Mittwoch, 28. Februar 2018

Gern gespielt im Februar 2018


THE MIND: Könnte man glatt für perfide Einstellungstests verwenden. Ich bilde mir jedenfalls ein, während der Partien schon einiges über meine Mitspieler erfahren zu haben.


PANDEMIC LEGACY SEASON 2: Ich möchte unbedingt schnell zu Ende spielen. Gleichzeitig möchte ich, dass es niemals endet.


CLANS OF CALEDONIA: Liebling, ich habe die Spielsteine geschrumpft.


KLONG: Lärm ist tatsächlich gesundheitsschädigend. Unsere Eltern hatten immer recht.


ALL YOU CAN EAT: Katzen, die auf Würmer starren.


VOODOO PRINCE: Den Letzten beißen die Schamanen.







Montag, 26. Februar 2018

Rajas of the Ganges

Wenn ich zehn Arme wie die Kali hätte: Könnte ich dann viel mehr Rezensionen schreiben? Oder wäre ich eine Weltsensation und könnte meine Million Euro viel leichter mit anderen Dingen scheffeln? Hmmm.

Wie geht RAJAS OF THE GANGES? RAJAS OF THE GANGES ist ein Arbeitereinsatz-Spiel mit Würfeln. Fast sämtliche Aktionen kosten neben dem Arbeiter auch einen oder mehrere Würfel bestimmter Augenzahlen und / oder Farben.

Jeder Spieler besitzt ein Tableau mit 16 leeren Baufeldern. Hier will man „Provinzplättchen“ platzieren, die passend ans Wegenetz gelegt werden müssen. Die billigsten Plättchen kosten vier Würfelaugen einer Farbe, die teuersten zehn. Manche Plättchen sind also mit einem, andere nur mit mindestens zwei Würfeln zu bekommen.
Auf den Plättchen befinden sich Märkte oder Gebäude. Gebäude zählen beim Platzieren bis zu vier Punkte. Märkte bringen beim Platzieren und eventuell später Geld. Um Geld und Punkte geht es, denn jeder besitzt zwei Zählsteine für Geld und Punkte, die sich auf zwei Skalen entgegenlaufen. Das Ziel ist, dass sich beide Marker begegnen. Unterwegs schalten sie auf den Skalen Belohnungen und zusätzliche Arbeiterfiguren frei.
Außer zum Plättchenbau dienen die Aktionen zur Beschaffung von Würfeln, Geld, Punkten oder Karma. Außerdem kann man Gebäude aufwerten, was bedeutet, dass das Bauen dieser Gebäudeart künftig einen Punkt mehr zählt.
Jeder Spieler besitzt obendrein ein Boot, das den Ganges entlangfährt, andere Boote dabei überspringt, je nach Zielfeld verschiedene Belohnungen absahnt und unterwegs auch eine weitere Arbeiterfigur einsammeln kann.
Für das Bauen braucht man hohe Würfelaugen, für die Schifffahrt kleine. Um Würfel zu korrigieren, gibt es Karma. Für einen Karmapunkt darf man einen Würfel auf die gegenüberliegende Seite drehen.


