Donnerstag, 31. August 2017

Gern gespielt im August 2017

MEMOARRR: Zum Vergleich mit Memo-Spielen klassischer Art: In MEMOARRR! werden pro Spielerzug 50 Prozent weniger Karten aufgedeckt. Und das erzeugt 100 Prozent mehr Spannung.


BÄRENPARK: Als ich in DRUNTER & DRÜBER Häuser überbauen musste, hieß es, ich sei in Schilda. Jetzt muss ich Menschen und Fahrzeuge überbauen, und man sagt, das ist Bärenpark.


DICE FORGE: Endlich ein Lego-Spiel, das durchdacht ist.


LORENZO DER PRÄCHTIGE: Mit Regeln für Fortgeschrittene ist es tatsächlich leichter als mit Regeln für Anfänger. Hat sich das jemand ausgedacht, der sonst Steuergesetze erfindet?


DOMINION: Selbst nach neun Jahren bin ich noch heiß auf jede einzelne Partie. (Wobei man fairerweise sagen muss, dass mich das Grundspiel allein nicht mehr reizen würde.)


DER HEIDELBÄR: Dieser Bär ist leider verschwunden.





Dienstag, 29. August 2017

Vor 20 Jahren (47): Mississippi Queen

Im April 1997 endete mein Referendariat. Ich war nun Lehrer – hatte aber nur mittelmäßig viel Lust dazu. Der Grund waren nicht die Schüler, auch nicht die Eltern, im Gegenteil, die erlebte ich überwiegend als sehr wohlwollend. Der Grund war das verkorkste System Schule, mit dem ich mich schwer identifizieren konnte und dessen Teil ich nicht unbedingt werden wollte.

Dies ist nicht der Platz für eine bildungspolitische Diskussion, auch wenn ich der Meinung bin, dass allgemein viel zu wenig über Bildungspolitik diskutiert wird. Im Rahmen dieser Serie ist als Zwischenfazit lediglich festzuhalten: Ich drängte 1997 nicht voller Freude und Vehemenz ins Berufsleben, sondern beschäftigte mich erst einmal mit Dingen, die mir Spaß machten.

So kam ich auch auf die Idee, Spielrezensionen zu schreiben. Und das war gar nicht mal so abwegig, schließlich hatte ich schon immer gern geschrieben und schon immer viel gespielt. Nur hatte ich vor meiner Göttinger Zeit wenig Zugriff auf aktuelle Spiele gehabt. Das war nun anders, und nachdem ich obendrein jemanden kennenlernte, der ebenfalls Spiele rezensierte, kam mir die Sache, die ich zuvor für ein ganz großes Ding gehalten hatte, plötzlich machbar vor.

Vor 20 Jahren allerdings gab es ein erhebliches Hindernis, das es dank Internet heute nicht mehr gibt: Man musste ein Medium finden, das die Rezensionen veröffentlicht. Ich versuchte es zunächst bei Tageszeitungen, na ja, um genau zu sein: bei exakt einer. Der schickte ich eine Rezension, von der ich diffus ahnte, dass sie für eine Tageszeitung eigentlich viel zu detailliert war, nämlich schlappe 1,5 spielbox-Seiten lang.

Aber nachdem ich mich dem System Schule nicht anpassen wollte, galt dies natürlich auch für das System Tageszeitung! Wenn ich schon rezensiere, so meine rebellische Grundhaltung, dann doch nicht in Form eines inhaltsleeren Info-Happens. Sondern gründlich. Und wenn sie das nicht wollen, will ich auch nicht. Basta! Ganz im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung bekam ich niemals Antwort und sah meine Rezensenten-Karriere bereits als beendet an. Da allerdings fand sich überraschend ein Weg …

Ein Mitspieler hatte Kontakte zur Spielerei und reichte dort meine Rezension zu MISSISSIPPI QUEEN ein. Ich schrieb meinen Text im Mai, im August kam dann endlich das Heft. Hurra, ich war Rezensent! Einziger Schönheitsfehler: Unter meinem Artikel stand eine Note, die ich etwas zu positiv fand und die nicht meine war. Ich hatte MISSISSIPPI QUEEN gar keine Note gegeben (System Schule und so), aber in der Spielerei gehörten Noten nun mal dazu, und irgendwer hatte aus meinem Artikel offenbar eine „2-“ herausgelesen und drunter gesetzt.

