Donnerstag, 31. Dezember 2020

Gern gespielt im Dezember 2020

PANDEMIC LEGACY – SEASON 0: Ich bin schon ganz gespannt herauszufinden, ob hinter all dem wirklich nur Bill Gates steckt.


WASSERKRAFT: Und jetzt auch noch Verteilungskämpfe ums Wasser. Dass Spiele die Realität ausblenden, kann langsam wirklich niemand mehr behaupten.


CLEVER HOCH DREI: Wahrscheinlich ist es nicht clever hoch drei, bis nachts um drei (und noch später) immer weiter rumzuwürfeln. Aber ohne neuen Highscore hätte ich sowieso nicht schlafen können.


HARRY POTTER – KAMPF UM HOGWARTS – DIE MONSTERBOX DER MONSTER-ERWEITERUNG: Hilfe, diese Monster! Sie fressen! Meine Zeit!


MY FARM SHOP: … aber an den Widerspruch, dass jetzt auch Bio-Bauernhöfe „made in China“ sind, muss ich mich erst noch gewöhnen.






UND IM DEZEMBER AM LIEBSTEN GESPIELT:

HALLERTAU: Nach HEAVEN & ALE kommt ein weiteres tolles Spiel zu unserem Nationalgetränk. Und genau wie bei HEAVEN & ALE habe ich aus dem Spiel heraus immer noch nicht vollständig verstanden, wie das mit dem Bierbrauen nun eigentlich funktionieren soll.
Die vorbildliche Anleitung ist daran komplett unschuldig. Sie erklärt wirklich alles und auch jede einzelne der zig Karten, die Uwe Rosenberg hier mal wieder aus dem Ärmel geschüttelt hat. Dass es verschiedene Kartenpakete gibt, war schon in AGRICOLA wie ein Geschenk. Und auch in HALLERTAU hätte ich mit nur einem Paket nicht das Gefühl gehabt, dass dem Spiel etwas Entscheidendes fehlt. Was andere gestreckt hätten, um Goodies oder Kickstarter-Ziele daraus zu machen, ist hier schon von Anfang an dabei.
Manche sagen, die Karten machten HALLERTAU sehr zufallsabhängig. Klar, mich würde es auch nerven, mit Udo B. zu spielen, der frisch gezogene Karten gleich auf den Tisch klatscht, weil er mal wieder zufällig die Bedingungen erfüllt, ohne etwas dafür getan zu haben. Aber erstens spiele ich nicht mit Udo B. und zweitens: Auch schon in AGRICOLA konnte man passende oder weniger passende Karten haben. Eine wohldosierte Portion Ungerechtigkeit kann einem Spiel guttun, weil dies auch denjenigen Chancen eröffnet, die nicht alles von vorne bis hinten durchrechnen wollen. [Meine Kritik zum Spiel: spielbox 1-2021.]


Donnerstag, 24. Dezember 2020

Mysterium Park

An Heiligabend habe ich mir die Einleitung mal geschenkt.

Wie geht MYSTERIUM PARK? MYSTERIUM PARK ist wie MYSTERIUM ohne das ganze Drumherum: Wir klären kooperativ einen Mord auf. Eine*r ist Geist und gibt den anderen Spieler*innen eine oder mehrere von sieben traumbildartigen Handkarten, um sie (in der ersten Runde) zu einer von neun Personen und (in der zweiten Runde) zu einem von neun Orten hinzuführen. Um welche Personen / Orte es geht, zeigt dem Geist eine Rasterkarte.
Haben binnen sechs Runden alle ihre Personen / Orte gefunden, entscheidet eine Finalrunde mit etwas anderen Regeln über den Sieg der Gesamtgruppe inklusive Geist.


