel allerorts hervorzurufen scheint, muss ich aber wohl begründen, warum ich es „nur“ reizvoll finde: Für „außerordentlich“ fehlt mir das Außerordentliche. ARCHE NOVA erzeugt keine Dilemmata, die sich für mich neuartig anfühlen. Das Spiel ist sauber um das sympathische Thema herumkonstruiert. Was mir aber fehlt, ist ein einzigartiger Kern. Das Typische, das Unverwechselbare.
Grafik, Layout und Material sind tadellos. Die Aufbewahrungsboxen, die der Verlag gleich mitliefert, sind sehr praktisch. Lediglich die Anleitung empfinde ich als nicht komplett gelungen. Man kann sich zwar alles herleiten, wenn man an den richtigen Stellen sucht. Hier und da hätte ich mir trotzdem ausführlichere Erläuterungen und auf der Symbolübersicht die Erklärung aller im Spiel vorkommenden Symbole gewünscht.

***** reizvoll

ARCHE NOVA von Mathias Wigge für eine:n bis vier Spieler:innen, Feuerland.

Dienstag, 7. Dezember 2021

Vor 20 Jahren (108): Dvonn

In meinen Spielerunden wird um abstrakte Zwei-Personen-Strategiespiele lieber ein Bogen gemacht. Zugegeben, wenn nicht gerade Pandemie ist, spielen wir sowieso selten zu zweit. Aber wenn es denn doch mal passiert, kommen tendenziell dieselben Spiele auf den Tisch, die auch zu dritt oder zu viert gespielt worden wären. Was dagegen irgendwie im Entferntesten nach Schach aussieht, nach weiße Steine gegen schwarze Steine, nach Hirn gegen Hirn, schreckt ab.

Warum? Spiele ohne Zufallsfaktor hinterlassen bei vielen Unterlegenen ein im wahrsten Sinne dummes Gefühl. Und schon vor Partiebeginn scheinen sie wenig Freudvolles zu versprechen. Man wird ganz viel im Gedanken durchspielen und mehrere Züge im Voraus planen müssen. Bäh!
Lustigerweise ist das in den Spielen, die dann statt der rein abstrakten gespielt werden, oft genauso: Auch hier muss man viel im Gedanken durchspielen und mehrere Züge im Voraus planen; manchmal sogar noch tiefer und vielschichtiger. Aber es sind Schafe dabei oder Zwerge oder Waren, und das verharmlost die Sache enorm.

Die „Spiele für Zwei“-Serie bei Kosmos durchbrach vor 25 Jahren die üblichen Hemmschwellen. Diese Spiele waren bewusst nicht schachartig, sondern spielten in einer der typischen Eurogame-Welten. Rom, Ägypten, Dschungel, Fantasy, Mittelalter.
Und dann war da noch die 1996 begonnene GIPF-Reihe von Kris Burm, deren Spiele – obwohl themenlos Weiß gegen Schwarz und Hirn gegen Hirn – oft eine unerwartete Leichtigkeit besaßen, sodass selbst Menschen gerne mitspielten, die – siehe oben – sonst lieber einen Bogen machten.


Insbesondere DVONN (2001) hat diese Leichtigkeit. Und das liegt meines Erachtens an den sehr wenigen und zudem intuitiven Regeln und zweitens an der Art, wie sich eine Partie entwickelt.

Kurz zu den Regeln: Wir ziehen von besetzten Feldern auf andere besetzte Felder. So entstehen Türme, deren oberste Farbe den Turm besitzt und deren Höhe über die Zugweite bestimmt.
Was bis zu dieser Stelle herkömmlich ist, bekommt seinen Dreh durch die drei neutralen roten Steine. Alles, was irgendwann nicht mehr mit einem roten Stein verbunden ist, fliegt aus dem Spiel. So geht immer mehr Material flöten, zumal auch Zugzwang herrscht. DVONN endet, wenn niemand mehr ziehen kann. Wer dann die meisten Steine beherrscht, gewinnt.