Wahrscheinlich konnte man mich auch gar nicht fragen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch mit niemandem aus der Redaktion gesprochen, und bestimmt hatte ich es auch nicht für nötig gehalten, meine Telefonnummer zu übermitteln.

Auf Dauer war es wohl nicht optimal, Rezensionen über Mittelsmänner zu verbreiten. Ich musste es doch selber in die Hand nehmen. Aber immerhin: Nachdem ich unter dem Eindruck meiner rieeesigen Mühen, eine Tageszeitung zu akquirieren, schon aufgegeben hatte, stachelte mich die Veröffentlichung meiner ersten Rezension an, es weiter zu probieren. Deshalb bin ich der Spielerei sehr dankbar. Und noch viel dankbarer bin ich meinem Mittelsmann.

Freitag, 25. August 2017

Yokohama

Als oller Spiele-Veteran neigt man dazu, den Themenbezug in Spielen mit Städtenamen leichtfertig zu unterschätzen. Nun lese ich aber auf der Packung von YOKOHAMA, wie sich die Geschichte Yokohamas einst abgespielt hat: Zu Beginn der Meiji-Ära wetteiferten tüchtige Händler darum, Aufträge zu erfüllen, fremde Technologien zu erlernen, Geschäfte und Warenhäuser zu bauen, um auf diese Weise den größtmöglichen Ruhm zu erlangen. Und was soll man sagen: Genau so ist es im Spiel! Ungelogen!


Wie geht YOKOHAMA? Okay, eins wurde in der offiziellen Schachtel-Chronik unterschlagen: die Assistenten. Jeder Spieler besitzt anfangs acht, es sollten schleunigst mehr werden. Ein Spielzug besteht darin, zunächst bis zu drei Assistenten in Stadtvierteln zu platzieren. Anschließend versetzt man seine Direktor-Figur. Der Direktor darf nur durch Viertel mit eigenen Assistenten wandeln. Er darf nicht bei einem fremden Direktor anhalten, höchstens durchspazieren, aber das kostet dann 1 Yen an den Gegner.
Am Zielort führt der Spieler eine Aktion aus. Ihre Art ist abhängig von der Art des Stadtviertels. Und ihre Stärke ist abhängig von der Anzahl eigener Figuren vor Ort. Anschließend werden alle eigenen Assistenten von diesem Feld abgeräumt und müssen zurück in den eigenen Vorrat.
Welche Aktionen gibt es? Waren nehmen, Waren tauschen, Aufträge nehmen, Technologien kaufen, Figuren kaufen, Dinge gegen Punkte eintauschen. Technologien bringen Spezialfähigkeiten für den Rest des Spiels. Und zusätzliche Figuren sind nicht nur Assistenten, sondern auch Gebäude, die – sofern später irgendwo gebaut – die Stärke in diesem Viertel permanent erhöhen und nebenbei Punkte zählen. Wie überhaupt sehr vieles in YOKOHAMA Punkte zählt und vieles miteinander verzahnt ist.


Was passiert? Für Optimierer ist YOKOHAMA ein Paradies. Es gibt sehr viele Kleinigkeiten, die man in seine Überlegungen einbeziehen könnte. Die Spielrunde darf sich glücklich schätzen, wenn niemand am Tisch dies tut. Ansonsten werden insbesondere Viererpartien zäh.
Der stärkste Mechanismus ist aus meiner Sicht, wie die Assistenten über Bewegung und Aktionsstärke bestimmen. Einerseits will ich die Assistenten verstreuen, um manövrierfähig zu sein. Andererseits will ich sie häufen, denn wirklich lohnenswerte Aktionen gibt es erst ab der vierten Figur.
Gebiete aufzufüllen ist vor allem am Anfang des Spiels ein Drahtseilakt. Man hat noch wenig Material und bindet viele Steine, die man gleichzeitig auch anderswo bräuchte. Und wenn dann noch im falschen Moment ein fremder Direktor ins angepeilte Gebiet latscht, ist das ganz schön ärgerlich. Die Assistenten sind für diesmal unerreichbar und weiterhin gebunden, und ein Ausweichzug muss her.