Was passiert? MYSTERIUM PARK lässt weg, was MYSTERIUM so unnötig kompliziert gemacht hat: Der Spielaufbau ist nun zweckmäßig und klar, und viele Gruppen kennen das zugrundeliegende Prinzip mittlerweile aus CODENAMES. Auch die individuelle Punktwertung mit Wetten und Gegenwetten auf andere Spieler*innen ist zum Glück Vergangenheit.
Und so konzentrieren wir uns auf den Kern des Spiels. Wir erhalten Bilder und deuten sie: Ist die Zahnbürste ein Hinweis auf den Vampir oder auf den Weihnachtsmann mit all seinen Leckereien? Zielen die Karten auf Farben ab, auf Lichtstimmung, auf Perspektiven oder geht es um Bilddetails? Wie auch MYSTERIUM setzt MYSTERIUM PARK intensive Kommunikation und Interpretation in Gang.
Die Spielgeschichte allerdings wird trotz der Weglassungen nicht plausibler. Der Geist gibt rundenlang Hinweise auf unschuldige Menschen und belanglose Orte – um sie nach und nach auszuschließen. Spieldramaturgisch verstehe ich das. Fürs Finale sollen exakt drei Möglichkeiten offenbleiben. Aber effizient ist dieses Einkreisen nicht. Noch bin ich kein Geist und weiß deshalb nicht, wie sie ticken. Statt diverse Male zu sagen, wer es nicht ist, käme es mir zielführender vor, gleich zum Thema zu kommen, wer ist ist.


Was taugt es? So kompliziert der Aufbau von MYSTERIUM auch war: Das Setting schuf Atmosphäre, die das Nachfolgespiel nicht besitzt. MYSTERIUM PARK wirkt wesentlich nüchterner, obwohl es sogar in einer speziellen Themenwelt spielt. Alle Berufe und Orte drehen sich hier um Jahrmarkt. Dadurch ähneln sich die Orte ziemlich: viele Buden, viel Dunkelheit, viele Glühlampen. Oft tut sich der Geist mit den Hinweisen schwer.
Trotzdem liegt es wohl nur teilweise an diesen Ähnlichkeiten, dass ich MYSTERIUM PARK als schwieriger empfinde. Die Bildauslage umfasst jetzt grundsätzlich neun Karten. Auf diese Zahl kam MYSTERIUM nur in der höchsten Schwierigkeitsstufe und in Vollbesetzung. In MYSTERIUM konnten Spieler*innen auch schon in eine andere Runde aufsteigen und beispielsweise Orte ermitteln, während andere noch mit Verdächtigen beschäftigt waren. So haben die Voraneilenden für die Nachrückenden schon mal das Feld gelichtet.
Schwieriger muss natürlich nicht generell schlechter sein. Doch die Regelung, dass das Spiel wartet, bis alle erst ihr erstes und später ihr zweites Rätsel gelöst haben, führt zu stockendem Kartendurchlauf beim Geist – und das ausgerechnet in Situationen, in denen es ohnehin gerade hakt. Durch diesen systembedingten Engpass kann das Interpretieren in ermüdende Raterei umschlagen. Es mag sein, dass sich das in großer Runde etwas leichter auflöst. Coronabedingt werde ich das vorläufig nicht herausfinden können.
MYSTERIUM PARK hat tolle Grafiken, das Spielprinzip ist weiterhin reizvoll und herausfordernd. Aber die Lösungen für Probleme des Originals und vermeintliche Abrundungen einiger Kanten verursachen neue Probleme. Das Spiel passt sich weniger gut an die Gruppengröße an. MYSTERIUM PARK ist eine Alternative zu MYSTERIUM – aber nur eine Vereinfachung, keine Verbesserung.


**** solide

MYSTERIUM PARK von Oleksandr Nevskiy und Oleg Sidorenko für zwei bis sechs Spieler*innen, Libellud.

Mittwoch, 16. Dezember 2020

Yukon Airways

2020 ist kein gutes Jahr. Auch für Einleitungen nicht.

Wie geht YUKON AIRWAYS? Wir besitzen ein Charterflugzeug und fliegen Reisende durch den Nordwesten Kanadas. Jeder Flug kostet uns Karten, die (unter anderem) die Zielorte bestimmen, und Benzin. Der Lohn: Geld plus farbige Marker, die wir an den Reisezielen einsammeln. Optimalerweise steuere ich Orte mit einem Marker in der Farbe meines Reisenden an. Ein solcher Marker lässt sich nämlich noch weiterverwenden, um diverse Vergünstigungen und Verbesserungen freizuschalten, also um mein Unternehmen auszubauen.
Geld zählt bei Spielende Punkte. Im Regelfall machen die Flugeinnahmen hierbei den größten Anteil aus, viele verschiedene Städte erreicht zu haben, bringt auch noch einiges. Kleinere Beträge kann ich über Ausbauten gewinnen und wenn ich viele Marker derselben Farbe ergattere.