Was passiert? RAJAS OF THE GANGES fühlt sich rund und gefällig an. Alles harmoniert, alles bringt einen Spieler voran, nichts wird einem zerstört. Der Wettrenn-Charakter sorgt für effizientes Spielen. Wer das Ziel mit den wenigsten Aktionen erreicht, gewinnt. In der zweiten Hälfte nimmt RAJAS OF THE GANGES immer mehr Fahrt auf.
Doch: Mittlerweile habe ich mehr als zehn Partien gespielt, und auf Dauer wirkt das Spiel nicht mehr so stark wie noch am Anfang. Von meiner inzwischen gefassten Strategie würde ich nicht mehr abweichen. Ich sehe keinen Grund dafür, denn bestimmte Einsetz- bzw. Flussfelder erscheinen mir nun mal besonders effizient. Und da es um Effizienz geht, will ich natürlich diese Felder nutzen und nicht die weniger effizienten.
So ist der Ausgang von RAJAS OF THE GANGES weniger eine Frage der Strategie geworden als eine Frage der Würfel. Zu meinen Lieblingsfeldern auf dem Fluss zählen diejenigen, die pro Karma einen Würfel einbringen. Blöd aber, wenn ich das nächste nur dann erreichen kann, wenn ich einen meiner Würfel mittels Karma dafür drehen müsste. Schon lohnt sich die Sache nicht mehr (weil ich einen Würfel weniger gewönne), und bis ich wieder am Zug bin und in der Zwischenzeit vielleicht passende Würfel ergattern konnte, dürfte das Feld besetzt sein.
Ähnliches beim Plättchenerwerb: Brauche ich für mein Wunschplättchen zehn Augen und habe eine Drei und eine Vier gewürfelt (oder eine Zwei und eine Vier etc.), hilft mir nicht einmal die Option, mit Karma Würfel drehen zu können. Auf Dauer ist es ohnehin schädlich, immer mit Karma nachzuhelfen, denn ich muss Aktionen aufwenden, um mir das Karma zurückzuholen.
Sehr begehrt sind Plättchen mit Märkten (um damit wiederholt Geld zu verdienen). Glücklich kann sich schätzen, wer es wegen zufällig passender Würfelzahlen und zufällig passendem Plättchenangebot schneller schafft, drei unterschiedliche wertvolle Märkte zu ergattern. Seine Geldmaschine läuft schneller an.
Ich möchte ungern mit dem oft bemühten „Glücksspiel“-Argument kommen, doch in diesem Fall wirkt sich die Bedeutung vieler kleiner Zufälligkeiten ungünstig aufs Spielgefühl aus. Jeder erzwungene Kompromiss ist ein Tempoverlust. Und viele kleine Tempoverluste münden in einem Wettrennspiel in eine Niederlage. Zumal RAJAS OF THE GANGES das gute Vorankommen verstärkt: Wer viele Plättchen legen kann, kassiert für Anschlüsse Sondererträge. Wer schnell aus den Startlöchern kommt, sammelt Boni und Arbeiterfiguren auf den beiden Skalen früher ein.


Was taugt es? Vieles in RAJAS OF THE GANGES gefällt mir. Den Arbeitereinsatz mal nicht mit Rohstoffen, sondern mit Würfeln zu kombinieren, ist ein neuer Dreh. Und Würfel bedeuten natürlich auch: Zufall. Das ist eben so.
RAJAS OF THE GANGES hat den Reiz typischer Arbeitereinsatz-Spiele: Bestimmte Felder locken mehr, andere weniger. Man schaut beim Gegner, was er mit seinen Würfelaugen anstellen kann, und legt sich so die Reihenfolge seiner Projekte fest. Man kombiniert, man optimiert, man versucht, aus dem Vorhandenen das Beste herauszuholen.
Mit zunehmender Spielerfahrung sehe ich allerdings wenig Raum für Experimente. Es sind immer dieselben Dinge, auf die ich abziele. Und so bleibt nur die Frage: Erlauben Würfel und Plättchenauswahl dies oder erlauben sie es nicht?
Die gegenläufigen Punkte- und Geldskalen finde ich prinzipiell reizvoll und würde ihnen in weiteren Spielen gerne wiederbegegnen. Aber anders. Denn der Gewinn, den RAJAS OF THE GANGES aus der Idee zieht, ist nicht sonderlich hoch. Es würde keinen großen Unterschied machen, gäbe es nur eine Skala, und Punkte brächten darauf einen ganzen und Geld nur einen halben Schritt.


**** solide

RAJAS OF THE GANGES von Inka und Markus Brand für zwei bis vier Spieler, Huch.

Donnerstag, 22. Februar 2018

Vor 20 Jahren (57): Johnny Controletti

Wer Follower hat, kann Follower-Power abrufen. Wer keine Follower hat, findet manche Dinge wohl nie heraus. Pech. Mich zum Beispiel beschäftigt die Frage, ob tatsächlich Udo Lindenberg den Ausdruck „Jonny Controlletti“ (bei Lindenberg ohne „h“ und mit Doppel-„l“) erfunden hat oder ob es den schon vorher gab.