Was taugt es? Der Bewegungsmechanismus wird häufig mit ISTANBUL verglichen. Tatsächlich fühlt er sich ähnlich an, hat aber eine zusätzliche Dimension, indem es auch darum geht, wie stark man in einem Gebiet vertreten ist.
Zusätzliche Schnörkel hat YOKOHAMA auch an anderen Stellen. Rund um den Assistenten-Mechanismus sind jede Menge Punkte-Generatoren gebaut. Die Elemente greifen gut ineinander, sind aber nichts, was mich zu einer Partie YOKOHAMA verlockt, sondern einfach nur mal wieder eine alternative Mixtur dessen, was man schon in vielen anderen Spielen gesehen hat.
Spielerisch interessant finde ich indes, dass auch beim Punkten Assistenten verloren gehen. Will ich beispielsweise markieren, dass ich eins von drei übergeordneten Spielzielen erreicht habe (zum Beispiel indem ich sieben Tee besitze), muss ich das mit einem Assistenten tun.
YOKOHAMA hat fünf verschiedene Ende-Bedingungen. Ich sehe das einerseits als Beleg dafür, dass sehr viele Einzelelemente in das Spiel hineingebastelt wurden und dabei kein starker gemeinsamer Nenner entstanden ist. Andererseits fordert die Vielfalt auch heraus, verschiedene Wege zu gehen und sich mal auf dies, mal auf jenes zu konzentrieren.
Für mich persönlich ist dieses Ausprobieren aber bereits abgeschlossen. Ich bin nicht gespannt darauf, in späteren Partien noch ein paar mehr Punkte aus YOKOHAMA herauszukitzeln. Nur mit dem Assistenten-Mechanismus würde ich mich gerne weiterbeschäftigen, allerdings lieber mit weniger Beiwerk.


**** solide

YOKOHAMA von Hisashi Hayashi für zwei bis vier Spieler, dlp games.

Montag, 21. August 2017

Vor 20 Jahren (46): Carabande

Mit Erinnerungen ist es so eine Sache. Bis vor Kurzem hatte ich geglaubt, dass ein bestimmter Ausspruch im Zusammenhang mit CAMEL UP gefallen sei. Beim Nachrechnen fiel mir mittlerweile auf: CAMEL UP gab es damals noch gar nicht. Ich muss die beiden Dinge nachträglich miteinander verknüpft haben.

Somit bin ich mir jetzt auch bei meiner CARABANDE-Geschichte nicht ganz so sicher, wie ich es gerne wäre. Klar ist: Recht bald nach der Nürnberger Spielwarenmesse 1996 hatten wir in unserer Göttinger Spielrunde ein CARABANDE. Ob das nun ein Vorproduktionsmuster war, das man als Fachbesucher in Nürnberg hatte mitnehmen können, oder ein Exemplar einer ersten kleinen Auflage: Ich weiß es nicht, denn ich war damals noch weit davon entfernt, die Spielwarenmesse zu besuchen. Und wahrscheinlich interessiert die Unterscheidung eh nur Sammler.

So sicher, wie man sich nur sein kann, weiß ich allerdings, dass CARABANDE in unserer Runde der ganz große Hit war. Und dass das CARABANDE, das wir im Frühjahr 1996 spielten, nicht dem CARABANDE entsprach, das wenig später in größerer Auflage auf den Markt kam. Im Endprodukt hakten nämlich die Streckenteile. Die Folge waren Unebenheiten im Parcours und entgleisende Rennwagen-Chips.

Ich war enttäuscht. Doch weil man keine andere Version kaufen konnte, kaufte ich notgedrungen diese – und spielte sie fast nie. Mit viel Geduld und Schmirgelpapier hätte man das Problem gewiss beheben können. Wer allerdings meine handwerklichen Ambitionen kennt, weiß, dass ein derartiger Aufwand keine realistische Option für mich darstellte.

Alternativ hätte man die Unebenheiten als Teil des Spiels akzeptieren können, als Zwang, ein bisschen disziplinierter zu schnippen. Nachdem ich aber so oft das tolle Erst-CARABANDE gespielt hatte, in dem mit drei gelungenen Schnipsern eine komplette Umrundung gelingen konnte, tat ich mich äußerst schwer damit, acht, neun oder zehn Schnipser auch irgendwie okay zu finden.