Motor des Spiels ist ein Würfelpool. Würfel in fünf Farben werden geworfen; reihum bedienen wir uns. Die Augenzahl bestimmt über Spielreihenfolge und Boni. Starke Boni bewirken, dass man beim Losfliegen spät an die Reihe kommt. Angepeilte Marker hat dann eventuell schon jemand weggeschnappt.
Die Würfel stellen zugleich die Reisenden dar. Ihre Farbe interessiert also wegen der Marker auf dem Spielplan. In der Auswahl-Phase muss ich so einiges gedanklich verknüpfen: Welche Reiseziele und Sonderaktionen erlauben meine Handkarten und wo könnte ich demzufolge hinfliegen, um möglichst a) Städte zu erreichen, in denen ich noch nicht war, und b) bunte Marker abzugreifen?


Was passiert? YUKON AIRWAYS spielt sich dezent thematisch. Je mehr Reisende ich an Bord nehme, desto schwerer wird meine Maschine. Je weiter ich fliege, desto kniffliger gestaltet sich das Treibstoff-Management. Abgelegene Orte zu erreichen, ist mühsam.
Sehr motivierend sind die Verbesserungen, die man dank der Marker vornehmen darf: Es gibt zwölf Bereiche, die sich ausbauen lassen. Beispielsweise um mehr Benzin zu tanken, mehr Karten nachzuziehen, mehr Reisende gleichzeitig zu transportieren. Nicht alles davon kann man in einer Partie ausschöpfen. Während der Partie orientiert man sich an den situativen Bedürfnissen, über mehrere Partien probiert man verschiedene Kombinationen aus.
Während der ersten Runden spielt sich YUKON AIRWAYS noch relativ flott. Stockender wird es im Finale. Natürlich will man weiterhin Orte erreichen, in denen man noch nicht war. Und oft genug sind leider die weniger trivialen Reiseziele offengeblieben. Die Rechnung, wie man den Flug mit Handkarten und Benzin hinbekommt, ist durchaus komplex, da Symbolkombinationen auf den gespielten Karten Vergünstigungen bringen und man unter bestimmten Umständen Karten als Benzin-Ersatz abwerfen darf. Und was man da in welcher Reihenfolge auslegen, nutzen, abwerfen wird, muss man komplett durchrechnen, schon während man die Augenwürfel nimmt.
Im schlimmsten Fall hat man nicht die passende Zielkarte auf der Hand. Zwar darf man drei beliebige Karten spielen, um eine andere zu ersetzen. Aber gleich drei Karten zu verlieren, verkompliziert die Rechnung zusätzlich. Mehrfach habe ich erlebt, dass sich Spieler*innen hier regelrecht einen abgebrochen haben. Und das Problem sehe ich in diesem Fall weniger bei den Langrechner*innen als beim Spiel.
Einerseits engt es durch ein schmerzliches Handkartenlimit ein, zugleich erfordert die Wertung striktes Optimieren und schließlich gelangt beim Kartennachziehen auch noch jede Menge Zufall ins Spiel. Obendrauf kommt nun noch die Problematik, den gesamten Flug im Voraus durchorganisieren zu müssen. Der Flug selbst ist dann meistens nur noch die Abwicklung. Selten kann man hier noch flexibel auf Aktionen der Mitspieler*innen reagieren und etwas anderes machen als ursprünglich geplant.


Was taugt es? YUKON AIRWAYS ist ein rundes und gelungenes Spiel. Es ist thematisch stimmig und reizt wegen der zahlreichen Entwicklungsoptionen zum Wiederspielen. Den ganz großen Durchbruch hat es bei mir dennoch nicht geschafft. Ich hätte mir etwas mehr Handlung und etwas weniger Rechnerei gewünscht.
Wie bei vielen Spielen wirkt es sich auch bei YUKON AIRWAYS negativ aus, dass eine Phase dazu zwingt, einen komplexen Spielzug im Voraus zu planen, ohne ihn aber schon durchführen zu dürfen. Die Denkpausen können sich sogar verlängern, falls sich später herausstellt, dass Marker weggeschnappt werden und der ausgetüftelte Flugweg gar nicht mehr so erstrebenswert wäre, wie gedacht.
So etwas passiert zum Glück nicht so oft, weil YUKON AIRWAYS überwiegend solistisch abläuft und sich anhand der gewählten Würfelfarben auch erahnen lässt, was die Mitspieler*innen vorhaben.