Wie wir ja alle wissen, gibt es den gleichnamigen Lindenberg-Song aus den frühen Siebzigern. Und allen, die das doch nicht wissen, erzähle ich es jetzt einfach: Es gibt da diesen gleichnamigen Lindenberg-Song aus den frühen Siebzigern. Eine aus dem Leben gegriffene Story über einen amerikanischen Mafioso, der sich fürs deutsche Showbusiness interessiert, daraufhin Udo Lindenbergs Manager wird und ihm in einem späteren Song auf einer späteren Platte vor dem Auftritt ein Beruhigungsbier reicht.

Ein Typ also, der weiß, was zu tun ist, und seine Angelegenheiten im Griff hat. Was man über seinen spielerischen Namensvetter nicht unbedingt sagen kann. Die Regeln: Wer am Zug ist, treibt als „Johnny“ Geld ein. Ein Farbwürfel bestimmt, von welchem Spieler. Wie hoch dessen Schulden sind, wissen wir noch nicht. Der Spieler legt mindestens einen Schein verdeckt auf den Tisch. Johnny kann das Geld nehmen und dann ist gut und der nächste ist dran. Allerdings gibt es unter den Scheinen auch etliche Nieten. So könnte es sein, dass Johnny überhaupt nichts gewinnt.

Johnny kann deshalb auch sagen, das Gebot sei ihm zu niedrig. Dann würfelt er und deckt auf. Ist die Würfelzahl höher als die gelegte Summe in Tausendern, muss das Opfer verdeckt nachlegen. Und wieder dasselbe Spiel: Johnny nimmt oder Johnny zockt. Würfelt Johnny niedriger als die gelegte Summe, bekommt er nichts, sondern muss im Gegenteil blechen.

Ein beliebter Trick war es natürlich, mit bedeutungsschwerer Miene nur Nieten hinzulegen und sich auf Johnnys Gesichtsausdruck zu freuen, sobald er das nimmt. Oder eben 7000. Falls Johnny dann würfelt, haha, hat er garantiert verspielt. Falls Johnny allerdings nicht würfelt, sondern einfach zugreift, dann … ups!

Für meine damaligen Begriffe war JOHNNY CONTROLETTI ein gutes Spiel. So wunderbar heruntergebrochen. Wir haben es oft und immer gleich mehrmals hintereinander gespielt. Ob ich es heute noch gut finden würde? Keine Ahnung. Woher soll ich denn eine Viertelstunde Zeit für ein altes Spiel nehmen?

JOHNNY CONTROLETTI war das erste Spiel von Dominique Ehrhard, das ich kennenlernte, und bewirkte, dass ich fortan auf diesen Autorennamen achtete. Es ist aber längst nicht so bekannt geworden wie beispielsweise CONDOTTIERE oder SERENISSIMA. Auf Boardgamegeek finden sich gerade mal 87 Bewertungen. Und die sind nicht mal allzu überschwänglich.

Das wiederum beantwortet auch ohne Follower-Power sehr elegant Frage Nummer zwei, die ich mir vor dem Schreiben dieses Artikels gestellt hatte. Sie lautete: Warum ist von JOHNNY CONTROLETTI eigentlich nie eine deutsche Neuauflage erschienen?

Die offensichtliche Antwort: Darum!

Sonntag, 18. Februar 2018

Klong!

Wie geht KLONG? Wir sind Helden. Aber nicht die gleichnamige Band, sondern Abenteurer, die in einen Dungeon eindringen, um Schätze zu stehlen.
Der Hauptmechanismus ist Deckbau. Jeder beginnt mit denselben zehn Karten. Bessere kauft man hinzu, immer fünf hat man auf der Hand. Und so weiter ... siehe DOMINION. Die Karten zeigen Stiefel-Symbole (benötigt man, um sich im Dungeon fortzubewegen), Schwerter (um Monster zu erledigen) und Talente (die Währung, um neue Karten hinzuzukaufen). Außerdem können die Karten noch einen Text haben, aus dem dann weitere Besonderheiten hervorgehen.
Anders als bei DOMINION gibt es keine Ausspielbeschränkungen. Alle Handkarten gelten quasi gleichzeitig. Und der Markt ist dynamischer. Immer irgendwelche sechs Karten des Gesamtvorrats liegen zum Kauf bereit. Es ist also wie bei STAR REALMS oder SUPERHELDEN.
Spielziel? Unter den Überlebenden gewinnt der Reichste. Zum Reichtum zählt: vom Spielplan erbeutete Plättchen, Bargeld (meist die Belohnung nach erfolgreichem Monsterkampf) und das Kartendeck (ziemlich viele der Karten zählen Punkte; einige Karten – analog zu den Provinzen in DOMINION – haben nur diesen einen Zweck).
Wie stirbt man? Manche Karten verursachen Lärm („Klong!“). Zwei dieser Karten hat man von Beginn an im Deck, und weil man alle Handkarten spielen muss, lässt sich ein gewisser Lärmpegel nicht vermeiden. Zu lärmen, bedeutet, dass Würfel der eigenen Farbe in einen Gemeinschaftsbeutel kommen. Ab und zu werden welche wieder herausgezogen. Jeder gezogene Würfel der eigenen Farbe verursacht beim Spieler einen Schaden. Der zehnte Schaden bedeutet den Tod.