Weil alle Steine dasselbe können, scheint es bei der Menge an Steinen, die sich in der Eröffnung auf dem Brett tummeln, noch nicht so arg entscheidend zu sein, ob man den dritten von links oder den zweiten von rechts zieht. Um nicht schon jetzt Grundlegendes zu verbocken, genügt es, wenigen Leitlinien zu folgen, und der Rest ergibt sich dann.
Je weiter das Spiel fortschreitet, desto leerer das Brett und desto klarer lassen sich die Möglichkeiten und Konsequenzen überblicken. DVONN gibt das Gefühl, bis zu einem gewissen Punkt aus dem Bauch spielen zu können, und ab da, wo das nicht mehr geht, die Möglichkeiten zu erkennen. Man hat nie das Gefühl, es sei zu komplex.

Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass ich DVONN fatal unterschätze, und in Wahrheit ist es wie bei Schach, und die Partien sind viel früher gelaufen, als ich denke. Solange man das nicht weiß und es sich nicht so anfühlt, ist es aber auch nicht schlimm. Schach ist im Gegensatz zu vielen anderen Spielen leider so durchanalysiert und durchgerechnet, dass alles Spielerische verloren gegangen ist. DVONN nicht.


Freitag, 3. Dezember 2021

Top Ten

Es soll Menschen geben, die nicht gerne kooperativ spielen. Und es soll Menschen geben, nicht gerne Partyspiele spielen. Beide Gruppen haben jetzt Glück, denn sie müssen nicht weiterlesen und sparen Lebenszeit.
Alle anderen haben noch mehr Glück, denn TOP TEN verschönert ihre Lebenszeit.

Wie geht TOP TEN? TOP TEN ist ein kooperatives Partyspiel. Wir haben geheim Zahlen von eins bis zehn gezogen und sollen nun so antworten oder so performen, dass es dem reihum wechselnden „Käpten“ möglich wird, unsere Rangfolge von klein nach groß zu erraten.
Zuerst wählt der Käpten eins von zwei möglichen Themen aus. Vielleicht dieses: „Jemand hält dir die Tür auf. Mit welcher Höflichkeitsfloskel bedankst du dich? Von kurz und knapp (1) bis total ausufernd (10).“ Beginnend beim Käpten machen nun alle vor, wie sie sich in der ihnen zugelosten Rolle bedanken: vielleicht nicken sie nur knapp oder lächeln freundlich oder kriegen sich vor gespielter Dankbarkeit nicht mehr ein.
Anschließend deckt der Käpten die Karten der Mitspieler:innen in der hoffentlich richtigen Reihenfolge auf. Falls nein, setzt es Strafpunkte, und bei zu vielen Strafpunkten ist die Partie verloren. Ansonsten folgt die nächste von insgesamt fünf Runden.