**** solide

YUKON AIRWAYS von Al Leduc für eine*n bis vier Spieler*innen, Ludo Nova.

Samstag, 12. Dezember 2020

Contact

2020 hätte das Jahr werden sollen, in dem wir CONTACT aufnehmen. Doch es kam anders. Wegen der Kontaktsperren. Aber auch wegen CONTACT.

Wie geht CONTACT? Wir sind kooperativ im All. Zu Beginn des Spiels kreieren wir eine zufällige Planetenauslage. Darin bewegen wir uns während des Spiels. Bin ich am Zug, sagt mir eine geheim gezogene Karte, auf welchem Planeten ich mich befinde. Die anderen müssen meinen Aufenthalt erraten und von ihrem Standort zu mir fliegen. Damit sie mich finden, gebe ich Handsignale. Kurzes Anheben von der Tischplatte bedeutet kurzer Flug, langes Anheben bedeutet langer Flug.
Die Ziele liegen recht eng beieinander, weshalb sich die Distanzen nicht so genau darstellen und demzufolge auch nicht leicht raten lassen. Doch man darf unterwegs Zwischenstopps auf Planeten einlegen und im Regelfall sollte man das auch, weil es das Nachvollziehen der Route erleichtert.
Ein komplexes Signal wie „kurze Distanz – kurze Distanz – lange Distanz – mittlere Distanz“ lässt sich mitunter eindeutig entschlüsseln, weil es vom aktuellen Startort nur eine Route gibt, die mit zwei Kurzdistanzen einleitet.
Ich tüftle also eine Route aus, gebe Handsignale und meine Mitspieler*innen raten reihum, wo ich bin, bis jemand trifft. Im Bestfall gewinnen wir Punkte. Wird zu oft falsch geraten, endet das Spiel.
CONTACT lässt sich in verschiedenen Schwierigkeitsstufen spielen. Aber selbst niedrige Schwierigkeiten sind kein Spaziergang, weil das ungewöhnliche Spielsystem ein spezielles Begreifen erfordert.

Was passiert? CONTACT spielt man nicht intuitiv los. Oder wenn man es versucht, wird man überrascht feststellen, dass CONTACT anders ist als THE MIND. Es geht hier nicht bloß darum, Zeitspannen abzuschätzen – das ist lediglich Mittel zum Zweck. Und dieser Zweck ist: Distanzen (und damit Zeitspannen) zu nutzen, um einen eindeutigen Code zu kreieren, der nachvollzogen und erraten werden kann.
Dass mehrere Mitspieler*innen schon nach einer ersten missglückten Partie aufgegeben und sich ausgeklinkt haben, mag ich CONTACT nicht anlasten. Die haben sich eben nicht auf das Spielsystem einlassen wollen. Festzuhalten bleibt trotzdem: CONTACT ist ein spezielles Spiel und nicht so breitentauglich wie andere Werke von Steffen Benndorf.
Doch auch abseits der früh Aufgebenden hat sich keine Spielerunde in CONTACT dauerhaft wohlgefühlt. CONTACT hat nicht die „Noch mal!“-Gier ausgelöst, die wir von vielen anderen Spielen des Nürnberger-Spielkarten-Verlages kennen.