Was passiert? Lärm ist also langfristig gefährlich. Allerdings beruht es auf Zufall, ob man jemals die Möglichkeit erhält, Lärmkarten zu entsorgen oder wenigstens zu überspringen. Genauso wie es Zufall ist, wie häufig jemand aus dem Beutel gezogen wird.
Auch wenn ich weiter oben „Deckbau“ als Hauptmechanismus bezeichnet habe, fühlt sich dieser Deckbau ganz anders an als bei DOMINION. Da das Kartenangebot ständig variiert, stellen sich beim Kartenkauf hauptsächlich taktische Fragen. Einige Karten sind so stark, dass man sie kaufen muss, wenn es irgend geht. Wer eine solche Karte früh in der Partie bekommt, hat gute Gewinn-Chancen. Andere Karten wiederum sind so schlecht, dass niemand sie haben will. Vorstopfen solche Karten im Verbund mit Lärm-Karten den Markt, wird es zäh.
Da KLONG! sehr gut unterhält, sehr atmosphärisch ist und eine spannende Geschichte erzählt, sieht man aber gerne über einiges hinweg. Deckbau mit Laufspiel ist eine tolle Kombination. Und obwohl man sowieso sein gesamtes Blatt runterspielen muss, gibt es relevante Entscheidungen zu treffen: Kann ich einem Konkurrenten auf einer attraktiven Route zuvorkommen und die Schätze schneller absammeln oder wähle ich einen konservativen Weg? Gehe ich unbewaffnet und auf Kosten einer Wunde durch den monsterbewachten Tunnel oder warte ich eine Runde und hoffe auf bessere Karten? Und generell: Wie tief steige ich in den Dungeon hinab, wie viel riskiere ich?
Für alle, die noch unter Tage herumkrebsen, während andere schon wieder draußen sind, steigt die Spannungskurve zum Finale enorm an: Schaffe ich es noch zurück? Überhaupt hofft man sehr viel in KLONG, und ist gespannt, was passiert: welche Karten man nachzieht, welche Plättchen man aufdeckt, welche Würfel gezogen werden. Ja, dieser Beutel-Mechanismus ist klasse, für mich das Stärkste in KLONG.
Trotzdem wieder Ernüchterung: Aus berechtigter Angst um ihr Leben manchen sich manche Spieler lieber zu früh als zu spät auf den Rückweg und leiten damit das Spielende ein. Vor allem in Partien zu viert bleibt häufiger das Gefühl, man habe noch gar nicht viel erlebt, das Abenteuer habe sich noch gar nicht komplett entfaltet. Über mehrere Partien zeigt sich allerdings auch: So viel zu erleben, wie man zunächst glaubt, gibt es gar nicht. Die Laufwege, die Schätze und die Abenteuer wiederholen sich. Gut deshalb, dass immerhin zwei verschiedene Spielpläne zur Auswahl stehen.


Was taugt es? Es gibt eine ganze Menge zu kritisieren – und KLONG macht trotzdem Spaß. Das ist schön, aber zugleich auch traurig. Denn es bleibt der Verdacht, hier wurde ziemlich viel Potenzial verschleudert und ein ausgereiftes KLONG könnte noch eine ganze Ecke besser sein. Inklusive Spielregel.


***** reizvoll

KLONG! von Paul Dennen für zwei bis vier Spieler, Schwerkraft.