Was passiert? Es ist nicht so angenehm, als Käpten gleich mehrere Strafpunkte zu verursachen; erst recht nicht, wenn die Gruppe signalisiert, dass es so ziemlich jede:r am Tisch besser gewusst hätte, und nur der olle Käpten hat’s nicht geschnallt. Aber letztlich ist die Wertung fast unwichtig.
Ich war sowohl bei rasch verlorenen Partien dabei als auch bei solchen, die vollkommen fehlerlos gewonnen wurden. Für den Spielspaß hat beides kaum einen Unterschied gemacht. TOP TEN lebt davon, wie sich die Spieler:innen kreativ einbringen. Und wie das Spiel hierfür Anreize setzt, ist schlichtweg bravourös: Die Aufgaben machen neugierig, sie sind nicht der übliche Standardkram, den man schon anderswo gespielt hat. Viele Aufgaben lassen schon beim bloßen Vorlesen Bilder im Kopf und somit Vorfreude entstehen. Die pantomimischen Aufgaben müssen niemandem peinlich sein. Und wenn eine Gruppe möchte, kann sie alles, was Körpereinsatz erfordert, auch umgehen (bringt sich damit aber um einen Teil des Spielspaßes).
Bei TOP TEN geht es nicht um die beste Performance oder die lustigste Antwort. Sondern um einen Beitrag, der dem Käpten das Gewünschte signalisiert. Deshalb müssen alle in der Runde mitdenken. Bevor ich an die Reihe komme, etwas zu sagen oder etwas zu spielen, muss ich aufpassen, wie meine Vorgänger:innen agiert haben; muss interpretieren, welche Zahlen sie wohl haben könnten, und mich entsprechend anpassen.
Bin ich die Acht, sollte ich mich schon ziemlich exponieren, aber eben auch nicht zu sehr, um einer potenziellen Neun oder Zehn noch Spielraum nach oben zu lassen. Hat schon vor mir jemand ganz gut Gas gegeben, muss ich entscheiden: War das jetzt die Neun (und ich bleibe drunter) oder nur die Sieben (und ich lege eine Schippe drauf)?
Unweigerlich entstehen viele witzige Situationen. Einerseits weil man sich freut, was die anderen so alles aus sich schöpfen. Zweitens weil jede:r dieselbe Aufgabe hat, sie anhand seiner Rolle aber ein bisschen anders interpretieren muss. Die Vergleichbarkeit und die Wiederholung mit Abwandlungen bewirken Komik.
Und drittens weil TOP TEN ständig überrascht: Bei der oben beschriebenen Türaufgabe hatten wir – ohne es zu wissen – die Sieben, Acht, Neun und Zehn gezogen. Und man saß während der Vorführungen da und dachte: Häh? Irgendwann muss sich doch mal jemand knapp bedanken?! Aber nein: Auf begeisterte Dankbarkeit folgte begeisterte Dankbarkeit, folgte begeisterte Dankbarkeit, folgte begeisterte Dankbarkeit. Die Krönung war dann, dass der Käpten die Außmaße der Begeisterung auch noch richtig deutete und fehlerlos die Karten aufdeckte.


Was taugt es? TOP TEN enthält 500 verschiedene Aufgaben. Das ist nicht nur sehr viel; mich beeindruckt zudem, wie unterschiedlich und kreativ diese Aufgaben sind. Es ist wenig dabei, das wie Füllmaterial rüberkommt. Es wirkt so, als hätten es aus einem großen Ideen-Pool nur die besten in die Schachtel geschafft.
TOP TEN hat tolles Material, ohne überproduziert zu sein. Den Spielstand markieren wir mit massiven Chips, die Einhörner (verbleibende Lebenspunkte) oder Kackhaufen (Strafpunkte) zeigen. Die Zahlenkarten von eins bis zehn sind – anders als die Aufgabenkarten – aus Kunststoff. So wird auch nach vielen Partien nicht anhand der Rückseite erkennbar sein, wer welche Nummer gezogen hat.
Es gibt nur wenig, das in TOP TEN nicht sehr gut ist. Erstens ist das der Titel, denn um eine Top Ten geht es hier nicht, sondern um die volle Bandbreite von ganz oben bis ganz unten. Zweitens ein unglücklicher Passus in der Anleitung. Dort steht, die Spieler:innen dürfen in einer Reihenfolge ihrer Wahl agieren. Das hilft Zurückhaltenden, die erst mal gucken wollen, was die anderen machen. Aber es führt auch dazu, dass Spieler:innen mit Extremwerten den Auftakt machen und die anderen sich entsprechend ihrer Zahl selbst einsortieren. Für mein Empfinden schmälert das den Reiz, weshalb ich am liebsten strikt im Uhrzeigersinn spiele.


****** außerordentlich

TOP TEN von Aurélien Picolet für vier bis neun Spieler:innen, Cocktail Games.

Dienstag, 30. November 2021

Gern gespielt im November 2021

ARCHE NOVA: Im Tierpark Tiere parken.

SCOUT: Ich mag keinen Zirkus, und dass ich SCOUT mag, beweist wohl, dass das Spielthema allenfalls als Clownsnummer taugt.

7 WONDERS ARCHITECTS: Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten. Den Architekten verdankt 7 WONDERS die Erfindung der wesentlich effizienteren Fertigbauweise.