Im Sommer 1997 zog ich nach Hannover zurück und hatte dort einen Mitspieler, der trotz der Macken total heiß auf CARABANDE war. Und ich weiß noch, wie ich ihn hinhielt. Wir konnten in meiner Wohnung zunächst nur mit einer Stehlampe spielen, und ich argumentierte, mit im Weg stehender Stehlampe sei ein Bewegungsspiel wie CARABANDE doch echt unpraktisch. Was durchaus stimmte. Man hätte allerdings Deckenbeleuchtung anbringen können.

Und das hatte ich auch vor. Eigentlich. Doch das Projekt schleppte sich über Wochen dahin. Nicht nur meine handwerklichen Anti-Ambitionen verzögerten die Sache, sondern akut auch noch die Drohung, mein huckliges CARABANDE spielen zu müssen. Da lebte ich doch lieber eine Weile in Dunkelheit.

Donnerstag, 17. August 2017

Ulm

Wie geht ULM? ULM ist ein ziemlich verflochtenes Spiel. Ein Kennerspiel. In einem drei mal drei Plättchen großen Raster generieren die Spieler ihre Aktionsmöglichkeiten. Dazu zieht man ein Plättchen aus dem Sack, schiebt es an einer Seite ins Raster, wodurch am anderen Ende ein Plättchen herausfällt. Das neue Plättchen plus die beiden im Raster bewegten (aber nicht herausgeschobenen) Teile bestimmen, welche drei Aktionen im weiteren Zug möglich sind.

Am Ende geht es nicht nur um Ulm, sondern mehr noch um Punkte. Punkte zählen zum Beispiel Karten. Dafür muss ich Serien sammeln oder am Schluss bestimmte Ressourcen besitzen. Zwei der fünf möglichen Aktionen haben deshalb mit Karten zu tun: 1. Ich darf mir Plättchen nehmen, die herausgeschoben wurden. 2. Mit solchen Plättchen kaufe ich Karten.
Auf der Donau fährt mein Schiff, und die zurückgelegte Distanz zählt Punkte, weshalb Aktion 3 darin besteht, das Schiff voranzusetzen. Und schließlich darf ich dort, wo mein Schiff ankert, Stadtteile in Besitz nehmen, was auch Punkte bringt und / oder mir zusätzliche Fähigkeiten verleiht. Dieser Vorgang kostet jedoch Geld. Die zugehörigen Aktionen sind somit: 4. Geld nehmen, 5. gegen Geld Besitzmarke platzieren.


Was passiert? Zehn Runden lang wickeln die Spieler schön nacheinander ihre Züge ab. Was ich will, entspricht nicht unbedingt dem, was ich kann. Besitze ich keine Zahlungsmittel, interessiert es mich nicht, Besitzmarken platzieren zu dürfen. Also wäre diese Aktion für mich sinnlos, und ich tüftele mit dem gezogenen Plättchen, bis ich entweder herausgefunden habe, wie ich es einschieben muss, dass drei passable Aktionen für mich herausspringen. Oder bis ich einsehe, dass es wirklich nicht geht.
Der Rest ergibt sich dann schneller. Aktionen, die ich machen darf, mache ich im Regelfall, ansonsten hätte ich sie ja wohl kaum generiert. Allerdings ändert sich die Interessenlage durch die in Besitz genommenen Viertel und durch die Karten. Spieler schlagen verschiedene Richtungen ein, wollen nicht mehr alle dasselbe. Gut so, aber trotzdem bleibt eins für alle gleich: Jeder Zug beginnt wieder mit der Fleißaufgabe, beim Schiebespiel sämtliche Varianten durchzurechnen.
Schade. Denn es macht Spaß, die in ULM angelegten Wege zum Punktgewinn zu erkunden. Spielerischen Reiz hat auch die Verknüpfung möglicher Einsatzgebiete mit der Position des Schiffes. Das Schiff soll eigentlich schnell voran, um in die Punkteränge zu fahren. Andererseits schippere ich dadurch an Vierteln vorbei, in denen ich vielleicht noch hätte Chips legen wollen. Gelungen finde ich schließlich drittens, wie die Fähigkeiten der Stadtviertel aufeinander abgestimmt sind. Gegen Ende des Spiels hat man üblicherweise viele Karten gesammelt und möchte sie ausspielen. Und die weiter hinten liegenden Viertel erlauben genau dies.

Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, ein harmonisches Spiel zu spielen. Ich glaube, die Ursache ist die Konkurrenz zweier Mechanismen. Da ist erstens der Schiebemechanismus, für den ich viel Lob gelesen habe, das ich jedoch nicht teile. Für meine Begriffe bringt die mit genügend Geduld leicht ausrechenbare Schieberei keinen spielerischen Gewinn und schon gar nicht bereichert sie speziell ULM. Im Gegenteil macht sie die Abläufe kleinschrittig und damit unelegant. Erst muss ich Geld holen, dann darf ich Marken platzieren. Erst muss ich Plättchen holen, dann darf ich Karten kaufen.
Und zweitens ist da der Schiffsmechanismus. Ich will voran, aber auch nicht voran. Diesen Widerstreit der Gefühle gab es zwar schon in anderen Spielen, beispielsweise in TUTANCHAMUN oder EGIZIA, doch in Verbindung mit der Inbesitznahme von Stadtvierteln erscheint mir das trotzdem wieder reizvoll. Diesen Reiz schöpft ULM allerdings nicht aus, weil es zugleich noch so viel andere Schauplätze aufmacht und nebeneinander stellt, aber nicht vertieft.

Was taugt es? Natürlich gehört auch der Aufbau der Spielregel kritisiert. In ULM sind die Regeln auf zwei Hefte verteilt. Am Ende von Heft 1 findet sich die mutige Behauptung, man könne jetzt losspielen. Tatsächlich weiß man an dieser Stelle aber noch viel zu wenig, und ich habe keine Gruppe erlebt, die hier tatsächlich losgespielt hätte.
Letztlich sind aber alle Spieler irgendwie klargekommen, und nicht die Regel hindert ULM daran, über oberes Mittelmaß hinauszukommen. Mir fehlt in ULM der Schwerpunkt, die große Leitlinie, der Charakter. Viele gute Einzelteile und viele Punktemöglichkeiten ergeben in ihrer bloßen Addition noch kein Top-Spiel.


**** solide

ULM von Günter Burkhardt für zwei bis vier Spieler, HUCH! & friends.

Samstag, 12. August 2017

Spielejahrgang 2016/17:
Was meine Mitspieler gerne spielen (2)

Ein zweites Mal zaubere ich mit meiner Excel-Tabelle und lasse sie ermitteln, welche Spiele des scheidenden Jahrgangs meine Mitspieler am liebsten gespielt und am meisten gemocht haben. Diesmal geht es um solche, die bei „Spiel des Jahres“ die „roten“ Spiele sind. Also Spiele für alle, unterhalb des Kennerspiel-Niveaus.

Wieder habe ich nur Spiele in meine Liste aufgenommen, die von mindestens 20 Personen bewertet wurden, was im Falle der roten Spiele allerdings keine ernsthafte Hürde darstellt. Das Spiel mit den wenigsten Noten in der folgenden Liste hat 54 Wertungen.

Warum die roten Spiele auf so viel mehr Noten kommen als die Expertenspiele, ist leicht erklärt: Selbst versierte Spieler, die eher auf harte Kost stehen, spielen die roten Spiele mal mit. Entweder weil die Mitspieler das so wollen. Oder um die Spiele mal kennenzulernen. Oder weil nur noch eine halbe Stunde Zeit ist und die Spiele schnell erklärt sind. Und so weiter. Es gibt viele Gründe.

Umgekehrt aber findet sich in der Zielgruppe für leichtere Kost nahezu niemand, der mit vergleichbarer Spontaneität bei einer Partie GREAT WESTERN TRAIL einstiege. Ohnehin gibt es Runden, in die ich Spiele oberhalb EXIT oder RÄUBER DER NORDSEE sowieso niemals mitnehmen würde, und selbst ein RÄUBER DER NORDSEE wäre dann nur für eine Minderheit der Teilnehmer gedacht, für die Hartgesottenen.

Indirekt ist damit auch schon erklärt, warum die roten Spiele in meinen Runden durchschnittlich schlechtere Noten bekommen haben als die anthrazitfarbenen. Generell gilt: Je mehr Leute ein Spiel bewerten, desto eher verteilen sich die Noten. Und vor allem beobachte ich: Die mitspielenden Experten bewerten die Leichtgewichte oft schlechter als „ihre“ Schwergewichte. Und so stehen die nur von den Experten bewerteten Expertenspiele oft besser da.