Mittwoch, 14. Februar 2018

Vor 20 Jahren (56): Ursuppe

In Spielerei 38 erschienen im Februar 1998 meine Rezensionen Nummer zwei und drei: URSUPPE und CIAO, CIAO… Es waren zugleich meine letzten Rezensionen dort, dabei fand ich mich selber unheimlich toll und konnte gar nicht verstehen, dass andere das vielleicht anders beurteilten. Meine Rezension zu URSUPPE hielt ich für so gelungen, dass mich Abwerbeversuche großer Headhunter des Spielejournalismus nicht überrascht hätten. Doch es kam anders – indem überhaupt nichts kam. Mein Telefon blieb still.

Wie das nun aber so ist mit Dingen aus der Vergangenheit (ehemalige Lieblingspullover, vermeintliche Kult-Filme, pubertäre musikalische Vorlieben und so weiter): Damals waren sie echt super. Mit heutigen Augen betrachtet, sind sie … äh … hüstel. Dementsprechend hatte ich eine Weile überlegt, ob ich für diesen Artikel die 20 Jahre alte Spielerei überhaupt heraussuchen sollte. Manches will man ja lieber nicht so genau wissen.

Schonungslos gegen mich selbst habe ich es dennoch getan, beide Artikel studiert und … äh … hüstel. Na gut, so völlig schlecht sind sie nun auch wieder nicht. Aber es ist relativ ermüdend, wie detailliert ich damals die URSUPPE-Spielregeln erklärt habe. Und ich meine, aus meiner Rezension herauszulesen, dass ich das Spiel eigentlich schlechter fand, als es dort geschrieben steht. Obwohl ich meine Kritikpunkte klar benenne, kommt unter dem Text am Ende eine „Zwei minus“ heraus. Noch mehr Kontra zu geben, hatte ich mich als Anfänger möglicherweise nicht getraut.

Aber selbst mit dieser Bewertung war ich schon vergleichsweise kritisch. Spiele von Doris & Frank waren damals enorm angesagt. Alle in meinem Umfeld fanden die klasse, schon deshalb, weil sie optisch so knuddelig daherkamen und sich von den Veröffentlichungen der Großverlage wohltuend unterschieden. In den bald darauf erscheinenden Ausgaben von spielbox und Fairplay wurde URSUPPE ziemlich gefeiert. Und selbst nach 20 Jahren und obwohl ich’s in der Spielerei nicht wirklich empfohlen habe, ist URSUPPE im Boardgamegeek-Ranking noch unter den besten 800.

Man kann festhalten: Meine Rezension hat keinerlei Reaktionen provoziert. Meine Rezension hat niemanden interessiert. Meine Rezension hat die Diskussionen über das Spiel nicht beeinflusst. Auch wenn ich REZENSIONEN FÜR MILLIONEN erst zehn Jahre später gründete: Einen realistischen Vorgeschmack auf mein künftiges Tun bekam ich schon damals.


Freitag, 9. Februar 2018

Altiplano

Bei der Dokumentation hatte ich mir wirklich Mühe gegeben. Wie üblich bewahrte ich alle ausgefüllten Wertungszettel meiner ALTIPLANO-Partien in der Spielschachtel auf. Obendrein führte ich jeweils Strichliste über die Zahl der Durchgänge. Und notierte, welcher Spieler welche Startausstattung hatte, um eventuell herauszufinden, ob es stärkere und schwächere Kombinationen gibt … und stellte nach einem öffentlichen Spieletreffen fest, dass die Nutzer meines Spiels sämtliche Wertungszettel in den Müll geworfen hatten.