BAUMKRONEN: Antike, Mittelalter, Renaissance. Dass Eurogames Vergangenes beschwören, sind wir gewohnt. Beunruhigend aber: Neuerdings ist es die Natur.

PALEO – EIN NEUER ANFANG: Das erste Haustier der Menschen war …? Ein Dodo!






UND AM LIEBSTEN GESPIELT IM NOVEMBER:

TOP TEN:
In diesem Spiel guckt sogar der Kackhaufen fröhlich.





Donnerstag, 25. November 2021

Zwergar

Mag sein, dass ZWERGAR kein Kofferwort aus „Zwerg“ und „Ärger“ ist; das Spiel fühlt sich dennoch so an: Denn man kann andere ganz schön ärgern. Und man ärgert sich ganz schön, wenn man wiiieder laaange waaarten muuuss.

Wie geht ZWERGAR? Auch ZWERGAR ist eins von diesen Personaleinsatzspielen, bei denen wir Rohstoffe abbauen, um damit Dinge zu kaufen (hier: „Projekte“), die Punkte zählen und eventuell auch noch besondere Fähigkeiten mitbringen.
Zwei Mechanismen machen den Unterschied zu anderen Spielen dieser Art aus: 1. Wir agieren mit Figuren in drei verschiedenen Farben. Zwar kann prinzipiell jede jedes Feld aufsuchen, aber die Erträge sind unterschiedlich. Beispielsweise dürfen im „Labor des Alchemisten“ alle Figuren Rohstoffe tauschen, aber eine weiße Figur darf das häufiger tun, während die orangefarbene noch einen Bonus bekommt. Nur die violette kann hier nichts Außergewöhnliches, dafür aber an anderen Orten.

2. Unsere Rohstoffe holen wir aus einer Mine, und sie müssen mit einem Gemeinschaftsaufzug von unten nach oben transportiert werden. Die wertvollen Rohstoffe gibt es nur tief unten in der Mine; sie haben den längsten Weg. Außerdem bewegt sich der Aufzug nicht von selbst. Ihn in Bewegung zu setzen, kostet eine Aktion. Und man transportiert unweigerlich die Rohstoffe aller anderen Spieler:innen mit, was man eigentlich nicht will.
Wer am Zug ist, führt hintereinander drei Aktionen aus. Besetzte Einsatzfelder sind nicht besetzt. Im Gegenteil freue ich mich, dort eine Figur vorzufinden. Denn diese erhalte ich nun im Austausch gegen meine eingesetzte. Ziehe ich auf ein leeres Einsatzfeld, mache ich eine Figur Verlust. Je weniger Figuren ich besitze, desto geringer ist meine Farbauswahl. Und habe ich irgendwann gar keine Figur mehr, kostet es mich eine Aktion, mir wieder einen Notvorrat von zwei Figuren nehmen zu dürfen.


Was passiert? So interessant das Figurenfarben-Management auch ist: Es übt einen großen Optimierungsdruck aus. Es liegt klar auf der Hand, dass eine Aktion, bei der meine eingesetzte Farbe keinen Bonus bringt, nicht optimal sein kann. Also tüftele ich aus, dass ich mit der violetten Figur zuerst nach A gehen muss, mit der dort erhaltenen weißen Figur nach B und mit der dort erhaltenen violetten Figur nach C. Oder doch lieber D? Dann aber sollte die Figur orange sein, also müsste ich sie erst von E holen, aber nach E will ich gar nicht, außer ich hätte zuvor bei C …
Die Tüftelei betrifft aber nicht nur die Figuren: Zusätzlich zu den vier Rohstoffen gibt es noch die Währung Wärme, und weil sie am Ende der drei Aktionen ersatzlos verfällt, will man sie bis dahin möglichst komplett ausgenutzt und ausgegeben haben. Und als Wärmequellen gibt es Öfen. Es ist vorteilhaft, wenn am Zugende noch mindestens einer brennt, aber nicht alle. Das will man also auch hinkriegen.
Es sind somit sehr viele verschiedene Faktoren, die man in seinen drei Aktionen unter einen Hut bekommen will. ZWERGAR setzt Anreize, um neben dem generellen Ziel (mit den passenden Rohstoffkombinationen möglichst wertvolle Projekte zu kaufen) noch viele Nebenpläne miterledigen zu wollen. Weil man nie alles schafft, bleibt oft ein Gefühl der Unzufriedenheit. Und vor allem kann man ewig lange darüber nachdenken, wie man das Beste rausholt. Und wenn man es nicht perfekt hinkriegt, ob nicht wenigstens beinahe. Oder – Moment! – ob es vielleicht sogar doch klappen könnte, wenn man den weißen Zwerg nach D setzt, um dann ...