Was taugt es? CONTACT liegt eine abstrakt-intellektuelle Idee zugrunde. Es ist ein Rätselspiel, wir knacken Codes. Die Art, den Code zu gestalten, ist ungewöhnlich und erfordert Lernen.
Zugleich ist CONTACT ein auf mehrere Weise strenges Spiel. Die Lerngruppe wird reihum abgefragt, welches der richtige Zielplanet ist. Sie agiert nicht als Team, darf sich nicht gegenseitig helfen oder beraten.
Aber auch der Signalgebende hat keinen Wohlfühlpart. Denn Signale können objektiv schlecht oder falsch sein. Es kann passieren, dass ich glaube, „lang – kurz – lang“ führe zu nur einer möglichen Lösung, und hinterher weist man mir nach: Von wegen, ein oder zwei weitere Lösungen sind mindestens genauso plausibel!
Das führt dazu, dass ich als Codegeber Denkpausen benötige, um meinen Code gründlich zu prüfen, ob er auch wirklich wasserdicht ist. Und auch meine Mitspieler*innen benötigen Denkpausen, um beim Raten keine logischen Möglichkeiten zu übersehen. Die Strenge zeigt sich auch in der Gedächtniskomponente. Ein guter Code bezieht das Wissen mit ein, welche Planten schon besucht worden sind und nicht mehr das geheime Ziel sein können. Gutes CONTACT-Spiel verlangt also von allen am Tisch, dieses Wissen abzuspeichern.
Natürlich kann man CONTACT auch lockerer spielen. Einfach Codes geben, einfach raten. Aber so kommt man nicht weit und bleibt in Beliebigkeit stecken. Fürs Vorankommen muss die Gruppe intensiv einsteigen, CONTACT wird statt spannend lang und grüblerisch.


*** mäßig

CONTACT von Steffen Benndorf für zwei bis fünf Spieler*innen, Nürnberger-Spielkarten-Verlag.

Montag, 7. Dezember 2020

Pocket Detective

Du bist bei REZENSIONEN FÜR MILLIONEN gelandet. Du kannst die komplette Rezension zu POCKET DETECTIVE lesen (weiter bei R2), du kannst eine Zusammenfassung lesen (R1) oder direkt zur Wertung springen (R3).

[R1] Diese Rezension zum Spiel POCKET DETECTIVE enthält nichts Besonderes. Das Spiel auch nicht. Du kannst trotzdem die komplette Rezension lesen (R2) oder direkt zur Wertung springen (R3).

[R2] Wie geht POCKET DETECTIVE? Trotz Namensähnlichkeit ist POCKET DETECTIVE offenbar nicht als Geschwisterspiel zu DETECTIVE gedacht. Autor und Verlag sind nicht identisch. Allerdings funktioniert POCKET DETECTIVE trotzdem wie DETECTIVE – nur deutlich kompakter. Was das heißt, wie DETECTIVE zu sein, habe ich zwar gerade erst vor acht Tagen beschrieben. Ich mache es aber gerne noch einmal, nicht zuletzt wegen des üppigen Zeilengeldes.
Wir ermitteln in einem Verbrechen. Eine Einleitungsgeschichte stellt uns an ihrem Ende mehrere Optionen zur Wahl: mit X sprechen, Ort Y untersuchen, Akte Z studieren. Wir dürfen jeder Option nachgehen, aber das kostet Zeitpunkte. Je mehr Zeit wir verbrauchen, desto schlechter wird unsere Punktwertung ausfallen. Den Fall gelöst zu haben, macht aber natürlich trotzdem den größten Teil des Kuchens aus.
Einer Option nachzugehen, bedeutet üblicherweise, eine Karte zu lesen und neue Informationen zu erhalten. Oft tun sich nun auch neue Spuren auf, denen man ebenfalls nachgehen kann. Eine Regelbesonderheit des ersten Falles sind Stresspunkte, die man sich einhandelt, wenn man etwas eher Heikles tut, im zweiten Fall können Entscheidungen den örtlichen Sheriff verärgern. Wie man sich denken kann, wirken sich zu viel Stress und zu viel Ärger negativ aus. Allerdings – und das ist gewieft – kommt man weniger gut voran, wenn man immer nur den konfliktfreien Weg wählt.