Das ist aber nur die Aussage des Notenschnitts. Fragte man mich, bekäme man zu hören, dass ein Spielenachmittag oder -abend selbst ohne ein einziges Kennerspiel genauso viel Spaß machen kann wie ein Expertenspiel-Abend. Vor allem hängt das nämlich von den Menschen ab. (Was genau genommen sogar ein Grund ist, warum Spiele-Events mit vermeintlichen Experten manchmal weniger Spaß machen … aber das ist ein anderes Thema.)

Ich jedenfalls hatte in diesem Jahrgang besonders viel Spaß mit den roten Spielen, und um das noch einmal zu dokumentieren, habe ich auch meine Bewertung jeweils ergänzt:


1. CODENAMES PICTURES
Mitspieler: 7,4 / 10
Udo: ***** reizvoll


2. TEMPEL DES SCHRECKENS
Mitspieler: 7,1 / 10
Udo: ****** außerordentlich


3. WORD SLAM
Mitspieler: 7,0 / 10
Udo: ****** außerordentlich


4. MAGIC MAZE
Mitspieler: 7,0 / 10
Udo: ***** reizvoll


5. WETTLAUF NACH EL DORADO
Mitspieler: 6,9 / 10
Udo: ****** außerordentlich



Mittwoch, 9. August 2017

Zug um Zug Weltreise

Wie geht ZUG UM ZUG WELTREISE? Grundsätzlich wie ZUG UM ZUG. Wir sammeln Farbkarten, um damit Waggons einzusetzen, um damit Orte zu verbinden.
Weil die Welt bekanntermaßen aus Kontinenten besteht, verläuft unsere Weltreise unvermeidlich auch übers Meer. Anders als in grauer Vorzeit bei der SIEDLER-SEEFAHRER-Edition, die ebenfalls ein Landbauspiel aufs Wasser ausdehnte, zieht die Ozeanquerung bei ZUG UM ZUG die Einführung zusätzlicher Karten nach sich. Es gibt nun Karten, um Waggons an Land zu platzieren, und Karten, um Schiffe aufs Wasser zu setzen. Insgesamt zwölf Sorten (plus Joker) statt vorher acht.


Was passiert? Die Kartenhand wird sehr voll und sehr unübersichtlich. Nicht nur, dass ich Schiff- von Waggonkarten unterscheiden muss. Obendrein gibt es alle zwölf Sorten zusätzlich mit und ohne Hafensymbol. Die bombastischen Kartenpakete sind nicht gerade elegant, aber im Rahmen einer Monumental-Version noch zu verkraften.
Deutlich schwerer wiegt, wie viele Frustmomente das Spiel verursacht. Wege sind schnell blockiert, Alternativen indes weniger schnell zu realisieren als in anderen ZUG UM ZUG-Spielen. Dringend benötigte Karten zu ergattern, kann viele Runden dauern, insbesondere wenn nur noch eine ganz bestimmte Sorte hilft, und alle anderen elf helfen nicht.

Ohne dass ich es mathematisch beweisen kann, scheint mir der Griff in den Aufträge-Stapel noch mehr Lotterie zu sein als sonst. Unter den vier nachgezogenen Aufträgen fand ich durchaus schon mal drei, die ich bereits erledigt hatte. Genauso kann man auch vier erwischen, die nicht mal mehr theoretisch machbar sind.
Und dann noch die Häfen: Ich verstehe nicht, welche Design-Idee dahinter steckt. Ein Hafen in beispielsweise New York bringt am Ende fette Extrapunkte, wenn ich einen oder besser sogar mehrere Aufträge mit Start oder Ziel in New York erledigt habe. Also eine schöne Punkteexplosion für denjenigen, der eh schon erfolgreich war.
Da klingt widersinnig, aber man muss noch wissen, dass es Karten gibt, mit denen man zwei Schiffe auf einmal setzen darf. Und genau diese Karten taugen nicht für den Hafenbau. Sollen also die Häfen der Anreiz sein, um nicht immer nur die Doppelschiffkarten zu nehmen?
Wie auch immer: In der Praxis wirkt sich das nicht so aus. Gezielt auf Häfen zu sammeln, kann lange dauern und bindet Handkarten, die man dann nicht zum Platzieren von Figuren einsetzt, weshalb man am Ende vielleicht gar nicht die Aufträge schafft, die man mit Häfen hätte veredeln wollen.