Was taugt es? Im Finale wird die Rechnerei noch intensiver, denn nun ist der Zeitpunkt, um auch die angesammelten Baustoffe möglichst perfekt in Projekte umzumünzen und im Bestfall nichts übrig zu behalten, das keine Punkte zählt. Dass lange nachgedacht wird, ist auch in vielen anderen Spielen so, und oft ist es eher das Problem der Runde und weniger des Spiels. Im Falle von ZWERGAR aber liegt es auch am Spiel. Die große Abhängigkeit von Details und die Notwendigkeit, immer drei sinnvoll aufeinander aufbauende Aktionen aneinander zu koppeln, verlangsamen das Spiel.
Viele Aspekte an ZWERGAR gefallen mir dennoch gut. Auch wenn wir uns keine Felder wegschnappen und die Interaktion nur indirekt ist, lassen sich einige fiese Zwänge konstruieren. Braucht die Konkurrenz neue Rohstoffe dringender als ich, kann ich darauf spekulieren, dass andere den Aufzug bedienen werden, und ich schaufele vielleicht sogar noch extra was drauf, damit sie sich noch mehr ärgern. Auf Einsatzfeldern darf ich Öfen installieren und profitiere nun jedes Mal, wenn jemand hier hinzieht. Und nicht zuletzt wirke ich durch die Figuren, die ich meinen Mitspieler:innen hinterlasse oder dem Spielplan entziehe, auf die Möglichkeiten der Konkurrenz ein.

Gut gefällt mir auch, dass nicht in jeder Partie dieselben Projekte enthalten sind, sondern verschiedene Sets die Ausrichtung variieren. ZWERGAR ist obendrein thematisch stimmig und hübsch illustriert. Nur die Symbolik könnte in mehreren Fällen klarer sein. Und so außergewöhnlich die kolorierten Natursteine als Rohstoffe auch sind: Wegen ihrer stark unterschiedlichen Größen lässt sich schlecht auf einen Blick erkennen, ob jemand nun vier, fünf oder gar sechs Steine besitzt.
In Summe gibt es an der Mechanik von ZWERGAR wenig zu beanstanden, doch das Spielgefühl ist zu wenig neu, um den Zeitaufwand einer Partie allzu häufig aufbringen zu wollen. In Summe also:


**** solide

ZWERGAR von Jan Madejski für zwei bis vier Spieler:innen, Granna.

Mittwoch, 17. November 2021

Project L


L wie Literaturtipp: „Wörter mit L“ von Tamara Bach.

Wie geht PROJECT L? Es ist ein Puzzle-Spiel mit Polyominos, das originellerweise als Engine-Builder daherkommt: Ich starte mit zwei Puzzleteilchen, einem Einer und einem Zweier, und vermehre mein Baumaterial, indem ich Puzzleraster komplett befülle. Dann nämlich kriege ich alle verwendeten Bauteile zurück. Plus ein weiteres. Plus eventuell Punkte. Je mehr Baumaterial ich besitze, desto größere Puzzles kann ich mir zutrauen.
Wer am Zug ist, führt drei Aktionen aus. Beispielsweise nimmt man sich ein neues Puzzle aus dem Vorrat. Oder man fügt ein eigenes Teil in eins der eigenen Puzzles ein.
Die stärkste Aktion ist die „Meisteraktion“. Sie darf pro Zug nur einmal durchgeführt werden, und man sollte tunlichst nicht darauf verzichten. Meisteraktion bedeutet, in jedes eigene Puzzle einen Stein legen zu dürfen. Arbeite ich gerade an drei Puzzles parallel, lege ich jetzt also drei Steine und spare mir damit zwei reguläre Aktionen.