Wie geht ALTIPLANO? Fast wie ORLÉANS. Dumm ist nur, dass ich über ORLÉANS in der spielbox geschrieben habe und jetzt nicht einfach auf mich selbst verlinken kann. Notgedrungen ein paar Brocken der Erklärung:
ALTIPLANO ist ein Bag-Building-Spiel. Jeder startet mit mehreren Warenplättchen. Pro Durchgang zieht man zunächst vier (im Laufe des Spiels hoffentlich mehr) Plättchen aus seinem Beutel und ordnet sie auf den Ablagefeldern des eigenen Tableaus so an, dass sich bestimmte Kombinationen ergeben. Für diese Kombinationen bekommt man zusätzliche Chips (oder auch andere Dinge). Alle eingesetzten und alle erworbenen Plättchen kommen in eine Ablagekiste. Ist der Beutel leer, wird aus der Kiste nachgefüllt. Es ist also genau wie in DOMINION und somit etwas anders als in ORLÉANS, wo alles ohne Zwischenstation direkt in den Beutel kam.
Die wesentlichen Unterschiede zu ORLÉANS sind ansonsten: 1. In ORLÉANS ging es darum, die eigene Spielfigur schnell über den Spielplan zu scheuchen und Güter einzusammeln. Und darum, auf Skalen voranzumarschieren und dadurch Geld und Güter einzunehmen. Geld und Güter punkteten am Schluss, die Plättchen waren nichts wert. In ALTIPLANO jedoch geht es vor allem um diese Plättchen. Sie sind es, die am Schluss Punkte zählen. Es geht darum, verschiedene Warenkreisläufe möglichst schnell zu durchlaufen, um viele und hochwertige Waren zu sammeln.
2. Um die bereitgelegten Kombinationen einzulösen, muss ich mit meiner Figur an einem vorgegebenen Ort sein. Um all meine Züge abzuwickeln, muss ich somit hin- und herreisen und Nahrung dafür bezahlen. (Auch die Nahrung geht nicht verloren, sondern wie alle Plättchen zwischenzeitlich in die Kiste. Aber wer nicht einigermaßen regelmäßig Nahrung aus seinem Beutel zieht, wird immobil.)


Was passiert? Produktionsketten und Veredelung: Intuitiv denkt man (ich jedenfalls), es müsse gut sein, von allem etwas zu erwerben. Tatsächlich stimmt das Gegenteil.
Egal, welches Startplättchen-Set ich erwische: Ich kann mich zunächst nur in wenigen Warenkreisläufen betätigen. Grundwaren aus anderen Kreisläufen zu akquirieren, kostet viele Aktionen und ergibt vor allem selten Sinn. Denn: Je mehr Warensorten ich einsetze, desto mehr verschiedene Orte muss ich bereisen. Und Reisen bringt keine Punkte. Es ist nur Mittel zum Zweck, sollte also auf ein Minimum beschränkt bleiben. Im optimalen Fall beende ich meinen Zug an einem Ort, wo ich im nächsten Durchgang mit neuen Plättchen gleich wieder einer Aktion ausführen kann.
Auch wenn ich neidisch darauf bin, was die anderen Spieler mit ihren Plättchen anstellen können: Ich sollte so spielen, wie es meine Plättchen hergeben. ALTIPLANO entpuppt sich als Optimierungsspiel und Wettlauf, bei dem es auf ein gutes Beutel-Management ankommt.
Plättchen bringen Extrapunkte, wenn ich sie einlagere und im Lager sortenreine Regalreihen füllen kann. Ich entscheide, ab welchem Zeitpunkt ich welche Waren nicht mehr für den Erwerb zusätzlicher Waren benötige. Alles, was ich nicht unbedingt brauche, sollte raus aus meinem Beutel, denn natürlich ist es viel besser, ausschließlich Plättchen zu ziehen, die ich brauche.