Was taugt es? Ich habe Partien erlebt, in denen Spieler fast doppelt überrundet wurden. Das macht den Betroffenen nicht so viel Spaß, selbst als ZUG UM ZUG-Fan nicht, und führte dazu, dass ich die WELTREISE nicht mehr mitbringen sollte und dadurch die zweite enthaltene Version („Die großen Seen“) nicht ausgiebig spielen konnte.
Als völlig reizlos empfinde ich ZUG UM ZUG WELTREISE trotz allem nicht. Das Spielprinzip der ZUG UM ZUG-Reihe ist einfach so gut, dass ich bei allem Frust am Tisch auch immer wieder Spannung erlebe. Man denkt und fiebert mit, macht oder durchkreuzt Pläne, hofft auf Karten, freut sich über Erledigtes. Von der WELTREISE hätte ich jedoch erwartet, dass sie das Spiel weiterentwickelt oder ein Sahnehäubchen draufsetzt. Tut sie aber beides nicht und liefert bloß ein unharmonisches Mehr, das einfach nur länger dauert.

*** mäßig


ZUG UM ZUG WELTREISE von Alan R. Moon für zwei bis fünf Spieler, Days of Wonder.

Freitag, 4. August 2017

Spielejahrgang 2016/17:
Was meine Mitspieler gerne spielen (1)

Vielen Dank, liebe Mitspieler, dass ihr immer so bereitwillig meine Spiele mitspielt. Es sind ja nicht immer nur die allertollsten Spiele, das muss man mal sagen. Was man im selben Atemzug aber auch sagen muss: Überwiegend sind Spiele derzeit in allen Belangen auf einem extrem hohen Niveau. Wir erleben eine goldene Brettspielära!
Es gibt Tage (na ja, eigentlich Abende, genauer gesagt sind es sogar Nächte oder oft frühe Morgenstunden), da komme ich von größeren Spieleveranstaltungen nach Hause, gucke mir die 30, 40 Wertungszettel an, die ich immer ausfüllen lasse, und lese: Begeisterung!
Das macht dann schon Spaß, diese Begeisterung ein wenig mitinitiiert zu haben. Natürlich längst nicht in demselben Maße wie Autor, Redakteur und Grafiker. Aber doch zumindest als derjenige, der die Spiele hingeschleppt und auf den Tisch gestellt hat.

Die folgende Liste enthält die fünf von meinen Mitspielern am höchsten bewerteten Experten- und Kennerspiele des scheidenden Jahrgangs. In die Wertung aufgenommen habe ich nur Spiele, die von mindestens 20 Personen bewertet wurden. Es liegen aber sämtliche Spiele ein ganzes Stück über dieser Schwelle. Selbst dasjenige mit den wenigsten Bewertungen hat noch 25.

Wie immer bringt es gewisse Ungerechtigkeiten mit sich, einfach die Durchschnittsnote zu ermitteln. Das trifft in diesem Fall eher die Kenner- als die Expertenspiele. Expertenspiele werden in meinen Runden fast nur von Experten gespielt und somit auch fast nur von Experten bewertet. Kennerspiele geraten eher schon mal auf den Tisch von Spielern, die damit überfordert sind und ihr Nichtgefallen in schlechten Noten ausdrücken. Ich weiß nicht, wie ich solche Effekte ausfiltern soll. Deshalb filtere ich gar nicht.
Die ausgleichende Gerechtigkeit besteht eben darin, dass der Blogbetreiber (ich) jeweils auch die einzig wahre Wertung (meine) angibt und im Herbst noch mal ausführlicher zum Thema „Was vom Jahrgang übrig bleibt“ referieren wird.


1. CAPTAIN SONAR
Mitspieler: 8,0 / 10
Udo: ***** reizvoll


2. TERRAFORMING MARS
Mitspieler: 7,7 / 10
Udo: ***** reizvoll


3. GREAT WESTERN TRAIL
Mitspieler: 7,4 / 10
Udo: ****** außerordentlich


4. ROLL FOR THE GALAXY
Mitspieler: 7,3 / 10
Udo: **** solide


5. OBEN UND UNTEN
Mitspieler: 7,1 / 10
Udo: ***** reizvoll





Dienstag, 1. August 2017

Sheep & Thief

Im Alter muss man sich an furchtbare Dinge gewöhnen. Betroffene wissen, was ich meine. Allen anderen möchte ich nicht die Unbeschwertheit ihrer Jugend rauben. Deshalb keine Details. Außer einem: das verminderte Sehvermögen. Kleine Schriften bei Kunstlicht? Fast unmöglich. Und Schafe und Hunde kann ich neuerdings auch nicht mehr unterscheiden. Oder liegt das am Ende gar nicht an mir?