Was passiert? In PROJECT L kommt es auf Effizienz an. Brav ein Puzzle nach dem anderen zu vervollständigen, wäre zu langsam. Tempogewinn bringt der Meisterzug, und der Tempogewinn wächst mit der Zahl meiner offenen Puzzles.
Allerdings dürfen es nicht zu viele Baustellen werden. Regelmäßig muss ich auch Projekte abschließen, damit ich Material zurückbekomme, das ich gleich wieder anderswo einbaue. Im Bestfall wird natürlich möglichst großes und auch exakt passendes Material frei.
In PROJECT L strebe ich eine Art Polyomino-Flow an. Mein Material sollte oft im Einsatz sein, gleichzeitig muss ich stets handlungsfähig bleiben. L wie liquide. Notfalls darf ich als Aktion auch einen neuen Einer aus dem Vorrat nehmen oder ein Bauteil gegen ein etwas größeres eintauschen, aber all das kostet Tempo.
So sitzt man da und rechnet voraus und legt eventuell auch schon die benötigten Teile der kommenden zwei, drei Züge unter die Puzzles, um ganz exakt planen zu können. Wer Spiele dieser Art beherrscht, wird bei der Puzzlewahl auch zu besseren Entscheidungen kommen, wann der Zeitpunkt für das zweite, dritte oder gar vierte parallele Puzzle gekommen ist und welche der ausliegenden sich mit dem vorhandenen Material möglichst zeitsparend vollenden lassen.


Was taugt es? In meinen Partien hat sich immer recht früh abgezeichnet, wer noch um den Sieg mitspielt und wer hinterherpuzzelt. Je besser ich aus den Startlöchern komme, desto mehr Material habe ich, das mich dann wieder weiterbringt. Es gibt keinen Faktor, der Führende gezielt ausgebremst, allenfalls geschieht dies durch ein nicht den Wünschen entsprechendes Puzzle-Angebot im Markt.
Das wertet das Spiel als solches nicht ab. Man muss sich nur darauf einstellen, dass in heterogenen Runden der Ausgang von PROJECT L nicht für alle gleichermaßen spannend ist. Und immerhin ist PROJECT L so sehr belohnend, dass jede:r einige Puzzles fertigkriegen und Steine hinzugewinnen wird.
Das Material ist beeindruckend gut durchdacht. Die schwarz-weißen Puzzle-Tableaus sehen edel aus. Die Vertiefungen sind sehr praktisch, um die Polyominos rutschfest darin abzulegen. Die Größe der Puzzle-Fläche wird obendrein mit Punkten versinnbildlicht.
PROJECT L ist ein gelungenes Spiel, das sich sehr auf den Wettkampf fokussiert. Es ist wie ein Mathewettbewerb darum, wer besser Polyominos puzzeln kann. Es gibt sicher eine Zielgruppe, die das ganz toll findet und liebt, sich zu messen. Ich spiele gerne mit, fiebere aber nicht auf neue Partien hin. Denn eine Partie ähnelt der anderen, es ergeben sich keine neuen Aspekte oder spannende Fragestellungen. Ich bin nicht neugierig auf mehr, denn ich habe auch nicht den Eindruck, viel ausprobieren oder experimentieren zu können. Zwischen einem guten und einem schlechten Zug existiert hier wenig Grauzone.


**** solide

PROJECT L von Jan Soukal, Michal Mikeš und Adam Španel für eine:n bis vier Spieler:innen, Boardcubator.