Was taugt es? Die Kombination aus Beutelglück und vielen kleinen Entscheidungen (Welche Chips kombinieren? Worauf pokern? Wohin zuerst reisen? Welche Ausbauten kaufen?) weckt Ehrgeiz und Forscherdrang und reizt zum Wiederspielen. Wenn alle das Spiel kennen und nicht zergrübeln, fühlt sich ALTIPLANO flott und dicht an. Diese Vorzüge besaß allerdings auch schon ORLÉANS.
ALTIPLANO setzt nur für Planer einen obendrauf, weil es darauf ankommt, sehr exakt zu spielen bis hin zu der Frage, wie viele Chips einer Sorte man überhaupt erwerben will (um Regalreihen zu komplettieren oder Aufträge zu erledigen). Nur auf den ersten Blick ist ALTIPLANO ein ähnlich lockeres Experimentierfeld wie ORLÉANS. Auf den zweiten Blick erweist es sich als strenger, komplexer und solitärer.
In den meisten Fällen spielt es keine Rolle, dass wir unsere Aktionen reihum ausführen. Im Gegenteil ist es fehleranfälliger. Ich habe häufig erlebt, dass jemand irgendwo mehrere Aktionen ausführen wollte, nach der ersten aber von den zwischenzeitlichen Zügen der anderen Spieler abgelenkt wurde und versehentlich vor seiner zweiten Aktion abreiste. Auch gab es reichlich Handling-Fehler. Häufig vergaß irgendwer, seine Kutsche als benutzt zu markieren, und hinterher war der korrekte Stand nicht mehr sicher nachzuvollziehen.
Ich spiele ALTIPLANO weiterhin gerne mit, um zu gucken, ob meine Strategie gut ist und was alles möglich ist. Wenn ich mir aber den seltenen Luxus erlaube, ein altes Spiel zu spielen (und in wenigen Monaten ist ALTIPLANO alt), wird es eher das spielerischere ORLÉANS sein.


***** reizvoll

ALTIPLANO von Reiner Stockhausen für zwei bis fünf Spieler, dlp games.

Freitag, 2. Februar 2018

Facecards

Hallo aus Nürnberg.

Wie geht FACECARDS? FACECARDS enthält 142 Bildkarten mit Menschengesichtern, Tiergesichtern und Gegenständen, die so aussehen, als hätten sie ebenfalls ein Gesicht. Jeder Spieler hat sieben dieser Karten. Gleichzeitig wählen alle ein Kartenpaar von ihrer Hand, das aus irgendeinem subjektiven Grund gut zusammenpasst (Farbe, Kleidung, Ausdruck etc.).
Eine der Karten legt man offen vor sich ab, die andere verdeckt in die Mitte. Die dortigen Karten werden gemischt, mindestens eine Störkarte kommt vom Stapel hinzu, dann wird aufgedeckt. Und reihum geraten, welche Karten ein Paar sein sollen. Treffer bringen beiden Beteiligten je einen Punkt. Mindestens. Besteht das Paar aus Karten unterschiedlicher Kategorien (zum Beispiel Mensch / Gegenstand), gibt es zwei Punkte.


Was passiert? Sichere Anhaltspunkte, nach welchen Kriterien Spieler ihre Karten gewählt haben könnten, gibt es nicht. Manche Paare sind recht offensichtlich. Der Rest ist Raterei.
Wenn es schlecht läuft, kommt man an die Reihe und findet nichts mehr zum Raten vor (Spieler A rät erfolgreich bei B, Spieler B bei C, Spieler C bei A, Spieler D guckt in die Röhre). Aber dieser unbefriedigende Fall ist selten.
Natürlich kann man auch Pech haben, dass unter den sieben Handkarten nichts zusammenpassen will oder dass die Störkarte viel besser passt als die eigene und die Mitspieler aufs Glatteis führt.
Aber stört das alles sehr? Nö! FACECARDS will unterhalten. Und es unterhält. Es bringt die Spieler zum Lachen, animiert zum Blödeln, initiiert Gespräche, provoziert Emotionen. Das Auswählen des eigenen Bildpaares und die Hoffnung, es werde erraten, bewirken Vorfreude und Spannung.

Was taugt es? FACECARDS ist ein gelungenes Spiel, weniger wegen der Mechanik, der man so ähnlich schon häufiger begegnet ist, sondern vor allem wegen der toll gewählten Bilder, die sich größtenteils sehr gut für ihren Zweck eignen und mehrere sinnvolle Kombinationsmöglichkeiten erlauben.
… Aber eben auch nicht unendlich viele Möglichkeiten. Nach einigen Partien wird man Wiederholungen erleben. FACECARDS ist deshalb ein Spiel, um es nur ab und zu oder in vielen verschiedenen Runden auf den Tisch zu bringen.
Nicht zuletzt gefällt mir die unterschwellige Subversion. Wenn sich herausstellt, dass Hippie und Orang-Utan einander ähneln oder Karl Marx dem Weihnachtsmann, finde ich das recht amüsant, ohne es als Diffamierung begreifen zu müssen.


**** solide

FACECARDS von Leo Colovini für drei bis sieben Spieler, Ravensburger.