Wie geht SHEEP & THIEF? Es ist ein Legespiel. Im Laufe der Partie legt jeder Spieler zwölf Karten (plus Startkarte) auf seinen 16 Felder großen Landschaftsplan. Die Karten zeigen Wege und Flüsse (Flüsse müssen beim Anlegen fortgesetzt werden, Wege nicht), Ställe, Schafe, Hunde und Füchse.
Lege ich eine Karte mit Schafen, stelle ich Schaf-Figuren auf dieser Karte ab. Lege ich Hunde, darf ich meine Schafe auf Nachbarfelder treiben. Möglichst in Ställe, denn dort sind sie sicher vor dem Fuchs. Der pirscht heran, wenn jemand eine Karte mit Fuchs legt. Und zwar bewegt sich der Bösewicht auf sämtlichen Spielplänen! Die Richtung bestimmt derjenige mit der Fuchs-Karte. Trifft der Fuchs auf ungeschützt Schafe, raubt er sie.
Am Ende punkten Schafe (ob von fremden Spielplänen erobert oder auf dem eigenen gerettet), Wegverbindungen zwischen bestimmten Randfeldern sowie Flüsse, die zu diesem Zweck möglichst lang sein sollten. Zusätzliche Module addieren noch zusätzliche Punktwertungen. Und erwähnenswert ist außerdem, dass die Landschaftskarten vor dem Ausspielen gedraftet werden.


Was passiert? Wie beispielsweise KARUBA bereichert SHEEP & THIEF das Legespielprinzip mit einer weiteren Komponente: Die konstruierte Landschaft liegt nicht nur so da, sie wird obendrein bespielt. In diesem Fall sogar recht interaktiv: Der Fuchs ist eine Bedrohung für alle. Und jeder andere Spieler kann den Fuchs auf meine Tiere hetzen.
Allerdings fühle ich mich von SHEEP & THIEF an der Nase herumgeführt. Die titelgebenden Schafe tragen recht wenig zum Punktergebnis bei. Lukrativer ist es, sich auf Wegverbindungen und Flüsse zu konzentrieren. Wer früh viele Schafe aufstellt, macht sich nur unnötig angreifbar und verplempert Züge, um seine Herde zu verteidigen. Schafe, die ich erst kurz vor Schluss ins Spiel bringe, zählen nicht weniger als Schafe, die von Beginn an da sind, besitzen aber eine viel höhere Überlebens-Chance.
Auch der Fuchs erweist sich als spielerisch nicht so interessant, wie zunächst gedacht. Bei zwei Spielern ist er generell lauffaul. Bei mehr Spielern lauert er oft auf Vorlagen und staubt dann ab. Manchmal landet er zufällig auf genau dem Feld, das ein Spieler als nächstes bebauen will, was er nun aber nicht darf und was seinen weiteren Bauplan komplett durchkreuzt.

Was taugt es? SHEEP & THIEF hat gelungene Aspekte. Der Ablauf ist unterhaltsam, man plant mit seinen Karten, beharkt sich ein bisschen und hofft, dass der Fuchs die Schafe nicht erwischt.
Zu vieles erscheint mir allerdings unrund. Die Gewichtung der einzelnen Elemente widerspricht Spielthema und -geschichte. Obendrein finde ich die Grafik komplett daneben. Der Witz der Zeichnungen, wenn es denn einen gibt, geht völlig an mir vorbei. Was haben die Hunde da für orange-weiße Dinger in ihren Pfoten? Sehen so Ställe aus? Warum stehen auf den Weiden Telefonzellen? Und wieso ist auf den Spielplänen keine Wertungstabelle für die Flüsse abgedruckt? Man muss wohl unter 40 sein, um das alles zu kapieren.

** misslungen


SHEEP & THIEF von Yuichi Sakashita für zwei bis vier Spieler bis 39 Jahre, Pegasus Spiele.