Was passiert? Aufgrund von Intuition und / oder Ermittlungsergebnissen folgen wir – genau wie bei DETECTIVE – den Spuren, klopfen diese und jene Fährte ab. Vom Spiel selbst geht kaum Zeitdruck aus, wir könnten, wenn wir wollten, noch lange weiterermitteln. Aber wir wissen ja: Die Wertung verschlechtert sich. Außerdem – zumindest war es bei uns so – fühlt man sich irgendwann auf der sicheren Seite und löst auf.
Im Gegensatz zu DETECTIVE sind die Informationen hier gradliniger. Weil alles auf eine Spielkarte passen muss, kommen die Texte schnell auf den Punkt und nehmen unsere Bewertungen teilweise vorweg. Formulierungen wie „In Dr. Crows Unterlagen findest du nichts Nützliches“ oder „Augenscheinlich verheimlicht sie etwas“ beantworten Fragen, bevor man sie sich überhaupt stellen kann.


Was taugt es? Die Fälle sind ohne große Schwierigkeiten lösbar, aber trotzdem nicht banal. Der Autor hat verschiedene Spuren gelegt. Mit Glück befindet man sich früh auf der richtigen und verliert deshalb weniger Zeit.
Ich habe mich durch beide Fälle POCKET DETECTIVE angenehm beschäftigt gefühlt. Obwohl weder die Geschichten noch das Spielsystem etwas Spektakuläres oder Originelles parat haben, ist mir dies immer noch lieber als künstliche Verkomplizierung durch verschwurbelte Auflösungen, die am Ende nicht überzeugen.
Den generellen Spielspaß möchte ich POCKET DETECTIVE also nicht absprechen. Die Auflösung finde ich in beiden Fällen befriedigend. Den Grad meiner geistigen und emotionalen Involviertheit habe ich jedoch als niedrig erlebt. Das Spiel lässt mich unberührt.
Technisch-handwerklich ist POCKET DETECTIVE einwandfrei, deswegen wäre auch die Bewertung „solide“ vertretbar. Ich habe mich dennoch für das kritischere „mäßig“ entschieden. Natürlich – aber das durchschauen wieder nur die Querdenker*innen – wegen der geheimen Nörgelquote, die ich erreichen möchte. Offiziell jedoch weil ich in POCKET DETECTIVE keine Bereicherung für das Genre sehe. So okay das Spiel auch ist: Es bietet mehr desselben, was wir schon kennen, in einer Form, wie wir sie schon kennen.


[R3] *** mäßig

POCKET DETECTIVE: MORD AUF DEM CAMPUS / GEFÄHRLICHE MACHENSCHAFTEN von Yuri Yamshchikov für eine*n bis sechs Spieler*innen, Schmidt.

Freitag, 4. Dezember 2020

Vor 20 Jahren (96): Halali!

Der Verlag, der meine Kindheitsträume wahr werden lässt, ist offenbar Kosmos. Zwar mit einer Frequenz von rund 20 Jahren, aber ich will mal nicht meckern. Mit SWITCH & SIGNAL bekomme ich, wie neulich beschrieben, endlich meine Modelleisenbahn. Mit HALALI bekam ich 2000 völlig unverhofft mein geliebtes JAG UND SCHLAG.

JAG UND SCHLAG lernte ich als Grundschüler kennen, als mein Lehrer es zu Vorführungszwecken mit meinem Mitschüler Harald spielte. Die Klasse stand derweil in einer Traube um den Tisch herum und war elektrisiert. Das wollten wir jetzt alle spielen!

JAG UND SCHLAG ist ein asymmetrisches Spiel mit zwei Parteien. Auf der einen Seite Jäger und Holzfäller, auf der anderen Bär und Fuchs. Es ist ein Schlagspiel: Jäger schießt Tiere, Bär frisst Menschen. Wer dran ist, deckt entweder ein verdecktes Plättchen auf oder zieht eine Figur. Die eigenen Protagonisten zu finden, ist erst mal Glückssache. Doch je weiter die Partie fortschreitet, desto taktischer wird sie.


Als Kind liebte ich vor allem die konkrete Spielgeschichte. Ein Wald mit Tieren. Ein Holzfäller, der Bäume umhaut. Fressen und gefressen werden. Weil ich JAG UND SCHLAG nicht oft genug spielen konnte, bastelte ich mir mein Exemplar für zu Hause, wobei ich mich als eher pragmatisch orientiertes Kind mit der künstlerischen Ausgestaltung nicht lange aufhielt: Bären kriegte ich noch halbwegs erkennbar hin. Aber statt mühsam Füchse zu malen, schrieb ich ein „F“ auf die Kärtchen. Der Jäger war ein Strichmännchen mit Pfeil.