Samstag, 13. November 2021

Tulpenfieber

„Beweise deinen grünen Daumen!“, lese ich auf der Schachtel. Und ich frage mich, ob das Spiel noch kurzfristig geändert und der ursprüngliche Schachteltext dabei vergessen wurde. Jedenfalls beweisen wir statt eines grünen Daumens allenfalls ein goldenes Würfelhändchen.

Wie geht TULPENFIEBER? Es ist ein Würfelspiel, bei dem wir wie etwa bei KNIFFEL Kombinationen sammeln. Anders als KNIFFEL ist es ein Wettrennen. Wir füllen nicht unseren kompletten Block aus, sondern es gewinnt, wer zuerst eine der Endbedingungen erreicht.
Übrigens gibt es auch gar keinen Block. Den Spielstand halten wir auf Tableaus fest. 35 Felder zeigen verschiedene Würfelaufgaben. Habe ich eine erledigt, decke ich das Feld mit einem Tulpenplättchen ab. Das Ziel: Drei benachbarte Felder der untersten, also fünften Reihe belegen. Oder vier beliebige. Oder sämtliche der vierten Reihe.
Das Würfeln selbst ist klassisch: dreimal Würfeln mit Rauslegen. Und die Aufgaben sind ebenfalls klassisch: Meistens sammeln wir viele gleiche Zahlen, manchmal Straßen. Von den oberen Reihen zu den unteren werden die Aufgaben immer schwieriger.
Zu Beginn besitzen wir nur vier Würfel. Um fünf, sechs und schließlich sieben Würfel würfeln zu dürfen, muss man drei, vier und schließlich fünf senkrecht oder diagonal benachbarte Felder mit Plättchen belegt haben.


Was passiert? Die Aufgaben der finalen fünften Reihe erfordern Fünferpaschs. Zusätzliche Würfel zu sammeln, ist also alternativlos. Wie schnell sich das ergibt, beruht ein bisschen auf meinen Entscheidungen, hauptsächlich aber ist es Glück.
Natürlich kann ich versuchen, Felder abzudecken, die benachbart zueinander sind, um a) schneller an zusätzliche Würfel zu kommen und b) für den Sieg nur drei Plättchen in der fünften Reihe zu benötigen. Doch am Ende ist das nur ein Versuch. Wenn ich aus taktischen Gründen Dreien sammeln will, im ersten Wurf jedoch keine einzige erscheint, kann ich meinen Plan auf Biegen und Brechen durchziehen. Oder ich knicke ein und sammle die weniger interessanten Einsen, von denen ich immerhin schon zwei gewürfelt habe. Entscheidungen dieser Art sind typisch für TULPENFIEBER.

Was taugt es? TULPENFIEBER bewegt sich vom Grad des Einflusses her etwa auf KNIFFEL-Niveau. Auch dort kann es passieren, dass jemand mehrere Kniffel würfelt, während andere Feld für Feld streichen müssen. Auch dort ist man dem Würfelglück stark ausgeliefert.
Welche Argumente hat da TULPENFIEBER, dass ich nicht gleich KNIFFEL spiele? Am ehesten den Wettrenn-Charakter. Im Finale kann es knapp und somit spannend werden, und man muss zur Ermittlung des Endergebnisses keine Punkte addieren. Allerdings ist der Weg zu diesem Finale gleichförmig und deshalb nicht sonderlich bewegend. Elemente, die taktisch sein könnten, wirken sich wenig aus.
Was TULPENFIEBER gar misslungen statt nur mittelmäßig werden lässt, sind Themenwahl, Material und Aufmachung. Das Spiel hat nichts mit Tulpen oder Tulpenspekulation oder Blumen allgemein zu tun; das Thema trägt auch nichts zum Verständnis der Abläufe bei.
Grafik und Material wirken billig. Spielfortschritte werden auf den Tableaus mit winzigen, rutschigen und phantasielos gestalteten Pappmarkern markiert. Dafür, dass wir hier angeblich prächtige Tulpenfelder erschaffen, sieht das Ergebnis erstaunlich hässlich aus.


** misslungen

TULPENFIEBER von Uwe Rosenberg für eine:n bis vier Spieler:innen, Amigo.