Wenn ich zehn Arme wie die Kali hätte: Könnte ich dann viel mehr Rezensionen schreiben? Oder wäre ich eine Weltsensation und könnte meine Million Euro viel leichter mit anderen Dingen scheffeln? Hmmm.
Wie geht RAJAS OF THE GANGES? RAJAS OF THE GANGES ist ein Arbeitereinsatz-Spiel mit Würfeln. Fast sämtliche Aktionen kosten neben dem Arbeiter auch einen oder mehrere Würfel bestimmter Augenzahlen und / oder Farben.
Jeder Spieler besitzt ein Tableau mit 16 leeren Baufeldern. Hier will man „Provinzplättchen“ platzieren, die passend ans Wegenetz gelegt werden müssen. Die billigsten Plättchen kosten vier Würfelaugen einer Farbe, die teuersten zehn. Manche Plättchen sind also mit einem, andere nur mit mindestens zwei Würfeln zu bekommen.
Auf den Plättchen befinden sich Märkte oder Gebäude. Gebäude zählen beim Platzieren bis zu vier Punkte. Märkte bringen beim Platzieren und eventuell später Geld. Um Geld und Punkte geht es, denn jeder besitzt zwei Zählsteine für Geld und Punkte, die sich auf zwei Skalen entgegenlaufen. Das Ziel ist, dass sich beide Marker begegnen. Unterwegs schalten sie auf den Skalen Belohnungen und zusätzliche Arbeiterfiguren frei.
Außer zum Plättchenbau dienen die Aktionen zur Beschaffung von Würfeln, Geld, Punkten oder Karma. Außerdem kann man Gebäude aufwerten, was bedeutet, dass das Bauen dieser Gebäudeart künftig einen Punkt mehr zählt.
Jeder Spieler besitzt obendrein ein Boot, das den Ganges entlangfährt, andere Boote dabei überspringt, je nach Zielfeld verschiedene Belohnungen absahnt und unterwegs auch eine weitere Arbeiterfigur einsammeln kann.
Für das Bauen braucht man hohe Würfelaugen, für die Schifffahrt kleine. Um Würfel zu korrigieren, gibt es Karma. Für einen Karmapunkt darf man einen Würfel auf die gegenüberliegende Seite drehen.
Was passiert? RAJAS OF THE GANGES fühlt sich rund und gefällig an. Alles harmoniert, alles bringt einen Spieler voran, nichts wird einem zerstört. Der Wettrenn-Charakter sorgt für effizientes Spielen. Wer das Ziel mit den wenigsten Aktionen erreicht, gewinnt. In der zweiten Hälfte nimmt RAJAS OF THE GANGES immer mehr Fahrt auf.
Doch: Mittlerweile habe ich mehr als zehn Partien gespielt, und auf Dauer wirkt das Spiel nicht mehr so stark wie noch am Anfang. Von meiner inzwischen gefassten Strategie würde ich nicht mehr abweichen. Ich sehe keinen Grund dafür, denn bestimmte Einsetz- bzw. Flussfelder erscheinen mir nun mal besonders effizient. Und da es um Effizienz geht, will ich natürlich diese Felder nutzen und nicht die weniger effizienten.
So ist der Ausgang von RAJAS OF THE GANGES weniger eine Frage der Strategie geworden als eine Frage der Würfel. Zu meinen Lieblingsfeldern auf dem Fluss zählen diejenigen, die pro Karma einen Würfel einbringen. Blöd aber, wenn ich das nächste nur dann erreichen kann, wenn ich einen meiner Würfel mittels Karma dafür drehen müsste. Schon lohnt sich die Sache nicht mehr (weil ich einen Würfel weniger gewönne), und bis ich wieder am Zug bin und in der Zwischenzeit vielleicht passende Würfel ergattern konnte, dürfte das Feld besetzt sein.
Ähnliches beim Plättchenerwerb: Brauche ich für mein Wunschplättchen zehn Augen und habe eine Drei und eine Vier gewürfelt (oder eine Zwei und eine Vier etc.), hilft mir nicht einmal die Option, mit Karma Würfel drehen zu können. Auf Dauer ist es ohnehin schädlich, immer mit Karma nachzuhelfen, denn ich muss Aktionen aufwenden, um mir das Karma zurückzuholen.
Sehr begehrt sind Plättchen mit Märkten (um damit wiederholt Geld zu verdienen). Glücklich kann sich schätzen, wer es wegen zufällig passender Würfelzahlen und zufällig passendem Plättchenangebot schneller schafft, drei unterschiedliche wertvolle Märkte zu ergattern. Seine Geldmaschine läuft schneller an.
Ich möchte ungern mit dem oft bemühten „Glücksspiel“-Argument kommen, doch in diesem Fall wirkt sich die Bedeutung vieler kleiner Zufälligkeiten ungünstig aufs Spielgefühl aus. Jeder erzwungene Kompromiss ist ein Tempoverlust. Und viele kleine Tempoverluste münden in einem Wettrennspiel in eine Niederlage. Zumal RAJAS OF THE GANGES das gute Vorankommen verstärkt: Wer viele Plättchen legen kann, kassiert für Anschlüsse Sondererträge. Wer schnell aus den Startlöchern kommt, sammelt Boni und Arbeiterfiguren auf den beiden Skalen früher ein.
Was taugt es? Vieles in RAJAS OF THE GANGES gefällt mir. Den Arbeitereinsatz mal nicht mit Rohstoffen, sondern mit Würfeln zu kombinieren, ist ein neuer Dreh. Und Würfel bedeuten natürlich auch: Zufall. Das ist eben so.
RAJAS OF THE GANGES hat den Reiz typischer Arbeitereinsatz-Spiele: Bestimmte Felder locken mehr, andere weniger. Man schaut beim Gegner, was er mit seinen Würfelaugen anstellen kann, und legt sich so die Reihenfolge seiner Projekte fest. Man kombiniert, man optimiert, man versucht, aus dem Vorhandenen das Beste herauszuholen.
Mit zunehmender Spielerfahrung sehe ich allerdings wenig Raum für Experimente. Es sind immer dieselben Dinge, auf die ich abziele. Und so bleibt nur die Frage: Erlauben Würfel und Plättchenauswahl dies oder erlauben sie es nicht?
Die gegenläufigen Punkte- und Geldskalen finde ich prinzipiell reizvoll und würde ihnen in weiteren Spielen gerne wiederbegegnen. Aber anders. Denn der Gewinn, den RAJAS OF THE GANGES aus der Idee zieht, ist nicht sonderlich hoch. Es würde keinen großen Unterschied machen, gäbe es nur eine Skala, und Punkte brächten darauf einen ganzen und Geld nur einen halben Schritt.
**** solide
RAJAS OF THE GANGES von Inka und Markus Brand für zwei bis vier Spieler, Huch.