Bald baute ich sogar noch eine zweite Version. Eine viel bessere. Wenn man etwas supertoll findet, will man nämlich mehr davon. Heutzutage gibt es für diesen Zweck Erweiterungen. In den tristen 70ern musste man selbst erweitern. Mein zweites Spiel war statt 49 gleich 81 Felder groß, und es gab zusätzliche Waldtiere, die Autor Rudi Hoffmann offenbar durch die Lappen gegangen waren.

Nur leider spielte das niemand mit mir. Ab und zu konnte ich meine Schwester überreden. Als fünf Jahre Älterer zog ich sie dann ab und kam mir schlau vor – aber ich war nicht schlau. Nach einer Partie wollte sie erst mal nicht mehr, und so musste ich mein JAG UND SCHLAG meistens alleine spielen. Und da kommen wir zum zweiten Manko der 70er: keine Solo-Varianten.

Nun aber zu HALALI. Das brachte vor 20 Jahren in modernisierter Optik und mit leicht geglätteten Regeln das verhinderte Lieblingsspiel meiner Kindheit zurück. Jetzt konnte uns niemand mehr trennen!

Selbst wenn ich jahrzehntelangen Nachholbedarf und eine gewisse subjektive Verklärung einrechne: HALALI fühlt sich trotz seines Alters von 47 Jahren für mich nicht alt an. Um es mit etwa Zehnjährigen zu spielen, wäre es für mich immer noch erste Wahl.


Dienstag, 1. Dezember 2020

Detective – Erste Fälle

Detektive spekulieren. Und das mache ich jetzt auch mal. Ich spekuliere, dass das Segment der Rätsel-, Krimi- und Exit-Spiele noch mehr boomt, als ich es mir bislang ausgemalt hatte. Dass es derzeit kaum Hipperes gibt. Dass man als Verlag unbedingt dabei sein will. Möglichst schnell, möglichst oft. – Kombiniere: Das könnte in diesem Fall das Tatmotiv gewesen sein!

Wie geht DETECTIVE – ERSTE FÄLLE? Im Großen und Ganzen wie DETECTIVE: Wir ermitteln kooperativ, uns stehen eine Datenbank und eine bestimmte Menge Zeiteinheiten zur Verfügung. Aufgrund von Intuition und / oder Ermittlungsergebnissen folgen wir einer von mehreren möglichen Spuren, indem wir uns beispielsweise entscheiden, zunächst Karte A zu lesen. Das verbraucht Zeit. Ist es mit einem Ortswechsel verbunden (wir befinden uns im Polizeirevier, Karte A darf aber nur im Labor gelesen werden), kommt eine Strafstunde hinzu.
Häufig führt ein Lesetext zu weiteren Spuren, beispielsweise erhalten wir die Optionen, ebenfalls im Labor Karte B lesen oder C und D an einem anderen Ort. Unter Einsatz von Fertigkeitsplättchen dürfen wir manche Karten auf ihre Rückseite drehen („tiefer recherchieren“) und erfahren dort womöglich spannende Ergänzungen. Der Plättchenvorrat ist allerdings begrenzt. Und unsere Spielzeit ist auch irgendwann verbraucht. Nun geht es zum Abschlussbericht. Wir müssen am Computer Multiple-Choice-Fragen beantworten und erfahren, wie gut wir den Fall gelöst haben.
DETECTIVE – ERSTE FÄLLE vereinfacht DETECTIVE in zweierlei Hinsicht: 1. abgespeckte Regeln: Die Ermittler*innen besitzen keine Spezialeigenschaften mehr, es gibt nur noch eine Sorte Chips, der Zeitvorrat ist nicht mehr in verschiedene Tage unterteilt. 2. abgespeckte Story: Die Box enthält drei Einzelfälle statt eines fünfteiligen Gesamtfalls, die Fälle haben keine Verknüpfung zur Realität, Internetrecherchen entfallen.


