Wie geht ULM? ULM ist ein ziemlich verflochtenes Spiel. Ein Kennerspiel. In einem drei mal drei Plättchen großen Raster generieren die Spieler ihre Aktionsmöglichkeiten. Dazu zieht man ein Plättchen aus dem Sack, schiebt es an einer Seite ins Raster, wodurch am anderen Ende ein Plättchen herausfällt. Das neue Plättchen plus die beiden im Raster bewegten (aber nicht herausgeschobenen) Teile bestimmen, welche drei Aktionen im weiteren Zug möglich sind.
Am Ende geht es nicht nur um Ulm, sondern mehr noch um Punkte. Punkte zählen zum Beispiel Karten. Dafür muss ich Serien sammeln oder am Schluss bestimmte Ressourcen besitzen. Zwei der fünf möglichen Aktionen haben deshalb mit Karten zu tun: 1. Ich darf mir Plättchen nehmen, die herausgeschoben wurden. 2. Mit solchen Plättchen kaufe ich Karten.
Auf der Donau fährt mein Schiff, und die zurückgelegte Distanz zählt Punkte, weshalb Aktion 3 darin besteht, das Schiff voranzusetzen. Und schließlich darf ich dort, wo mein Schiff ankert, Stadtteile in Besitz nehmen, was auch Punkte bringt und / oder mir zusätzliche Fähigkeiten verleiht. Dieser Vorgang kostet jedoch Geld. Die zugehörigen Aktionen sind somit: 4. Geld nehmen, 5. gegen Geld Besitzmarke platzieren.
Was passiert? Zehn Runden lang wickeln die Spieler schön nacheinander ihre Züge ab. Was ich will, entspricht nicht unbedingt dem, was ich kann. Besitze ich keine Zahlungsmittel, interessiert es mich nicht, Besitzmarken platzieren zu dürfen. Also wäre diese Aktion für mich sinnlos, und ich tüftele mit dem gezogenen Plättchen, bis ich entweder herausgefunden habe, wie ich es einschieben muss, dass drei passable Aktionen für mich herausspringen. Oder bis ich einsehe, dass es wirklich nicht geht.
Der Rest ergibt sich dann schneller. Aktionen, die ich machen darf, mache ich im Regelfall, ansonsten hätte ich sie ja wohl kaum generiert. Allerdings ändert sich die Interessenlage durch die in Besitz genommenen Viertel und durch die Karten. Spieler schlagen verschiedene Richtungen ein, wollen nicht mehr alle dasselbe. Gut so, aber trotzdem bleibt eins für alle gleich: Jeder Zug beginnt wieder mit der Fleißaufgabe, beim Schiebespiel sämtliche Varianten durchzurechnen.
Schade. Denn es macht Spaß, die in ULM angelegten Wege zum Punktgewinn zu erkunden. Spielerischen Reiz hat auch die Verknüpfung möglicher Einsatzgebiete mit der Position des Schiffes. Das Schiff soll eigentlich schnell voran, um in die Punkteränge zu fahren. Andererseits schippere ich dadurch an Vierteln vorbei, in denen ich vielleicht noch hätte Chips legen wollen. Gelungen finde ich schließlich drittens, wie die Fähigkeiten der Stadtviertel aufeinander abgestimmt sind. Gegen Ende des Spiels hat man üblicherweise viele Karten gesammelt und möchte sie ausspielen. Und die weiter hinten liegenden Viertel erlauben genau dies.
Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, ein harmonisches Spiel zu spielen. Ich glaube, die Ursache ist die Konkurrenz zweier Mechanismen. Da ist erstens der Schiebemechanismus, für den ich viel Lob gelesen habe, das ich jedoch nicht teile. Für meine Begriffe bringt die mit genügend Geduld leicht ausrechenbare Schieberei keinen spielerischen Gewinn und schon gar nicht bereichert sie speziell ULM. Im Gegenteil macht sie die Abläufe kleinschrittig und damit unelegant. Erst muss ich Geld holen, dann darf ich Marken platzieren. Erst muss ich Plättchen holen, dann darf ich Karten kaufen.
Und zweitens ist da der Schiffsmechanismus. Ich will voran, aber auch nicht voran. Diesen Widerstreit der Gefühle gab es zwar schon in anderen Spielen, beispielsweise in TUTANCHAMUN oder EGIZIA, doch in Verbindung mit der Inbesitznahme von Stadtvierteln erscheint mir das trotzdem wieder reizvoll. Diesen Reiz schöpft ULM allerdings nicht aus, weil es zugleich noch so viel andere Schauplätze aufmacht und nebeneinander stellt, aber nicht vertieft.
Was taugt es? Natürlich gehört auch der Aufbau der Spielregel kritisiert. In ULM sind die Regeln auf zwei Hefte verteilt. Am Ende von Heft 1 findet sich die mutige Behauptung, man könne jetzt losspielen. Tatsächlich weiß man an dieser Stelle aber noch viel zu wenig, und ich habe keine Gruppe erlebt, die hier tatsächlich losgespielt hätte.
Letztlich sind aber alle Spieler irgendwie klargekommen, und nicht die Regel hindert ULM daran, über oberes Mittelmaß hinauszukommen. Mir fehlt in ULM der Schwerpunkt, die große Leitlinie, der Charakter. Viele gute Einzelteile und viele Punktemöglichkeiten ergeben in ihrer bloßen Addition noch kein Top-Spiel.
**** solide
ULM von Günter Burkhardt für zwei bis vier Spieler, HUCH! & friends.