Was passiert? Wir folgen den Spuren, genau wie bei DETECTIVE. Und geraten bald an Videos, was erst mal cool ist, weil Videos gegenüber Vorlesetexten mehr Atmosphäre schaffen … könnten. Ein sehr textlastiges Video ist auf Englisch, was zwar authentisch ist (der Fall spielt in den USA), in einem deutschen Spiel aber doch ziemlich stört.
Andere Videos sollen die Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen. Jedoch stellt eine Szene etwas anderes dar als das, was in den Zeugenaussagen behauptet wurde. Und man fragt sich: Ist das einfach nur schlecht geschauspielert? Oder ist das ein absichtlicher Widerspruch, gar ein wichtiges Indiz?
Die Personen im Video sehen auch nicht so aus, wie es ihrer Beschreibung entspricht. Und sie sehen obendrein anders aus als die Porträts, die wir hin und wieder infolge einer Spielanweisung für unsere Mindmaps bekommen. Diese Porträts wiederum sind nicht identisch mit Beschreibungen und Fotos aus der Datenbank. Manchmal weiß man nicht mal sicher, wen das Porträt überhaupt darstellen soll.
Und so setzt es sich fort: In der Datenbank sind einige Textteile auf Englisch, hier und da finden sich kleine Rechtschreibfehler, in Fall 2 auch ein dickeres Ding, vermutlich eine falsche Datumsübersetzung. Die Datenbank zeigt die aus DETECTIVE bekannte prozentuale „Übereinstimmung“ von Beweismitteln – mit dem Unterschied, dass deren Bedeutung in der Anleitung von ERSTE FÄLLE unerklärt bleibt und ich mir im zweiten und dritten Fall auch keinen Reim auf die Werte machen kann. Im Fall 3 schließlich kommen gelbe Marker ins Spiel, über die in der Anleitung zu lesen ist, ihre Verwendung sei an entsprechender Stelle beschrieben. Stimmt aber nicht, man muss sich die Regeln dann selber herleiten.
Wir haben es trotzdem geschafft, uns durchzuwurschteln, und haben sogar gute Bewertungen für unsere Arbeit bekommen. Doch von Anfang bis Ende war der Eindruck: ERSTE FÄLLE ist schludrig gemacht.


Was taugt es? Mir ist völlig klar, dass DETECTIVE ein außergewöhnlich aufwendiges Spiel ist. Es lebt von der Tiefe und Authentizität seiner Fälle (und da steckt sicher sauviel Arbeit drin), von seiner Datenbank (da auch) und den gut geschriebenen Texten (da ebenso und obendrein in deren Übersetzungen).
Mir ist auch klar, dass man für eine Einstiegsversion Abstriche macht. Wir bekommen hier deshalb nicht den großen verwobenen Komplex, der uns über viele, viele Stunden hinweg unterhält, sondern drei kleinere abgeschlossene Fälle, die zwangsläufig nicht so tief sein können.
Allerdings fand ich keinen der drei Fälle überdurchschnittlich und den zweiten am schwächsten. Er wirkt wie ein Krimi von Agatha Christie und passt nicht in die moderne DETECTIVE-Welt, zumal in diesem Fall nahezu alles wegfällt, was das DETECTIVE-System so außergewöhnlich macht.
Ohnehin wird die Datenbank in ERSTE FÄLLE weniger raffiniert eingesetzt, als man es aus DETECTIVE kennt. Überwiegend liefert sie Texte und Materialien jenseits der Spielkarten. Aber das allein ist kein Mehrwert. Ein Mehrwert wären Datenabgleiche und Datenverknüpfungen. Doch die gibt es zu selten. Ein Mehrwert könnten auch die Videos sein. Doch dafür reicht ihre Qualität nicht aus.
DETECTIVE – ERSTE FÄLLE wirkt wie ein Schnellschuss und nicht wie das von der Anleitung versprochene „Produkt von höchster Qualität“. Wer DETECTIVE kennt, kommt wohl zurecht. Doch soll sich das Spiel ja an Neulinge richten und hätte gerade deshalb besondere Sorgfalt erfordert.


** misslungen

DETECTIVE – ERSTE FÄLLE von Ignacy Trzewiczek, Marzena Nowak-Trzewiczek und Weronika Spyra für eine*n bis fünf Spieler*innen, Pegasus Spiele.